Der Gerichtstag des Löwen im mittelalterlichen „Reinhart Fuchs“


Dossier / Travail, 2008

14 Pages, Note: 2,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung
1.1 Unterteilung des Werkes in drei Abschnitte
1.2. Autor und zeitliche Einordnung

2. Recht und Rechtsauffassung im Mittelalter

3. Allgemeine Darstellung eines Gerichts- / Hoftages jener Zeit
3.1. Formalia

4. Darstellung des Gerichtstages im „Reinhart Fuchs“

5. Fazit

6. Literaturangabe
6.1 Literaturverweise

1. Vorbemerkung

Diese Arbeit betrachtet die Darstellung von Recht und Rechtsbeschreibung in dem von Heinrich der Glîchezâre Ende des 12. Jahrhunderts verfassten mittelalterlichen Tierepos „Reinhart Fuchs“.

Der Darstellung des Gerichtstages in Hinblick auf eine mögliche Einordnung des Epos als Rechtssatire kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weshalb das Hauptaugenmerk daher dem dritten und finalen Teil des Werkes gewidmet ist.

Die Frage nach der Einordnung des Werkes als Satire macht neben der Betrachtung des Gerichtstages auch den Vergleich zwischen üblichem Recht jener Zeit und dem von Heinrich dargestellten Gerichtstag notwendig, da erst hierdurch eine Intention des Autors erkennbar werden kann. Die Kenntnis des Werkes gilt dabei als vorausgesetzt.

1.1 Unterteilung des Werkes in drei Abschnitte

Ein nicht näher bekannter Autor namens Heinrich der Glîchezâre verfasste Ende des 12. Jahrhunderts (siehe 2.) den ,,Reinhart Fuchs" und damit das erste deutschsprachige Tierepos. Die Verserzählung rund um das höfische Leben hat den arglistigen Fuchs Reinhart als Hauptfigur, welcher sich mit Gerissenheit und Schläue aus allerlei brenzligen Situationen rettet und schließlich über seine Widersacher triumphiert. Das Werk ist in drei Teile gegliedert und umfasst insgesamt 2248 Verse, zuzüglich einer Schlussbemerkung des Überarbeiters. Der erste Abschnitt (Verse 13 - 384) befasst sich in Form eines Schwankes mit dem Ansinnen des Fuchses an Beute zu gelangen, wobei er jedoch scheitert. Auch wenn bereits die Listigkeit des Fuchses deutlich wird, sind seine Mühen noch nicht erfolgreich. Dem Leser wird somit zunächst ein angenehmes Bild vom Fuchs zuteil.

,,Das epische Vorzeichen ist wohl deshalb verquer gesetzt, weil es im Hinblick auf die späteren, vielfach kriminell zu nennenden Taten des Protagonisten nötig schien, diesem beim Publikum einige Sympathien zu sichern."[1]

Der zweite Abschnitt (Verse 385 - 1238) beschreibt die Gevatterschaft von Fuchs Reinhart und Wolf Isengrin, wobei die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Wolfsfamilie zum Fuchs als Grundlage für den Ehebruch der Wolfsgattin Hersant mit dem Fuchs erkennbar sind. Der Ehebruch und weitere durch den Fuchs verübte Taten bedingen den Bruch der Gevatterschaft und münden schließlich in seelischer und körperlicher Verstümmelung des Wolfes Isengrin.

Der dritte und finale Abschnitt (Verse 1239 - 2248) beschreibt den von König Vrevel dem Löwen einberufenen Hoftag, auf dem gegen Reinhart gerichtet werden soll. König Vrevel tyrannisierte zuvor das Ameisenvolk und erkrankt, nachdem ihm eine Ameise aus Rache durch das Ohr in den Kopf krabbelte. Dies gibt Vrevel Anlass, einen Hoftag einzuberufen, welcher dann den Rahmen für die Klage gegen Reinhart bildet. Die Ameise im Kopf des Königs beziehungsweise die daraus resultierende Erkrankung gibt Reinhart die Gelegenheit, sich als Arzt auszugeben und durch die Heilung von Vrevel nicht nur sein Leben zu retten, sondern sich auch seiner Widersacher zu entledigen beziehungsweise sich an Ihnen zu rächen.[2]

