„Es gibt zwei wesentliche Gründe, weshalb Länder Außenhandel treiben. Beide tragen zu ihren Wohlfahrtsgewinnen bei“, schreiben die beiden Professoren Paul Krugman und Maurice Obstfeld in ihrem gemeinsamen Buch „Internationale Wirtschaft“. Zum einen handeln Länder miteinander, weil sie sich voneinander unterscheiden. Genau wie Menschen können auch Nationen oder Unternehmen Vorteile aus ihrer Verschiedenartigkeit ziehen, wenn jeder das herstellt, was er verhältnismäßig gut kann. Zum anderen handeln Länder miteinander, um sich der Kostenvorteile der Massenproduktion zu bedienen. Wenn jedes Land nur eine beschränkte Auswahl an Produkten herstellt, dann kann es diese im größeren Maßstab produzieren und somit die „economies of scale“ effizienter nutzen, als wenn es versuchen würde, alles selbst herzustellen. Gibt es also keine Verlierer der Globalisierung? Wird jeder, der Handel betreibt am Ende wohlhabender sein als zuvor?
Die Seminararbeit beschäftigt sich mit dieser Fragestellung. Dabei soll das erste Kapitel das Verständnis der Ursachen und Wirkungen des Außenhandels erhöhen, indem auf das Modell des David Ricardo näher eingegangen wird. Ricardo vertrat die Meinung, dass auf Grund des komparativen Vorteils zwischen Ländern es zu Handel und Freihandelsgewinnen kommen müsse. Einen Irrtum nennt Gabor Steingart diese Theorie in seinem Buch „Weltkrieg um Wohlstand“. Er versucht vor einem Irrtum zu warnen, „der auch dann noch ein Irrtum bleibt, wenn er groß in Mode ist. Es gilt die Regel vom unbedingten Muss des Freihandels zu widerlegen“. Im darauf folgenden Kapitel soll demnach versucht werden die Aussagen Ricardos und Steingarts kritisch unter die Lupe zu nehmen und gegeneinander abzuwägen. Zum Schluss werden empirische Belege für und wider Ricardos Ausführungen beschrieben, bevor die Seminararbeit mit einem Fazit über die Eigenschaften von Modellen im Allgemeinen abgeschlossen wird.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Ricardo-Modell (RM)
2.1 Leben und Werk Ricardos
2.2 Grundlagen des RM
3 Drei Argumente gegen das Ricardo-Modell
3.1 „Ricardos Modell aber kennt keine Dynamik“
3.2 „Sie betrachten die ganze Welt als ein Land“
3.3 „Er sah nur Gewinner“
4 Empirische Belege wider und fur Ricardo
5 Fazit
Anlagenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Transformationskurve fur England und Portugal
Abb. 2: Relatives Angebot und relative Nachfrage im WeltmaBstab
Abb. 3: RM mit mehreren Gutern
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Arbeitskoeffizienten
1 Einleitung
„Es gibt zwei wesentliche Grunde, weshalb Lander AuBenhandel treiben. Beide tragen zu ihren Wohlfahrtsgewinnen bei“,[1] schreiben die beiden Professoren Paul Krugman und Maurice Obstfeld in ihrem gemeinsamen Buch ..Internationale Wirtschaft“. Zum einen handeln Lander miteinander, weil sie sich voneinander unterscheiden. Genau wie Menschen konnen auch Nationen oder Unternehmen Vorteile aus ihrer Verschiedenartigkeit ziehen, wenn jeder das herstellt, was er verhaltnismaBig gut kann. Zum anderen handeln Lander miteinander, um sich der Kostenvorteile der Massenproduktion zu bedienen. Wenn jedes Land nur eine beschrankte Auswahl an Produkten herstellt, dann kann es diese im groBeren MaBstab produzieren und somit die ..economies of scale“ effizienter nutzen, als wenn es versuchen wurde, alles selbst herzustellen. Gibt es also keine Verlierer der Globalisierung? Wird jeder, der Handel betreibt am Ende wohlhabender sein als zuvor?
