Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theorie
2.1 Ideelle Erklärungsansätze
2.2 Mouffe
3 Analyse
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Bereits 1983 diagnostiziert Dahrendorf das „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ (Dahrendorf 1983, S. 17). Und das, obwohl das goldene Zeitalter der Sozialdemokratie wenige Jahre zuvor noch blühte. Dies zeigt sich am deutlichsten an den sinkenden Wahlergebnissen, die sich durch den Großteil sozialdemokratischer Parteien in Europa ziehen.
Die politikwissenschaftliche Literatur ist sich weitgehend einig über die Krise der Sozialdemokratie. Dennoch gibt es keine vorherrschende Erklärung für diese Entwicklung. Aus der Beschäftigung mit dem Thema haben sich vier zentrale Erklärungsansätze herauskristallisiert. So werden externe Faktoren in Form von soziokulturellen oder materiellen Herausforderungen für das sozialdemokratische Schicksal verantwortlich gemacht. Oder der Fokus liegt auf der internen Struktur jener Parteien, die entweder institutionell oder ideell einer Transformation unterzogen wurde (vgl. Bandau 2019, 588 f.).
Für die Untersuchung dieser Erklärungsansätze liegen zahlreiche Länderstudien vor. Vor allem Deutschland (s. Schwander und Manow 2017), Schweden (s. Blyth 2005), Großbritannien (s. Sachs 2011), die Niederlande (s. Sachs 2011) und die USA (s. Thunert 2001) wurden eingehend analysiert. Weniger Aufmerksamkeit wurde allerdings dem Beispiel Österreichs geschenkt.
Die folgende Arbeit soll der Frage nachgehen, inwiefern die Krise der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) durch ideelle Ansätze zu erklären ist. Hierfür wird zunächst das Konzept genereller ideeller Erklärungsansätze sowie die Politik des Dritten Weges vorgestellt. Im darauffolgenden Abschnitt wird näher auf die Theorie Chantal Mouffes eingegangen. Diese zeigt einige Gemeinsamkeiten zu den klassischen ideellen Erklärungsansätzen, schlägt mit ihrem Lösungsvorschlag jedoch eine andere Richtung ein. Die Hinwendung zur Hegemonie und zum Pluralismus verordnet die belgische Politikwissenschaftlerin in der postmarxistischen Tradition, zu der unter anderem auch Ernesto Laclau und Jacques Rancière gehören (vgl. Wallat 2021). Im dritten Kapitel werden der Zustand und die Entwicklung der SPÖ anhand mehrerer Indikatoren analysiert. So zeigen Studien der Wahlprogramme eine inhaltliche Ausrichtung hin zu neoliberalen Positionen. Auch weisen die sinkenden Mitgliederzahlen, Wählerstimmen und die Zunahme an Nichtwählern auf eine Krise der Partei hin. Der moralisierende Umgang mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) sowie der Verlust von Arbeiterstimmen und gewerkschaftlicher Unterstützung an jene Partei scheinen ebenfalls der Diagnose Mouffes zu entsprechen.
Abschließend werden in einem Fazit die Ergebnisse zusammengefasst und bewertet. Mögliche Lösungen für die Krise der Sozialdemokraten werden in Ansätzen vorgestellt. Um im vorgegebenen Rahmen der Arbeit zu verbleiben, wird Mouffes agonale Demokratietheorie nicht vorgestellt, sondern der Fokus auf ihre Kritik des Liberalismus sowie ihre Diagnose des Rechtspopulismus gelegt.
