Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ziel und Fragestellung dieses Forschungsberichts
3. Theoretischer Hintergrund
3.1 Begriffsdefinition Mobbing
3.2 Phasenmodell Mobbing
3.3 Begriffsdefinition Cybermobbing
3.4 Psychische Auswirkungen von Cybermobbing auf die Opfer
3.5 Motive und Auslöser von Cybermobbing
4. Empirisches Design: Fragebogen
4.1 Charakteristika von Fragebögen
4.2 Unser Fragebogen
4.3 Fragetypen
4.4 Stichprobenbeschreibung und Feldzugang
4.5 Aufbau
5. Zeitplan
6. Durchführung der Erhebung
7. Darstellung und Interpretation
7.1 Stichprobe
7.2 Selbsterfahrung
7.3 Fremderfahrung
7.4 Darstellung und Interpretation: Hilfeleistungen
7.4.1 Auswertung der 1. Frage
7.4.2 Auswertung der zweiten Frage
7.4.3 Auswertung der dritten Frage
7.5 Verteilung der Befragten nach Geschlecht und Bildungstyp
7.6 Beleidigungen im Internet über längeren Zeitraum
7.6.1 Gefühle nach Beleidigungen im Internet
7.7 Konfrontation mit Gerüchten im Internet
7.7.1 Gefühle nach Gerüchteverbreitung im Internet
8. Psychische Auswirkungen
8.1 Zwischen Dunkelziffern und Beobachterinnen
8.2 Empfundene Emotionen der Opfer von Cybermobbing
8.3 Ein anderer Aspekt von Cybermobbing: Sexuelle Nötigung
9. Resümee/Zusammenfassung
10. Ausblick
11. Fehlerquellen
12. Literaturverzeichnis
13. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Im Zuge des Seminars Forschungsmethoden in der Sozialpädagogik, welches uns Studierenden elementare Kenntnisse von sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden wie beispielsweise Beobachtung, Interviews, Fragebogenentwicklung usw. vermitteln soll, war es unsere Aufgabe ein Forschungsprojekt durchzuführen. Wir haben ein qualitatives Forschungsvorhaben gewählt, welches sich mit der aktuellen Thematik des Cybermobbings im Netz auseinandersetzt.
Vor einigen Jahren noch wurden besonders der Fernsehkonsum und das Spielen von gewaltverherrlichenden Computerspielen kritisch von Eltern und der Gesellschaft betrachtet. Heutzutage liegt der Fokus der elterlichen Sorge stärker auf der SmartphoneNutzung der Kinder und Jugendlichen. Soziale Medien sind das Internetangebot, das Jugendliche am häufigsten nutzen und die, aufgrund der Internetverbindungen, die mittlerweile fast jedes Handy aufweist, permanent abrufbar sind. Es kann also gesagt werden, dass soziale Medien ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Lebens moderner Jugendlicher sind. Dabei dürfen jedoch die negativen Seiten der Digitalisierung nicht vernachlässigt werden. Weltweit zeigen 10 % bis 30 % der Jugendlichen ein problematisches Nutzungsverhalten bezüglich ihrer Smartphones, die unter anderem mit psychischen Schäden einhergehen (vgl. Felder-Puig/Quehenberger/Teufl 2020, S. 3). Aufgrund der bestehenden Relevanz der Thematik befasst sich diese Forschungsarbeit mit „Cybermobbing“ und dessen psychischen Auswirkungen auf 14- bis 18-Jährige.
In unserer Arbeit möchten wir darstellen, wie wir bei unserem Forschungsvorhaben vorgegangen sind. Zu Beginn werden wir die Begriffe Mobbing, Cybermobbing und den aktuellen Forschungsstand genauer erläutern. Danach werden wir auf die Wahl des forschungslogischen Vorgehens eingehen und die dazugehörenden theoretischen und methodologischen Grundlagen genauer erklären - was für das weitere Verständnis der Analysearbeit sehr wichtig ist. Aufgrund des Forschungsgegenstandes war es für uns von Anfang an klar, uns für eine quantitative Methode zu entscheiden. In unserem Fall war es der Online-Fragebogen. Im Anschluss daran werden wir die Analy-searbeit genau erläutern und die mit der Arbeit verbundenen Vorgehensweisen nach-vollziehbar aufgliedern, beginnend bei der Entwicklung der Fragestellung und der Wahl des Erhebungsinstrumentes. Danach werden wir auf den Zugang zum empirischen Feld und unsere zeitlichen Ressourcen eingehen.
