Der Wert des Märchens für Kinder. Kinder brauchen Märchen


Term Paper, 2009

18 Pages, Grade: 2.0


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung

2. Einordnung der Themenstellung in den erziehungswissenschaftlichen Kontext

3. Der Begriff Märchen, seine Bedeutung und sein Aufbau

4. Die Entstehung des Volksmärchens

5. Das Wesen des Märchens

6. Die Rolle des Märchens

7. Exkurs: Moderne Märchen in unserer Zeit

8. Kinder und Märchen

9. Welche Möglichkeiten bietet das Märchen einem Kind?

10.Märchen um der inneren Unordnung des Kindes Sinn zu schenken

11.Fazit

Literatur:

1. Einleitung:

„Die Wahrheit ging durch die Straßen, ganz nackt, wie am Tag ihrer Geburt. Kein Mensch wollte sie in sein Haus einlassen. Jeder, der sie traf, flüchtete vor ihr. Eines Tages ging die Wahrheit, wieder in Gedanken versunken, durch die Straßen. Sie war sehr betrübt und verbittert. Da begegnete sie dem Märchen. Das Märchen war geschmückt mit herrlichen, prächtigen und vielfarbigen Kleidern, die jedes Auge und jedes Herz entzückten.

Da fragte das Märchen die Wahrheit: „Sage mir, geehrte Freundin, warum bist du so bedrückt und drehst dich auf den Straßen so betrübt herum?“

Da antwortete ihm die Wahrheit: „Es geht mir sehr schlecht, ich bin alt und betagt, und kein Mensch will mich kennen.“

Hierauf erwiderte ihr das Märchen: „Nicht, weil du alt bist lieben dich die Menschen nicht. Auch ich bin sehr alt, und je älter ich werde, desto mehr lieben mich die Menschen. Siehe ich will dir ein Geheimnis enthüllen: Sie lieben es, dass jeder geschmückt ist und sich ein wenig verkleidet. Ich werde dir solche Kleider borgen, mit denen ich angezogen bin, und du wirst sehen, dass die Leute auch dich lieben werden.“

Die Wahrheit befolgte diesen Rat und schmückte sich mit den Kleidern des Märchens. Seid damals gehen Wahrheit und Märchen zusammen, und beide sind bei den Menschen beliebt.“[1]

Wahrheit und Märchen liegen eng zusammen. Doch gerade für Kinder ist der Schatz der Märchen sehr umfangreich. Überall auf der Welt hat das Märchen die Aufgabe, alte Weisheiten zu bewahren, Problemlösungen zu bieten und Gebräuche und Überlieferungen zu erhalten. Märchen können besonders Kindern helfen zu lernen, wie Konfliktsituationen gemeistert werden und wie Schwierigkeiten überwunden werden können. Kinder, die mit Märchen aufwachsen, profitieren von ihnen, sie besitzen mehr emotionale Intelligenz als andere Gleichaltrige und können Probleme leichter lösen. Sie entwickeln eine gesunde Phantasiestruktur, in der Wahrheit und Gerechtigkeit einen Platz haben.

Diese Hausarbeit wird in Anlehnung an das Seminar „Pädagogik in der literarischen Fiktion“ geschrieben und beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit (Volks-) Märchen für die Erziehung von Kindern so wertvoll sind.

Im 2. Kapitel der Hausarbeit erfolgt die Einordnung der Themenstellung in den erziehungswissenschaftlichen Kontext. Es wird dargestellt, wie die Pädagogik Märchen in der Kindererziehung bewertet.

Da im Fortgang der Arbeit die Gattung „Märchen“ eine zentrale Rolle einnimmt, gilt es nun, das mit diesem Terminus Gemeinte genauer zu bestimmen, um somit eine Grundlage für die darauf folgenden Überlegungen zu gewinnen. Ebenso wird hier der typische Aufbau eines Märchens dargestellt.

Daraufhin folgt die geschichtliche Entwicklung des Märchens in der geschildert wird, wie das Volksmärchen entstanden ist.

