Die Agitationsmethoden des Deutschen Flottenvereins

Im Kontext der deutschen Flottenrüstung


Seminararbeit, 2009

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Marine des Kaiserreiches

3. Gründung des Deutschen Flottenvereins
3.1 Administrative Grundlagen
3.2 Entwicklung der Mitgliederzahl
3.3 Vereinsabzeichen

4. Methoden der Agitation
4.1 Printpublikationen
4.2 Verteilung von Druckschriften in der Bevölkerung
4.3 Vortragswesen und Lichtbilderabende
4.4 Nutzung neuer Medien oder „als die Bilder laufen lernten“
4.5 Organisation von Ausflugsfahrten

5. Zusammenfassung

6. Anhang
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Plötzlich, gleichsam über Nacht, schienen wir nach einer tausendjährigen Geschichte mit ausgesprochen festländischer Einstellung vom Verlangen nach Seegeltung erfasst, das uns hemmungslos den Zielen einer Seemachtpolitik nachjagen ließ.1 So das Urteil eines Zeitgenossen über den Beginn einer neuen Phase des deutschen Ausgreifens auf die Welt und den Eintritt des Deutschen Kaiserreiches in das Zeitalter des maritimen Imperialismus.

Mit der Wandlung von einer Agrar- in eine Industriegesellschaft im ausgehenden 19.Jahrhundert, gepaart mit der demographischen Revolution, wurde die Bevölkerung des Kaiserreiches gleichsam in eine neue Ära katapultiert. Neue Gesellschaftsschichten bildeten sich und etablierten Massenkonsum wie -medien. Es reichte nun nicht mehr, im Rahmen der Machtstrukturen aus vorindustrieller Zeit zu agieren, sollte ein Projekt von nationaler Tragweite umgesetzt werden. Die Gründung von gesellschaftlichen Massenverbänden wie auch Parteien symbolisierte diesen zunehmenden Druck „von unten“.

Der Deutsche Flottenverein (kurz DFV) ist einer dieser Verbände, gemeinhin als Agitationsverband bezeichnet bzw. im internationalen Kontext auch pressure group. Erst 1898 gegründet, trat dieser für eine größtmögliche Steigerung der Flottenrüstung ein und entwickelte sich erstaunlich rasch zu einer der mitgliederstärksten Vereinigungen im Land. Einzig der „Kyffhäuserbund der Deutschen Landeskriegerverbände“ konnte mit mehr als 2 Millionen eine höhere Mitgliederzahl aufweisen, ist aber durch seine Organisation als Dachverband nur indirekt vergleichbar.2 Die sich entfaltende beachtliche propagandistische Wirkung ist dabei weit mehr als nur der vermeintlich verlängerte Arm des Marine-Staatssekretärs von Tirpitz, sie ist einer der Schlüsselfaktoren zur Etablierung eines wahren Marinekultes im wilhelminischen Kaiserreich.

Im Rahmen dieser Seminararbeit soll daher der Frage nachgegangen werden, wie und mit welchen Methoden der DFV die Bevölkerung zwecks Mitgliedergewinnung zu umgarnen und zu beeinflussen versucht hat. Obgleich die Existenz des Vereins sich bis in die NS-Zeit verfolgen lässt, nach Umbenennung in Deutscher See-Verein (DSV) 1919 und erzwungener Selbstauflösung im Jahre 19343, sollen hierbei die Jahre vor dem 1.Weltkrieg bis zur Flottennovelle von 1912 im Fokus stehen, da der Verein in diesem Zeitraum seine größte Wirkung entfaltete.

2. Die Marine des Kaiserreiches

Mit dem Gesetz über die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.April 1871 wurde in Abschnitt IX. „Marine und Schifffahrt“ (Artikel 53 55) auch die Gründung einer Kriegs- wie Handelsmarine beschlossen. In Art.53 steht dazu geschrieben: „Die Kriegsmarine des Reichs ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind.“4

Besondere Relevanz hat dabei der Begriff „einheitliche“, weil die Marine durch ihre bundesstaatenübergreifende Organisation eben im Gegensatz zu den zersplitterten Landheeren der Königshäuser quasi die Funktion eines Schmelztiegels übernahm. Einheitlich ist dabei auch die allerhöchste Kommandogewalt, welche direkt beim Kaiser persönlich lag. Damit wurde die Marine des Deutschen Kaiserreiches von 1871 zu einer zentralen Institution des Reiches, die direkt dem Kaiser unterstand und damit per Definition von einer unmittelbaren Treuebezeichnung der Marine zum Monarchen zeugte5.

