Der Aufstieg des heiligen Mauritius zum Reichsheiligen der Ottonenzeit


Seminararbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Das Martyrium des Heiligen Mauritius

III. Die Mauritiusverehrung in Spätantike und Frühmittelalter
III.1. Der Ursprung des Mauritiuskultes in Acaunum (Heute Saint-Maurice en Valais)
III.2. Mauritiusreliquien
III.3. Mauritiuspatrozinien und Liturgie im Frühmittelalter

IV. Der Mauritiuskult im Hochmittelalter
IV.1. Die Übertragung der Heiligen Lanze von Burgund zum Reich
IV.2. Wie die heilige Lanze zur Mauritusreliquie wurde
IV.3. Der Heilige Mauritius als Reichsheiliger

V. Schlussbetrachtung

VI. Bibliographie

I. Einführung

Als der römische Legionskommandant Mauritius aus dem ägyptischen Thebäis auf den acaunensischen Feldern im heutigen Schweizer Kanton Wallis für sein christliches Bekenntnis den Märtyrertod starb, dürften seine letzten Blicke zum Himmel schwerlich von der Vorstellung begleitet worden sein, sein Lebenswandel könne einstens Vorbild des europäischen Kriegertums und er selbst Patron eines Kaisers sein, der nicht nur im dicksten Winter seinen vermeintlichen Schädel umhertrug, sondern sich überdies als unmittelbarer Nachfolger jener Herrscher verstand, auf deren Geheiß er mitsamt seinen 5000 Gefährten zu Tode geschunden wurde. Aber genau so kam es und damit befasst sich diese Hausarbeit, nämlich mit dem Aufstieg des Heiligen Mauritius zum Reichsheiligen der Ottonen und seiner Beziehung zur wichtigsten Reichsreliquie, der heiligen Lanze.

Im Vordergrund dieser Hausarbeit stehen hierbei nicht die Umstände seines Martyriums, sondern die sozialen und politischen Hintergründe, vor denen sich diese Karriere vollzog und welche die Ausbreitung seines Kultes begünstigten.

Allerdings kann die Rolle des heiligen Mauritius nicht losgelöst und isoliert von anderen politischen Prozessen und kulturellen Phänomenen dieser Jahrhunderte, wie etwa der Reliquienverehrung, dynastischen Machtfragen und nicht zuletzt vom wandelndem Heiligenideal, von dem der Heilige in hohem Maße profitierte, betrachtet werden.

Die vorliegende Arbeit schildert zu Beginn Herkunft und Martyrium des Heiligen, wobei sie der im 5. Jahrhundert entstandenen „Passio Acaunensium“[1] als wahrscheinlich ältester schriftlicher Quelle folgt. Der zweite Teil widmet sich der frühmittelalterlichen Entfaltung des Kultes im Rahmen der regionalen Verehrung im Reich der Burgunderkönige, die hierfür das älteste noch bestehende Kloster des Abendlandes schufen[2] und gibt einen Überblick über das Phänomen der Reliquienverehrung.

Nach dieser notwendigen Vorgeschichte widmet sich das Herzstück der Arbeit dem eigentlichen Aufstieg zum Patronus des Reiches. Eine Auseinandersetzung zwischen den Ottonen und den burgundischen Rudolfingern um die Macht in Oberitalien brachte im 9. Jahrhundert die Heilige Lanze ins Reich, das sich in diesem Konflikt durchsetzen konnte. Diese bedeutendste Christusreliquie des Mittelalters wurde im Laufe des 11. Jahrhunderts mit Mauritius in Verbindung gebracht. Dies und seine Eigenschaften als ritterlich-christliche Idealfigur, als die man ihn im ottonischen Reich ansah machten ihn zum staatstragenden Heiligen, der für das Herrschaftsprogramm der sächsischen Herrscher bürgte.