Das darauf folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Wesen des Märchens und betrachtet dies genauer. Hier wird darauf eingegangen, wie das Märchen als Unterhaltung, Seelennahrung, Botschaft, Wahrheit, Sinnbild und Hoffnungsträger für den Menschen und insbesondere für das Kind genutzt werden kann.

Das sechste Kapitel befasst sich mit der Rolle des Märchens. Es wird gezeigt, dass das Märchen schon in unserer frühesten Kindheit eine zentrale Rolle in unserem Leben einnimmt. Ebenso wird hier verdeutlicht, dass Phrasen und Begriffe aus Märchen in unserem alltäglichen Sprachgebrauch fest verankert sind. Dies zeigt ebenfalls die Bedeutung von Märchen im Erwachsenenalter.

Da das Märchen in unserer Gesellschaft immer mehr an Ansehen gewinnt, folgt nun ein Exkurs „Moderne Märchen in unserer Zeit“. Anhand von zwei Beispielen soll veranschaulicht werden, was ein modernes Märchen ausmacht und mit welchen Mitteln dieses aufgebaut ist.

Im darauf folgenden Kapitel richtet sich das Augenmerk wieder darauf, welchen Wert das Märchen für die Kinder besitzt. Dies geschieht auch im 9.Kapitel. Es wird dargestellt, welche positiven Möglichkeiten sich in der Entwicklung des Kindes durch Märchenerfahrungen ergeben können.

Abschließend wird erläutert, wie Märchen den Kindern einen Sinn für ihr Leben geben können. Im Fazit wird versucht die einzelnen Kapitel in ein Gesamtergebnis zu fassen.

2. Einordnung der Themenstellung in den erziehungswissenschaftlichen Kontext

Seid einiger Zeit gibt es ein neues Interesse am Märchen. Die „Europäische Märchengesellschaft e.V.“ kann hier mit ihren steigenden Zahlen an Mitgliedern als Beispiel gelten. Die Mitglieder sind Wissenschaftler, Märchenforscher, interessierte Laien, insgesamt Leute aus den unterschiedlichsten sozialen Gruppen und mit unterschiedlichstem Alter. Doch nicht nur die Kongresse dieser Gesellschaft und ihrer Besucherzahl sind Beweise dafür, dass es eine neue Vorliebe für das Märchen zu geben scheint. Die Beliebtheit phantastischer Literatur, so genannte Fantasy, die sich letztlich vom Märchen herleitet, die Bestsellerfolge von Autoren wie Michael Ende, Tolkien, T.H. White, aber auch die Auflagenzahlen der Märchen-Taschenbuch-reihen weisen auf dieses Interesse hin. Im zunehmenden Maße sind es Erwachsene und Jugendliche, die sich für die Märchen interessieren. Die Diskussion dieses Phänomens müsste von einer sorgfältigen Analyse der Fantasy-Literatur in der Gegenwart ausgehen. Welche Themen werden wie präsentiert? Welche Wünsche und Ängste melden sich hier zu Wort? Eine solche Untersuchung würde den Rahmen dieser Hausarbeit jedoch sprengen.

Wie in der Einleitung schon erläutert soll es in dieser Arbeit um den Wert des Märchens für die Kinder gehen.Ursprünglich sind Märchen nicht für Kinder, sondern für Erwachsene verfasst worden. Die Brüder Grimm stellten schon früh eine besondere Affinität der Kinder zum Märchen fest, und aus diesem Grunde wollten sie mit ihren Märchen nicht nur der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen, sondern sie sollten auch als "Erziehungsbuch" dienen. Diese pädagogische Absicht ist jedoch seitdem sehr umstritten. Einer pädagogischen Bedeutung von Märchen kann man entgegenhalten, dass diese unwahr sind und ein erhebliches Potential von Grausamkeiten enthalten. Im Märchen gibt es die Aussetzung und die zu Mindest geplante Ermordung von Kindern, ihre Misshandlung und Verstümmelung, grausame Strafen für die Bösewichter, schreckliche Todesarten und Vieles mehr. Dadurch stellte sich lange Zeit die Frage ob Märchen aus diesem Grunde überhaupt für Kinder geeignet sind. Man könnte vermuten, dass die Grausamkeiten keine Gefahr wären, da sie nur genannt, niemals aber geschildert werden. Eine befriedigende Antwort auf das Problem der Grausamkeiten in Märchen ist jedoch noch nicht gefunden.

