Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Führung (inkl. Forschungsstand)
2.1 WasistFührung?
2.2 Definition von Führung
2.3 Führungsforschung
2.3.1 Klassische Führungstheorien
2.3.2 NeuereFührungstheorien
2.3.3 Fazitzu den klassischen und neueren Führungstheorien
2.3.4 Aktuelle Themen der Führungsforschung
3. Macht als komplexes Phänomen
3.1 WasistMacht?
3.2 Ebenen und Quellen der Macht
3.3 Die dunkle Seite der Macht auf den Machthaber
3.4 Die positive Seite der Macht auf den Machthaber
4. FührungundMacht
5. Digitale Führung bzw. E-Leadership
5.1 Was ist digitale Führung?
5.2 Kompetenzen von Führungskräften in der digitalisierten Welt
5.3 Herausforderungen der digitalen Führung
5.4 Umgang mit Macht in der digitalen Führung
6. Kritische Betrachtung und Diskussion
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufgaben der Führung (übernommen aus Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 5)
Abbildung 2: Zusammenhang des Führungserfolgs mit Motiven (entnommen aus Steinmann et al., 2015, S. 172)
1. Einleitung
Führung und Macht hängen direkt miteinander zusammen und insbesondere Führung in Zeiten der Digitalisierung bringen neue Möglichkeiten und Herausforderungen mit. Die Führungskräfte werden mit digitaler Transformation im Unternehmen, den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit und mit der Nutzung digitaler Technologien für den Führungsprozess konfrontiert.
In dieser Arbeit soll ein Überblick über das Thema Digitale Führung und ihren Herausforderungen (z.B. Umgang mit «Macht») gegeben werden. Es soll diskutiert werden, welche Eigenschaften und Kompetenzen mitgebracht werden sollten, um in einer zunehmend digitalisierten Welt erfolgreich führen zu können.
In den nachfolgenden Ausführungen soll zunächst ein Überblick über Theorien und Ansätze über Führung und Macht, dem Zusammenspiel über Führung und Macht sowie Digitale Führung bzw. E-Leadership hergestellt werden.
Dazu beginnt die Arbeit mit einem Überblick über Führung (Abschnitt 2), wobei zunächst vorgestellt wird, was Führung ist und wie Führung definiert wird. Dann folgt ein Überblick über verschiedene Theorien aus der Führungsforschung, von den klassischen bis zu den neueren Führungstheorien. Anschliessend folgt ein Resümee über die klassischen und neueren Theorien. Schliesslich wird mit einem Einblick in aktuelle Themen der Führungsforschung abgeschlossen.
Verschiedene Aspekte von Macht haben einen wichtigen Einfluss auf die Führung von Mitarbeitenden. Dazu wird das Thema der Macht näher beleuchtet (Abschnitt 3), indem zunächst angeschaut wird, was Macht überhaupt ist, um dann die verschiedenen Ebenen und Quellen von Macht, deren dunklen, aber auch positiven Seiten vorzustellen. Im Anschluss werden der Zusammenhang und das Wechselspiel zwischen Führung und Macht (Abschnitt 4) näher vorgestellt.
In der modernen Arbeitswelt gewinnt die digitale Führung an Bedeutung. Basierend auf den Grundlagen der vorangegangenen Kapitel werden im Abschnitt 5 die verschiedenen Facetten der digitalen Führung bez. E-Leadership näher betrachtet. Dazu wird zunächst geklärt, was unter digitaler Führung zu verstehen ist und welche Kompetenzen von Führungskräften in der digitalen Welt notwendig sind. Im Weiteren werden Herausforderungen der digitalen Führung sowie ein veränderter Umgang mit Macht in der digitalen Führung betrachtet.
Im drauf folgenden Abschnitt 6 werden die Effekte der digitalen Führung kritisch betrachtet und diskutiert. Die Arbeit wird mit einem Fazit abgeschlossen (Abschnitt 7).
2. Führung (inkl. Forschungsstand)
2.1 Was ist Führung?
Der Begriff der Führung ist ein schwer fassbarer Begriff, der sich auf grundlegend verschiedene Bereiche beziehen kann. Diese sind beispielsweise die Mitarbeiterführung, die Personalführung sowie die Unternehmensführung.