Die wichtigsten Quellen hierzu ist die Antapodoseos des Liutprand von Cremona,[3] welcher schildert, wie die Lanze in den Besitz der Ottonen kam und die Chronik des Thietmar von Merseburg, der unter anderem die Lechfeldschlacht beschreibt.[4]

Die Rezeptionsgeschichte des heiligen Mauritius und besonders die der heiligen Lanze war in großem Umfang Gegenstand verschiedenster Abhandlungen, die in ihrem vollen Umfang anzuführen den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die für diese Arbeit maßgeblichen Werke, an erster Stelle die grundlegenden Forschungen Adalbert Herzbergs zur deutschen Mauritiusverehrung[5] und die Aufsätze Albert Brackmanns und Maurice Zyffereys.[6] Zur heiligen Lanze sei aus der Flut der vorhandenen Literatur das wichtige Werk Percy Ernst Schramms zu Herrschaftszeichen und Staatssymbolik herausgegriffen.[7]

Auf Kontroversen in der Beurteilung und Interpretation, welche in der Mauritusforschung vor allem in der Fragen, wie der politischen Tiefe und Reichweite der Übertragung der heiligen Lanze von Burgund ins Reich und die Verknüpfung der Heilige Lanze mit Mauritius im Laufe des

10. Jahrhunderts zustande kam, wird, wo angebracht, verwiesen.

Die für das Mittelalter nicht unübliche Verquickung von Religion und politischem Pragmatismus wird am Beispiel des Mauritiuskultes, dessen sich die ottonische Herrschaftsphilosophie aus vielerlei Gründen erfolgreich bemächtige, in schöner Ausprägung deutlich, so dass sich der Aufstieg des acaunensischen Märytyrers zum „Modeheiligen“ des ottonischen Imperiums gut in den Gesamtzusammenhang des Proseminars zur mittelalterlichen Heiligenverehrung einfügen lässt.

II. Das Martyrium des Heiligen Mauritius

Der Heilige Mauritius ist ein Märtyrer der katholischen Kirche. Sein Martyrium auf den acaunensischen Feldern ist wahrscheinlich erstmals um das Jahr 450 von Bischof Eucherius von Lyon (gestorben 454) in der „Passio Acaunensium“ beschrieben worden.[8]

Nach ihr war Mauritius Führer einer Legion aus dem ägyptischen Thebäis, welche dem Augustus des Westens, Maximian (286-308), unterstellt war. Die 6000 Mann marschierten über den großen St. Bernhardt und lagerten bei Agaunum, heute Saint-Maurice en Valais, oder Sankt Moritz im schweizer Kanton Wallis.

Dort sollten sie aktiv an der Christenverfolgung teilnehmen, jedoch weigerte sich die angeblich überwiegend christliche Legion, dem Befehl zu befolgen und wurde daraufhin zweimal dezimiert, ohne sich in ihrer Standhaftigkeit erschüttern zu lassen. Schließlich erlitten alle Überlebenden gemeinsam mit ihrem Kommandanten und seinen ebenfalls kanonisierten Offizieren Candidus und Exsuperius das Martyrium. Mauritius endete der Überlieferung nach am Strick.[9]

Der Historische Hintergrund des Massakers ist wahrscheinlich der von 285-286 währende Bagaudenkrieg, obwohl Eucherius von Lyon das Ereignis in der 303 einsetzenden großen Christenverfolgung ansiedelt.[10]

Die „Passio Acaunensium“ wird in der Forschungsliteratur als überwiegend glaubhaft angesehen und auch der Einsatz eines thebäischen Großverbandes ist nicht unplausibel. Obwohl das Christentum der römischen Oberschicht als Bedrohung des staatstragenden Kaiserkultes und somit des ganzen Reiches galt, ließ sich nicht verhindern, das Soldaten christlichen Bekenntnisses in den kaiserlichen Heeren Dienst taten.[11]

Jedoch geht Maurice Zyfferey davon aus, dass der unmittelbare Anlass der Massenhinrichtung eher die Weigerung der Truppen gewesen sein, den heidnischen Göttern zu opfern. Die Toten wurden vermutlich in einem Massengrab südlich von St. Maurice bestattet.[12]