Aus pädagogischer Sicht werden Märchen oft abgelehnt, da in ihnen ein Mittel gesehen wird, Kinder zu Gehorsam, Anpassung, Weltfremdheit und Passivität zu erziehen. Ein weiteres Argument der Pädagogen gegen Märchen ist, dass Kinder in ihnen misshandelt und ausgebeutet werden. Das Kind sei hier das letzte Opfer von Herrschaft und Repression, indem die Eltern den Druck der Gesellschaft auf das Kind übertragen. In den Grimmschen Märchen könne man eigentlich nur von einem bedrückenden Leben der Kinderfiguren sprechen. Eine besondere Kritik erfährt das Rollenverständnis der Frauen und Mädchen. Man glaubt, den Kindern werde hier ein Vorbild der Demut, des Gehorsams und der Passivität vermittelt. Die Autorität der Eltern, insbesondere des Vaters bleibe unangetastet.Der oft unterstellte erzieherische Effekt im Märchen durch die Darstellung der Familie als primärer sozialer Bezugsraum mit hierarchischem Aufbau ist keineswegs gegeben. Tatsächlich enthalten die Grimmschen Märchen nirgends die Darstellung einer intakten Familie. In den meisten Fällen werden Konflikte innerhalb der Familie zum Anlass genommen, dass das Kind oder der junge Mensch diese verlässt. Indem gezeigt wird, wie die Kinder das Elternhaus verlassen und ihren eigenen Weg gehen, kann keinesfalls von einer Ausrichtung der Kinder zur Übernahme der elterlichen Funktionen ausgegangen werden. Natürlich gibt es auch Beispiele von Gehorsam, der belohnt wird („Der Froschkönig"). Hier handelt es sich aber nicht um die Vermittlung von Tugenden wie z.B. Artigkeit, sondern um vernünftige pädagogische Grundsätze. Als Beweis für die autoritäre Gesellschaftsstruktur des Märchens werden oft Maxime wie Bescheidenheit und Dankbarkeit, Freigibigkeit und Opferbereitschaft genannt. Diese Maxime sind jedoch nicht unbedingt negativ zu bewerten. Es gibt auch genug Beispiele, in denen das Gebot übertreten wird, etwa die verbotene Tür geöffnet wird.[2]

Insgesamt ist die Pädagogik der letzten Jahre wohl zu dem Schluss gekommen, dass sich die Faszination der Kinder nicht leugnen lässt und dass diese einen Grund haben muss. Dies ist damit zu erklären, dass Märchen gewisse Strukturelemente aufweisen, die dem kindlichen Rezipienten entgegenkommen. Das sind die Bildhaltigkeit, die Beweglichkeit und der Abwechslungsreichtum seiner Handlung, seine magischen Bestandteile und die Überdeutlichkeit seiner Archetypen. Abgesehen von dem Wesen und der Struktur des Märchens ist die Affinität des Kindes zum Märchen auch durch die psychischen Bedürfnisse des Kindes erklärbar. Märchen helfen dem Kinde bei der Ausbildung seiner Phantasie. Sie vermitteln in bildhafter Weise die Welt und geben Modelle der Lebensbewältigung. Den unbewussten Ängsten des Kindes wird in symbolischer Form Gestalt verliehen. Indem die bösen Gestalten im Märchen überwunden werden, erfährt das Kind, dass Existenz bedrohende Kräfte besiegt werden können. Dabei ist es wichtig, dass der Märchenheld ein gewöhnlicher Mensch ist, häufig sogar ein zurückgesetztes Kind, mit dem es sich identifizieren kann. Im weiteren Verlauf der Arbeit geht es nun darum diese eben genannte Faszination der Kinder und dessen Grund aufzudecken, um so den Nutzen von Märchen in der Kindererziehung aufzuzeigen.