Am Schluss möchten wir unsere Ergebnisse und Schlussfolgerungen darlegen.
Im Gesamtresümee werden wir einen kritischen Blick auf die von uns erarbeiteten Ergebnisse werfen, und die sich daraus ergebenden Konsequenzen von Cybermobbing erläutern.
2. Ziel und Fragestellung dieses Forschungsberichts
Am Beginn jeder wissenschaftlichen Arbeit steht eine Fragestellung. Nachdem unsere Gruppe sich für ein Thema entschieden hatte und die Literaturrecherche abgeschlossen war, haben wir angefangen, Fragestellungen zu formulieren. Sie dienen zur Eingrenzung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes. Diese sollten möglichst genau und unmissverständlich formuliert sein. Ebenso sollten diese realisierbar, beantwortbar und durchführbar sein, denn letztendlich soll dadurch neues Wissen hervorgebracht werden. Um zu einer erkenntnisleitenden Fragestellung zu kommen, sollte man zu Beginn ein Problem äußern, eine Abgrenzung treffen und anschließend das Problem bearbeiten (vgl. Aschemann Birgit 2005, S. 55).
Im Rahmen unseres Forschungsprojekts haben wir zwei Forschungsfragen formuliert. Schwerpunkt und Ziel dieser Forschung war es nämlich zum einen herauszufinden, welche psychischen Auswirkungen sich bei Jugendlichen im Alter von 14-18 Jahren durch Cybermobbing ergeben und zum anderen bei welchem Geschlecht durch Cybermobbing häufiger psychische Auswirkungen entstehen. Unser Ergebnis auf diese Fragen möchten wir durch die quantitative Methode des Online-Fragebogens erzielen.
Wie auch in vielen anderen Arbeitsbereichen, gewinnt das Thema „Medien“ immer mehr an Bedeutung. Durch die Digitalisierung und die steigende Nutzung des Internets entstehen neue Formen von bereits bekannten Phänomenen, wie das sogenannte „Cybermobbing“. Betroffene benötigen Hilfe, die sie durch Beratungen und Interventionen durch SozialpädagogInnen erhalten können. Doch die Sozialpädagogik bietet auch Möglichkeiten der Prävention von Cybermobbing im Schulbereich (vgl. Katzer 2014, S. 107). Daher ist es für Sozialpädagoginnen auch von enormer Bedeutung sich den Auswirkungen von Cybermobbing bewusst zu sein und aus diesem Grund haben wir uns dies als Ziel für unsere Forschungsarbeit gesetzt.
3. Theoretischer Hintergrund
3.1 Begriffsdefinition Mobbing
Der Begriff „Mobbing“ ist aus dem Englischen „to mob“, was so viel wie „angreifen“ bedeutet, oder vom Nomen „Mob“ herzuleiten. Unter einem „Mob“ ist der in diesem Kontext negativ belastete Begriff „Meute“ zu verstehen. Letztere Begrifflichkeit wurde im 18.Jahrhundert in die deutsche Sprache aufgenommen. Auch eine Möglichkeit zur Begriffsherleitung wäre das lateinische „mobile vulgus“, worunter eine in Aufruhr gebrachte Menschenmenge zu verstehen ist.
In der Verhaltensforschung wurde der Begriff „Mobbing“ im Jahre 1963 von Konrad Lorenz bei seiner Arbeit mit Gänsen verwendet. Der Verhaltensforscher versuchte anhand der Bezeichnung das Verhalten der Tiere zu beschreiben, die im „Mob“ aggressiv versuchten, einzelne ihrer Artgenossen oder auch andere Tiere zu dominieren. Mobbing ist daher als eine Art Gruppenaggression zu verstehen (vgl. Dambach 2011, S. 13).
