Befasst man sich wissenschaftlich mit der Medizin im Mittelalter, dann gelangen auch kriegerische Konflikte und ihr Umfeld in den Fokus der Untersuchungen. Auf der Grundlage einer arabischen Quelle soll in diesem Essay die Frage beantwortet werden, ob man zur Zeit der Kreuzzüge eine Überlegenheit der arabischen Medizin gegenüber der fränkischen Heilkunde konstatieren kann. Die zu analysierende Quelle ist ein Auszug aus den Memoiren „Kitāb al-I'tibār“ („Buch der Belehrung durch Beispiele“) des syrischen Ritters Usāma ibn Munqiḏ, der seine Erlebnisse aus der Zeit
der Kreuzzüge in diesem Buch festhielt.
Usāma war beduinisch-arabischen Ursprungs und kam am 4. Juli 1095 in Schaizar (Syrien) zur Welt. Er wurde in der Kriegs- und Jagdkunst unterwiesen und erhielt Unterricht in der arabischen Sprache, in Literatur und in der islamischen Religion. Hinweise auf eine medizinische Ausbildung sind weder in der untersuchten Quelle noch in der hier verwendeten Sekundärliteratur zu finden. Usāma erlebte die Auseinandersetzungen mit den Kreuzrittern hautnah: Mit 24 Jahren führte er eine Offensive gegen die Kreuzfahrer an, ebenso in den Jahren 1129, 1135 und 1137. Im Frühjahr 1138
musste er seine Geburtsstadt Schaizar vor dem byzantinischen Kaiser Johannes II. Komnenos und „fränkischen“ Truppen verteidigen.
Er kämpfte aber nicht nur gegen Kreuzfahrer, sondern auch gegen muslimische Truppen. Dieser Umstand ist mit der Situation in Syrien zum Ende des 11. Jahrhunderts zu erklären, wo sich kleine und unabhängige syrische Emirate bekämpften und dazu sogar teilweise Bündnisse mit den Kreuzfahrern eingingen. Usāma ibn Munqiḏ begegnete den Kreuzfahrern aber nicht nur im Kampf, sondern auch in diplomatischer Funktion zu Friedenszeiten. Seit den 1160er Jahren widmete sich Usāma hauptsächlich seinem literarischen Werk, von dem das Kitāb al-I'tibār aus heutiger Sicht das bedeutendste ist. 1188 starb er im Alter von 93 Jahren in Damaskus.
Usāma ibn Munqiḏs Memoiren, die der Autor um 1183 niederschrieb, sind eine primäre erzählende Quelle und eventuell vergleichbar mit der Quellengattung der Heiligenlegenden. Sie gehören zu der als „Adab“ (Verhaltensregeln) bekannten Literaturgattung, die darauf abzielt, ihre LeserInnen zu unterhalten, aber auch zu belehren. Nach Philip K. Hitti gibt uns das Werk einen Einblick in die syrischen Methoden der Kriegsführung,
des Handels und der medizinischen Praxis und führt sowohl in das muslimische Hofleben als auch in das private häusliche Leben ein.
Inhaltsverzeichnis
- Medizinische Behandlungen im Umfeld der Kreuzzüge
- Die Quelle
- Usāma ibn Munqid
- Medizinische Praxis
- Der fränkische Arzt und die Heilkunst
- Parallelen in der Heilkunst
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der vorliegende Essay analysiert anhand einer arabischen Quelle, Usāma ibn Munqids „Kitāb al-I'tibār“, die Frage, ob sich die arabische Medizin zur Zeit der Kreuzzüge gegenüber der fränkischen Heilkunde als überlegen erweisen lässt.
- Medizinische Praxis im Umfeld der Kreuzzüge
- Vergleich der arabischen und fränkischen Heilmethoden
- Analyse der Quellenlage und deren Interpretation
- Einfluss der Humoralpathologie und Salernitanischen Schule
- Möglicher Austausch medizinischen Wissens zwischen Ost und West
Zusammenfassung der Kapitel
- Der Essay beginnt mit einer kurzen Einführung in das Thema der medizinischen Behandlungen im Umfeld der Kreuzzüge und stellt die Quelle, „Kitāb al-I'tibār“ von Usāma ibn Munqid, vor.
- Im Anschluss wird die Lebensgeschichte Usāmas ibn Munqid beleuchtet, der als arabischer Ritter im 12. Jahrhundert die Auseinandersetzungen mit den Kreuzfahrern hautnah erlebte.
- Der Fokus liegt anschließend auf der Darstellung der medizinischen Praxis, insbesondere auf der Gegenüberstellung der fränkischen und arabischen Heilkunst. Der Essay analysiert zwei Fälle, die Usāma ibn Munqid in seinen Memoiren schildert: die Behandlung eines kranken Ritters und die Behandlung einer an Auszehrung leidenden Frau.
- Die Analyse zeigt, dass die fränkischen Heilmethoden im Vergleich zu den arabischen Heilmethoden, die auf der Grundlage der Säftelehre des Hippokrates und der Humoralpathologie Galens beruhen, teils als „seltsam“ und unzulänglich dargestellt werden.
- Der Essay führt jedoch auch Beispiele an, die die Parallelen in der Heilkunst von Okzident und Orient aufzeigen, und stellt die Frage, ob ein Austausch medizinischen Wissens zwischen beiden Seiten stattgefunden hat.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Essays sind die Medizin im Mittelalter, insbesondere die arabische und fränkische Heilkunde, die Kreuzzüge, die „Kitāb al-I'tibār“ von Usāma ibn Munqid, die Humoralpathologie, die Salernitanische Schule sowie der mögliche Austausch medizinischen Wissens zwischen Ost und West.
- Citation du texte
- Markus Lüske (Auteur), 2022, Medizinische Behandlungen im Umfeld der Kreuzzüge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1308746