Schon seit längerer Zeit stehen Geschichtsdokumentationen der Machart, wie sie etwa Guido Knopp verkörpert, in der Kritik der Historiker, obgleich sie sich beim Fernsehpublikum großer Beliebtheit erfreuen. Die Hauptgattung dieser Geschichtsdokumentationen ist der Kompilationsfilm, in dem unter anderem dokumentarisches Filmmaterial, Fotographien, Zeitzeugeninterviews, Computeranimationen, Spielszenen und ein Voice-Over-Kommentar miteinander kombiniert werden.
Der Grund für das rege Interesse der Historiker an dieser Art von Geschichtsdokumentationen dürfte nicht zuletzt die im Vergleich zu historiographischen Werken enorme Anzahl an Rezipienten sein, die sich in Einschaltquoten von bis zu 12% äußert, was bis zu 5 Millionen Menschen entspricht. Der populärste Gegenstand aktueller Geschichtsdokumentationen ist dabei der Nationalsozialismus, der 40% der Produktionen ausmacht. Michael Kloft übertreibt also nicht, wenn er Adolf Hitler als Fernsehstar tituliert. Dass gerade der Nationalsozialismus Fokus des Interesses ist, liegt wohl zum einen an der zeitlichen Nähe zur Gegenwart, zum anderen daran, dass viele Aspekte des Nationalsozialismus, wie etwa der Holocaust, menschliche Grenzerfahrungen beinhalten, die für das Publikum einen besonderen (voyeuristischen) Reiz darstellen. Und da die Redaktionen abhängig von den Quoten sind, die ihre Produktionen erreichen, verwundert es nicht, dass mit dem Nationalsozialismus auf Quotenfang gegangen wird.
Inhaltsverzeichnis
- Geschichtsdokumentationen - zwischen Authentizitätsanspruch und Quotenfang
- Einleitung
- Emotionalisierung und Dramatisierung
- Die unkritische Verwendung des dokumentarischen Materials
- Zeitzeugeninterviews
- Der Voice-Over-Kommentar
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert die Gestaltung von Geschichtsdokumentationen am Beispiel von Guido Knopps „Hitlers Helfer I, Heinrich Himmler – der Vollstrecker“ (ZDF 1997). Ziel ist es, die Verwendung von Archivmaterial, Zeitzeugeninterviews und dem Voice-Over-Kommentar zu untersuchen und deren Einfluss auf die Authentizität und Dramatisierung der Darstellung zu beleuchten.
- Emotionalisierung und Dramatisierung durch Musik, Ton und Zeitzeugeninterviews
- Unkritische Verwendung von Propagandaaufnahmen und deren ideologische Signatur
- Die Funktion von Zeitzeugeninterviews als Ersatz für fehlendes Filmmaterial und zur Stützung der Darstellung
- Der Voice-Over-Kommentar als zentrales Element der Inhaltsvermittlung
- Die problematische Harmonisierung von nachgedrehtem und dokumentarischem Material
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Essay stellt die Problematik von Geschichtsdokumentationen im Kontext von Authentizitätsanspruch und Quotenfang dar. Er beleuchtet die Popularität von Geschichtsdokumentationen, insbesondere über den Nationalsozialismus, und die damit verbundenen Herausforderungen für die historische Forschung.
- Emotionalisierung und Dramatisierung: Dieses Kapitel analysiert die Verwendung von Musik, Ton und Zeitzeugeninterviews zur emotionalen Aufladung der Dokumentation. Es zeigt, wie die suggestive musikalische Untermalung und die Inszenierung der Zeitzeugeninterviews den Zuschauer in die Geschichte hineinziehen und eine emotionale Verbindung zum Geschehen herstellen sollen.
- Die unkritische Verwendung des dokumentarischen Materials: Dieses Kapitel kritisiert die unkommentierte Verwendung von Propagandaaufnahmen als illustrative Elemente. Es wird deutlich, dass die gezeigten Bilder eine „ideologische Signatur“ tragen und die visuelle Vorstellung vom Nationalsozialismus beeinflussen können.
- Zeitzeugeninterviews: Dieses Kapitel untersucht die Funktion von Zeitzeugeninterviews als Ersatz für fehlendes Filmmaterial und zur Stützung der Darstellung. Es wird deutlich, dass die Interviews oft bruchstückhaft und dekontextualisiert verwendet werden, was eine kritische Betrachtung der Aussagen erschwert.
- Der Voice-Over-Kommentar: Dieses Kapitel betont die zentrale Rolle des Voice-Over-Kommentars als Träger des Inhalts. Es wird gezeigt, wie der Kommentar die einzelnen Elemente der Dokumentation in einen nachvollziehbaren Zusammenhang setzt und die Interpretation des Zuschauers beeinflusst.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Geschichtsdokumentationen, Authentizität, Quotenfang, Nationalsozialismus, Emotionalisierung, Dramatisierung, Propaganda, Zeitzeugeninterviews, Voice-Over-Kommentar, Archivmaterial, Kompilationsfilm, Histotainment, Infotainment.
- Quote paper
- Timo Castens (Author), 2009, Geschichtsdokumentationen - zwischen Authentizitätsanspruch und Quotenfang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130929