Demokratie, Autokratie und Wirtschaftsentwicklung


Dossier / Travail de Séminaire, 2008

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Faktoren Wirtschaftsentwicklung: Demokratie vs. Autokratie
II. a) Ist die Bildung Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung?
II. b) Mindert politische Partizipation Investitionen?
II. c) Wer schützt besser Eigentumsrechte – Demokraten oder Autokraten?
II. d) Sind Demokraten die besseren Interessenvertreter?
II. e) Produzieren Autokratien effektiver?
II. f) Ist das Wahlsystem ausschlaggebend für die wirtschaftliche Entwicklung?

III. Zusammenfassung und Schluss

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Während des Zeitalters der Dekolonialisierung in den Jahrzehnten nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs begannen westliche Politiker und Wissenschaftler sich mit der Problematik einer effizienten Wirtschaftsentwicklung der ehemaligen Kolonien und der Rolle der Industriestaaten in diesem Zusammenhang auseinander zusetzten: Wie können Entwicklungsländer am effektivsten in ihrem Wachstum bzw. ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bestärkt und unterstützt werden?

Im Rahmen dieser Diskussion entstanden verschiedene Ansätze, wie möglichst effektiv in weniger entwickelten Ländern, etwa in Südamerika, Asien und Afrika, das Wachstum und somit die Entwicklung gefördert werden könnte. Großer Bedeutung wurde und wird in diesem Zusammenhang der Korrelation zwischen Demokratisierung und wirtschaftlicher Entwicklung eingeräumt. So auch bei Lipset, der 1960 die bedeutende Modernisierungstheorie formulierte, wonach die Demokratie ein Produkt wirtschaftlicher Entwicklung sei. Somit müsse die förderst Aufgabe zur Entwicklung eines Landes die Wirtschaftliche sein, da die Demokratische automatisch folgen würde.[1] So wurden beispielsweise Diktaturen in Entwicklungsländern unter der Annahme gestützt, dass das Land noch nicht „reif“ sei für eine Demokratie, weil die Wirtschaft noch zu unterentwickelt sei.[2]

Die Frage, ob die Demokratie tatsächlich der wirtschaftlichen Entwicklung folgt oder umgekehrt beschäftigt die Wissenschaft erst seit den 1990er Jahren wieder verstärkt. In den rund 30 Jahren zuvor war Lipsets These zum Grundpfeiler der westlichen Entwicklungspolitik geworden.

Eine in den 1990er Jahren etablierte Strömung, eine institutionell ausgerichtete Sichtweise, warf die Frage auf, ob und wie die Politik die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst. Es wurde die These aufgestellt, dass Demokratie indirekt den Wohlstand durch verschiedenste politische Strukturen – wie etwa politische Maßnahmen aber auch wirtschaftliche Anreize – fördert und weniger durch das Vorhandensein der Demokratie per se.[3]

Diese Arbeit strebt an, losgelöst von den verschiedenen wissenschaftlichen Strömungen, die Korrelation zwischen Demokratie, Autokratie und Wirtschaftsentwicklung zu beleuchten. Genauer die Frage zu beantworten: Hängt die Wirtschaftliche Entwicklung von der Regierungsform ab?

Als Basisliteratur wurde der Texte „Political Regimes and Economic Growth“ von Przeworski und Limongi (1993) verwendet. Dessen Hauptaussage ist, dass politische Institutionen bzw. Strukturen wichtig für das wirtschaftliche Wachstum seinen. Gleichzeitig erfasse das Denken in den Kategorien von Regierungssystemen nicht die entscheidenden Unterschiede im Bezug auf wirtschaftliche Förderungen. Hilfreich für diese Arbeit war auch der Text „Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratie“ von Sunde (2006). Zwar entwickelt der Autor keine eigene These, doch gibt er einen sehr guten und umfassenden Überblick über das breite Spektrum der wissenschaftlichen Literatur über die Korrelation verschiedener Regierungssysteme zur Wirtschaftsentwicklung. Der Essay „Do Democratic Transitions Bad Outcomes?“ von Rodrik und Wacziard (2004) beschäftigt sich empirisch mit der kurzfristigen wirtschaftlichen Ergebnis dem Übergang zur Demokratie. Die Hauptthese ist, dass dieser Übergang kurzfristig positive Wirkungen zeigt, und dass Demokratie eher Perioden langsamen Wachstums zu folgen scheinen, anstatt diesen voranzugehen.

