„Wenn wir die Feinheiten und Elaboriertheiten akademischer Sprache beiseite lassen, dann müssen wir feststellen, dass Heimerziehung immer dann, ’wenn es nicht mehr geht’ – dem einen zur Entlastung, dem anderen zur Drohung – zur Verfügung stehen muß [!]. Dies verweist auf die gesellschaftliche Funktion von Heimerziehung und den Beitrag, den sie zur sozialen Kontrolle leistet.“ (Friedhelm Peters 1991)
Mit diesen Worten leitet Friedhelm Peters sein Buch „Jenseits von Familie und Anstalt“ ein und gibt damit ebenfalls die Meinung einer breiten Öffentlichkeit wieder, wenn es um das Thema der Heimerziehung geht.
In den Köpfen der meisten Menschen gilt die Heimerziehung immer noch als der letzte Ausweg, den man für Kinder und Jugendliche finden kann, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben können. Sie wird dabei aber eher als Strafe verstanden und nicht als Chance für ein neues Leben, die den Kindern geboten wird. Dieses Negativbild der Heimerziehung hat sich aus der Realität der Heimerziehung früherer Zeiten entwickelt und hatte zu dieser Zeit auch seine Berechtigung. Nun ist aber zu fragen, ob dieses Negativbild, mit dem auch die heutige Heimerziehung meist noch belastet ist, auch heute noch seine Berechtigung hat oder ob es nur noch ein Überbleibsel aus alten Zeiten ist und mit der aktuellen Heimerziehung nichts mehr zu tun hat.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Entwicklung in der Heimerziehung seit 1945 darzustellen. Zuerst wird dazu kurz die Geschichte der Heimerziehung von ihrem Beginn an bis zum Ende des 2. Weltkrieges 1945 beschrieben. Danach werden zentrale Entwicklungslinien in der gesamten Heimerziehung erklärt. Im Anschluss folgen eine Darstellung der Situation der Heimerziehung bei Kriegsende und erste Reformbestrebungen nach 1945. Weiterhin werden die Heimkampagne der 60er und 70er Jahre ausführlich dargestellt, die daran anschließenden Reformdiskussionen und die Hamburger Heimreform der 80er Jahre. Danach werden die neueren Entwicklungen in der Heimerziehung in den 90er Jahren beschreiben, wobei der Schwerpunkt auf dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz liegt. Abschließend wird der aktuelle Stand der Entwicklungen der Heimerziehung festgehalten und somit zu überprüfen, ob das allgemeine Negativimage der Heimerziehung noch gerechtfertig ist oder ob sich die Heimerziehung nicht inzwischen in eine positive Lebensalternative für Kinder und Jugendliche gewandelt hat, die nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie leben können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichte der Heimerziehung vor 1945
- Zentrale Entwicklungslinien in der Heimerziehung
- Die Situation um 1945
- Reformbestrebungen nach 1945
- Familienerziehung nach Mehringer
- Kritik an Mehringer
- Familienprinzip in Kinderdörfern
- Probleme der Heimerziehung in den 60er Jahren
- Die Heimkampagne
- Voraussetzungen für die Entstehung der Heimkampagne
- Reformbedarf in der Heimerziehung
- Aktionen während der Heimkampagne
- Vorwürfe gegen die Heimerziehung
- Die Staffelbergkampagne
- Probleme in Frankfurt und die Jugendwohnkollektiven
- Von der Heimkampagne zur Reformdiskussion
- Die „sozialistische Aktion“
- Reaktion der Behörden und Verbände
- Empfehlungen zur Heimerziehung des Beirates in Hessen
- Von der Reformdiskussion zur Wiedereinführung geschlossener Unterbringung
- Voraussetzungen für die Forderung nach geschlossener Unterbringung
- Argumente für und gegen geschlossene Unterbringung
- Alternativen zur geschlossenen Unterbringung
- Die Hamburger Heimreform
- Gesellschaftlicher Kontext in den 80er Jahren
- Die Leitprinzipien der Heimreform
- Kritik an der Heimreform
- Ergebnisse der Heimreform
- Grenzen (der Reformen) der Heimerziehung
- Heimerziehung in den 90er Jahren
- Allgemeine Entwicklungen
- Das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz
- Erziehungshilfen im KJHG
- Heimerziehung in Kontext des KJHG
- Heimerziehung heute
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der Heimerziehung in Deutschland seit 1945. Sie verfolgt das Ziel, die historischen Veränderungen und Reformbewegungen in diesem Bereich aufzuzeigen und zu analysieren, um ein umfassendes Bild der Entwicklung der Heimerziehung von ihren Anfängen bis zur Gegenwart zu zeichnen.