Die Seminararbeit beschaftigt sich mit dieser Fragestellung. Dabei soll das erste Kapitel das Verstandnis der Ursachen und Wirkungen des AuBenhandels erhohen, indem auf das Modell des David Ricardo naher eingegangen wird. Ricardo vertrat die Meinung, dass auf Grund des komparativen Vorteils zwisch en Landern es zu Handel und Freihandelsgewinnen kommen musse. Einen Irrtum nennt Gabor Steingart diese Theorie in seinem Buch „Weltkrieg um Wohlstand“. Er versucht vor einem Irrtum zu warnen, „der auch dann noch ein Irrtum bleibt, wenn er groB in Mode ist. Es gilt die Regel vom unbedingten Muss des Freihandels zu widerlegen“[2]. Im darauf folgenden Kapitel soll demnach versucht werden die Aussagen Ricardos und Steingarts kritisch unter die Lupe zu nehmen und gegeneinander abzuwagen. Zum Schluss werden empirische Belege fur und wider Ricardos Ausfuhrungen beschrieben, bevor die Seminararbeit mit einem Fazit uber die Eigenschaften von Modellen im Allgemeinen abgeschlossen wird.
2 Das Ricardo-Modell (RM)
2.1 Leben und Werk Ricardos
„It is quite important to the happiniess of mankind that our enjoyments should be increased by the better distribution of labour, by each country producing those commodities for which its situation, its climate, and its ohther natural or artificial advantages is adapted, and by exchanging them for the commodities of other countries..."[3] David Ricardo
David Ricardo wurde am 19. April 1772 in London geboren. Sein Vater war Borsenmakler und galt damals als einer der reichsten Manner Londons und damit gleichzeitig Englands und Europas. Ricardo selbst erhielt eine kaufmannische Ausbildung und trat bereits mit 14 Jahren ins Erwerbsleben ein, als Borsenmakler. Mit den Jahren wuchsen die Konflikte zwischen dem konservativ gesinnten, judischen Vater und dem liberalen, progressiven, sich zum Christentum bekennende Sohn soweit an, dass David Ricardo im Alter von 21 Jahren enterbt wurde und somit mittellos war. Einige Freunde gewahrten ihm jedoch Darlehen mit denen er innerhalb weniger Jahre durch geschickte Borsenspekulation ein immenses Vermogen anhaufte. David Ricardo nutzte seine wirtschaftliche Unabhangigkeit, um sich von „ubermaRiger Erwerbstatigkeit“ zuruckzuziehen. Im Jahre 1797, im Alter von 25 Jahren, trat er eine Art von „Teilruhestand“ ein. In seiner „Freizeit“ wendet er sich den Wissenschaften zu, bis ihm 1799 das Hauptwerk des Adam Smith - dem „Reichtum der Nationen“ (1776) - bekannt wurde. Dieses Buch beeindruckte Ricardo so sehr, dass er sich von nun an nur noch mit Fragen der okonomischen Theorie beschaftigte. Sukzessive wurde der Autodidakt Ricardo zum groRten reinen Theoretiker in der Geschichte der okonomischen Theorie. Zehn Jahre lang verbrachte Ricardo im Selbststudium; erst 1809 trat er mit seiner ersten Schrift an die Offentlichkeit: "The high price of bullion, a proof of the depreciation of bank notes". 1817 veroffentlicht er sein Hauptwerk: „On the Principles of Political Economy and Taxation", das Ricardo zum eigentlichen Begrunder der theoretischen Nationalokonomie machte und das Hauptgegenstand dieser Arbeit ist.[4]
2.2 Grundlagen des RM
In dem kommenden Kapitel werden die begrifflichen Instrumentarien entwickelt, die erlautern sollen, auf welche Weise Unterschiede zwischen den Landern zu AuBenhandel fuhren und weshalb dieser Handel fur beide Seiten vorteilhaft ist. Die Grundlage dieser Analyse ist der komparative Vorteil. Diesen Ansatz, der den AuBenhandel ausschlieBlich auf die unterschiedliche Arbeitsproduktivitat oder Produktionsvorteile in den beteiligten Landern zuruckfuhrt, nennt man das Ricardo- Modell.[5]
Im RM gibt es zwei Volkswirtschaften, die Lander England und Portugal, in denen nur ein Produktionsfaktor, Arbeit, zum Einsatz kommt. AuBerdem wird angenommen, dass nur zwei Guter hergestellt werden, namlich Wein (W) und Tuch (C). Der technologische Stand der beiden Volkswirtschaften wird anhand des Arbeitskoeffizienten a gemessen, das heiBt anhand der Arbeitsstunden, die zur Produktion einer Einheit Wein (aLW) bzw. Tuch (aLC) erforderlich sind. Weil die Ressourcen jeder Volkswirtschaft beschrankt sind, kann nur eine beschrankte Menge Guter produziert werden; dem zufolge muss, um die Produktionsmenge eines Gutes zu erhohen, die Produktionsmenge des anderen gesenkt werden. Dieses Verhaltnis lasst sich mit der Transformationskurve grafisch darstellen (s. Abb. 1).