Im Bereich der Unternehmensführung liegt der Schwerpunkt auf strategischen Entscheidungen, wie der Planung, Organisation, Koordination und Steuerung verschiedener Bereiche (Kraus & Kreitenweis, 2020). Die Personalführung ist ebenfalls der Unternehmensführung zuzuordnen. Hier liegt der Fokus weniger auf dem individuellen Führen der Mitarbeitenden, sondern auf den Rahmenbedingungen, die unternehmensweit festgelegt werden. Dies können beispielweise Instrumente wie die leistungsbezogene Entlohnung sein. Die Rahmenbedingungen tragen auch zu der Unternehmenskultur bei, beispielsweise wieweit die Übernahme von Verantwortung durch die Mitarbeitenden gefördert wird (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Der letzte und in dieser Arbeit zentrale Aspekt der Führung ist die Mitarbeiterführung, das heisst die Interaktion der Führungskraft mit seinen Mitarbeitenden. Die Kernaufgabe einer Führungskraft ist dabei, sich, im Sinne der Unternehmensziele, selbst zu organisieren und seine Mitarbeitenden entsprechend anzuleiten. Dies hat dabei Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft («Wollen»), die Leistungsfähigkeit («Können») und den Handlungsspielraum («Dürfen») der Geführten, siehe auch Abbildung 1 (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aufgaben der Führung (übernommen aus Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 5)
Dabei handelt es sich um eine wechselseitige soziale Beziehung, bei der nicht nur Mitarbeitende von der Führungsperson beeinflusst werden, sondern auch umgekehrt (Wunderer, 2011).
2.2 Definition von Führung
Die moderne Führungsforschung ist ein stark angelsächsisch geprägterTeil derorgani- sationspsychologischen Forschung, welche auch unscharfe Schnittstellen zur betriebswirtschaftlichen Unternehmensforschung und zur Soziologie aufweist (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Um sich der Führungsforschung zu nähern, ist zuerst eine Definition des Begriffs notwendig, wobei die Literatur eine Vielzahl von Definitionen hervorgebracht hat. Exemplarisch seinen hier einige Definitionen aufgeführt:
- «Führung ist jede zielbezogene, interpersonelle Verhaltensbeeinflussung mithilfe von Kommunikationsprozessen» (Baumgarten, 1977, S. 9).
- «Führung ist Fremd-Willensdurchsetzung im Sinne einer intendierten, direkten, asymmetrischen Fremdbestimmung, die im Wege informierender, instruierender und motivierenderAktivitäten erfolgt» (Seidel, 1978, S. 81).
- «Führung ist die bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen (Rosenstiel, 2014, S. 4).
In der Definition von Northouse (2015) findet sich eine Vielzahl von Aspekten, über die weitgehende Einigkeit besteht (Auflistung nach Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 8):
- Führung als Ergebnis der sozialen Interaktion: Führung beruht auf einer wechselseitigen Interaktion von zwei oder mehreren Personen bzw. zwischen Führungskraft und Geführten.
- Führung als Einflussnahme: Beim Führen geht es darum, auf soziale Beziehungen einzuwirken bzw. die Geführten zu beeinflussen.
- Instrumente der Verhaltensbeeinflussung: Die Interaktion zwischen dem Führenden und Geführten wird durch Führungswerkzeuge gestaltet wie z.B. über Kommunikation, Motivation, Delegation oder Feedback.
- Führung ist zielbezogen: Führen ist stets mit einer Zielerreichung verbunden, wobei diese sowohl sachliche Komponenten (z.B. erfolgreiche Projektabnahme) als auch Beziehungskomponenten (z.B. zufriedene Mitarbeitende) aufweist.
- Führung als Rollendifferenzierung und Prozess: Die Beziehung zwischen Führendem und Geführten verläuft aufgrund der unterschiedlichen hierarchischen Ränge und Rollen i.d.R. asymmetrisch, aber dennoch wechselseitig, da auch die Geführten Einfluss auf die Führungskraft ausüben. Führung kann also generell als das Produkt eines gemeinsam gestalteten Prozesses angesehen werden (Weibler, 2016).
2.3 Führungsforschung
Im Nachfolgenden wird auf klassische und neuere Führungstheorien sowie auf aktuelle Themen der Führungsforschung eingegangen.