Eine bedeutende Begriffsdefinition stammt von Heinz Leymann, einem Arbeitspsychologen, der das Verständnis um diesen Begriff mehrmals weiterentwickelt hat: „Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, oft (2) und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet“ (Leymann 1995, S. 18). Das bedeutet, dass Mobbing systematisch über einen längeren Zeitraum hinweg stattfindet, die Täter allein oder auch in Gruppen direkt und indirekt angreifend agieren und sich als Ziel setzen, das Opfer auszustoßen und zu drangsalieren.
Festzuhalten ist, dass die Abgrenzung von Mobbing und kleineren Streitereien sich nicht als einfach darstellt, da die Möglichkeit besteht, dass eine Rangelei sowohl einmalig als auch als Bestandteil eines kompletten Mobbingprozesses stattfinden kann.
Jedoch besteht der Unterschied zwischen Mobbing und „gewöhnlichen“ Konfliktsituationen darin, dass man unter Mobbing eine dauerhafte Ausgrenzung einer bestimmten Person versteht, während es sich bei Konfliktsituationen lediglich um vorübergehende Handlungen handelt (vgl. Fonds Gesundes Österreich 2012, S. 10).
Die am häufigsten verwendete Definition wurde von Olweus verfasst. Laut ihm entsteht Mobbing dann, „wenn eine schwächere Person wiederholt und über einen längeren Zeitraum verletzenden Handlungen von einer oder mehreren überlegenen Personen ausgesetzt ist und das Opfer sich nicht aus eigener Kraft gegen die Übergriffe zur Wehr setzen kann.“ (Olweus 1978, zit. nach Wachs et al. 2016, S. 18). Aufgrund dieser Definition ist es notwendig, auf die drei von Wachs et al. erläuterten Bestimmungsmerkmale einzugehen (vgl. Wachs et al. 2016, S. 18-20):
1. Wiederholungsaspekt
Mobbing tritt laut Wachs et al. über einen längeren Zeitraum und wiederholt auf. Der Zeitraum kann sich von einer Woche bis zu mehreren Jahren hin erstrecken. Man unterscheidet auch zwischen einer sogenannten „weichen Definition“, welche mehrmals im Monat über mindestens den Zeitraum eines halben Jahres stattfindet und der „harten Definition“, bei der das Opfer im letzten halben Jahr mindestens wöchentlich, von den TäterInnen drangsaliert wird. Bedeutend ist außerdem, dass ein spezifisches Verhaltensmuster seitens der TäterInnen und des Opfers erkennbar ist.
2. Verletzungsabsicht
Infolge von Mobbing haben sich TäterInnen als Ziel gesetzt, einem bewusst ausgewählten Opfer zu schaden. Dies geschieht laut Wachs et al. eher weniger häufig spontan und beliebig. Mobbing findet oftmals in stabilen Personengruppen, wie beispielsweise in der Schule innerhalb einer Klasse oder in (Sport-)Vereinen - also im Alltag - statt. Daraus resultiert, dass die TäterInnen ihr Opfer gut kennen und ihr Wissen über dieses gezielt nutzen, um es zu schädigen.
3. Machtungleichgewicht
Asymmetrische Machtverhältnisse stellen die Grundlage für Mobbing dar. Das bedeutet, dass den TäterInnen oftmals ein sozialer, physischer oder psychologischer Vorteil zugrunde liegt, wobei das Machtgefälle zum Opfer hin häufig klar durch äußere und dadurch offensichtlichere Merkmale erkennbar ist, jedoch können die Machtvorteile sich auch durch Charaktereigenschaften herausbilden. Aus einem asymmetrischen Machtverhältnis resultiert, dass Opfer oftmals keine Möglichkeiten haben, sich zur Wehr zu setzen und somit den TäterInnen hilflos ausgeliefert sind (vgl. Wachs et al., 2016, S. 18-20).
Eben dieses letzte Bestimmungsmerkmal ist bedeutend ausschlaggebend dafür, dass sich eine Möglichkeit zur Abgrenzung von Mobbing zu „gewöhnlichen“ Rangeleien bietet.