Wenngleich auch eine völlige Erdichtung der Umstände unwahrscheinlich ist, bleibt fragwürdig, ob ein walisischer Bischof Leichen in einem Massengrab so genau identifizieren konnte, dass eine zweifelsfreie Unterscheidung zwischen Mauritius und seinen Offizieren, sowie den übrigen Legionären möglich gewesen wäre, zumal die Toten vermutlich nackt bestattet worden wären.[13]

III. Die Mauritiusverehrung in Spätantike und Frühmittelalter

1. Der Ursprung des Mauritiuskultes in Acaunum (Heute Saint-Maurice en Valais)

Die Gebeine der thebäischen Legion wurden durch die Elevatio des ersten Bischofs von Wallis, Theodor von Octodurum, Ende des 4. Jahrhunderts in die Phalanx der Märtyrer und Blutzeugen der Mutter Kirche eingereiht, womit der kirchliche Boden für eine kultische Verehrung der Thebäer bereitet war.[14] Derselbe Bischof errichtete um 380 ein Gotteshaus südlich des Dorfes Acaunum zu Ehren der Märtyrer. Es folgten die Errichtung eines Hospizes und erste Pilgerfahrten. Das Pilgeraufkommen war der älteste Faktor des Mauritiuskultes.[15]

Zwischen 430 und 600 findet die Geschichte der thebäischen Legion Eingang in die mittelalterlichen Martyrologien, eine Vielzahl von literarischen Belegen spiegelt die Bekanntheit der Thebäer wieder.[16]

Damit einher geht eine verstärkte Wundertätigkeit, welche man dem Virtus, also der Kraft der heiligen Gebeine zuschrieb.[17]

Zunächst hatte der Heilige Mauritius noch keine herausgehobene Stellung innerhalb der acaunensischen Märtyrer inne, sein Verdienst war um nichts größer, als das seiner Kameraden. Die Quellen fokussieren sich erst allmählich auf ihn. Dies geschieht vor dem Hintergrund des wechselnden Heiligenideals: War der goldene Weg in die Heiligkeit in Antike und Spätmittelalter noch das möglichst qualvolle Martyrium, traten in späteren Jahrhunderten neue Tugenden in den Vordergrund. Heilige waren ab dem 7. Jahrhundert in immer größerem Maße tapfere Streiter Christi.[18]

Das Jahr 515 geriet zu einem entscheidendem Datum für den Kult des Heiligen. In diesem Jahr erbaute der Burgunderkönig Sigismund dort ein Kloster zu Ehren des heiligen Mauritius, der somit endgültig aus dem Schatten der übrigen Thebäer heraus.,

Die Abtei lag an der großen Handels und Verkehrsstraße die von Oberitalien über den großen St. Bernhard zum Genfer See führte und das Gebiet des heutigen Deutschland mit Westfrankreich verband.[19] Es ginge an den Tatsachen vorbei, wenn man die Ausbreitung des Mauritiuskultes nur der Strahlkraft des Heiligen zuschreiben wollte, denn der

Stiftung Sigismunds gesellten sich die günstige Lage an einem der meistgenutzten Alpenpässe, der schier unerschöpfliche Reliquienschatz aus dem acaunensischen Massengrab hinzu und erhöhte so die Anziehungskraft des Ortes.[20]

Die günstige wirtschaftliche Lage des Klosters lässt auch das Pilgeraufkommen in anderem Licht erscheinen, denn wenn man geschäftlich die Alpen überquerte und Halt in St. Maurice machte, erwies man dem Heiligen Mauritius natürlich seine Devotion, ohne dass die Reise deshalb religiös motiviert gewesen wäre.[21]

Das der Abtei durch ihre Lage auch politische Bedeutung erwuchs, bezeugt die Liste hoher Gäste, welche die Abtei seinerzeit beherbergte, so verweilten dort Papst Stephan II. (752-757), ebenso Papst Leo III. (795-816) und Engelberga, die Gattin des Kaiser Ludwig II. verhandelte dort mit Karl dem Kahlen über die Nachfolge in Italien, um nur einige Namen zu nennen.[22]

[...]