2.3.1 Klassische Führungstheorien
Die klassischen Führungstheorien können in drei Gruppen eingeteilt werden. Dies sind die eigenschaftsorientierten, die verhaltensorientierten sowie die situativen Führungstheorien (Kraus & Kreitenweis, 2020). Auch wenn sie als «klassisch» bezeichnet werden, habe diese Theorien einen wichtigen Einfluss auf die später beschriebenen modernen Ansätze.
2.3.1.1 Eigenschaftsorientierte Führungstheorien
Der eigenschaftsorientierte Ansatz stellt die Führungsperson in den Mittelpunkt und versucht den Führungserfolg mit Hilfe der Persönlichkeit der Führungskraft zu erklären (Nerdinger, 2014). Die Eigenschaften der Führungspersonen «[...] werden als zeitstabil und situationsunabhängig definiert, sie sollen klar feststellbar und messbar sein» (Stippler et al., 2017). Persönlichkeitseigenschaften sind wichtige Prädiktoren für das allgemeine Zusammenleben und das Wohlbefinden. Von daher liegt es nahe, diese auch im Bereich Führung anzuwenden.
Ein Modell zur Beschreibung von Persönlichkeitseigenschaften stellen die sogenannten «Big Five» dar: Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit sowie Offenheit für Erfahrungen (Amelang & Bartussek, 2001). Das Big-Five-Modell ist auf der Grundlage des lexikalischen Ansatzes entstanden. Dieser geht von der Annahme aus, dass sich Persönlichkeitseigenschaften auch in der Sprache niederschlagen bzw. im Wörterbuch durch entsprechende Begrifflichkeiten repräsentiert sind (Amelang & Bartussek, 2001). Auch wenn in der Forschung über die theoretische Fundierung des Big-Five-Modells und über die Anzahl der Merkmale diskutiert wird, hat es sich in vielen Studien als praktikabel erwiesen (Goldberg & Saucier, 1995).
Northouse (2015) identifiziert einige Eigenschaften, die sich positiv auf den Führungserfolg auswirken: Intelligenz, Selbstvertrauen, Entschlossenheit, Integrität und Kontaktfähigkeit. Basierend darauf können diese Eigenschaften beispielweise in Assessments zur Auswahl von Nachwuchsführungskräften herangezogen werden (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Verschiedene Untersuchungen können einen kleinen bis mittleren (z.B. bei der Intelligenz) Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Führungserfolg aufzeigen, bleiben aber bei den Befunden trotzdem oft widersprüchlich (Dennis & Bocarnea, 2005; Neuberger, 2002). Ein Grund für die vergleichsweise moderate Korrelation zwischen Intelligenz und Führungserfolg könnte darin liegen, dass die absolute Höhe der Intelligenz weniger relevant ist, es jedoch wichtig ist, dass die jeweilige Führungskraft bezüglich der Aufgaben intelligenter ist als die von ihr Geführten (Nerdinger, 2014). Neuere Untersuchungen haben nämlich aufgezeigt, dass der optimale Intelligenzquotient (IQ) der Führungsperson hinsichtlich der wahrgenommenen Führungsqualität um ca. 1.2 Standardabweichungen über dem durchschnittlichen IQ in dergeführten Gruppe liegt (Antonakis et al., 2017).
Neben der Intelligenz wurden weitere Persönlichkeitseigenschaften eruiert, die für den Führungserfolg von Bedeutung sind. Judge et al. (2002) haben in ihrer umfassenden Metaanalyse folgende weitere Zusammenhänge zwischen den Big-Five und dem Führungserfolg ermittelt: Die Dimensionen Extraversion und Gewissenhaftigkeit korrelieren positiv, Neurotizismus aber korreliert negativ mit dem Führungserfolg. Absolut betrachtet sind die Zusammenhänge zwar nur moderat ausgeprägt, da sie jedoch in relativ vielen Studien gefunden wurden, sind sie trotzdem als sehr stabil zu betrachten (Nerdinger, 2014).
Durch diese positiven Effekte ermutigt, findet in jüngster Zeit wieder eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Führungserfolg statt, insbesondere die «dunkle Seite» der Persönlichkeit wie z.B. Narzissmus stösst dabei auf reges wissenschaftliches Interesse (Nerdinger, 2014).