England ist bei der Herstellung von Tuch und Wein besser als Portugal; die beiden Transformationskurven schneiden sich dementsprechend nicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Transformationskurven für England und Portugal (ohne und mit Außenhandel).[6]
Die Transformationskurve verdeutlicht, welchen Produktmix eine Volkswirtschaft produzieren kann. Um festzustellen, was sie jedoch tatsachlich produzieren, mussen die relativen Preise berucksichtigt werden. Da im vereinfachten RM Arbeit der einzige Produktionsfaktor ist und dementsprechend keine weiteren Kosten, fur zum Beispiel Material oder Maschinen anfallen, gilt folgendes:
- Der Stundenlohn in beiden Sektoren entspricht dem Wert, den ein Arbeiter in einer Stunde erzeugen kann
- Ohne AuBenhandel ist der relative Preis der Guter gleich ihrem relativen Arbeitskoeffizienten.
Wie oben bereits erwahnt, ist England bei der Herstellung von Tuch und Wein besser als Portugal, weist aber zudem eine hohere Produktivitat in der Tuchproduktion auf als in der von Wein (L/ai_c > L/ai_w). Aus der Abbildung 1 geht auBerdem hervor, dass die Opportunitatskosten fur die Tuchproduktion in England (aLc/aLW) niedriger sind als die in Portugal. Das bedeutet, dass England bei der Herstellung von Tuch uber einen komparativen Vorteil verfugt, es ist, vereinfacht ausgedruckt, „mehr besser“ in der Tuchproduktion als Portugal. Dieser komparative Vorteil ist das Grundprinzip des RM, denn er verdeutlicht auf welche Weise Unterschiede zwischen den Landern zu AuBenhandel fuhren und weshalb dieser Handel fur beide Seiten gewinnbringend sein kann.[7]
Zusammenfassung: Es existieren im RM zwei Volkswirtschaften, England und Portugal. Der relative Preis fur ein Gut entspricht ohne AuBenhandel dem relativen Arbeitskoeffizienten. England hat seinen komparativen Vorteil in der Tuchproduktion.
Ausgehend von diesen Annahmen soll im Folgenden erlautert werden, warum England nicht Tuch und Wein produziert, es ist schlieBlich in beidem besser als Portugal, sondern sich auf ein Gut spezialisiert. Der Grund dafur ist der relative Preis der Guter nach Handel und die daraus resultierenden Einsparungen bzw. Gewinne.
Die Preise international gehandelter Guter werden wie andere Preise auch von Angebot und Nachfrage bestimmt. Da England nur Tuch gegen den Import von Wein
exportiert, und Portugal Wein nur im Austausch von Tuch exportiert, kann es irrefuhrend sein, den Tuch- und den Weinmarkt jeweils isoliert zu betrachten. Hier ist die allgemeine Gleichgewichtstheorie gefordert, welche die Zusammenhange zwischen den Markten berucksichtigt (s. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Relatives Angebot und relative Nachfrage im WeltmaBstab[8]
Es sollen hier nur einige Aspekte dieser Grafik in Kurzfassung beschrieben werden:
- Die RS-Kurve verlauft in einer „Teppenform“
- Es gibt kein Tuchangebot, wenn der Weltpreis unter ai_C/ai_W sinkt (Opportunitatskosten sind hoher als Realpreis)
- Englische Arbeiter bleiben im Tuchsektor, weil der Stundenlohn in beiden Branchen gleich hoch ist (untere horizontale Linie)
- England spezialisiert sich auf die Tuchproduktion, wenn Pc/Pw > aELc/aELW, Portugal auf die Weinproduktion, wenn Pc/Pw < aPLc/aPLw
- England erzeugt dann eine Menge von LE/aELc Einheiten Tuch, Portugal seinerseits LP/aPLW Einheiten Wein (es ergibt sich die vertikale Linie)
- Portugiesische Arbeiter bleiben im Weinsektor, weil der Stundenlohn in beiden Branchen gleich hoch ist (obere horizontale Linie)
- Die RD-Kurve spiegelt lediglich Substitutionseffekte wider.