Ebenfalls hilfreich war der Aufsatz „What does political economy tell us about economic development – and vice versa?“ von Keefer (2004). Der Autor behandelt die drei Säulen der politischen Ökonomie – das kollektive Handeln, die Institutionen und die politischen Marktstörungen. Seiner Ansicht nach, helfen diese die Frage zu beantworten, warum entwickeln sich einige Staaten und andere nicht? Keefer kommt zu dem Schluss, dass katastrophale politische Entscheidungen oder Lebensbedingungen oft nicht die Folge von Ressourcenknappheiten oder der Weltwirtschaftsordnung seien, sondern, dass die Entscheidungen auf lokaler Ebene durch soziale Verhältnisse oder verfehlte Motivationen der politischen Entscheidungsträger bestimmt würden.[4]

Der Hauptteil dieser Arbeit ist in sechs Unterkapitel gegliedert; es wird untersucht wie die wirtschaftliche Entwicklung von verschiedenen Faktoren wie Bildung, politische Partizipation, Eigentumsrechte, Interessenvertretung oder dem Wahlsystem beeinflusst wird. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine Zusammenfassung, welche ein Resümee zieht und zukünftige Betätigungsfelder der Wissenschaft aufzeigt.

II. Faktoren Wirtschaftsentwicklung: Demokratie vs. Autokratie

II. a) Ist die Bildung Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung?

Die Theorie und die umfassende Literatur suggerieren, dass der Entwicklungsstand eines Landes eng mit dessen Ausbildungsstand verbunden sei. Das kürzlich für das Jahr 2007 veröffentlichte „Times Higher Education Supplement Ranking“ bekräftigt dies: weltweit liegen die führenden Universitäten in westlichen Industriestaaten.[5] Scheinbar geben reiche Staaten mehr Geld für ihr Hochschulwesen und die Bildung aus. Liegt dies am wirtschaftlichen Erfolg oder an der Regierungsform dieser Länder – der Demokratie?

Es ist eine gängiges Argument, dass Demokratien die Humankapitalakkumulation besonders fördern, da der Umfang an öffentlichen Dienstleitungen im allgemeinen und der Bildung im besonderen größer ist als in nicht-demokratischen Staaten. Und eben dieser solide Bildungsstand die Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung bilde.[6]

Galor, Moav und Vollrath[7] argumentieren vor dem Hintergrund der historisch heterogenen Entwicklung in Amerika, dass die Relationen der Grundbesitze eine wichtige Ursache für die Entwicklungsunterschiede zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil waren. Während in Südamerika wenige Großgrundbesitzer viel Land besaßen, waren die Besitzungen im Norden homogener aufgeteilt. Die wenigen südamerikanischen Großgrundbesitzer hatten das Interesse und auch die Macht, ein gutes Bildungssystem für die gesamte Bevölkerung zu verhindern. Wohingegen im Norden den vielen kleinen Farmern an einer guten Ausbildung für alle Arbeitskräften gelegen war.[8]

Eine Untersuchungen von Lott,[9] der den Zusammenhang zwischen den Regierungssystem und den jeweiligen Ausgaben für die Bildung analysiert hat, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Seine Hypothesen sind, dass ein höherer Grad an Totalitarismus und ein höheres Pro-Kopf-Einkommen die Ausbildungsausgaben erhöhen. Jedoch nehme die Wichtigkeit von Indoktrination in reichen totalitären Staaten ab. Er führte eine Regression mit Querschnittsdaten aus 99 Ländern durch. Die erste Hypothese konnte bestätigt werden, allerdings konnte die Zweite nicht eindeutig nachgewiesen werden. Jedoch zeigt der Umstand, dass Bildungsausgaben – insbesondere zum Zweck der Indoktrination – nicht gleichbedeutend sind mit einer effektiveren Humankapitalbildung, was einen direkten Bezug zum Wachstumspotential hätte.[10]