Fazit: Die Persönlichkeit der Führungskraft hat also durchaus Einfluss auf den Führungserfolg, den Erfolg kann sie jedoch nur teilweise erklären (Nerdinger, 2014; Neuberger, 2002). Daher sollten weitere Aspekte wie z.B. durch die Sozialisation erworbene (v.a. soziale) Fertigkeiten oder das Führungsverhalten selbst berücksichtigt werden (Nerdinger, 2014; Neuberger, 2002).
2.3.1.2 Verhaltensorientierte Führungstheorien
Die verhaltensorientierten Führungstheorien fokussieren sich auf die unterschiedlichen Verhaltensmuster bzw. die Führungsstile und die Konsequenzen des Führungsverhaltens, um den Führungserfolg vorherzusagen (Nerdinger, 2014).
Die ersten Forschungen dazu fanden in den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhundert mit den «Boys Club Experimenten» (Lewin, 1939) statt. In den Experimenten wurde untersucht, wie ein autoritäres, ein demokratisches und ein laissez-faire Führungsverhalten von Lehrern sich z.B. auf die Leistung oder die Zufriedenheit der Schüler auswirkten.
Diese Forschung wurde unter anderem von Stogdill und Coons (1957) sowie von Likert (1961) fortgesetzt. Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie folgende drei wichtige Dimensionen des Führungsverhaltens bzw. Führungsstils identifizieren (Kraus & Kreitenweis, 2020): Die Aufgabenorientierung (Erfüllung der Aufgaben und Ziele im Vordergrund), die Mitarbeiterorientierung (Bedürfnisse und Interessen der Mitarbeitenden zentral für den Führungserfolg) und die Partizipation (Einbindung der Mitarbeitenden in Entscheidungsfindung).
Eines der bekanntesten verhaltensorientierten Führungsmodelle ist das von Blake und Mouton (1992) entwickelte Verhaltensgitter bzw. Managerial Grid oder Leadership Grid, das einen aufgaben- und einen mitarbeiterorientieren Führungsstil als optimal betont (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Fazit: Auch die Ansätze der verhaltensorientierten Führungsforschung konzentrieren sich, wie die eigenschaftsorientierten Theorien, sehr stark auf die Person der Führungskräfte (Nerdinger, 2014). Ein wesentlicher Beitrag der Verhaltenstheorien ist die Definition der beiden für das Führungsverhalten wichtige Kategorien in Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung (Kraus & Kreitenweis, 2020). Weil aber diese Ansätze einen idealen Führungsstil beanspruchen, wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass unterschiedliche Branchen, Funktionen, Hierarchien, Mitarbeitende etc. auch unterschiedlich angepasste Verhaltensweisen erfordern können (Kraus & Kreitenweis, 2020). Auch wird vernachlässigt, dass ein bestimmter Führungsstil ganz wesentlich von den situativen Rahmenbedingungen abhängt (Hungenberg & Wulf, 2015). Wunderer (2011) sieht die Annahme dieses Konzepts bestätigt, dass es keinen universell erfolgreichen Führungsstil geben kann, sondern dass dieser situationsbezogen ändern muss. Die Führungskraft passt also seinen Führungsstil möglichst an den Bedarf des Mitarbeitenden an (Wunderer, 2011).
2.3.1.3 Situative Führungstheorien
Als die Führungsforschung nach einem langen Entwicklungsverlauf zu der Erkenntnis gekommen war, dass es die idealen Führungseigenschaften, den einen Führungsstil oder das optimale Führungsverhalten nicht gibt, wurden ab den 1960er Jahren die situativen Führungstheorien vertieft untersucht (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Die situativen Ansätze nehmen an, dass unterschiedliche Situationen bzw. Rahmenbedingungen, in denen sich Führende und Geführte befindet, auch unterschiedliche Führungsverhalten bzw. Führungsstile erfordern (Hungenberg & Wulf, 2015). Sie versuchen, den bestmöglichen Führungsstil zu erkennen, der in einer bestimmten Situation den höchstmöglichen Führungserfolg verspricht (Hungenberg & Wulf, 2015). Die Forschung konzentrierte sich dabei auf Charakteristika der geführten Personen als relativ stabile situative Merkmale (Yuki, 2011).
