Lokales Fernsehen in Deutschland – Eine Domäne des Ostens?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung – Das Lokal-TV als Domäne des Ostens?

2. Vorgehensweise

3. Akzeptiertes Lokal-TV als Beitrag für die Vielfalt im lokalen Milieu

4. Die Akzeptanz des Lokal-TV in Ost-und Westdeutschland – Ein Vergleich
4.1. Quantitative Indikatoren für die Akzeptanz der Lokal-TV-Anbieter
4.1.1. Die Tagesreichweite
4.1.2. Der Weiteste Seherkreis
4.1.3. Die Nutzungsdauer
4.1.4. Ein Zwischenfazit
4.2. Qualitative Indikatoren für die Akzeptanz der Lokal-TV-Anbieter
4.2.1. Images der Lokalprogramme
4.2.2. Zuschauererwartungen und deren Erfüllung durch Lokal-TV

5. Ein kritisches Fazit

6. Quellenverzeichnis
6.1. Ausgewertete Primärstudien
6.2. Literaturverzeichnis
6.3. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung – Das Lokal-TV als Domäne des Ostens?

Angesichts der aufkeimenden Globalisierung und der Entwicklung von Methoden, mit denen recht schnell über große Distanzen kommuniziert werden kann, wurde die Region zuweilen zur überhöhenden Stilisierung des zufälligen Geburtsorts (Flusser 1987: 49) degradiert. Diese Sicht erscheint bei genauerer Betrachtung geradezu trivial. Regionen, meist auf die Ebene unterhalb der Bundesländer referierend, sind dadurch gekennzeich-net, dass ihre Einwohner bestimmte Merkmale gemein haben. Solche sind laut Definiti­on des Europäischen Parlamentes zum Beispiel die eigene Kulturhistorie, eine gemein-same Sprache, die geschichtliche Tradition, ähnliche Interessen oder zuweilen die Ein-teilung in eine politische Einheit als Raumordnungsregion (Isak 1992: 5f). Zahlreiche Umfragen und Studien beweisen die Existenz einer raumbezogenen Identität sowie die deutliche Verdichtung des individuellen Kontaktgeflechts in der näheren Umgebung des Wohnorts eindrucksvoll (Bausinger 2001: 14ff). Bausinger (2001: 19) geht sogar soweit, die Region als „wohl wichtigste(n) Kommunikationsraum“ zu bezeichnen.

Diese Tatsachen spiegeln sich nicht nur in intensiven interpersonalen Interaktionen im lokalen Milieu, sondern auch im dortigen Medienangebot wider. Im Zuge der Etablie-rung des dualen Rundfunksystems im Jahre 1984 fand auch ein Lokal-TV-Programm im Rahmen des Kabelpilotprojekts Ludwigshafen erstmals den Weg in die Fernsehhaushal-te. Seitdem haben sich bis heute besonders in Bayern, Baden-Württemberg und Rhein­land-Pfalz lokale TV-Angebote etabliert und behauptet. Nach der deutschen Wiederve-reinigung hat sich auch in Ostdeutschland ein umfangreiches privatwirtschaftliches Lo-kal-TV-Netz herausgebildet, wobei Sachsen mit über 80 verschiedenen Lizenznehmern Spitzenreiter ist (Goldhammer et al 2005: 13). Was einige als durchschlagenden Erfolg feiern, weckt bei anderen durchaus Zweifel, da lokales Fernsehen außerhalb Bayerns nur in wenigen Fällen halbwegs rentabel arbeitet. Überhaupt sind die lokalen Programme in vielerlei Hinsicht durch Heterogenität geprägt und wie bereits angedeutet äußerst un-gleich auf die Bundesländer verteilt. Diese Vielschichtigkeit des Phänomens Lokal-TV in Deutschland macht es zu einem lohnenden Forschungsgebiet, wobei bereits auf einen moderaten Kanon an Fachliteratur zum Thema zurückgegriffen werden kann.