Der Ausspruch „des Kaisers Marine“ war dabei weit mehr als etwa nur eine Verballhornung der Kaiserlichen Marine, sondern einerseits Ausdruck der Identifikation der Marine mit ihrem obersten Befehlshaber und Monarchen, im Speziellen aber ebenso die Identifikation des marinebegeisterten Wilhelms II. mit „seiner]“ Marine.

3. Gründung des Deutschen Flottenvereins

3.1 Administrative Grundlagen

Die Gründungsstatuten des DFV vom 30.April 1898 lauteten auszugsweise wie folgt:

§ 2 Der Verein hat den Zweck, das Verständnis und das Interesse des deutschen Volkes für die Bedeutung und die Aufgaben der Flotte zu wecken, zu stärken und zu pflegen. Er stellt sich weiter die Aufgabe, für die Angehörigen der Flotte namentlich da fürsorgend einzutreten, wo die Gesetzgebung und die Verwaltung des Reiches eine ausreichende Fürsorge nicht gewähren können.

§ 3 Der Deutsche Flotten-Verein wird es als seine Hauptaufgabe betrachten, nach seinen Kräften dafür zu sorgen, da ft die deutsche Flotte die zur Lösung ihrer Aufgaben erforderliche Stärke besitzt, und gegebenenfalls mit allen dazu vorhandenen gesetzlichen Mitteln auf die ganze Nation einwirken, um die Flotte dauernd auf der erforderlichen Höhe zu halten.6

Mitglied konnte jeder „ gro ft jährige deutsche Reichsangehörige werden, der im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte und dispositionsfähig “ war.7 Das Minimum des erhobenen Jahresbeitrags betrug 50 Pfennig, dieser wurde allerdings neben anderen kleinen Änderungen später gestrichen8 und von den Mitgliedern dafür eine freiwillige Leistung erwartet: „ Die Mitgliedschaft wird durch die Zahlung eines Jahresbeitrages erworben; die Höhe des Beitrages ist dem Ermessen des einzelnen Mitgliedes anheimgestellt und soll derart auf Selbsteinschätzung beruhen, dass der Bemitteltere entsprechend höhere Leistungen übernimmt.9

Nach der ironisch anmutenden Auskunft des zeitgenössischen Nauticus „ ohne große Agitation nach außen “ trat der Flottenverein nun ab Mai 1898 in Aktion, in erster Linie durch Ausgabe und Versand von Printpublikationen sowie der forcierten Gründung von Landes- und Provinzialausschüssen, welche vornehmlich unter der Leitung von „ hervorragenden “ Persönlichkeiten stehen sollten.10

3.2 Entwicklung der Mitgliederzahl

Die Unterstützung der Administration ist für den Zuwachs der Mitgliederzahl von großer Bedeutung, stand doch „ dem DFV der Behördenapparat in einem für nationalistische Verbände einmaligen Maße zur Verfügung11. Weiterhin wirkte der zum ersten Ehrenmitglied ernannte Großherzog von Baden Friedrich I. in seiner Rolle als Protektor des DFV nicht nur quasi als Türöffner für die deutschen Fürstenhäuser, sondern ebenso auch als leuchtendes Beispiel für alle patriotischen Deutschen.

Mit dieser Unterstützung erreichte der Verein bereits 1900 und damit bereits innerhalb von zwei Jahren die Schwelle von 200 000 Einzelmitgliedern, inklusive der korporativen Mitglieder bereits eine halbe Million Mitglieder. 1907 wurde dann auch die Schwelle von 1 Million Mitgliedern erreicht, bei allerdings „nur“ etwas mehr als 300 000 Einzelmitgliedern und damit Verdoppelung der Anzahl der korporativen Mitgliedschaften.12