Eine der ersten situativen Führungstheorien ist der von Fiedler (Fiedler, 1967, 1987) entwickelte Kontingenzansatz. Den Kontingenztheorien nach, bedarf es einen der spezifischen Führungssituation angepasstes Führungsverhalten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Fiedler, 1967). Im Hinblick auf eine erfolgreiche Führung ist also mit Kontingenz das gemeinsame Auftreten von situativen und personalen Faktoren zu verstehen. Fiedler (1987) unterscheidet ebenfalls ein mitarbeiterorientiertes und ein aufgabenorientiertes Führungsverhalten und empfiehlt, diese beiden Führungsstile miteinander zu kombinieren (Fiedler, 1987). Der Führungserfolg hängt nach Fiedler (1967, 1987) von folgenden drei Ausprägungen einer Führungssituation (den sog. situativen Günstigkeiten) ab:
- Positionsmacht des Vorgesetzen (hat die Führungskraft formal und informell einen hohen oderehergeringen Einfluss?)
- Strukturierungsgrad der Aufgabe (stehen strukturierte oder eher unstrukturierte Aufgaben an?)
- Interpersonelle Beziehungen (besteht zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitenden ein gutes oder ehr schlechtes Verhältnis?)
Demnach ist in sehr günstigen und sehr ungünstigen Situationen ein aufgabenzentriertes Führungsverhalten und in mässig günstigen Situationen ein beziehungsorientiertes bzw. mitarbeiterzentriertes Führungsverhalten erfolgreich (Fiedler, 1967, 1987; Stippleret al., 2017). Fiedlers Befunde sind jedoch aufgrund empirischer Befunde in der heutigen Führungsforschung recht umstritten (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Ein weiteres situatives Führungskonzept nutzt den Reifegrad der geführten Mitarbeitenden, um daraus das angemessene Führungsverhalten abzuleiten (Hersey et al., 2013). Der Reifegrad eines Mitarbeitenden wird durch die aufgabenbezogene Reife (fachliche Kompetenz, Fähigkeit zur selbständigen Erledigung übertragener Aufgaben etc.) sowie die psychologische Reife (z.B. Motivation) bestimmt (Hersey et al., 2013). Daraus werden wiederum vier Erfolg versprechende Führungsstile abgeleitet (Kraus & Kreitenweis, 2020): (1) Anweisen und Dirigieren (telling), (2) Anleiten und Trainieren (selling), (3) Unterstützen und Beraten (participating), (4) Deligieren (delegating).
Fazit: Situative Führungstheorien werden hauptsächlich dahingehend kritisiert, dass die Auswahl der Situationsmerkmale willkürlich geschieht und dass die Situationsvariablen nur sehr vage definiert sind (Wunderer, 2011). Ähnlich wie bei den eigenschaftsorientieren Führungstheorien wird die Führungsperson als «great man» betrachtet, der je nach Situation unterschiedliche Verhaltensweisen bedarfsorientiert einsetzen kann (Aretz, 2019). Dabei werden die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten der Situation durch den Führenden vernachlässigt, wodurch die Führungskraft zu einer nur auf die Situation reagierende Person begrenzt wird (Aretz, 2019).
2.3.2 Neuere Führungstheorien
Im Folgenden werden einige neuere Führungstheorien beschrieben. Dies sind die charismatische Führung, transaktionale und transformationale Führung, implizite Führungstheorien sowie beziehungsorientierte Führungstheorien.
Ausgehend von Webers (1968) Definition von Charisma als Überbegriff von Innovation und Wandel in Gesellschaften wurde der Begriff im Kontext der Unternehmensführung eingeführt. Dort beschreibt er einerseits eine Verhaltensweise von Führungskräften als auch eine Eigenschaft von Führungskräften, welche ihnen von ihren Mitarbeitenden zugeschrieben wird (Conger et al., 1997).
Für charismatische Führung sind nach Davis und Gardner (2012) folgende Eigenschaften von Führungspersonen bezeichnend: (1)Eine Führungsperson besitzt eine ungewöhnliche Persönlichkeit und ausseralltägliche Fähigkeiten. (2) Die Mitarbeitenden vertrauen der Führungskraft und ihren Fähigkeiten. (3) Die Firma befindet sich in einer schwierigen Krisensituation. (4) Die Führungskraft bringt eine Lösung für die Probleme. (5) Häufige Erfolge attestieren die Fähigkeiten der Führungskraft. Dabei wird offensichtlich, dass die charismatische Führung auch von der Beziehung der Führungskraft zu den Mitarbeitern abhängt (Shamir et al., 1993).