Dass Humankapital – und nicht politische Strukturen, wie etwa die Demokratie per se –der Hauptmotor für Entwicklung sei wird auch durch Glaeser, La Porta, Lopez-de-Silanes und Shleifer hervorgehoben. Sie argumentieren, dass Good Governance und bestimmte ökonomische Strukturen, wie etwa die Sicherung von Eigentumsrechten, zwar wichtiger seien als die reine Existenz von Demokratie, dass diese aber weniger wichtig seien als die Bildung von Humankapital.[11]

Demgegenüber steht die Untersuchung von Acemoglu, Johnson, Robinsons und Yared.[12] Sie zeigen, dass die Ausbildung selbst keinen signifikanten Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung aufweise. Anders als Glaeser et al. benutzten sie Längsschnittsdaten, zur Identifizierung kausaler Effekte von Humankapitaldichte auf die Wahrscheinlichkeit von demokratischen Strukturen. Ihre Ergebnisse widerlegen frühere Evidenzen für Kausaleffekten auf der Ebene von Querschnittskorrelationen.[13]

Zusammenfassend kann man sagen, dass zwar demokratische Staaten bessere Bedingungen für die Bildung von Humankapital bieten, dass aber nicht eindeutig ist, ob und inwiefern das Humankapital ein wichtiger Wachstumsfaktor ist.

II. b) Mindert politische Partizipation Investitionen?

Schon im 19. Jahrhundert prophezeite Karl Marx, dass die Demokratie die Ketten der Klassengesellschaft entfesseln würde[14] und auch bis in die 1960er Jahre war die Wissenschaft deutlich negativer auf die Korrelation von Demokratie auf Wachstum eingestellt. So sind Galenson[15] und De Schweinitz[16] der Ansicht, Demokratie entfessele den Druck des immanenten Konsums auf Kosten von Investitionen.[17]

Auch Huntington[18] stimmt darin überein, dass die Demokratie explosionsartig die Nachfrage erhöhe. Diese Nachfrage bedrohe die Profite, weshalb die Investitionen zurückgefahren werden müssten. Rao schloss sich Huntingtons Meinung an, Wachstum benötige gewaltige Investitionen von Personal und Material.[19] Diese Investitionsprogramme implizieren Kürzungen des alltäglichen Konsums, was schmerzlich für Länder mit ohnehin niedrigem Lebensstandard wäre. Regierungen müssten diese Maßnahmen mit eiserner Hand durchsetzen, um so die erforderlichen Überschüsse für Investitionen einsetzen zu können. Diese unbequemen Reformen würden jedoch in einer Demokratie durch die nächste Wahl gestoppt werden. Deshalb, so der Konsens von Huntington, Galenson sowie De Schweinitz und Rao, seien Diktatoren besser in der Lage, Einsparrungen zu erzwingen und schließlich ökonomisches Wachstum zu gewährleisten.[20]

Allokative Ineffizienzen, wie etwa Steuerbedingte Verzerrungen der Arbeitsanreize, führt zu verringertem Wohlstand und langsameres Wachstum. Somit führt mehr Demokratie zu mehr Umverteilung und somit zu einem größeren Wohlfahrtsverlust.[21]

Je größer das Ungleichgewicht in einem Land ist, desto größer ist der Druck der Benachteiligten dies zu ändern. Und je demokratischer die Strukturen dieses Landes sind, bzw. je mehr Mitspracherechte für niedrige Einkommensschichten bestehen, desto höher ist der Umverteilungsdruck. Dann könnte der politische Prozess zur Umverteilung des Staatseinkommens, wie etwa höhere progressive Steuern oder Wohlfahrtsprojekte, zu Gunsten von Arbeit und auf Kosten von Investitionen führen. Die Folgen wären höhere Löhne, dies führt zu niedrigeren Kapitalerträgen und somit wird der Anreiz gesenkt private Investitionen zu tätigen.[22]

[...]