2 Theorie
2.1 Ideelle Erklärungsansätze
Sogenannte Ideelle Erklärungsansätze begründen und prognostizieren die Krise der Sozialdemokratie anhand der politischen Wandlung sozialdemokratischer Parteien. Insbesondere die „verhängnisvolle Übernahme neoliberaler Ideen“ (Bandau 2019, S. 596) werde als Grund für eine programmatische Überflüssigkeit der Sozialdemokratie angesehen, da diese sich kaum noch von den anderen Parteien unterscheide. Während die Sozialdemokrat die von ihnen eingeschlagene Politik der Mitte als Alternative zum vorherrschenden Neoliberalismus verstünden, werde gerade dieser neue Weg als Einleitung einer politischen Alternativlosigkeit gesehen (vgl. ebd., S. 597). Es sei diese „ideelle Degeneration“ (Walter 2010, S. 75), die zu einer Abwanderung der Wählerschaft führe. Im Folgenden soll das Konzept dieser neuen Politik der Mitte genauer erläutert werden.
Nachdem das ,goldene Zeitalter‘ der Sozialdemokratie in den siebziger Jahren ein Ende nahm, gerieten sozialdemokratische Parteien zunehmend in eine Krise (vgl. Meyer 1998, S. 63). Im Gegensatz zu anderen Parteien besaßen sie nicht die geeigneten Voraussetzungen, um einen gewinnenden Umgang mit der Globalisierung, Wirtschaftskrisen und neoliberalen Strömungen zu finden (vgl. ebd., S. 63 f). Die bisherige Nachfragepolitik der Sozialdemokratie führte nicht mehr zu Erfolgen, während ein ökonomistisches Weltbild an Überzeugungskraft gewann (vgl. ebd., S 64). Des Weiteren sei das „Spannungsverhältnis zwischen politischen Gestaltungsanspruch und realistischen Gestaltungsmöglichkeiten traditionell ausgeprägter als bei bürgerlichen Parteien“ (Turowski 2010, S. 17). Die Wahl Ronald Reagans zum amerikanischen Präsidenten sowie Margret Thatchers zur britischen Premierministerin leiteten den Beginn einer zunehmend neoliberalen Politik ein, der die Sozialdemokrat zunächst keine glaubwürdige Alternative entgegnen konnten (vgl. Meyer 1998, S. 63).
Der von Anthony Giddens geprägte ,Dritte Weg‘ sollte eine Reformierung der Sozialdemokratie vorstellen, um sie an die modernen Herausforderungen der Globalisierung und des Neoliberalismus anzupassen (vgl. Turowski 2010, S. 20). Die neue Politik kreierte einen Mittelweg zwischen der keynesianistischen hervorgehobenen Rolle des Staates und der neoliberalen Stärkung des Marktes (vgl. ebd., S. 20.). Die tatsächliche Denkweise dieser Politik sei jedoch nicht homogen, sondern es werde vielmehr von „multiple third ways“ (Kappeller und Huber 2009, S. 164) gesprochen. Tony Blairs New Labour in Großbritannien, Bill Clintons New Democrats in Amerika sowie Gerhard Schröders ‘Neue Mitte‘ in Deutschland bildeten jeweils unterschiedliche Ausgestaltungen jener Theorie und schafften es dennoch, der Sozialdemokratie im Westen ein modernes Antlitz zu geben (vgl. Walter 2010, 44 f.).
Die neue Aufgabe des Staates bestehe nun darin, einen Ausgleich zwischen „Zivilgesellschaft“, „Regierung“ und „Wirtschaft“ herzustellen (vgl. Turowski 2010, S. 19). So solle ein sogenannter „Sozialinvestitionsstaat“ zwar den Zugang zu Gütern ermöglichen, nicht jedoch eine Umverteilung vornehmen. Es ist die Rede von einer „ange- botsorientierte[n] Agenda“, „offene[m] Handel“ und „Steuersenkungen“ (Schröder und Blair 1999, 4 f).
Soziale Gerechtigkeit sei nicht mehr nur die Aufgabe des Staates, sondern sollte ebenfalls durch den Markt gewährleistet werden. Der Fokus wandert also von einer kollektiven Verantwortung der Bürger zu der Eigenverantwortung jedes einzelnen (vgl. Keman 2010, S. 672). Diese Neuausrichtung bildete jedoch zeitgleich eine Abwendung zur Arbeiterklasse sowie die Öffnung zur Mittelschicht. So sollten die modernen Sozialdemokratien „die Anwälte des Mittelstands“ (Schröder und Blair 1999, S. 8) sein.