Trotz seines daraus ableitbaren Potenzials der Beeinflussung weiter Bevölkerungskreise, wollte der DFV dabei nie als Partei angesehen werden, sondern ganz im Gegensatz überparteilich auftreten und an die patriotische Gesinnung aller Parteien appellieren. Demgemäß erklärte der Präsident des DFV Wilhelm Fürst zu Wied, „ [...]daß der Deutsche Flottenverein, der ein Agitationsverein im höchsten Sinne des Wortes, aber dabei unpolitischer Art ist, stets an die Zukunft seiner patriotischen Aufgabe zu denken habe.13 Der Versuch, als scheinbar unpolitische bzw. politisch neutrale Vereinigung aufzutreten, ähnelte dabei dem Vorgehen der Landeskriegerverbände im Kyffhäuserbund.14

3.3 Vereinsabzeichen

Als Zeichen der Vereinsmitgliedschaft konnten die Mitglieder ein Abzeichen erwerben und dieses öffentlich tragen.15 Allerhöchste Relevanz erreicht dieses an und für sich unscheinbare Utensil durch die Tatsache, dass es von Kaiser Wilhelm II. persönlich gestaltet wurde. Bedenkt man die Schranken der wilhelminischen Klasse- und Ständegesellschaft, muss diese „ fiktive Unmittelbarkeit “ zwischen einfachem Vereinsmitglied und seinem Monarchen eine ungeheure Anziehung entfaltet haben. Konnte man doch dem Allerhöchsten mit seiner bekannten Marinepassion in keiner anderen Hinsicht so nahe kommen und sich quasi „ über seine Mitgliedskarte mit den Wünschen seines Souveräns identifizieren und das vom Kaiser selbst ent-worfene Vereinsabzeichen als besondere Auszeichnung und Ausdruck dieser Interessenkongruenz betrachten “.16

4. Methoden der Agitation

4.1 Printpublikationen

Seit Gründung des Vereins bekamen die Mitglieder monatlich die „ mit reichem Bilderschmuck17 ausgestattete Zeitschrift und Vereinsorgan „ Die Flotte18 unentgeltlich zugestellt. Seit Weihnachten 1898 ergänzt durch die illustrierte Monatszeitschrift „ Ueberall “, welche das Gebiet der Seeinteressen verfolgen und erörtern sollte.19 Selbige wurde 1900 in eine Wochenzeitschrift umgewandelt, aber schon 1901 vom DFV an die Verlagsbuchhandlung Boll und Pickardt in Berlin abgegeben.20 Daneben erschienen noch unregelmäßig bzw. bei Bedarf die „ Mitteilungen des Deutschen Flottenvereins “, eine Zusammenstellung kurzer Artikel meist kriegstechnischer wie naturwissenschaftlicher Art, Neuigkeiten im Rüstungssektor konkurrierender Mächte aber auch Fragen allgemeiner Natur wie z.B. „Wie schnell fliegt eine Granate?“21. Dazu kam seit 1900 die „ Allgemeine Marine-Korrespondenz “ ebenfalls nach Bedarf, sowie 1900 bis 1902 das „ Jahrbuch des Deutschen Flottenvereins “ gefolgt vom „ Handbuch des Deutschen Flottenvereins “.22

Darüberhinaus wurden auf der Generalversammlung am 11.Januar 1900 folgende „Unternehmungen“ bzw. Projekte angekündigt:

1. Anfertigung einer Broschüre zur Aufklärung über die Flottenfrage
2. Heranziehung von Männern, die das Vertrauen der Massen besitzen, um den Flottengedanken in die breiten Schichten des Volkes hineinzutragen
3. Anfertigung eines kartographischen Werkes in Anlehnung an die Navy League Map
4. Sentenzen-Set
5. Umfrage unter Männern bekannten Namens zwecks Herbeiführung einer handschriftlichen Äußerung zur Flottenfrage
6. Bildermappe von Marine-Aquarellen des Malers Willy Stöwer
7. Veranstaltung eines deutschen Flottenfestes in Berlin allergrößten Stiles unter Beteiligung und Mitwirkung aller Kreise der Hauptstadt, Veranstaltung ähnlicher Feste in anderen deutschen Großstädten wird anheim gestellt23

[...]