Weitere moderne Forschungsansätze sind die transaktionale und transformationale Führung und wurden mit den Arbeiten von Bass (1990) und Burns (1978) begründet.
Transaktionale Führung beschreibt dabei den konstruktiven Austauschprozess (bzw. die Transaktion) zwischen dem Mitarbeitenden und der Führungskraft. Der Fokus liegt auf genauen Zielsetzungen, klaren Regelungen und Strukturen, Sanktions- und Kontrollmechanismen (Bass, 1990; Burns, 1978). Zudem sind nach Bass (1998) wesentliche Verhaltensweisen einer transaktionalen Führungskraft ein leistungsabhängiges Belohnen der Mitarbeitenden sowie das aktive und passive Führen nach dem Ausnahmeprinzip (Management by Exception), wodurch dem Mitarbeitenden viel Freiraum gegeben wird.
Die transformationale Führung hingegen charakterisiert Bass (1990) mit der Fürsorge für jeden einzelnen Mitarbeitenden, der geistigen Anregung und der Inspiration der Mitarbeitenden und dass die Führungskraft als charismatisches Vorbild wirkt. Beim transfor- mationalen Führungsverhalten steht also die Transformation, d.h. die Entfaltung der Mitarbeitenden im Fokus (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Die transaktionale und die transformationale Führung wurden später von Bass und Avolio (1997) zu dem «Full-Range-Leadership Model» zusammengefasst und um den laissez-faire Führungsstil als niedrigste Stufe ergänzt. Damit soll das Modell Führung von passivem Verhalten bis zu ausgereifter Führung mit transformationalem Verhalten abdecken (Bass & Avolio, 1997). Laut Bass und Avolio (1997) ergänzen sich transaktionale und transformationale Führungsstile und bauen aufeinander auf.
Implizite Führungstheorien hingegen betrachten Führungspersonen aus der Sicht des Geführten und wieweit er oder sie offen für die Einflussnahme sind (Lang, 2014). Ein zentraler Aspekt ist dabei, wieweit die Führungskraft in das eigene Schema «wie soll eine Führungskraft sein» passt (Foti et al., 2014; Lord & Maher, 1993). Hier stehen also die subjektiven Wahrnehmungen und Vorstellungen der Mitarbeitenden bezüglich ihrer Vorgesetzen im Mittelpunkt.
Die beziehungsorientierten Führungstheorien oder Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX) rücken die wechselseitige dyadische Beziehung der Führungskraft und der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt (Graen, 1976; Graen & Cashman, 1975). Dort besteht die Führung einer Gruppe aus einer vertikalen Beziehung. In der LMX-Theorie lässt sich jeder Mitarbeitende einer In- oder Out-Gruppe zuordnen, die damit einen grundverschiedenen Umgang mit der Führungskraft haben. In-Group-Mitarbeitenden widmet die Führungskraft viel Zeit und Aufmerksamkeit, Out-Group-Mitarbeitenden wird jedoch eher weniger Zeit in die Beziehungsgestaltung investiert (Kraus & Kreitenweis, 2020). In-Group-Mitarbeitende sind mit ihrer Arbeit zufriedener, erbringen dadurch höhere Arbeitsleistungen, sehen sich gegenüber der Organisation stärker verbunden und sprechen entsprechend weniger Kündigungen aus (Kraus & Kreitenweis, 2020).
2.3.3 Fazit zu den klassischen und neueren Führungstheorien
Die klassischen Führungstheorien werden dahingehend kritisiert, dass von einer einseitigen Einflussnahme seitens der Führungskraft ausgegangen wird, dass in sozialen Organisationssituationen klar ist, wer führt und damit mit Macht ausgestattet ist, und wer geführt wird oder dass situative und organisationale Bedingungen vernachlässigt werden (Aretz, 2019). Die neueren Führungstheorien basieren, im Gegensatz zu den klassischen Führungsansätzen, auf einem differenzierteren Menschenbild und der Mensch wird holistischer betrachtet (Franken, 2019).