Die Konsequenzen des Dritten Weges seien weitaus weniger positiv, als dessen Befürworter es zu Beginn erwartet hatten. Zunächst wird kritisiert, dass sozialdemokratische Parteien auf diesem Wege die neoliberale Ordnung nicht mehr infrage stellen, sondern sie vielmehr als „Naturgesetz“ ansehen, an das sie sich anpassen müssen (vgl. Amon 2015). Nach und nach würden ursprünglich sozialdemokratische Werte verblassen und bloß in abgeschwächter Form noch im Wahlprogramm auftauchen (vgl. ebd.). Somit unterscheide sich das sozialdemokratischer Politikangebot nur noch geringfügig von den Forderungen bürgerlicher bis konservativer Parteien (vgl. Bandau 2019, S. 596). Dies erhöhe zwar die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung, führe jedoch auch zu einer Abwendung der traditionellen Arbeiterklasse (vgl. Keman 2010, S. 678), wie folgend erklärt werden soll.
Zwar weise die Ausrichtung zur Mitte hin zunächst ein Wachstum an Wählerstimmen auf, dieses halte jedoch nur kurzfristig an. So zeigten Wähler der Mitte eine grundsätzlich geringere Parteibindung auf als Wähler an den politischen Rändern. Obwohl erstere zunächst einen großen Teil der Wähler sozialdemokratischer Parteien ausmachten, würde sich ihre Unterstützung nach wenigen Wahlperioden verringern. Wähler der politischen Ränder wiesen hingegen eine hohe Assoziation auf, weshalb sie die sozialdemokratischen Parteien für ein bis zwei weitere Wahlzyklen unterstützten, sich jedoch allmählich von diesen entfremdeten und ihre Stimme einer anderen Partei schenkten (vgl. Karreth 2012, 6 ff.). Nun steckten sozialdemokratische Parteien also in dem Dilemma, sich für die Mitte hin zu öffnen, wodurch sich ihre Wahlergebnisse auf längere Sicht verringerten oder ihrer Stammwählerschaft treu zu bleiben, welche jedoch ebenfalls zunehmend schrumpft (vgl. Meyer 1998, S. 82).
2.2 Mouffe
Mouffe zufolge befinden sich die heutigen liberalen Demokratien in einem entpolitisierten, genauer, postpolitischen Zustand, der durch eine konsensorientierte sowie moralisierende Geisteshaltung gekennzeichnet ist.
So gehe der diesen postpolitischen Demokratien inhärente liberale Rationalismus von einem allgemeingültigen Konsens aus, der durch Dialog und Kompromiss geschaffen und über parteipolitische Grenzen hinweg vereinbart werden könne (vgl. Mouffe 2007a, 42 ff.). Während sich die postpolitischen Demokratien in der Überwindung von politischen Antagonismen wägen, behauptet Mouffe, dass diese nunmehr auf der Ebene der Moral ausgeführt würden (vgl. Mouffe 2011). Parteien, Bewegungen oder Personen, die der neoliberalen Hegemonie nicht zustimmten, seien also keine politischen Gegner mehr, sondern moralische Feinde, für die es keinen Platz in der Demokratie gebe (Mouffe 2007b, S. 12).
Dies führe laut Mouffe jedoch zu einem Legitimationsverlust demokratischer Institutionen, da sich die Parteien in ihren Positionen nur noch geringfügig unterschieden und somit nicht mehr zur Artikulation politischer Interessen benötigt würden (vgl. Mouffe 2011). Den Wählern würden damit wirkliche Wahlmöglichkeiten genommen. Dies resultiere in einer „politischen Apathie oder [...] Erzeugung von gegen das Establishment gerichteten Ressentiments“ (Mouffe 1999).