3.2 Phasenmodell Mobbing
Modelle zum Ablauf von verschiedenen Mobbing-Phasen dienen der Einschätzung, ob Mobbing tatsächlich vorliegt. Es gibt verschiedene Modelle zum Ablauf von typischen Mobbingfällen, jedoch wird in diesem Bericht nur auf Leymanns Modell eingegangen. Dieser unterteilt den Mobbingprozess in vier Phasen (vgl. Leymann 1993, o.S.):
1. Konfliktsituation
Laut Leymann steht zu Beginn von Mobbing stets ein Konflikt, dessen Lösung bei Mobbing jedoch nicht im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Suche nach einer schuldigen Person.
2. Phase des Mobbings
In der zweiten Phase vergessen die Täterinnen den anfänglichen Konflikt. Es entwickelt sich das Mobben der „schuldigen“ Person, das sich durch abwertendes und schädigendes Verhalten äußert. Hierbei ist das Opfer den Täterinnen hilflos ausgeliefert.
3. Phase der Eskalation
In dieser Phase machen sich bereits Auswirkungen beim allgemeinen Befinden des Opfers bemerkbar. Dies äußert sich durch Verhaltensänderungen, wie beispielsweise das Fehlen in der Schule, das Meiden von persönlichen Kontakten, also einen Rückzug zur Vermeidung von Konfrontationen.
4. Phase des Ausschlusses
Das Mobbingopfer wird in der vierten und letzten Phase aus der Gruppe ausgeschlossen und trägt vom Mobbing diverse Auswirkungen davon.
Wie anhand der vier Phasen von Mobbing zu erkennen ist, beginnt es mit einer eher unverfänglichen Situation, die im Normalfall gelöst werden würde. Im Falle von Mobbing wird dieser Konflikt aber nicht gelöst, sondern entwickelt sich zu einem schwerwiegenden Problem, was das gezielte Schädigen von Personen mit sich bringt. Es ist also eher unbedeutend für die Weiterentwicklung, wie gravierend der Ausgangskonflikt ist, da die Meute sich systematisch daran macht, das Opfer, welches hilflos erscheint, zu drangsalieren. Dieses strategische Vorgehen führt schlussendlich zu psychischen Auswirkungen und auch zum Ausschluss aus der Gruppe. Anhand dieses Phasenmodells ist erkennbar, dass die Opferwahl sich als zufällig gestaltet, da lediglich eine schuldige Person gesucht wird. Es kann also jeden treffen und ist nicht vorhersehbar.
3.3 Begriffsdefinition Cybermobbing
Nach einer grundlegenden Definition zum Begriff „Mobbing“ wird nun versucht, den Begriff „Cybermobbing“ zu erklären. Cybermobbing setzt sich aus den beiden Substantiven „Cyber“ und „Mobbing“ zusammen. „Cyber“ soll umgangssprachlich „virtuell“ bedeuten und wird dazu verwendet, den Raum des Geschehens zu benennen (vgl. Fawzi 2009, S. 17). Der Begriff „Mobbing“ wurde im vorherigen Kapitel schon erläutert. Hierbei handelt es sich um ein eher junges Phänomen, zu dem erst ab 1999 erste Untersuchungen durchgeführt wurden - jedoch nur im angloamerikanischen Raum. In Deutschland wurde die Thematik erst ab dem Jahre 2007 untersucht. Eine allgemeingültige Definition von Cybermobbing gibt es bisher nicht (vgl. Fawzi 2009, S. 30f.). Jedoch wird es als eine Variation des klassischen Mobbings angesehen, bei dem Personen gezielt mithilfe sozialer Medien andere schädigen und drangsalieren. Laut Kohlbrunner handelt es sich also wie beim herkömmlichen Mobbing um ein aggressives Verhalten, das als ein negativer Aspekt der Digitalisierung zu deklarieren ist (vgl. Kohlbrunner 2010, S.47).