Die eben erwähnte starke Lokal-TV-Präsenz in Ostdeutschland und besonders in Sach­sen ist zunächst auf „die rundfunkrechtliche Lage“ und hier nicht zu erläuternde „Ent-wicklungen in der DDR-Zeit“ zurückzuführen (Altrogge/Donsbach/Schabedoth 2004: 21). Dennoch ist diese eklatante Schieflage durchaus auch Ausgangspunkt und Gegens-tand von Debatten, die eine notwendigerweise höhere Akzeptenz des Lokal-TV in Ost- deutschland in Erwägung ziehen. Zuweilen wird behauptet, Lokal-TV sei aufgrund be-sonderer regionalspezifischer Merkmale eher für die ostdeutschen Bundesländer prädes-tiniert (Hartung/Fleck 2005: 183). Dem zugrunde liegt ein in seiner Grundtendenz sicher zutreffendes Verständnis, dass in Ostdeutschland generell ein unbeschwerterer Umgang mit privaten Fernsehkanälen vorherrscht, der auch zu höheren Akzeptanzwerten dersel-ben führt (Dolff 2001). Außerdem haben die regional ausgerichteten Dritten Programme wie das MDR „ein stärkeres Gewicht“, was den in Ostdeutschland angeblich viel stärker ausgeprägten Wunsch nach Berichterstattung über das eigene Bundesland reflektiert (Frey-Vor et al. 2003: 185, 190f). Es wird daher argumentiert, dass Ostdeutsche durch ein „intensiv ausgeprägtes Separatbewusstsein“ gekennzeichnet seien, weswegen bei ihnen die identitäre Bindung an das nähere regionale Umfeld viel stärker ausgeprägt sei, als bei Westdeutschen. Dies wiederum führe zu besonderen Erwartungen an die Medien - zum Beispiel bezüglich der Art und Häufigkeit der Berichterstattung über Themen ex-klusiv den Osten betreffend – welche von den oftmals als „Westsender“ verschrienen bundesweiten Programmen unerfüllt bleiben (Früh/Stiehler 2003: 20f). In der Tat stellt die Jenaer Forschung den bundesweiten TV-Sendern aufgrund ihrer verzerrenden Be-richterstattung, welche die neuen Bundesländer überproportional mit Problemthemen in Verbindung bringt, ein schlechtes Zeugnis aus (Ruhrmann 2007: 100). Insofern scheint der Boden für eine florierende Lokal-TV-Kultur in Ostdeutschland bereitet, während diese begünstigenden Vorzeichen für Westdeutschland so nicht gegeben sind. Vor dem Hintergrund dieser Argumente drängen sich in der Tat die bereits erwähnten Vermutun-gen auf, dass eine ganz besondere ostdeutsche Affinität in Bezug auf Lokalprogramme existiert. Dies sollte empirisch überprüft werden.

Die zu untersuchende Hypothese dieser kurzen Arbeit lautet daher, dass die Zuschauer-akzeptanz bezüglich Lokal-TV-Programmen in den ostdeutschen Bundesländern (im Sinne der neuen Bundesländer) stärker ausgeprägt ist, als in den westdeutschen Bundes-ländern. Ein Lokal-TV-Sender ist dabei durch ein Rundfunkprogramm gekennzeichnet, das „in einem örtlich begrenzten Verbreitungsgebiet hergestellt, redaktionell gestaltet oder selbstständig redaktionell hergestellt“ wird und „für dieses Verbreitungsgebiet oder einen Teil davon bestimmt“ ist (Heinrich 1999: 116). Die Repeat-Frequenz der Prog-rammbestandteile von Lokal-Sendern ist überdies weit überdurchschnittlich und ihre Reichweite beschränkt. Fast sämtliche später hier betrachteten Anbieter verfügen über eine technische Reichweite zwischen 10000 und 200000 Haushalten, eine Anzahl die laut Goldhammer et al. (2005: 23) von „kleineren“ bis „mittelgroße(n) Regional- und Lokal-TV-Sender(n)“ erreicht wird. Akzeptanz lässt sich definieren als „zunächst beja-hende oder tolerierende Einstellung von Personen oder Gruppen (...) gegenüber der Entwicklung und Verbreitung neuer Techniken oder Konsumprodukte; dann auch das Verhalten und Handeln, in dem sich diese Haltung ausdrückt“ (Brockhaus 1996: 308). Die Akzeptanz der Lokalprogramme im Besonderen kann einerseits durch quantitative Indikatoren wie Reichweiten oder qualitative Indikatoren wie etwa Fragen zum Image des Lokal-TV ermittelt werden (Seufert/Schulz/Brunn 2008: 28).

