Die §218-Kampagne im Mediendiskurs der 70er Jahre


Seminararbeit, 2009

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

I. Einleitung

II. Die Geschichte der Abtreibung

III. Die §218- Kampagne im Mediendiskurs der 70er Jahre
III.1 DIE ZEIT vom 30.04.1971 „Ist Abtreibung Mord?“
III.2. DER SPIEGEL vom 31.05.1971 „Ich habe nur Umgang mit Mörderinnen“
III.3. DER STERN vom 06.06.1971 „Ich habe abgetrieben“
III.4. DER SPIEGEL vom 21.05.1973 „Abtreibung: Massenmord oder Privatsache?“
III.5. DIE ZEIT vom 15.03.1974 „Keine Abtreibung auf dem Bildschirm?“
III.6. DIE ZEIT vom 11.02.1977 „Ein Mönch schockt Bäuerinnen“
III.7. EMMA 1978 „Der §218- Skandal wird immer größer“

Schlussbetrachtung

Literaturnachweis:

I. Einleitung

„Eine Schwangere, die ihre Frucht abtreibt oder im Leib tötet wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft“[1], Frauen sehen sich gezwungen ihre ungeborenen Kinder in Hinterhöfen oder Kneipenzimmern von Kurpfuschern und so genannten Engelmachern unter lebensbedrohlichen Bedingungen entfernen zu lassen oder legen in ihrer Verzweiflung mit barbarischen Geräten selbst Hand an.

All dies hört sich eher nach Berichten mittelalterlicher Verhältnisse als nach Zuständen Ende des 20. Jahrhunderts an. Doch war das in Deutschland noch in den 70er Jahren Realität, wahrscheinlich mehrere hundert Mal am Tag. Aber die Frauen begannen sich zu wehren, sich Öffentlichkeit zu verschaffen und unter dem Motto „Mein Bauch gehört mir“ für eine Liberalisierung des an der sozialen Wirklichkeit vorbeigehenden Paragraphen 218 zu kämpfen. Die Front der Gegner jedoch, welche vor allem aus kirchlichen Vertretern, Ärzten und Politikern der CDU bestand, schien keinen Millimeter von ihren konservativen Ansichten abrücken zu wollen, um betroffene Frauen aus ihrer demütigenden und gefährlichen Lage zu befreien.

Obwohl bis dahin weitestgehend ein Tabuthema, setzte vor allem in den Medien der 70er Jahre ein reger Diskurs über die Abtreibung ein. Anhand ausgewählter Artikel der Zeitung Die ZEIT, dem Magazin Der SPIEGEL und der Frauenzeitschrift EMMA aus diesem Jahrzehnt, sowie anhand des im STERN veröffentlichten Appell gegen das bestehende Abtreibungsgesetz wird in der vorliegenden Arbeit ein Einblick in das Dilemma der ungewollt schwangeren Frau, die §218- Kampagne und die Argumente der Gegenseite geschaffen. Anhand dessen soll dabei der Frage nachgegangen werden, inwiefern eine Liberalisierung der Abtreibung unabdingbar war, aber auch dahingehende Befürchtungen ihre Berechtigung hatten. Zusätzlichen Anlass zur Hinterfragung soll des Weiteren die zwiespältige Rolle des Mannes bei dieser Angelegenheit geben.

Zunächst wird jedoch in Punkt II ein historischer Abriss zur Abtreibungsproblematik und – praxis gegeben, um den Diskurs der 70er Jahre besser in den Gesamtkontext dieses Themas einordnen zu können. Im Schlusspunkt sollen schließlich noch einmal besonders kontroverse Ansatzpunkte herausgegriffen und versucht werden, die eingangs gestellten Fragen zu resümieren.

Leider war es kaum möglich eine der besagten Quellen im Original zu beschaffen, so dass schwierig Aussagen über den Umfang und die Gewichtung der Berichterstattung in den einzelnen Zeitungen zu machen sind. Dennoch boten Internetarchive und Fernleihbibliotheken meist leichte Zugänge zu den jeweiligen Artikeln. Lediglich die Ausgaben des STERN aus diesem Jahrzehnt lassen sich weder über das Internet noch auf sonstigem Wege einsehen, so dass alle Berichte zur Selbstbezichtigungskampagne des Jahres 1971 aus anderen Quellen zitiert werden.