3. Der Begriff Märchen, seine Bedeutung und sein Aufbau

Kurz vor 1450 tauchte in einer in Leipzig erschienenen Erzählsammlung die Bezeichnung „merechyn“ für kurze Erzählungen in Versform auf, in denen sich immer wieder Wunderbares ereignete.[3] Es handelte sich bei diesen Erzählungen überwiegend um erfundene Handlungen. Bald verdrängte jedoch der neue Gattungsname Märchen das oberdeutsche „Märlein“ und wurde in seinem heutigen Verständnis vor allem von den Brüdern Grimm festgelegt.[4]

Der Begriff Märchen ist eine Diminutivbildung zur maere, eine Erzählform, die vorgibt, Wirkliches darzustellen und von herausragenden Menschen sowie wirklich vorgestellten Ereignissen berichtet.[5]

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Begriff Märchen von dem althochdeutschen Wort „Mär“ oder „maere“ abgeleitet wurde und soviel bedeutet wie Kunde, Bericht, Erzählung oder Gerücht. Wie eben schon erwähnt bezeichnet der Begriff eine kurze Erzählung, die durch eine Verkleinerungsform eine Bedeutungsverschlechterung beinhaltet. Der Begriff wurde auf erfundene und unwahre Geschichten angewendet.[6]

Das Märchen besteht meist aus mehreren Episoden und zeichnet sich durch einen klaren Bau sowie durch den Charakter des Künstlich-Fiktiven aus. In einem Miteinander von Wirklichem und Nichtwirklichem werden Leichtigkeit und Spielerisches hervorgehoben, wobei belehrende Elemente nur geringere Bedeutung haben. Ausgangspunkt eines Märchens ist meist eine Not- bzw. Mangelsituation, die durch ein Bedürfnis des Helden oder der Heldin oder durch eine Aufgabe, die ihr oder ihm gestellt wurde, gekennzeichnet ist. Dabei spannt sich der Handlungsbogen von dieser Ausgangssituation zu deren Bewältigung hin. Die Personen und Wesen im Märchen sind nicht individuell gekennzeichnet, das wird besonders in der Namensgebung deutlich. Diese orientiert sich entweder an äußeren Merkmalen wie zum Beispiel in Rotkäppchen, oder aufgrund der Häufigkeit und Verbreitung der Namen. Dies ist bei den Namen Hänsel und Gretel zu erkennen. Heldinnen und Helden sowie die auf sie bezogenen Personen und Dinge sind klar konstruiert und kontrastiert, indem das Böse dem Guten klar gegenüber steht.[7]

4. Die Entstehung des Volksmärchens

Insbesondere Familientraditionen spielten bei der Entstehung des Volksmärchens eine große Rolle. Diese ermöglichten eine Entwicklung innerhalb eines vorgegebenen Rahmens, der Schutz und Zugehörigkeit bot. Die Familie fand sich eingebunden in den Zusammenhang bäuerlich-dörflicher Gemeinschaften. Dort wurde mit der gemeinsamen Sprache, Gesang und Musik auch das Erzählen gepflegt. Aus dem Brauchtum der jeweiligen Gemeinschaft entstand die Volkskunst, je nach Gegebenheit der Landschaft und des Erwerbs. Auch heute noch sind Volkskunst, Volkslieder sowie ihre Erzählungen bekannt und beliebt. Das, was im Volk leibte und lebte, fand Ausdruck in den mündlich weitergegebenen Erzählungen. Eigenarten des Menschseins, Träume, Inspirationen und allgemeingültige Lehren fanden Eingang in das Erzählgut von damals. Besonders die jahreszeitlichen Tätigkeiten wie Ernten und Feste, führten die Menschen früher zusammen und einer, der gut erzählen konnte, wurde zum Mittelpunkt dieses Tages. Alle hörten ihm zu und bewunderten ihn und seine Geschichten. Meist waren es Frauen, die die Kunst des Erzählens verstanden. Diese Erzähltradition wurde mündlich weitergegeben. Besonders in den langen Wintermonaten wurde erzählt. Auch fahrende Gesellen, die auf dem Weg waren ihr handwerkliches Geschick zu verbessern, wussten Geschichten zu erzählen.