Das Machtverhältnis ist beim Cybermobbing ebenso anzuwenden, jedoch ist anzumerken, dass im virtuellen Raum auch die Möglichkeit besteht, andere Personen anonym zu schädigen, wodurch persönliche Konfrontationen ausbleiben. Fawzi schreibt, dass die TäterInnen durch den fehlenden direkten Kontakt die Auswirkungen ihrer Tat(en) nicht einschätzen können. Problematisch ist auch, dass es den CybermobbingOpfern oft nicht möglich ist, die TäterInnen zu identifizieren, wodurch sie auch nicht in der Lage sind, ihren TäterInnen - wie beim herkömmlichen Face-to-Face-Mobbing aus dem Weg zu gehen oder sich zur Wehr zu setzen (vgl. Fawzi 2009, S. 34 und 67). Hinzu kommt, dass diese Mobbingform unabhängig von den Komponenten Raum und Zeit ist. Es kann sich über eine lange Zeit hin erstrecken, jedoch zählt auch beispielsweise das einmalige Versenden von für eine Person schädigende Inhalte an eine hohe Personenanzahl dazu (vgl. Fawzi 2009, S. 32 f.).
Das bedeutet also, dass Cybermobbing eine bedeutende und aktuelle Problematik darstellt, da die sozialen Medien in der heutigen Zeit einen großen Platz im Leben von Jugendlichen eingenommen haben und Mobbing nun nicht mehr „nur“ am Schulweg, in Sportvereinen etc. stattfinden kann, sondern einfach überall und rund um die Uhr im virtuellen Raum. Dadurch ist auch die Reichweite von Cybermobbing enorm und die Auswirkungen gravierend.
3.4 Psychische Auswirkungen von Cybermobbing auf die Opfer
Cybermobbing hinterlässt sowohl kurzfristige als auch längerfristige psychische Spuren bei den Betroffenen. Unmittelbar ist ein Rückzug der Betroffenen zu beobachten, der mit Wesensveränderungen einhergeht (vgl. Kaschnitz 2016, S. 119). Die Situation frustriert und schmerzt. Opfer empfinden Ängste und Wut. Das Empfundene kann sich auch in psychosomatischen Beschwerden äußern (vgl. Katzer 2014, S. 105). Psychosomatisch bedeutet: Wird das seelische Befinden infolge von Cybermobbing gestört, kann sich das häufig in Form von körperlichen Symptomen wie beispielsweise Migräne, Magen-Damen-Beschwerden, Rückenschmerzen etc. äußern (vgl. Dambach 2011, S. 52). Besteht die Belastung der Betroffenen über einen längeren Zeitraum hinweg, können die Symptome in einer anhaltenden Traumatisierung und depressiven Gemütszuständen resultieren (vgl. Kaschnitz 2016, S. 119).
In einer Untersuchung von Bonanno und Hymel (vgl. 2013, S. 686-687), die insgesamt 399 kanadische Jugendliche der Jahrgangsstufen 8 bis 10 zum Thema Cybermobbing befragten, zeigt sich, dass Cybermobbing nicht ausschließlich in Verbindung mit der Entstehung von depressiven Symptomen steht, sondern auch mit vermehrten Suizidgedanken. Die Studie macht zudem deutlich, dass vermehrt weibliche Personen dazu neigen, depressive Zustände zu erleiden oder suizidale Gedanken zu entwickeln. Das Erlebte kann nur schwer vergessen werden, denn Orte wie die Schule erinnern die Betroffenen daran, dass es „Zeuginnen“ des Cybermobbings gibt, die von ihnen unangenehme Fotos und Worte gesehen und gelesen haben. Infolgedessen kommt es zu einem noch stärkeren sozialen Rückzug. Die Betroffenen verhalten sich teils wütender und impulsiver, beenden Freundschaften leichtfertiger und zeigen schlechtere Schulleistungen als vor den Anfeindungen (vgl. Katzer 2014, S. 106). Personen, die direkten Kontakt mit Cybermobbing-Opfern haben, berichten oft davon, dass die Kinder und Jugendlichen von einem Tag auf den anderen aufhören, den