[1] Passio Acaunensium martyrium auctore Eucherio episcopo Lugdunensi, hg. von Bruno Krusch in: MGH SS Rerum Merovingicarum III, Hannover 1896, S. 20-41.

[2] Vgl: Zyfferey, Maurice: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, in: HJB 106 (1981), S. 24.

[3] Liutprandi Antapodoseos, hg. Von Georg Heinrich Pertz in: MGH SS III, Stuttgart 1987. S. 273-339.

Liutprand war Bischof von Cremona und ein Vertrauter Ottos des Großen, nachdem er bei besagtem König Berengar in Ungnade gefallen war.

[4] Thietmari Merseburgensis Episcopi Chronicon, hg. Von Georg Heinrich Pertz in: MGH SS III, Stuttgart 1987. S. 723-871.

[5] Herzberg, Adalbert: Der heilige Mauritius. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mauritiusverehrung, Mainz, 1981, S. 11-14.

[6] Brackmann, Albert: Die politische Bedeutung der Mauritiusverehrung im frühen Mittelalter, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze, Berlin 1967, S. 211-241; Zyfferey, Maurice: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, in: HJB 106 (1981), S. 23-58.

[7] Schramm, Percy E.: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert ( Schriften der MGH 13), 3 Bde., Stuttgart 1954-56.

[8] Passio Acaunensium martyrium auctore Eucherio episcopo Lugdunensi, S. 20-41.

Frühere schriftliche Überlieferungen scheint es nicht gegeben zu haben. Vgl: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 24.

[9] Vgl.: Herzberg: Der heilige Mauritius, S. 11-14.

[10] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 24.

[11] Vgl.: Herzberg: Der heilige Mauritius, S. 11-14.

[12] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 24.

[13] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 25.

[14] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 25.

[15] Herzberg spricht von einer Basilika, Zyfferey dagegen nur von einer Grabkapelle.

Vgl.: Herzberg: Der heilige Mauritius, S. 11-14.; Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 25.

[16] Vgl.: Herzberg: Der heilige Mauritius, S. 11-14.

Zyfferey siedelt die ersten Schriftzeugnisse in den Martyrologien um 430 an. Vgl.: Zyfferey, Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 27.

Vgl. dagegen: Brackmann, Albert: Die politische Bedeutung der Mauritiusverehrung im frühen Mittelalter, in: Ders.: Gesammelte Aufsätze, Berlin 1967, S. 214. Brackmann beschreibt das „Martyrologium Hieronianum“ (um 600) als ältestes Sammelwerk, welches das Thebäermartyrium beschreibt.

[17] Vgl.: Herzberg: Der heilige Mauritius, S. 12 und die ausführliche Aufzählung von Wundern in dieser frühen Phase des Mauritiuskultes bei: Zyfferey, Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 27 und 28-33.

[18] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 35.

[19] Vgl.: Brackmann: Die politische Bedeutung der Mauritiusverehrung im frühen Mittelalter, S. 212.

[20] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 30, 33.

[21] Vgl.: Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 56.

[22] Vgl.: Brackmann: Die politische Bedeutung der Mauritiusverehrung im frühen Mittelalter, S. 212-213;

Zyfferey: Der Mauritiuskult im Früh- und Hochmittelalter, S. 30, 56.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Aufstieg des heiligen Mauritius zum Reichsheiligen der Ottonenzeit
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V130656
ISBN (eBook)
9783640393978
ISBN (Buch)
9783640394289
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufstieg, Mauritius, Reichsheiligen, Ottonenzeit
Arbeit zitieren
Christian Lannert (Autor:in), 2005, Der Aufstieg des heiligen Mauritius zum Reichsheiligen der Ottonenzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130656

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