Der Schatz von gedruckten Kinder- und Hausmärchen entstand durch die beachtenswerte und wissenschaftliche Tätigkeit der Sprachforscher Jacob und Wilhelm Grimm. Sie hatten in ihrer eigenen Kindheit Märchen erzählt bekommen und sich mit großem Einfühlungsvermögen und Liebe zur deutschen Sprache der gesammelten Märchen und Fragmente gestellt. Nach unzähligen Überarbeitungen fanden die Märchen im 19. Jahrhundert Eingang in die Kinderzimmer. Besonders bekannte Märchen wie „Froschkönig“, „Rapunzel“, „7Geißlein“, „Rotkäppchen“, „Sterntaler“, „Schneeweißchen und Rosenrot“, „die Bremer Stadtmusikanten“ sowie zahlreiche andere Märchen haben den Weg zu den Kindern gefunden und sind zu Klassikern der Märchen geworden.[8]

5. Das Wesen des Märchens

Da zuvor nur die literarischen Merkmale des Märchens erläutert wurden sowie die Entstehung der Märchen, soll im weiteren Verlauf das Wesen des Märchens geschildert werden. Hier wird jedoch bewusst nicht von der psychologischen Deutung eines Märchens ausgegangen, denn diese Deutungen sind meist nur ganz allgemein oder nur für einen bestimmten Fall oder einen einzelnen Menschen bedeutsam. Das Augenmerk richtet sich in der vorliegenden Arbeit auf die Bedeutung der Märchen für Kinder und soll daher keine tiefenpsychologische Analyse darstellen.