Konkreter macht Mouffe vor allem die modernen Sozialdemokratien für jene Entwicklung verantwortlich. Mit ihrer Hinwendung zur Mitte und dem Konzept des Dritten Weges hätten die sozialdemokratischen Parteien aufgehört, die neoliberale Hegemonie infrage zu stellen und eine tatsächliche Alternative zu bilden (vgl. Mouffe 1999). Ihren ursprünglichen sozialdemokratischen Kern - und zwar die Gewährleistung von Gleichheit - habe die Sozialdemokratie damit aufgegeben(transversal). Zusätzlich dazu verlören die sozialdemokratischen Parteien ihre Stammwählerschaft, indem sie sich für die Mittelschicht öffneten (vgl. ebd.). Es sei das Unverständnis über die tatsächliche Natur des Neoliberalismus, das zu der Entwicklung jenes Dritten Weges geführt habe (vgl. Mouffe 2001).
Dieser „Konsens der Mitte“ habe zur Folge, dass das entstandene demokratische Defizit nun von Rechtspopulisten dazu genutzt werde, sich als einzige legitime Vertreter des Volkes zu präsentieren (vgl. Mouffe 1999). In Österreich habe sich dies im Erfolg der FPÖ manifestiert, der „eine direkte Konsequenz einer zu sehr am Konsens orientierten Politik der ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ“ (Chantal Mouffe: Nur Linkspopulismus kann FPÖ stoppen 2016) sei. Die andauernde Koalition von SPÖ und ÖVP habe zwar einerseits Stabilität erzeugt, jedoch andererseits ein Hindernis für dynamische politische Prozesse geschaffen (vgl. Mouffe 1999). Der Umgang mit der FPÖ „Empörung, Isolierung, Koalitionsbildung und Tolerierung“ (Otto 2016) sei ebenso eher destruktiv als hilfreich gewesen. Hierdurch sei es der FPÖ nur leichter gefallen, die Unterscheidung zwischen einem Wir, bestehend aus den „guten Österreichern“ und einem Ihr aus der österreichischen Elite zu schaffen (vgl. Mouffe 2007b, S. 89).
3 Analyse
Zuerst soll ergründet werden, inwiefern die SPÖ die Strategie des Dritten Weges tatsächlich umgesetzt habe. Eine Analyse der SPÖ-Wahlprogramme zwischen 1978 und 1998 zeigt die Entwicklung zu einer deutlich positiveren Gewichtung des Marktes sowie einer Einschränkung staatlicher Kompetenzen seitens der Partei. Ebenso wird der individuellen Verantwortung eine höhere Bedeutung zugeschrieben, beispielsweise werden Einkommensunterschiede nach dem Leistungsprinzip gerechtfertigt (vgl. Grimm 2018, S. 144). Der verwendete Wortschatz im Programm von 1998 stimme dabei fast identisch mit dem neoliberaler Kernaussagen überein (vgl. Kappeller und Huber 2009, S. 172). Im Vergleich zu anderen untersuchten Parteien (ÖVP, FPÖ und Grüne) gehe bei der SPÖ die größte Veränderung der Programmatik hervor.
Seit 1945 gab es in Österreich in 20 von 29 Bundesregierungen eine große Koalition aus ÖVP und SPÖ (vgl. Otto 2016). Durch diese langjährige Regierungsbeteiligung sowie ihre Möglichkeiten, Kanzler, Präsidenten und Landeshauptleute zu stellen, vermittele die SPÖ den Anschein, in keiner so gravierenden Krise zu stecken, wie ihre Schwesterparteien in anderen europäischen Ländern (vgl. Micus 2011, S. 31). Dennoch „weisen zahlreiche Indikatoren auf einen rapiden Verfall hin“ (Micus 2011, S. 31), der an Geschwindigkeit zunimmt.