Computer zu verwenden, zusammenzucken, wenn sie eine Nachricht am Smartphone oder Computer erhalten oder nach der Handy- oder Computernutzung betrübt oder angespannt erscheinen. Oft wollen die Kinder und Jugendlichen überhaupt nicht mehr in die Schule gehen (vgl. Diamanduros, Downs & Jenkins 2008, S. 695). Die psychischen Folgen von Cybermobbing können bei den Betroffenen zu selbstverletzendem Verhalten führen, das sogar, wie bereits erwähnt, im Suizid gipfeln kann (vgl. Katzer 2014, S. 106). Dies bestätigt auch eine Studie von Bündnis gegen Cybermobbing e. V. (vgl. 2017, S. 86). Hier konnte herausgefunden werden, dass die Kinder und Jugendlichen, die bereits mit Cybermobbing konfrontiert waren, gehäuft unter emotionalen Problemen leiden. Die befragten Kinder und Jugendlichen (n = 1586, Alter: zwischen 7 und 22) fühlen sich ängstlich und wütend zugleich, aber auch verletzt und angegriffen. Besonders gravierend ist, dass diese psychischen Auswirkungen nicht automatisch vergehen, wenn kein Cybermobbing mehr gegen sie oder ihn vollzogen wird, sondern sich die Kinder und Jugendlichen häufig längerfristig dadurch emotional belastet fühlen.
Wie die ausführliche Literaturanalyse zeigt, wurden die ersten Studien zu Cybermobbing in angloamerikanischen Breiten durchgeführt (vgl. Slonje & Smith 2008, S. 147149). Insgesamt kommen bislang die meisten Untersuchungsergebnisse zu diesem Thema aus Amerika, Kanada sowie dem skandinavischen Raum (vgl. Mahlknecht & Bork-Hüffer 2019, S. 79).
Eine Studie aus dem deutschsprachigen Raum stammt vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung („IKG“) der Universität Bielefeld. Konkret handelt es sich hierbei um eine im Jahr 2011 durchgeführte Online-Befragung an 1881 in Deutschland lebender SchülerInnen im Alter zwischen 11 und 24 Jahren der Sekundarstufen 1 und 2. In dieser Untersuchung widmen sich die Forschenden den Opfern, den TäterInnen und den ZeugInnen von Cybermobbing. Es geht unter anderem um die Belastungen der Opfer und ihren Umgang mit diesen, aber auch um die Motive der TäterInnen und die Konsequenzen ihrer Taten, sowie um die Erfahrungen der ZeugInnen des Cybermobbings (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 4-5).
Von den 1881 befragten SchülerInnen konnten 14 Prozent als Opfer von Cybermobbing und 13 Prozent als TäterInnen von Cybermobbing eingestuft werden. In Bezug auf geschlechtsspezifische Unterschiede macht die Studie deutlich, dass gesamt gesehen mehr weibliche Personen als männliche Personen angeben, bereits Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht zu haben. Die Studie fokussiert auch die Altersgruppe und dabei zeigt sich, dass die 14- bis 16- Jährigen mit mehr als 50 Prozent am meisten von Cybermobbing betroffen sind (im Gegensatz zur Altersgruppe der 20- bis 24- Jährigen mit lediglich knapp sieben Prozent). In derselben Altersgruppe lassen sich auch die meisten TäterInnen erkennen (über 60 Prozent) (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 31). In Bezug auf die Belastungen der Opfer verdeutlicht die Untersuchung, dass circa 25 Prozent der befragten SchülerInnen, die schon mit Cybermobbing konfrontiert wurden, diese als starke bzw. sehr starke Belastung auffassen. Als besonders belastend wird dabei die Weitergabe von privaten Fotos und Videos, mit dem Ziel, die/den SchülerIn zu demütigen, empfunden (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 24).
