Die Rolle der Frau in der Reinmar-Walther-Fehde


Hausarbeit, 2005

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. WAZ IST MINNE?

3. DIE ROLLE DER FRAU BEI REINMAR
3.1 Interpretation „Ich will allez gahen“ (M.F. 170,1), „Ich wirbe umb allez daz ein man“ (M.F. 159,1)
3.2 Interpretation „Lieber bote, nu wirbe also“ (M.F. 178,1)
3.3 Zusammenfassung

4. DIE ROLLE DER FRAU BEI WALTHER
4.1 Interpretation „Ein man verbiutet ane pfliht“ (L. 111,22)
4.2 Interpretation „Lange swigen des hat ich gedaht“ (L. 72,31)
4.3 Zusammenfassung

5. ZUSAMMENFASSUNG

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Dass eine Dichterfehde zwischen Reinmar von Hagenau beziehungsweise Reinmar dem Älteren und Walther von der Vogelweide, seinem Schüler, stattgefunden hat, wird vielerorts gemutmaßt und anhand einiger Textstellen auch nachgewiesen. Beide waren Minnesänger, die in ihren Liedern mit verschiedenen Eindrücken und Auffassungen auftraten und sich so, vielleicht auf einem „Dichterwettkampf“ vor dem Publikum, Wortgefechte lieferten um die rechte Minne, und darum, wie eine Dame behandelt werden müsse, um bei ihr zum Erfolg zu gelangen.

Reinmar sang so immer wieder von seinen Misserfolgen, von den Damen, die ihn zurückgewiesen hatten und die er dennoch in alle Himmel hebt und beispielsweise als „oesterlicher tac“ bezeichnet.

Walther hingegen scheint mir gelassener, besingt seine Dame und bekommt – seien es auch nur kleine, aber dennoch – Belohnungen.

Nun bleibt aber die Frage, wie die beiden, mit welchen Worten und welchen Inhalten sie um die Damen warben und damit zusammenhängend, welche Rolle die Frauen in der Fehde spielten.

So werde ich mich zu Beginn mit dem Begriff der „Minne“ an sich beschäftigen und je zwei Lieder Reinmars und Walthers näher erläutern, um sie schließlich gegenüber zu stellen und die, so erwarte ich, verschiedenen Frauenbilder, die verschiedenen Rollen der Dame in den Liedern der Sänger herauszufinden.

2. WAZ IST MINNE?

Saget mir ieman, waz ist minne?

weiz ich des ein teil, so wist ich’s gerne me.

Der sich baz denn ich versinne,

der berihte mich durch waz si tuot so we.

Minne ist minne, tout si wol.

tout si we, so enheizet si niht rehte minne, sus einweiz ich wie si danne heizen sol.[1]

So lautet die erste Strophe aus Walthers Lied „Waz ist minne?“ (L. 69,1), das um die Zeit der zweiten Auseinandersetzung mit Reinmar entstanden ist und dessen Leitfrage „Was ist Minne?“ darüber nachdenken lässt, was die Liebe in der Minnelyrik und was die Minnelyrik selbst sind.

Der Minnesänger versteht sich doppelt. Zum einen ist er der Schreiber seiner Lieder, der sich während des Dichtens mit dem Inhalt auseinander setzt und zum „Text-Ich“[2] wird, das im Text selbst handelt. In diesem Moment also ist er der Sänger im Lied, der die Dame seines Herzens besingt. Zum anderen kann er das „Performanz-Ich“[3] sein, also der Sänger, der vor den Zuschauern auf der Bühne steht und dem Text-Ich Leben einhaucht, soweit möglich. Denn ist das Text-Ich die Dame selbst, die das Wort ergreift, ist die Umsetzung in der Realität nur bedingt durch Stimmvariationen und ähnliches möglich. Jene „Frauenlieder“ sind auch ein Versuch, die Subjektivierungsproblematik zu lösen, die daraus entsteht, dass Frauen selbst zu der damaligen Zeit keine Lieder schrieben respektive vortrugen und so immer nur der männliche Sänger zu Wort kam, was in einer einseitigen Kommunikation resultierte.