[1] Vgl. Lipset. Political Man. Garden City: 1960; wiedergegeben in Przeworski, und Limongi. Political Regimes and Economic Growth. In: Journal of Economic Perspectives, Volume 7, No. 3; Summer 1993; S. 62; sowie in Sunde. Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratie: Ist Demokratie ein Wohlstandsmotor oder ein Wohlstandsprodukt? IZA Discussion Paper No. 2244: 2006. Zugriff: http://ideas.repec.org/p/iza/izadps/dp2244.html, am 14.11.2007; S. 1 und S. 14.

[2] Vgl. Rodrik und Wacziard. Do Democratic Transitions Bad Economic Outcomes? Kennedy, Working Paper. Harvard University: 2004. Zugriff: www.aeaweb.org/annual_mtg_papers/2005/0108_1015_0403.pdf, am 09.11.2007; S. 8.

[3] Vgl. Sunde. Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratie: Ist Demokratie ein Wohlstandsmotor oder ein Wohlstandsprodukt? IZA Discussion Paper No. 2244: 2006. Zugriff: http://ideas.repec.org/p/iza/izadps/dp2244.html, am 14.11.2007, S. 1.

[4] Keefer. What does political economy tell us about economic development – and vice versa? World Bank Policy Research Working Paper No. 3250: 2004; Zugriff: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=610291 am 09.11.2007; S. 33f.

[5] Die Ergebnisse dieser Studien unter www.thes.co.uk/main.aspx; Zugriff 20.11.2007.

[6] Vgl. Sunde, S. 8.

[7] Galor, Moav und Vollrath. Land Inequality and the Emergence of Human Capital Promoting Institutions. Brown University Economics Working Paper 05-03: 2005.

[8] Vgl. Sunde, S. 8.

[9] Vgl. Lott Jr. Public Schooling, Indoctrination, and Totalitarianism. In: Journal of Political Economy 107(6), S. 127ff.

[10] Vgl. Sunde, S. 8.

[11] Glaeser, La Porta, Lopez-de-Silanes und Shleifer. Do Institutions Cause Growth? In: Journal of Economic Growth 9(3), 2004; S. 271-303.

[12] Vgl. Acemoglu, Johnson, Robinsons und Yared. From Education to Democracy? In: American Economic Review 2005; 95(2), S. 44-49.

[13] Vgl. Sunde, S. 16.

[14] Vgl. Marx. The Class Struggle in France, 1848 to 1850. Progress Publishers, Moskau: 1952, S. 62.

[15] Vgl. Galenson. Introduction. In: Galenson (Hrsg.). Labor and Economic Development. New York: Wiley, 1959.

[16] Vgl. De Schweinitz. Industrialization, Labor Controls and Democracy. In: Economic Development and Cultural Change; 7. Ausgabe vom Juli 1959; S. 385-404.

[17] Vgl. Przeworski/Limongi, S. 54.

[18] Vgl. Huntington. Political Order in Changing Societies. New Haven: Yale University Press, 1968.

[19] Vgl. Rao. Democracy and Economic Development. In: Studies in Comparative International Development, Winter 1983, 19:4, S. 67-81.

[20] Vgl. Przeworski/Limongi, S. 54ff.

[21] Vgl. Sunde, S. 9.

[22] Ebd.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Demokratie, Autokratie und Wirtschaftsentwicklung
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Institut für Wirtschaftswissenschaft)
Cours
Wirtschaftsentwicklung
Note
1,3
Auteur
Année
2008
Pages
19
N° de catalogue
V131098
ISBN (ebook)
9783640370481
ISBN (Livre)
9783640370528
Taille d'un fichier
509 KB
Langue
allemand
Mots clés
Demokratie, Autokratie, Wirtschaftsentwicklung
Citation du texte
Daniel M. Rother (Auteur), 2008, Demokratie, Autokratie und Wirtschaftsentwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131098

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