Fur den Aspekt des AuBenhandels ist jedoch der relative Gleichgewichtspreis des Tuchs P* wichtig. Er wird bestimmt durch den Schnittpunkt der beiden Kurven und liegt zwischen dem Preis, den er in den zwei Landern jeweils vor der Eroffnung des Handels erreicht. Durch diese Tatsache ist es nun auf zweierlei Wegen moglich beiden Landern AuBenhandelsgewinne nachzuweisen.
Der erste besteht darin, den Handel als Methode indirekter Produktion aufzufassen. England konnte auch direkt Wein herstellen, doch der Tausch mit Portugal ermoglicht ihm, Wein mittels der Herstellung von Tuch effizienter „anzufertigen“. Der Grund dafur liegt in den Opportunitatskosten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Arbeitskoeffizienten[9]
Als erstes muss der relative Preis fur Tuch bestimmt werden, Pc/PW, der sich zwischen den Opportunitatskosten von Tuch in beiden Landern bewegen muss. Fur England gilt aELc = 1, aELW = 2, die Opportunitatskosten von Tuch in Wein sind also =1/2; fur Portugal gilt aPLC = 6, aPLW = 3, die Opportunitatskosten fur Tuch sind = 2. Bei internationalem Gleichgewicht muss der relative Tuchpreis zwischen diesen beiden Werten liegen. In diesem Beispiel wird auf dem Weltmarkt eine Einheit Tuch fur einen Liter Wein gehandelt, sodass Pc/Pw = 1. Wenn eine Einheit Tuch genauso teuer ist wie eine Einheit Wein, werden sich beide Lander spezialisieren und AuBenhandelsgewinne einfahren. Zunachst soll nachgewiesen werden, dass England effizienter Wein herstellen kann, indem es Tuch produziert und gegen Wein eintauscht. Bei direkter Anfertigung erzeugt eine Arbeitsstunde in England nur einen halben Liter Wein. Die gleiche Zeit konnte benutzt werden, um einen Meter Tuch herzustellen, fur das im Handel ein Liter Wein erhandelt werden kann. Entsprechend konnte Portugal in einer Arbeitsstunde 1/6 Einheiten Tuch herstellen; wenn es jedoch diese Stunde zur Produktion von 1/3 Einheiten Wein nutzt, kann es im AuBenhandel diese Menge in 1/3 Einheiten Tuch eintauschen. Jedes Land kann also in diesem
Beispiel seine Arbeit doppelt so effizient nutzen, wenn es Guter seines Bedarfs importiert, als wenn es sie selbst herstellen wurde.[10]
Ein weiterer Weg zur Erkenntnis beiderseitiger AuBenhandelsgewinne fuhrt uber die Auswirkungen des Handels auf die Konsummoglichkeiten beider Lander. Wenn kein AuBenhandel stattfindet, entsprechen die Konsummoglichkeiten genau den Produktionsmoglichkeiten (s. Abb. 1). Sobald Handel zugelassen wird, hat jedes Land die Moglichkeit, Tuch und Wein in anderen Mengenverhaltnissen zu konsumieren, als es sie selbst produziert (s. gestrichelte Linien in Abb. 1).[11]
[...]
[1] R. Krugman, M. Obstfeld (2004), S. 37.
[2] G. Steingart (2007), S. 334.
[3] D. Ricardo (1817), zit. nach Dent (1987), S. 84.
[4] Vgl. http:// www.unifr.ch/withe/PDF-Dateien/Ricardo.pdf.
[5] Vgl. P. Krugman, M. Obstfeld (2004), S. 37ff.
[6] Vgl. H. Siebert (1994), S. 32.
[7] Vgl.http:// www.philosophieren.de/menu1/philosophen/ricardo/ricardo.pdf
[8] Vgl. P. Krugman, M. Obstfeld (2004), S. 46.
[9] Vgl. P. Krugman, M. Obstfeld (2004), S. 50.
[10] Vgl. P. Krugman, M. Obstfeld (2004), S. 50f.
[11] Vgl. H. Siebert (1994), S. 32ff.
- Quote paper
- Jessica Turba (Author), 2008, Die Irrtümer des David Ricardo. Die Ursachen und Wirkungen des Außenhandels, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131728
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