Besungen wird in jedem Fall die Liebe, in welcher Variation und Intensität auch immer sie auftreten mag. Als hoffnungslose, hoffnungsvolle Liebe zur durchaus nicht immer gleichen Dame, oder auch die Liebe der Dame zum Sänger, die jedoch geheim bleiben muss.[4] Dabei „archetypisch für die Liebe am Hof“, so zitiert Mertens Eva Willms, sei „die in den Liedern häufige Konstellation von Werber und Dame, ihren externen und internen Kommunikationsproblemen“.[5]

Daraus ergeben sich die Konstituenten eines Minneliedes, die ebenfalls Mertens erwähnt: der Hof, die Liebe, die Dame (die an dieser Stelle besondere Beachtung finden soll) und der Sänger. Der Hof, so kann man sich auch bildlich vorstellen, bildet einen großen Rahmen, der das Geschehen umspannt und räumlich eingrenzt. Alles weitere passiert dort, wo die „Akteure“ zusammenkommen und agieren können. Das große Thema und zugleich auch Übersetzung der „Minne“ ist die Liebe; die Liebe des Sängers zur Dame, von der er singt. Sie selbst bleibt in jedem der Lieder Reinmars als auch Walthers namenlos und scheinbar unbekannt, so Mertens[6]. Wahrlich wird sie oder eine Variante von ihr in keinem der „Fehdenlieder“, wie ich sie bezeichnen möchte, näher beschrieben denn als „tugendhafte Frau frohen Mutes“[7]. Der Sänger schließlich kann alles sein, was er sich wünscht. Zum einen der Minnesänger, der eines seiner Werbungslieder vorträgt, zum anderen der Bote, der gute oder schlechte Nachricht bringt und schließlich auch die Dame, die er sprechen lässt, was er zu hören glaubt oder was sie sagen würde, spräche sie zu ihm.

3. DIE ROLLE DER FRAU BEI REINMAR

Im Weiteren werde ich mich jeweils nach der Textfassung von Friedrich Maurer richten.

3.1 Interpretation „Ich will allez gahen“ (M.F. 170,1) („Der Ostertag“),

„Ich wirbe umb allez daz ein man“ (M.F. 159,1) („Matt!“)[9][8]

Da die beiden Lieder „Ich will allez gahen“ (bei Carl von Kraus: „Der Ostertag“) und „Ich wirbe umb allez daz ein man“ („Matt!“) in meinen Augen eine Einheit bilden, wie auch Walther später in seinem „Ein man verbiutet ane pfliht“ („Gegenmatt!“) auf beide zusammen reagiert, werde ich sie an dieser Stelle gemeinsam betrachten.

In Strophe 1 und 2 von „Ich will allez gahen“ begegnet man einem Text-Ich, das hineilen will zu seiner Liebsten, die sich im Verlauf der Strophe jedoch als Dame entpuppt, um die es unaufhörlich wirbt und bei der es die Hoffnung nicht aufgibt, eines Tages doch noch auf Gegenliebe zu stoßen.

Doch versuoche ichz alle tage

und dien ir so dasz ane ir danc

mit fröiden muoz erwenden kumber den ich trage. (M.F. 170, 1)

Bis dahin ist es glücklich und unterbindet seinen Kummer, wenn sie nur da ist und das Text-Ich sie betrachten und ihr dienen kann. Und schließlich entdeckt es die Wirkung, die Loblieder auf eine Frau haben können.

Die darauf folgende Strophe bringt, so Reichert[10], die für Reinmar typische Überhöhung der Dame, welche somit alle anderen und alles andere übertrifft und als Einzig gesehen werden kann. Der Vergleich „ôsterlîcher tac“ stammt von Heinrich von Morungen[11] und stellt die genannte Dame somit dem österlichen Fest der Auferstehung Christi, zugleich dem höchsten Fest der Kirche, gleich. Diese Überhöhung lässt schlussfolgern, wie unerreichbar sie ist und so wird dem Publikum sehr schnell klar, wie aussichtslos das Werben des Sängers ist.