- Die Geschichte der Heimerziehung vor 1945 als Ausgangspunkt für die Analyse der späteren Entwicklungen
- Die zentralen Entwicklungslinien der Heimerziehung, die die wichtigsten Begriffe und Konzepte definieren und erklären
- Die Situation der Heimerziehung nach dem Zweiten Weltkrieg und die ersten Reformbestrebungen
- Die Heimkampagne der 60er und 70er Jahre und ihre Auswirkungen auf die Heimerziehung
- Die Hamburger Heimreform der 80er Jahre und ihre Bedeutung für die Weiterentwicklung der Heimerziehung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Heimerziehung ein und stellt die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie beleuchtet das allgemeine Negativbild der Heimerziehung und stellt die Frage, ob dieses Bild noch gerechtfertigt ist.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Heimerziehung vor 1945. Es beschreibt die Entstehung der Heimerziehung im Mittelalter und die Entwicklung der ersten Waisenanstalten in Deutschland. Die Entstehung der Heimerziehung wird im Kontext der gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen dargestellt.
Das dritte Kapitel behandelt die zentralen Entwicklungslinien in der Heimerziehung. Es werden die wichtigsten Begriffe und Konzepte der Heimerziehung definiert und erklärt, um ein grundlegendes Verständnis für die Thematik zu schaffen.
Das vierte Kapitel beschreibt die Situation der Heimerziehung bei Kriegsende und die ersten Reformbestrebungen nach 1945. Es werden die Herausforderungen und Probleme der Heimerziehung in der Nachkriegszeit dargestellt und die ersten Ansätze zur Verbesserung der Situation beleuchtet.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit den Reformbestrebungen nach 1945, insbesondere mit dem Konzept der Familienerziehung nach Mehringer. Es werden die Kritik an Mehringer und die Entwicklung des Familienprinzips in Kinderdörfern dargestellt.
Das sechste Kapitel behandelt die Probleme der Heimerziehung in den 60er Jahren. Es werden die Ursachen für die wachsende Kritik an der Heimerziehung und die Entstehung der Heimkampagne beleuchtet.
Das siebte Kapitel befasst sich mit der Heimkampagne der 60er und 70er Jahre. Es werden die Voraussetzungen für die Entstehung der Heimkampagne, der Reformbedarf in der Heimerziehung und die Aktionen während der Heimkampagne dargestellt. Außerdem werden die Vorwürfe gegen die Heimerziehung und die Staffelbergkampagne behandelt.
Das achte Kapitel beschreibt die Entwicklung von der Heimkampagne zur Reformdiskussion. Es werden die „sozialistische Aktion“, die Reaktion der Behörden und Verbände und die Empfehlungen zur Heimerziehung des Beirates in Hessen dargestellt.
Das neunte Kapitel behandelt die Wiedereinführung geschlossener Unterbringung in der Heimerziehung. Es werden die Voraussetzungen für die Forderung nach geschlossener Unterbringung, die Argumente für und gegen geschlossene Unterbringung und die Alternativen zur geschlossenen Unterbringung dargestellt.
Das zehnte Kapitel befasst sich mit der Hamburger Heimreform der 80er Jahre. Es werden der gesellschaftliche Kontext in den 80er Jahren, die Leitprinzipien der Heimreform, die Kritik an der Heimreform und die Ergebnisse der Heimreform dargestellt.
Das elfte Kapitel beschreibt die Heimerziehung in den 90er Jahren. Es werden die allgemeinen Entwicklungen, das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz, die Erziehungshilfen im KJHG und die Heimerziehung im Kontext des KJHG dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Heimerziehung, die Entwicklung der Heimerziehung nach 1945, Reformbestrebungen, Heimkampagne, Hamburger Heimreform, Kinder- und Jugendhilfegesetz, Familienerziehung, geschlossene Unterbringung, Familienprinzip, Kinderdörfer, soziale Kontrolle, gesellschaftliche Funktion, Negativbild, Lebensalternative.
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- Diplom Pädagogin Mirjam Günther (Autor), 2004, Entwicklungslinien in der Heimerziehung nach 1945, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130392