Chantal Mouffe macht gerade jene Regierungsbeteiligung sogar für die Krise der SPÖ verantwortlich. Die jahrzehntelange Koalition aus SPÖ und ÖVP habe zu einer „Blockade des politischen Systems geführt“ (Mouffe 1999), die politisch anders Gesinnte von einer tatsächlichen Teilhabe abgehalten habe. Auch außerhalb der Großen Koalition standen sich die beiden Regierungsparteien innerhalb der Sozialpartnerschaft nahe (vgl. Mouffe 2005, S. 60). Micus‘ Analyse unterstützt jene Behauptung. Denn diese Koalitionen verhinderten eine mögliche Opposition, während „Wahlauseinandersetzungen [... ] zu Scheingefechten [mutierten], da die beiden Hauptrivalen ja stets gleichermaßen für die Regierungspolitik [...] verantwortlich waren“ (Micus 2011, S. 37). Bei österreichischen Wählern und Wählerinnen sinkt die Präferenz einer Großen Koalition mit den Jahren ihres Bestehens. Nur noch 15 Prozent wünschen sich 2017 eine Regierungskoalition aus SPÖ und ÖVP, 1990 waren es noch 70 Prozent (vgl. Plasser und Sommer 2018, S. 39). Ebenso sinkt das Vertrauen in politische Eliten und ihre Parteien sowie die Befürwortung der Demokratie. Zum ersten Mal war 2017 eine Mehrheit von Wählern mit der Praxis der österreichischen Demokratie unzufrieden (vgl. Plasser und Sommer 2018, 41 f.). Die achtziger Jahre zeichneten sich hingegen durch eine außerordentlich hohe Wahlbeteiligung sowie eine Stabilität des Parteiensystems aus (vgl. Sebinger und Nemella 2005, 433). Dies könnte darauf hindeuten, dass die von Mouffe prognostizierte politische Apathie und das Ressentiment seitens der Bürger tatsächlich als Reaktion auf ein durch Monotonie gelähmtes politisches System zu verstehen sei.
Ein weiterer Indikator für die Krise der SPÖ ist die schwindende Unterstützung der Partei von Mitgliedern, Arbeiter und Gewerkschaften. Von einst 721.000 Mitgliedern verzeichnet die SPÖ im Jahr 2020 nur noch 157.855 (vgl. Sozialdemokratische Partei Österreichs 2020, S. 2). Innerhalb von 40 Jahren hat sich die Mitgliederzahl der SPÖ demnach um mehr als 70 Prozent verringert. Im Vergleich zu anderen Parteien verzeichnet die SPÖ den stärksten Verlust von Mitgliedern. Ihre Stammwählerschaft hat sich seit den 1970er Jahren von 80 Prozent auf 25 Prozent reduziert (vgl. Mayringer 2014) Obwohl sich ihre Hauptwählerschaft dennoch aus den Stammwählern ergebe, scheine ihre eigene Parteibasis die SPÖ kritischer zu beurteilen als der Rest der Bevölkerung (vgl. Micus 2011, S. 32).
Auch Mouffe beschreibt eine „Erosion der traditionellen Verbindungen zwischen Arbeitern und SPÖ“ (Mouffe 1999). War Österreich einst „das Land mit der über Jahrzehnte am besten organisierten sozialistischen Arbeiterkultur“ (Walter 2010, S. 66), verlagere sich die Arbeiterschaft längst nicht mehr auf die sozialdemokratische Partei. Tatsächlich wählten zwischen 40-47 Prozent der Arbeiter die FPÖ, die SPÖ wählten hingegen nur 23 Prozent der Arbeiter (vgl. Wer wählte wie? Wählergruppen und ihre Motive 2019).
Abbildung 1 zeigt den stetigen Rückgang von Arbeiter und Arbeiterinnen unter den Wählern der SPÖ, während die FPÖ bereits in den neunziger Jahren sprunghaft zulegte. Auch der Anteil von Arbeiter unter den SPÖ-Mitgliedern schrumpfte von 40 Prozent in den fünfziger Jahren auf unter 20 Prozent (vgl. Micus 2011, S. 32). Bei den Arbeiter bestehe „das Gefühl, dass Politik und Gesetze stärker die Interessen der mit höherer Bildung und üppigerem Einkommen gesegneten Eliten berücksichtigen“ (John 2021).
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