1 Willy Becker, Fürst Bülow und England 1897 – 1909. Greifswald 1929, S.303.

2 Dieter Fricke, Kurt Finker, Kyffhäuserbund der Deutschen Landeskriegerverbände (KB) 1900 – 1943, in: Dieter Fricke u.a. (Hg.), Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945, Bd. 2, Leipzig 1970. S. 296 – 312, S.297

3 Dieter Fricke, Edgar Hartwig, Deutscher Flottenverein (DFV) 1898 – 1934, in: Dieter Fricke u.a. (Hg.), Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). Bd. 2, Leipzig 1984, 67-89, S.85.

4 Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes Nr.16 vom 20.April 1871, in: Reichsgesetzblatt 1871, Berlin 1871, S.63­86, S.78

5 Bernhard Kroener, Die deutsche Flotte von 1848-1849 - "das Schmerzenskind der deutschen Revolution"?, in: Werner Rahn (Hg.), Deutsche Marinen im Wandel: vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument internationaler Sicherheit (= Beiträge zur Militärgeschichte, 63), München 2005, S. 81-90, S.89.

6 Zitiert nach Fricke, DFV, S.70.

7 Nauticus 1899, Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen. Berlin 1899, S.166. In späteren Satzungen auch mit der Formulierung „ Reichsangehörige beider Geschlechter “.

8 Dieter Fricke führt dafür als Zeitpunkt die Mitgliederversammlung vom 20.Februar 1902 an (siehe Fricke, DFV, S.74), allerdings sind selbige Veränderungen bereits in der neuen Satzung vom Januar 1900 (siehe Anmerkung 25) umgesetzt und ebenso im Jahrbuch des DFV 1901 auf S.2 abgedruckt.

9 Die Flotte, 3.Jg. 1900, Nr.1, S.15.

10 Nauticus 1899, S.166.

11 Fricke, DFV, S.71.

12 Ebd., S.68.

13 Die Flotte, 3.Jg. 1900, Nr.1, S.14.

14 Axel Grießmer, Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen Reich. Zum Wandel der Wahlkultur 1903–1912. Düsseldorf 2000, S.84.

15 Fricke, DFV, S.73; Beschreibung der 6 verschiedenen Ausführungen z.B. siehe Die Flotte, 10.Jg. 1907, Nr.5, S.75; Abbildungen siehe Art. „Deutscher Flottenverein“, Verbandsabzeichen Inventar-Nr. DHM 1988/100, in: Deutsches Historisches Museum Berlin (Hg.), Politische Abzeichen der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. [CD-ROM], München u.a. 1996.

16 Grießmer, Massenverbände, S.53.

17 Jahrbuch des DFV, Berlin 1901, S.2.

18 Der Untertitel wechselte mehrfach von z.B. „Amtliche Mitteilungen des Deutschen Flottenvereins“ im Jahre 1900 zu „Monatsblatt für die ordentlichen Veröffentlichungen des Deutschen Flottenvereins“ im Jahre 1901.

19 Jahrbuch des DFV 1901, S.2.

20 Amandus Wulf, Deutscher Flottenverein (DFV) 1898 – 1934, in: Dieter Fricke u.a. (Hg.), Die bürgerlichen Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945. Bd. 1, Leipzig 1968, S. 432 – 449, S.433; zur Ermächtigung des Präsidiums durch die Generalversammlung des DFV am 11.Januar 1900 selbständig Kontrakte diesbezüglich abzuschließen siehe Die Flotte, 3.Jg. 1900, Nr.1, S.14.

21 Mitteilungen des DFV, 6.Jg. 1908, Nr.12, S.139.

22 Fricke, DFV, S.68.

23 Die Flotte, 3.Jg. 1900, Nr.1, S.14.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Agitationsmethoden des Deutschen Flottenvereins
Untertitel
Im Kontext der deutschen Flottenrüstung
Hochschule
Universität Mannheim  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Imperialismus als Kultur - Deutschland und Großbritannien um 1900
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V131283
ISBN (eBook)
9783640410811
ISBN (Buch)
9783640410866
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Agitationsmethoden, Deutschen, Flottenvereins, Kontext, Flottenrüstung
Arbeit zitieren
Sebastian Hoffmann (Autor:in), 2009, Die Agitationsmethoden des Deutschen Flottenvereins, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131283

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