1.2. Autor und zeitliche Einordnung

Als Verfasser des Reinhart Fuchs wird in den drei überlieferten Handschriften S, P und K Heinrich genannt, welcher den Beinamen „der Glîchezâre“ trägt.[3] Obwohl dieser im Reinhart Fuchs mit „Spielmann“ übersetzt wird[4], trifft am ehesten eine Übersetzung mit „Heuchler“ zu. Der veraltete Ausdruck „Gleisner“ geht auf das mittelhochdeutsche „glîsnēre“ beziehungsweise „gelîchsenāēre“ zurück, was soviel bedeutet wie „jemandem gleichtun, sich verstellen, heucheln“.[5]

Es ist umstritten, ob man den Reinhart Fuchs direkterweise auf den frz. „Roman de Renart“ (im folgenden RdR) zurückführen kann, oder ob noch zeitlich früher einzuordnende Quellen als Basis für ihn dienten. Die allgemeine Auffassung plädiert für den „RdR“ als Ursprungstext, der dann von einem als gebildet anzusehenden, möglicherweise dem Klerus oder Adel entstammenden Autor in seine Zeit umgeschrieben wurde.[6] Eine andere Theorie sieht dafür keine festen Belege und stellt den lateinischen „Ysengrimus“ als dem Reinhart Fuchs am nächsten kommend dar. Insbesondere die Figur des Löwen und die im Vergleich zum „RdR“ vulgärere Ausdrucksweise des „Ysengrimus“ stützen diese These.[7] Es kann gesichert davon ausgegangen werden, daß der Verfasser Heinrich sowohl den „RdR“ als auch den „Ysengrimus“ kannte.[8]

2. Recht und Rechtsauffassung im Mittelalter

Das, was wir in der heutigen Zeit unter „Recht“ und „Rechtsprechung“ verstehen, war im 11. und 12. Jahrhundert völlig unbekannt. Unser heutiges Recht basiert auf festgeschriebenen Gesetzen, die in Paragraphen und Verordnungen von jedem jederzeit eingesehen beziehungsweise nachgelesen werden können.

Dieses „positive“ Recht[9] basiert auf Veränderbarkeit durch die staatliche Instanz, was im Mittelalter des 12. Jahrhunderts noch gänzlich unbekannt war. Zu jener Zeit galt das Recht als ein überliefertes (göttliches) Gut, das zu schützen sei und gleichsam unveränderlich über den Dingen steht. Der Staat war, im Gegensatz zu heute, lediglich Bewahrer beziehungsweise Beschützer des Rechts, was erst seine Daseinsberechtigung rechtfertigte.[10]

In jedem Konflikt bezog man sich auf das Gewohnheitsrecht, das „alte“ Recht, das schon immer galt. Rechtsbruch zog daher die Wiederherstellung des alten Rechts nach sich, nicht die Erschaffung oder Einführung neuen Rechts:

„Nicht der Staat, sondern ’Gott ist der Anfang alles Rechts’. Das Recht ist ein Stück der Weltordnung; es ist unerschütterlich. (…) Hat irgendwer (…) ein ’Recht’ geschaffen, welches einem guten alten Herkommen widerspricht, (…) so war jenes neugeschaffene Recht kein Recht, sondern Unrecht, (…) und es ist Pflicht eines jedes Rechtsgenossen, (…) das verdunkelte, gute alte Recht wiederherzustellen.“[11]

Erst der von Eike von Repgow verfasste Sachsenspiegel stellt die erste Sammlung von Leitsätzen (nicht Gesetzen) des Alltagsrechts dar und ist damit die Keimzelle der heutigen „positiven“ Rechtsauffassung.[12] Über die genaue Entstehungszeit des Sachsenspiegels herrscht Unklarheit:

„Wo Eike seinen Sachsenspiegel geschrieben - oder besser: diktiert hat - wird wohl unbekannt bleiben. (…) Man ist sich einig darüber, daß der Sachsenspiegel zwischen 1220 und 1235 entstanden sein muß (…).[13]

[...]


