Soll das Ausbildungsgeld für behinderte junge Menschen nicht mehr als zweckgleiche Leistung vereinnahmt werden?


Essay

4 Seiten


Leseprobe


Wissenschaftlicher Aufsatz

Ausbildungsgeld für behinderte junge Menschen darf nicht mehr als zweckgleiche Leistung vereinnahmt werden

PhDr. Andreas Jordan, LL.M.[1]

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung 1

II. Ausbildungsgeld nach dem SGB III 2

III. Zweckgleiche Leistungen nach dem SGB VIII 2

IV. Kostenbeitrag für junge Menschen soll abgeschafft werden 3

V. Literaturverzeichnis 4

I. Einleitung

Die Bundesregierung plant, dass die Kostenbeteiligung von jungen Menschen, die Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII) bekommen, abgeschafft werden soll. Dieses Vorhaben ist aus Sicht der jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen wollen, zu begrüßen. Denn bisher mussten sich die jungen Menschen mit höchstens 25% ihres Einkommens an den Kosten der Jugendhilfe beteiligen.

Als der Gesetzentwurf der Bundesregierung am 13.07.2022 im Bundestag verabschiedet wurde, dachte allerdings niemand an die behinderten jungen Menschen, deren „Ausbildungsgeld“ als zweckgleiche Leistung von den Jugendämtern vereinnahmt wird. In dem vorliegenden Beitrag soll dargestellt werde, warum es für die jungen behinderten Menschen in der Jugendhilfe wichtig ist, dass der Bundesrat am 16.12.2022 der Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe zustimmt.

II.Ausbildungsgeld nach dem SGB III

Was ist eigentlich Ausbildungsgeld? Das Ausbildungsgeld ist nach § 122 SGB

VIII eine unterhaltssichernde Leistung und wird als besondere Leistung zu Förderung der beruflichen Eingliederung von der Bundesagentur für Arbeit an Menschen mit Behinderung gezahlt. Der Anspruch auf Ausbildungsgeld entsteht, wenn der Mensch mit Behinderung eine Ausbildung beginnt oder eine berufsbildende Maßnahme besucht. Die Berechnungsmodalitäten über die Höhe des Ausbildungsgeldes sind an die Berechnung des BAföG angelehnt. [2]

III. Zweckgleiche Leistungen nach dem SGB VIII

Am 31.08.2022 musste das Oberverwaltungsgereicht (OVG) Bautzen darüber entscheiden, ob das Ausbildungsgeld für behinderte Menschen eine zweckidentische Leistung ist und demnach von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendämter) zu vereinnahmen ist. [3]

Problematisch ist, dass nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII alle Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienen, unabhängig von einem Kostenbeitrag einzusetzen sind.

Das beklagte Jugendamt gewährte der volljährigen Klägerin Hilfe in Form einer stationären Jugendhilfe. Die Klägerin ist geistig behindert und besuchte bis zur Aufnahme in der stationären Jugendhilfe eine Schule für geistig behinderte Menschen, jedoch ohne Schulabschluss. Mit dem Wechsel in die stationäre Jugendhilfe besuchte die Klägerin den dort angegliederten Berufsbildungsbereich, über den sie später eine Beschäftigung für behinderte Menschen fand. Für ihre Arbeit bekam sie ein Ausbildungsgeld in Höhe von rund 80 EUR monatlich. Dieses Geld durfte die Klägerin allerdings nicht für sich behalten. Das zuständige Jugendamt setzte das gesamte Ausbildungsgeld mit einem Leistungsbescheid fest und forderte einen nachzuzahlenden Betrag in Höhe von 1.124,00 EUR. [4]

Das OVG Bautzen sieht es als erwiesen an, dass das Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III eine zweckidentische Leistung ist und von den Jugendhilfeträgern ohne einen Ermessenspielraum zu vereinnahmen ist. Denn das Ausbildungsgeld hat ebenso wie die Jugendhilfeleistung den Zweck, den Lebensunterhalt junger Menschen sicherzustellen. [5]