II. Die Geschichte der Abtreibung

Die Abtreibung eines ungeborenen und zumeist ungewollten Kindes und die damit verbundene moralische als auch juristische Problematik ist keineswegs ein Phänomen der Neuzeit. Schon seit der Antike besteht die Frage nach der rechtlich- sittlichen Beurteilung einer Abtreibung, deren Beantwortung davon abhängt, ob der Leibesfrucht ein eigenes Leben zukommt oder nicht und wann die Beseelung des Menschen zeitlich angesetzt wird. Seither machte man die verschiedensten Theorien geltend. So war die Auffassung des klassischen römischen Rechts die, dass der Fötus lediglich Teil der mütterlichen Eingeweide sei und eine Abtreibung somit nicht strafbar war, allerdings nur dann, wenn der Mann die Entscheidungsbefugnis darüber besaß. Mit dem Aufkommen des Christentums änderte sich die Auffassung jedoch dahingehend, dass man annahm, dem männlichen Embryo werde am vierzigsten Tag, dem weiblichen am achtzigsten Tag nach der Empfängnis die Seele eingehaucht. Eine Abtreibung stand dennoch in jedem Falle unter Verbot, da allein dem göttlichen Vater das Recht über Leben und Tod zustehe und dies sowohl dem Mann als auch der Frau jegliche Einmischung in die göttliche Ordnung untersage. Die weltliche Gerichtsbarkeit des Mittelalters hingegen beließ die Abtreibung grundsätzlich straflos. Daran änderte sich erst etwas mit der Einfügung eines Abtreibungsparagraphen in die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karl V. im Jahre 1532, die die Abtreibung des belebten Foetus als erschwerte Form des Totschlags behandelte und entsprechend bestrafte. „Vnnd die fraw…, ertrenckt oder sunst zum todt gestrafft werden“[2], wobei ein Fötus unter drei Monaten als noch nicht lebendig angesehen wurde und hierbei die Strafe milder ausfiel. Dennoch scheint der unerlaubte Handel mit Abtreibungsmitteln vielerorts geblüht zu haben. Zur Zeit der Aufklärung galt als zentrales Ziel die Verhinderung von Abtreibungen, so dass Aufsichtspersonen für Frauen im gebährfähigen Alter eingesetzt wurden[3], wodurch es dennoch kaum möglich war, sämtlichen Fällen von ungewollten Schwangerschaften Einhalt zu gebieten. Mit der Gründung des Deutschen Reiches und des am 15.05.1871 in Kraft tretenden Reichsstrafgesetzbuches erhielt auch die Abtreibung eine neue rechtliche Grundlage. Unter dem Paragraphen 218 mit dem Titel „Verbrechen und Vergehen wider das Leben“[4] wurde sie als Tötungsdelikt aufgeführt. Im Wortlaut besagte dieser, dass eine Schwangere, welche ihre Frucht abtreibt oder im Leib tötet, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft wird. Die Erkenntnis der medizinischen Forschung, dass der Embryo schon vom Moment der Empfängnis an lebe, war allgemein anerkannt, so dass für jeden Zeitpunkt der Abtreibung gleiches Strafmaß angewandt wurde. Lediglich das Argument der Notwehr der Frau gegen das Kind aufgrund einer akuten physischen Bedrohung der Mutter konnte als Indikator einer straffreien Abtreibung gebilligt werden.