[1] Ruh, Kurt: Höfische Epik des deutschen Mittelalters. Band 2: Reinhart Fuchs, Lanzelet, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Berlin 1980, S. 18

[2] Gemeint ist hier die „Rache“ oder auch besser „Genugtuung“ für im rechtlichen Sinne (zum Teil) korrektes Verhalten seiner „Widersacher“, welches jedoch dem Fuchs Reinhart Schaden hätte zufügen können. Zum Rachebegriff siehe auch: Ehrismann, Ottfried: Ehre und Mut, Âventiure und Minne: höfische Wortgeschichten aus dem Mittelalter, München 1995, S. 154ff.

[3] Vgl. hierzu: Düwel, Klaus: Heinrich, Verfasser des Reinhart Fuchs. In: Ruh, Kurt (Hrsg.): Die Deutsche Literatur der Mittelalters, Verfasserlexikon., Berlin 1981

[4] Göttert, Karl-Heinz (Hrsg.): Heinrich der Glîchezâre. Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Stuttgart 2005, S.123, V 1786 / S. 151, V 2250f.

[5] Vgl. Duden: Das Herkunftswörterbuch, Mannheim 1989

[6] Vgl. Büttner, Herrmann: Der Reinhart Fuchs und seine französische Quelle, Straßburg 1891

[7] Vgl. Jauß, Hans Robert: Untersuchungen zur mittelalterlichen Tierdichtung, Tübingen 1959 und Göttert, Karl-Heinz: Nachwort zur Ausgabe (2005)

[8] Widmaier, Sigrid: Das Recht im Reinhart Fuchs, Berlin, New York 1993, S.4f

[9] Siehe hierzu: Starck, Christian: Der demokratische Verfassungsstaat: Gestalt, Grundlagen, Gefährdungen, Tübingen 1995, S.403ff.

[10] Frey, Mark: Zwei Varianten des Reinhart Fuchs, Bern, Frankfurt a.M., New York 1985, S.186

[11] Kern, Fritz: Recht und Verfassung im Mittelalter, Darmstadt 1952, S.13f.

[12] Vgl. hierzu ein Standardwerk zur Rechtsgeschichte: Wessel, Uwe: Geschichte des Rechts: Von den Frühformen bis zur Gegenwart, München 2001.

[13] Kroeschell, K.: Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Mohnhaupt, Heinz (Hrsg.): Rechtsgeschichte in den beiden Deutschen Staaten, 1988-1990: Beispiele, Parallelen, Positionen, Frankfurt a.M. 1991, S.237

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Der Gerichtstag des Löwen im mittelalterlichen „Reinhart Fuchs“
Université
University of Wuppertal  (Fachbereich A: Geistes- und Kulturwissenschaften)
Cours
Reinhart Fuchs
Note
2,0
Année
2008
Pages
14
N° de catalogue
V129887
ISBN (ebook)
9783640391356
ISBN (Livre)
9783640391523
Taille d'un fichier
627 KB
Langue
allemand
Annotations
Diese Arbeit betrachtet die Darstellung von Recht und Rechtsbeschreibung in dem von Heinrich der Glîchezâre Ende des 12. Jahrhunderts verfassten mittelalterlichen Tierepos „Reinhart Fuchs“. Die Frage nach der Einordnung des Werkes als Satire macht neben der Betrachtung des Gerichtstages auch den Vergleich zwischen üblichem Recht jener Zeit und dem von Heinrich dargestellten Gerichtstag notwendig, da erst hierdurch eine Intention des Autors erkennbar werden kann.
Mots clés
Gerichtstag, Löwen, Fuchs“
Citation du texte
Anonyme, 2008, Der Gerichtstag des Löwen im mittelalterlichen „Reinhart Fuchs“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129887

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