Hinsichtlich des Umgangs mit Opfererfahrungen, legt die Studie nahe, dass beinahe die Hälfte der als Cybermobbingopfer klassifizierten SchülerInnen eine abwehrende Taktik anwenden, was bedeutet, dass sie die Cybermobbingproblematik verdrängen und nicht den Versuch unternehmen, das Problem aktiv in irgendeiner Form zu lösen (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 20-21). Weiters werden die Handlungsmotive der TäterInnen in dieser Studie ins Auge gefasst. Hier zeigen die Ergebnisse, dass mehr als 50 Prozent der TäterInnen von Cybermobbing als Motiv angeben, vom Opfer genervt oder verärgert über das Opfer zu sein. Auch der Wunsch nach Rache ist bei mehr als zwei Fünftel ein Motiv, Cybermobbing zu vollziehen (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 24). Bei mehr als 25 Prozent der Cybermobbing-TäterInnen ist Langeweile, Neugierde oder Spaß ein Leitmotiv (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 24).
In Bezug auf die Konsequenzen für die TäterInnen von Cyberbullying lässt die Studie erkennen, dass über 50 Prozent der befragten TäterInnen angeben, dass ihre Handlungen keine persönlichen Folgen für sie hatten. Jede/r siebte TäterIn sagt, dass sie/er deshalb Konflikte mit Eltern oder Lehrpersonen gehabt hat. Nur jede/r elfte TäterIn sagt aus, dass sie/er wegen Cybermobbing schon Zusammenstöße mit der Polizei erlitten hat (vgl. Sitzer, Marth, Friedhoff & Müller 2012, S. 25).
Im Jahr 2017 wurde auch in Österreich eine umfassende Studie an 1205 Personen ab 14 Jahren zum Thema Cybermobbing vom Institut für Strategieanalysen durchgeführt (vgl. Institut für Strategieanalysen 2017, S. 14). Hier geben insgesamt sieben Prozent der Befragten an, bereits Opfer von Cybermobbing gewesen zu sein. Auch hier ist die jüngere Altersgruppe öfter von Cybermobbing betroffen als die ältere (17 Prozent der Altersgruppe zwischen 14 und 18 Jahren und 16 Prozent der Altersgruppe zwischen 19 und 29 Jahren).
Im Gegensatz zur Studie von Sitzer, Marth, Friedhoff und Müller (vgl. 2012) geben hier 61 Prozent von den betroffenen Cybermobbing-Opfern an, aktiv gegen das Problem vorzugehen. Über 60 Prozent blocken die/den AbsenderIn, jede/r vierte Befragte entfernt die Nachrichten und sucht sich Rat im Familien- und Freundeskreis. 25 Prozent geben an, sich Hilfe bei einer Lehrperson zu holen und 27 Prozent wenden sich mit dem Problem an die Polizei (vgl. Institut für Strategieanalysen 2017, S. 11).
3.5 Motive und Auslöser von Cybermobbing
Die Auslöser und Motive für Cybermobbing können sehr vielschichtig sein und aus den verschiedensten Kontexten resultieren. Oftmals stehen die Angriffe über das Netz in Verbindung mit der persönlichen Lebensgeschichte des/r TäterIn. So können beispielsweise nicht gelöste Konflikte im realen Leben des/r SchülerIn ein Anlass sein, um Mobbing im Internet zu betreiben bzw. wird Cybermobbing als „Ventil“ genutzt, um aufgestaute Spannungen abzubauen. Cybermobbing kann aber auch ein Ausdruck für eine gestörte zwischenmenschliche Interaktion und fehlender Empathie sein. Viele MobberInnen agieren aber beispielsweise einfach aus Langeweile oder aus Vergnügen, indem sie ein Bild einer/s SchülerIn auf einen Social-Media-Kanal stellen und negativ kommentieren. Zu Beginn ist es vielfach nur ein banaler Streit, der aber immer weiter ausartet (Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation - ÖIAT 2014, S. 10).
Laut einer Untersuchung von Schneider, Katzer und Leest (vgl. 2013, S. 100) handeln 35 Prozent der MobberInnen aus reiner Langeweile und 33 Prozent aus Vergnügen. In einer weiteren Untersuchung von Kowalski und Limber (vgl. 2007, S. 26-28) wurden als Hauptmotive für Cybermobbing Langeweile, aber auch Eifersucht und „cool sein“ angegeben. Auch Rache oder Streit mit der Person sind oft ein Grund für Cybermobbing, entweder weil sie selbst gemobbt worden sind oder aber andere Personen, die gemobbt worden sind, rächen. So werden die Opfer rasch zu TäterInnen (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing e. V. 2017, S. 85-86).
