Die private Sicherheitsbranche erlebt einen rasanten Aufstieg. Doch ist hierin folglich ein Rückzug des Staates zu sehen oder vielmehr eine Reorganisation und Veränderung der Leistungstiefe durch die Konzentration auf wesentliche Aufgaben? Kann ein Rückgriff auf Private zu einer Entlastung der Polizei führen und gleichzeitig mehr Sicherheit schaffen? Wie wird diese Sicherheit gemessen und hat sich der Blick auf Sicherheit in den vergangenen Jahren verändert? In diesem Buch wird der Frage nachgegangen, wo im Aufgabenbereich innere Sicherheit Privatisierungs- und Entgrenzungsprozesse feststellbar sind und welche Auswirkungen diese für Staat und Gesellschaft mit sich bringen. Ferner ist es notwendig, die bestehende Zusammenarbeit zwischen Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen zu beleuchten, um festzustellen, welche Aufgaben von privaten Sicherheitsdiensten übernommen werden können und welche zwingend in öffentlicher Hand verbleiben müssen.
Prekärer werdende Finanzsituationen stellen die Aufgaben und Tätigkeiten der Polizei im Hinblick auf eine Verlagerung einiger Handlungsfelder zugunsten der privaten Sicherheitsdienste auf dem Prüfstand: In Hamburg und anderswo streifen Fahrzeuge privater Sicherheitsunternehmen mit dem werbewirksamen Aufdruck "Wir unterstützen die Polizei" durch die Straßen, Mitarbeiter der DB Sicherheit patrouillieren auf Bahnhöfen und das Gepäck am Flughafen wird von "Securitas"-Mitarbeitern durchleuchtet, die ebenfalls die Kontrolle der Passagiere vornehmen. Hier treten private Sicherheitsdienstleister auf, die rudimentäre Sicherheits- und Ordnungsaufgaben übernehmen. Die Entstaatlichung von Sicherheitsaufgaben wird häufig mit Effektivitäts- und Effizienzargumenten begründet. Der Staat solle "verschlankt" werden, um Kosten zu senken. Ein Grund für die Tätigkeitserweiterung der Privaten ist offenbar aber auch der Umstand, dass der Bürger sich vom Staat allein nicht mehr ausreichend beschützt fühlt.
Kann der Staat auch weiterhin das Bedürfnis nach Sicherheit der Bevölkerung befriedigen? Gleichzeitig scheint die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung zu steigen. Der Terrorismus, insbesondere in seiner Variante des globalen Kleinkrieges, trägt zu einer Verschärfung bei. Im Zuge der Bekämpfung muss ein Spagat zwischen gesteigertem Sicherheitsbedürfnis auf der einen und Wahrung der Freiheitsrechte auf der anderen Seite gelingen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Fragestellung
- Der Wunsch nach Sicherheit
- Das Gewaltmonopol des Staates
- Private Sicherheitsdienste und die Polizei
- Bestehende Kooperationen in den Bundesländern der BRD
- PPP – Public Private Partnership / Police Private Partnership
- Realisierungs-Modi und Erscheinungsformen
- Die Beleihung
- Die Luftsicherheitskontrolle
- Die Verkehrsüberwachung
- Erscheinungsbild und Auftreten der Privaten
- Männlichkeitspräsentationen
- Ausbildung und Studium in der Sicherheitsbranche
- Kriminalitätsfurcht und Sicherheitsbedürfnis
- Kriminalitätsfurcht in der viktimären Gesellschaft
- Vor-verlagerte Prävention und neue soziale Kontrolle
- Differente Kontrollkulturen
- Zur öffentlichen Wahrnehmung der privaten Sicherheitswirtschaft
- Zerbrochene Fenster
- Die Sicherheitsgesellschaft
- Gouvernementalität und Sicherheit
- Wie funktioniert Gouvernementalität?
- Risikoprävention
- Wohlfahrtsstaat versus Neoliberalismus
- Der aktivierende Sozialstaat
- Welfare - Workfare - Prisonfare
- Blame-the-Victim, die Rache an der gelabelten Unterschicht
- Reorganisation der Verwaltung: Eine Neuausrichtung mit Folgen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die zunehmende Privatisierung von Polizeiaufgaben im Kontext des deutschen Sicherheitsdiskurses. Sie beleuchtet die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung und untersucht die Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit, den Sozialstaat und die demokratischen Strukturen. Die Analyse stützt sich auf verschiedene theoretische Ansätze, darunter die Gouvernementalitätstheorie, die kritische Sicherheitsforschung und die Soziologie der Kriminalität.
- Die Verlagerung von staatlichen Aufgaben in den privaten Sektor im Bereich der Sicherheit
- Die Rolle von privaten Sicherheitsdiensten und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei
- Die Auswirkungen der Privatisierung auf die Kriminalitätsfurcht und das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung
- Die Entwicklung einer "Sicherheitsgesellschaft" und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen
- Die Folgen der Privatisierung von Polizeiaufgaben für den Sozialstaat und die demokratischen Strukturen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der Privatisierung von Polizeiaufgaben ein und stellt die Forschungsfrage sowie die methodischen Grundlagen der Arbeit dar. Das zweite Kapitel analysiert den Wunsch nach Sicherheit und beleuchtet das Gewaltmonopol des Staates sowie die Bedeutung der inneren und äußeren Sicherheit in der heutigen Zeit. Das dritte Kapitel widmet sich der Rolle von privaten Sicherheitsdiensten und deren Kooperation mit der Polizei. Es werden verschiedene Formen der Zusammenarbeit, die Realisierungs-Modi und das Erscheinungsbild der privaten Sicherheitsbranche beleuchtet. Kapitel vier beschäftigt sich mit Kriminalitätsfurcht und Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Es werden die Ursachen für die steigende Kriminalitätsfurcht, die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die verschiedenen Kontrollkulturen analysiert. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Konzept der "Sicherheitsgesellschaft" und untersucht die Entwicklung und die Auswirkungen dieser neuen Gesellschaftsform. Das sechste Kapitel schließlich analysiert den Zusammenhang zwischen Privatisierung, Sozialstaat und Neoliberalismus. Es werden die Auswirkungen der Privatisierung auf den Wohlfahrtsstaat, die Reorganisation der Verwaltung und die soziale Ungleichheit diskutiert.
Schlüsselwörter
Privatisierung, Polizeiaufgaben, Sicherheit, Sicherheitsdienste, Kriminalitätsfurcht, Sicherheitsbedürfnis, Sicherheitsgesellschaft, Gouvernementalität, Sozialstaat, Neoliberalismus, Kontrollkulturen, Public Private Partnership (PPP), Effizienz, Effektivität, Staatsaufgabendiskussion, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Kriminalität, Risiko, Prävention.
- Citar trabajo
- Florian Lautenschläger (Autor), 2019, Die Privatisierung von Polizeiaufgaben. Zieht der Staat sich zurück?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1299450