Erste Forderungen nach einer Abschaffung beziehungsweise Liberalisierung dieses Paragraphen und öffentlich geführte Diskussionen über dieses kontroverse Thema setzten mit dem Ende des I. Weltkrieges ein, der in so mancher Hinsicht mit der traditionellen Frauenrolle brach. Mit der Emanzipation der Frau, und der Entschlossenheit, die Familie nicht über die gewünschte Kinderzahl anwachsen zu lassen, wurde die Abtreibung zu einer Art selbstverständlichen Alternative zur Empfängnisverhütung und erlangte laut Jütte eine Art Alltäglichkeit[5], ohne dass sich dabei ein ausgeprägtes Schuldbewusstsein breit machte. Im Mittelpunkt der politischen Diskussion stand das Argument, Abtreibungen schaden der Volksgesundheit und hindern den nationalen Wiederaufstieg; es ging also wenig um den Schutz des werdenden Lebens[6]. Gegensätzlich dazu startete die KPD eine Kampagne unter dem Motto „Dein Körper gehört dir“, Theaterstücke mit den Titeln „§218. Gequälte Menschen“ und „Cyankali“ wurden aufgeführt sowie Protestkundgebungen für eine Fristen- oder Indikationsregelung abgehalten, so dass man 1927 die medizinische Indikation anerkannte und sich Anfang der 30er Jahre trotz entschiedenem Widerstand des „Deutschen Ärztevereinsbundes“, der NSDAP und des Zentrums auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, eine mildere Bestrafung der Abtreibung, einigte. Zur Zeit des Nationalsozialismus spaltete sich die Beurteilung von Abtreibungen dahingehend, dass sie erlaubt bzw. verordnet wurde, wenn dadurch erbkranker Nachwuchs oder die Fortpflanzung „minderwertiger Volksgruppen“ verhindert wurde, sie jedoch unter Todesstrafe gestellt wurde, wenn „dadurch die Lebenskraft des deutschen Volkes beeinträchtigt“[7] werde. Lediglich eugenische, rassische und bevölkerungspolitische Ziele spielten hierbei eine Rolle. 1945 wurden diese Bestimmungen wieder aufgehoben. Tagespolitische Bedeutung erlangte das Thema Abtreibung erst wieder 1960, als Forderungen nach der Anerkennung einer sozialen Indikation immer lauter wurden. Obwohl Ärzte aus ethischen und medizinischen Gründen der offiziellen Einbeziehung sozialer Aspekte stets ablehnend gegenüber standen, wurden Ende der 60er Jahre vermutlich bereits sämtliche Indikationen im Rahmen der medizinischen Indikation angewandt[8]. Schließlich wurde seit 1970 stetig versucht, Altenativ- Entwürfe als Gesetzesinitiative im Bundestag einzubringen, die nahezu übereinstimmend eine Fristenreglung von drei Monaten und den Besuch einer Beratungsstelle vorsahen. Bis 1976 scheiterten all diese Ansätze, welche vor allem von der SPD gestützt wurden. Zeitgleich dazu verschafften unzählige Emanzipationsgruppen und Frauenbewegungen dem Thema Abtreibung im Zuge der „§218- Kampagne“ eine breite Öffentlichkeit, so dass dieses nun auch im Zentrum des medialen Interesses stand. Am 18.05.1976 schließlich trat die Neufassung des §218 StGB in Kraft und sah grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe für denjenigen vor, der eine Schwangerschaft abbricht. Beging die Schwangere die Tat, wurde sie mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft. In vier Fällen jedoch blieb der Schwangerschaftsabbruch straffrei, bei einer medizinischen, kriminologischen, eugenischen oder Notlagenindikation. Dieses Gesetz markierte zwar einen rechtsgeschichtlichen Einschnitt, führte aber dennoch nicht das Ende der Debatte herbei, da die Umsetzung der Reform nicht immer reibungslos verlief. Dennoch blieben diese Bestimmungen über anderthalb Jahrzehnte unverändert in Kraft. Im Zuge der Wiedervereinigung musste man jedoch eine neue Regelung finden, da in der DDR seit 1972 die Fristenregelung von 3 Monaten galt. So wurde am 25.08.1995 das Schwangeren- und Familienhilfegesetz verabschiedet. Demnach gilt bis heute, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach §218 StGB im Allgemeinen rechtswidrig ist. Es ist jedoch in einer Reihe von Ausnahmefällen Straffreiheit möglich. Und zwar bei einer Schwangerschaftskonfliktberatung innerhalb der ersten zwölf Wochen, bei der Annahme, dass die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder sie eine Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren darstellt. Letzterer Fall ist nicht an eine zeitliche Frist gebunden[9].

[...]


[1] R. Jütte, Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1993, S. 132.

[2] R. Jütte, Geschichte der Abtreibung, S. 66.

[3] Ebd. S.92.

[4] R. Jütte, Geschichte der Abtreibung, S.132.

[5] Ebd. S.152.

[6] Ebd. S.154.

[7] R. Jütte, Geschichte der Abtreibung, S.172.

[8] Siehe ebd. S. 179.

[9] http://dejure.org/gesetz/StGB/218.html, Stand: 20.11.2008.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die §218-Kampagne im Mediendiskurs der 70er Jahre
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Basismodul - Die siebziger Jahre im deutsch-deutschen Vergleich
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V131345
ISBN (eBook)
9783640371143
ISBN (Buch)
9783640371327
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abtreibung, §218-Kampagne, Medien, 70er Jahre, EMMA, SPIEGEL, DIE ZEIT
Arbeit zitieren
Claudia Zimmermann (Autor:in), 2009, Die §218-Kampagne im Mediendiskurs der 70er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131345

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