Zu Recht kritisiert das DIJUF, dass die jungen Menschen durch das Vereinnahmen des Ausbildungsgeldes keinerlei finanzielle Anerkennung für ihre Tätigkeit erhalten, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Kostenbeitrag für nicht behinderte Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe komplett abgeschafft werden soll. Am 13.7.2022 [6] beschloss das Bundeskabinett die Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII aufzuheben. Erfreulicherweise hat der auch Bundesrat am 11.11.2022 in zweiter und dritter Lesung die Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Menschen beschlossen. Aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, dass das DIJUF im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Abschaffung des Kostenbeitrages vorgeschlagen hat, auch auf das Vereinnahmen von Ausbildungsgeld gemäß § 122 SGB III zu verzichten, da ansonsten die Ungleichbehandlung dieser Gruppe noch größer wird. [7]

IV. Kostenbeitrag für junge Menschen soll abgeschafft werden

Dieser Vorschlag wurde von der Bundesregierung aufgenommen und durch einen Änderungsantrag in die Beratung eingebracht. Durch den Änderungsantrag soll jetzt eine Regelung mit in das SGB VIII aufgenommen werden, um die Lücke zu schließen. In der Begründung heißt es:

„Um diesen jungen Menschen in ihrer schwierigen Lage eine Chance für ihre wirtschaftliche Emanzipation zu bieten, sollen sie in Zukunft einen bestimmten Teil ihrer Berufsausbildungsbeihilfe oder ihres Ausbildungsgeldes behalten dürfen. Aus diesem Grund wird neu geregelt, dass ein bestimmter Anteil der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes keine zweckgleiche Leistung darstellt und somit im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe als Einkommen gilt. Dies hat zur Folge, dass es nicht an das Jugendamt abzuführen ist.“[8]

Am 16.12.2022 steht das Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates. Wenn die Mitglieder des Bundesrates an diesem Tag zustimmen, wird der Kostenbeitrag für alle jungen Menschen zum 01.01.2023 abgeschafft. Die Abschaffung des Kostenbeitrags wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk für alle Kinder und Jugendlichen, die durch ihren stationären Aufenthalt in Wohngruppen und Pflegefamilien ohnehin einen schwierigen Start in das Erwachsenleben haben.

V. Literaturverzeichnis

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe vom 5.7.2022; https://www.bmfsfj.de/resource/blob/199766/d897d40f937ab066254e9ed6bd3913fe/abschaffung-der-kostenheranziehung-kabinett-data.pdf.

https://www.bundestag.de/resource/blob/913734/aa54da4b17dc8b99d5220929d67726fa/20-13-20c-data.pdf.

https://www.rechtsportal.de/Familienrecht/Bibliothek/Lexika/Lexikon-des-Unterhaltsrechts/A/Ausbildungsgeld-nach-122-SGB-III.

[1] PhDr. Andreas Jordan, LL.M. arbeitet als Sozialjurist beim Landkreis Kassel und ist Lehrbeauftragter an der CVJM-Hochschule Kassel sowie der Universität Kassel.

[2] Siehe https://www.rechtsportal.de/Familienrecht/Bibliothek/Lexika/Lexikon-des-Unterhaltsrechts/A/Ausbildungsgeld-nach-122-SGB-III (abgerufen am 05.12.2022).

[3] OVG Bautzen, Urteil v. 31.8.2022 – 3 A 210/21, JAmt 2022, 556.

[4] OVG Bautzen, Urteil v. 31.8.2022 – 3 A 210/21, JAmt 2022, 556.

[5] OVG Bautzen, Urteil v. 31.8.2022 – 3 A 210/21, JAmt 2022, 557.

[6] Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe vom 5.7.2022; https://www.bmfsfj.de/resource/blob/199766/d897d40f937ab066254e9ed6bd3913fe/abschaffung-der-kostenheranziehung-kabinett-data.pdf (abgerufen am 15.7.2022).

[7] Siehe https://www.bundestag.de/resource/blob/913734/aa54da4b17dc8b99d5220929d67726fa/20-13-20c-data.pdf (abgerufen am 05.12.2022).

[8] BT-Drucks. 20/4371, S. 6.

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Details

Titel
Soll das Ausbildungsgeld für behinderte junge Menschen nicht mehr als zweckgleiche Leistung vereinnahmt werden?
Autor
Seiten
4
Katalognummer
V1309118
ISBN (eBook)
9783346784377
ISBN (Buch)
9783346784384
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausbildunggeld, Kinder- und Jugendhilferecht, Kostenbeteiligung
Arbeit zitieren
Andreas Jordan (Autor:in), Soll das Ausbildungsgeld für behinderte junge Menschen nicht mehr als zweckgleiche Leistung vereinnahmt werden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1309118

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