Zunächst kann das Märchen als einfache Unterhaltung angesehen werden. Es ist eine wunderbare Erfahrung für ein Kind einem mehr oder weniger begabten und geübten Menschen beim Erzählen zuzuhören. In relativ schlichter Weise wird ein Märchen so erzählt, dass das gesprochene Wort etwas in die Gegenwart überträgt, das sich während der Erzählzeit ereignet. Je nach Art des Märchens oder der seelischen Verfassung des Kindes kann ein Märchen anregend oder beruhigend sein. Das Märchen liefert also dem Kind immer genau die richtigen Impulse: entweder Anregung und Anstöße oder Beruhigung und Entspannung. Dass Märchen nun im guten Sinne Unterhaltung sind, erklärt sich aus der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Unterhaltung. Heute versteht man Unterhaltung für gewöhnlich als ablenkendes, entspannendes Vergnügen, das den Menschen Erholung schafft. Auch diese Annehmlichkeit leistet ein Märchen. Weiter kann das Märchen als Seelennahrung bezeichnet werden. Es berührt die Menschen, besonders die Kinder, die es hören und lassen Gefühle erwachen, die sonst im Verborgenen bleiben. Das Märchen ist eine Botschaft für uns Menschen. Jedoch beschreibt es nicht die äußere Wirklichkeit unserer Welt oder unseres Lebens, sondern erzählt von der inneren Wahrheit des Menschen. Wir wissen, dass die äußere Wirklichkeit oft unzulänglich und grausam ist und dass unsere Vorhaben nicht immer ein positives Ende nehmen. Das Märchen dagegen erzählt größtenteils von einem gelingendem Leben, indem am Ende meistens alles Gut wird. Da bei der Verwendung unserer Umgangssprache, die die Sprache der Wissenschaft, des Verstandes und der Logik beinhaltet, Menschen immer wieder an die Grenzen des Sagbaren und Erklärbaren stoßen, streben wir immer darüber hinaus, etwas zu verstehen. Weisheit zum Beispiel lässt sich nicht mit der nüchternen Sprache der Begriffe, die uns zur Verfügung stehen, ausdrücken. Weisheit lässt sich vielmehr nur in einer bildhaften Sprache, wie wir sie im Märchen vorfinden, mitteilen. Gerade Kinder verstehen diese bildhafte Sprache der Märchen besser als unsere abstrakte Begriffssprache. Doch wie lässt sich das bildhafte Erleben der Kinder erklären? Dafür wird im Folgenden ein Beispiel stehen, welches uns dieses Erleben der Kinder näher erklären soll. Ein vierjähriges Kind hat schreckliche Angst vor der dunklen Öffnung der Hühnerstallluke im Garten. Das Kind denkt, dass hinter dieser Öffnung ein böser Wolf lauern würde. Diese Angst vor etwas durchlebt jedes Kind in seinem Leben in unterschiedlichster Weise, jedoch kann das Kind dadurch, dass es dieses Angstgefühl kennt sehr gut das Bildwort Wolf verstehen, auch wenn es noch nie einen lebendigen Wolf gesehen hat. Der abstrakte Begriff Angst, mit dem ein vierjähriges Kind noch nichts anfangen kann, kleidet sich in das Bild Wolf und wird so zu einem Erlebnis für das Kind beziehungsweise für die empfindsame Seele im Menschen. Im Märchen „Vom Wolf und den sieben Geißlein“ wird erzählt, dass die Geißlein Angst haben, weil ihre Mutter fortgegangen ist. Sie werden vom Wolf verschlungen und als die Mutter wieder nach Hause kommt, befreit sie ihre Kinder aus dem Bauch des Wolfes und somit auch von ihrer Angst. Durch das Erzählen dieses Märchens kann einem Kind die Angst genommen werden, da es nun versteht, dass am Ende alles wieder gut wird. Das Märchen steht also als Hoffnungsträger für die Kinder und nicht selten auch für Erwachsene. Das Leben kann gemeistert werden, auch wenn es eine große Anzahl an Prüfungen zu bestehen gilt und gefahrvolle Abenteuer bewältigt werden müssen. Das Märchen gibt den Kindern für ihre Entwicklung Mut und Kraft.[9]

[...]


[1] Rupp, Christina: Märchen wirken Wunder, Pattloch Verlag, Augsburg, 1998, S. 9.

[2] Vgl. Hetmann, Frederik, Märchen und Märchendeutung, erleben und verstehen, Königsfurt Verlag, Klein Königsförde, 1999, S. 133.

[3] Vgl. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Gruyter Verlag, Berlin, 2002, S.

[4] Vgl. Freund, Winfried: Das Märchen, Bange Verlag, Hollfeld, 2003, S. 9.

[5] Vgl. Freund, Winfried: Schnellkurs Märchen, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln, 2005, S,9.

[6] Vgl. Bertignoll, Verena: Kinder leben Märchen, Studienverlag, Innsbruck, 2006, S. 16.

[7] Vgl. Bertignoll, Verena: Kinder leben Märchen, Studienverlag, Innsbruck, 2006,S.16.

[8] Vgl. Rupp, Christina: Märchen wirken Wunder, Pattloch Verlag, Augsburg, 1998,S.11.

[9] Vgl. Knoch, Linde: Praxisbuch Märchen, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2001, S.16f.

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
Der Wert des Märchens für Kinder. Kinder brauchen Märchen
College
University of Trier
Grade
2.0
Author
Year
2009
Pages
18
Catalog Number
V131074
ISBN (eBook)
9783640407453
ISBN (Book)
9783640407590
File size
442 KB
Language
German
Keywords
Wert, Märchens, Kinder, Märchen
Quote paper
Mira Düpre (Author), 2009, Der Wert des Märchens für Kinder. Kinder brauchen Märchen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131074

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