Nach Compton, Campell und Mergler (vgl. 2014, S. 396) stellt Cybermobbing für viele Kinder und Jugendliche ein Mittel dar, um ihre Zeit zu vertreiben, da sie sich sonst langweilen würden. Infolgedessen ist Cybermobbing für viele einfach eine Unterhaltungsform, bei der sich die TäterInnen ihre Opfer gezielt aussuchen, um diese im Netz zu schikanieren. Dann warten die TäterInnen oft stundenlang die Reaktionen und Kommentare des Umfeldes ab, ohne sich dabei irgendwie anstrengen zu müssen. Ein weiteres banales Motiv ist vielfach auch die Einfachheit von Cybermobbing. Cybermobbing ist im Gegensatz zum traditionellen Mobbing viel einfacher durchzuführen, da die TäterInnen keinen Face-to-Face Kontakt mit dem Opfer suchen und somit mit keinen direkten Konsequenzen rechnen müssen. Der technische Fortschritt macht es möglich, dass Kinder und Jugendliche einfach so nebenbei eine Person über das World Wide Web quälen, da das Smartphone heutzutage permanenter Alltagsbegleiter ist.
Auch der Faktor Anonymität ist nach Compton, Campell, und Mergler (vgl. 2014, S. 394) ein Leitmotiv für Cybermobbing. Kinder und Jugendliche können andere über soziale Netzwerke mobben, ohne, dass der Verdacht auf sie fallen könnte. Dadurch trauen sich die Kinder und Jugendliche vielfach Dinge zu und verlautbaren etwas, das sie im wirklichen Leben niemals tun oder sagen würden. Vielmals geht es den MobberInnen auch lediglich um einen gewissen Machtstatus (vgl. Baumann 2012, S. 26-27). Soziale Netzwerke besitzen das Potenzial, den persönlichen Status durch ein „Like“ oder durch das Kommentieren von Inhalten zu steigern. Cyber-TäterInnen nutzen dies für sich, indem sie durch ihre Handlungsweisen versuchen, eine breite Zuhörerschaft zu erreichen, die ihrem Tun beistimmt und bejubelt, um hierdurch zahlreiche „Likes“ zu bekommen. Die Macht bekommen die TäterInnen hierdurch, dass ihre Botschaften, Fotos oder Videos ein breites Fanpublikum erreichen, wodurch sich das Opfer wehrlos fühlt (vgl. Compton, Campell & Mergler 2014, S. 391). Weiter geht es den TäterInnen auch um Anerkennung in der Klassengemeinschaft. Dabei unternehmen MobberInnen jeden Versuch, zu Lasten anderer Personen, Prestige zu erzielen. Ein hohes Prestige eröffnet den MobberInnen unter anderem den Zugang zu Freundschaften oder zu mehr Beachtung (vgl. Baumann 2012, S. 26-27).
Auch interkulturelle Konflikte zwischen SchülerInnen unterschiedlicher Herkunftsländer können mögliche Auslöser für Cybermobbing sein. Genauso nimmt sich der/die MobberIn typische Charaktere innerhalb der Klasse, wie z. B. der/die KlassenstreberIn heraus, um diese in sozialen Netzwerken zu verhöhnen. Weiter sind veränderte Freundschaften auch eine Ursache für Mobbing. Freundschaften oder Liebesbeziehungen gehen zu Bruch und daraus resultieren häufig Hassgefühle, wo schließlich der digitale Raum genutzt wird, um die Person zu schikanieren (vgl. Österreichisches Institut für angewandte Telekommunikation - ÖIAT 2014, S. 10). Schließlich ist noch der Faktor „Mitläuferin“ als Motiv für Cybermobbing zu erläutern. Viele Kinder und Jugendliche betreiben Cybermobbing einfach aus dem Grund, weil es viele andere auch tun (vgl. Bündnis gegen Cybermobbing e. V. 2017, S. 86).
[...]