Si ist min osterlicher tac,

und hans in minem herzen liep:

daz weiz er wol dem nieman niht geliegen mac. (M.F. 170, 15)

Hier wird die Dame also als unerreichbare und doch liebenswerte Frau dargestellt, machtvoll und Inspiration für den Sänger. Man bekommt den Eindruck, nur ein Wort von ihr würde genügen, das Schicksal des Sängers, sei es positiv oder negativ, zu besiegeln, da er blind ist für die übrige Welt. Mit dem Vergleich als österlicher Tag bezieht er selbst seinen Glauben mit ein, was noch einmal das bereits Gesagte intensiviert.

Diese enorme Verehrung der Dame sollte in „Matt!“ ihre Fortsetzung finden. In Strophe 1 vergleicht das Text-Ich die Dame mit der größten aller irdischen Freuden; eine Dame, die nicht hoch genug gelobt werden kann und mit einem „herkömmlichen“ Lob, so wie es andere Frauen bekommen, nicht befriedigt wäre, was, so Reichert, als Abwertung eben jener anderen Frauen interpretiert werden könnte.[12]

Ich wirbe umb allez, daz ein man

ze wereltlichen fröiden iemer haben sol.

daz ist ein wip der ich enkan

nach ir vil grozen werdekeit gesprechen wol.

Lob ich si so man ander frouwen tuot,

dazn nimet eht si von mir niht für guot.

doch swer ich des, sist an der stat,

daz zu wiplichen tugenden nie fuoz getrat.

daz ist in matt! (M.F. 159,1)

Kann man aus dieser Verehrung nicht gleichzeitig den Schluss ziehen, dass andere Frauen ein solches Lob nicht verdienten, seiner nicht würdig wären? Und spricht Reinmar damit nicht zugleich eine Geringschätzung eben jener anderen Damen aus? Auf der anderen Seite ist dieser hohe Anspruch der Dame auch Grund für den Sänger, sie auf außergewöhnlich intensive Art zu loben, wie Hausmann anmerkt[13]. Weiterhin bemerkt Reichert an dieser Stelle, dass im Schlussvers der ersten Strophe „daz ist iu mat!“ neben der Gesellschaft auch die anderen Frauen mattgesetzt werden könnten, also chancenlos neben der überhöhten Dame übrig blieben.[14]

In Strophe 2 scheint es, als begriffe der Minnesänger, wie klein er für die Dame ist, wie gering wahrscheinlich ihr Interesse an ihm:

[...]


[1] „Waz ist minne?“, Walther von der Vogelweide, Strophe 1 (L. 69,1)

[2] Vgl. Mertens 1995, S. 78, Paul Zumthor anführend

[3] ebenda

[4] Vgl. Reinmar „Lieber bote, nu wirbe also“

[5] Mertens 1995, S. 81

[6] Vgl. Mertens 1995, S. 82

[7] Vgl. Walther: „In dem done Ich wirbe umb allez daz ein man“

[8] Maurer 1969, S. 47

[9] Maurer 1969, S. 47f.

[10] Vgl. Reichert 1998, S. 65

[11] ebenda

[12] Vgl. Reichert 1998, S. 66

[13] Vgl. Hausmann 1999, S. 180

[14] Vgl. Reichert 1998, S. 67

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Frau in der Reinmar-Walther-Fehde
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Germanistische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Die Reinmar-Walther-Fehde
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V131034
ISBN (eBook)
9783640403806
ISBN (Buch)
9783640404186
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frau, Reinmar-Walther-Fehde
Arbeit zitieren
Claudia Schöpke (Autor:in), 2005, Die Rolle der Frau in der Reinmar-Walther-Fehde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131034

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