Die Vereinheitlichung in eine einzige Führungstheorie ist aufgrund der Komplexität der Führungsrealitäten trotz aller Bemühungen bisher nicht gelungen (Kraus & Kreitenweis, 2020). Die Führungsforschung bietet zwar Elemente und Ansätze, die in oder für bestimmte Führungssituationen hilfreich sind, jedoch gibt es den einen Führungsstil mit der einzig richtigen oder besten Führungstheorie, der immer zum Erfolg führen würde, nicht (Neuberger, 2002).
Um auf die vielfältigen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt eingehen zu können, müssen zusätzlich aktuelle Themen der Führungsforschung (z.B. kulturelle oder ethische Aspekte der Führung oder die agile Führung) berücksichtigt werden, damit Trends wie Digitalisierung oder Diversität von den Führungskräften bewältigt werden können. Diese aktuellen Themen werden im nachfolgenden Kapitel behandelt.
2.3.4 Aktuelle Themen der Führungsforschung
Die neuere Forschung sieht Führung als ein komplexeres Thema, das über die alleinige Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden hinaus geht (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Dabei besitzt die Unternehmenskultur eine hohe Relevanz bei der Betrachtung von Führung (Brockmann, 2020), worunter man die «Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen» (Brockmann, 2020, S. 25) versteht. Die Führungskultur leitet sich aus der Unternehmenskultur ab, sie stehen aber auch in einem Wechselspiel zueinander (Brockmann, 2020). Einerseits beeinflusst die Unternehmenskultur die Führungsperson als auch von dieser angewandte Führungsstil (Kraus & Kreitenweis, 2020). Das ASA-Modell (attraction-selection-attrition) von Schneider (1987) bietet hierfür einen Ansatzpunkt: Mitarbeitende fühlen sich zu Organisationen hingezogen, deren Mitglieder ihnen in Bezug auf Persönlichkeit, Werte oder Interessen ähnlich sind (attraction), Organisationen wählen eher diejenigen aus, die über ähnliche Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, wie ihre bestehenden Mitglieder (selection), im Verlaufe der Zeit verlassen diejenigen Mitarbeitenden die Organisation eher, die nicht gut hineinpassen (attrition). Andererseits kann aber auch von Führungskräften gelebte Führungsverhalten die Unternehmenskultur einer Organisation beeinflussen (Kraus & Kreitenweis, 2020).
Die Organisationskultur vermittelt in Zeiten gesellschaftlicher und technologischer Umbrüche einerseits Sicherheit, andererseits macht sie Veränderungen auch schwieriger umsetzbar (Schein, 2017).
Dies greift beispielweise Kotter (2012) auf, um Führung und Veränderung («Change») zu beschreiben. Dazu zeigt er in seinem 8-Stufen-Modell (Kotter, 2012) auf, wie Veränderungsprozesse herbeigeführt werden können und wie diese ablaufen. Diese acht Stufen lassen sich in drei Phasen einteilen (Kotter, 2012): Ein Klima für die Notwendigkeit von Veränderungen wird geschaffen (Stufen 1 bis 3), Veränderungsvisionen werden kommuniziert und v.a. Mitarbeitende befähigt (Stufen 4 bis 6) und schliesslich werden Veränderungen nachhaltig umgesetzt und verankert (Stufen 7 bis 8).
Auch spielen ethische Aspekte eine immer wichtigere Rolle bei der Betrachtung von Führung (Kraus & Kreitenweis, 2020). Bereits im Modell der transformationalen bzw. charismatischen Führung finden sich Ansätze zur Auseinandersetzung mit ethischmoralischen Aspekten der Mitarbeitendenführung (Felfe, 2009). Howell und Avolio (1992) unterscheiden hierbei zwischen ethischen und unethischen charismatischen Führungspersonen, indem die ethischen ihre Macht in den Dienst anderer stellen, unethische aber auf die Durchsetzung persönlicher Ziele abzielen. Nach Ciulla (2009) sind drei Facetten ethischer Führung von Bedeutung, nämlich die der Führungshandlungen und ihre Konsequenzen, der Führungsstil und Führungsprozess sowie die persönlichen ethisch-moralischen Gründe und Intentionen der Führungskraft (Kraus & Kreitenweis, 2020).
[...]