2. Vorgehensweise

Um eine schlüssige Antwort auf die These erarbeiten zu können, sollen im Analyseteil querschnitthaft die genannten Indikatoren der Akzeptanz des Lokal-TV in den jeweili-gen Bundesländern mittels der zu Rate Ziehung aktueller Studien verglichen werden. Obgleich die eher geringe Anzahl vorrangig vergleichender Studien über die Rezepti-onsunterschiede zwischen Ost und West zuweilen beklagt wird (Früh, Stiehler 2003: 9, 17), kann für diese Sekundäranalyse auf einige sachdienliche, von einzelnen Landesme-dienanstalten durchgeführte, geförderte oder in Auftrag gegebene Arbeiten referiert wer-den, welche zumindest Aufschluss über die Zuschauerakzeptanz des Lokal-TV im jewei-ligen Bundesland geben. Im Angesicht der relativen Kürze dieser Arbeit scheint es aller-dings nicht möglich Studien zu sämtlichen 16 Bundesländern in Betracht zu ziehen, was zwar ideal, allein aber aufgrund der faktischen Nichtexistenz von lokalen Fernsehange-boten in Bundesländern wie Niedersachsen undenkbar wäre. Entsprechend werden stell-vertretend bestimmte Bundesländer für den Vergleich herangezogen. Obwohl es zuge-geben nicht ganz unproblematisch ist, darauf aufbauend auf ganz Ost- und Westdeutsch-land zu schließen, lässt sich gewiss eine begründete, generalisierende Aussage treffen. Stellvertretend für Westdeutschland werden Bayern, wo es recht umfangreiche Lokal-TV-Angebote gibt, Rheinland-Pfalz, einem Bundesland mit „eine(r) lange(n) Tradition“ des lokalen Fernsehens (Weidlich, Vlašić 2006: 26), sowie seltener Baden-Württemberg betrachtet. Sämtliche hier übernommenen Werte zu Bayern stammen aus einer TNS-Infratest-Studie (2008). Die Werte für Rheinland-Pfalz wurden von Weidlich und Vlašić (2006) ermittelt. Für sämtliche ostdeutschen Bundesländer außer Thüringen konnten ebenso aktuelle Zahlen gefunden werden, wobei besonders die umfangreichere IM-Studie (2008) zu Sachsen als zentral erachtet wird. Auch die Hinzuziehung einer Arbeit zu Mecklenburg-Vorpommern (Benkenstein/Reppenhagen 2007), besonders in Bezug auf die quantitativen Indikatoren, der Enigma GfK-Studie (2005) zu Sachsen-Anhalt, besonders in Bezug auf die qualitativen Indikatoren, und seltener einer mabb-Studie (2007) zu Brandenburg ist allerdings ebenso ratsam. Leider ist es nicht möglich, nur jeweils zwei Studien zu vergleichen, da nicht jede Studie jeden Indikator ermittelt hat, weswegen weitere Quellen konsultiert werden müssen. Eine Vergleichbarkeit der ver-schiedenen Arbeiten scheint dennoch aufgrund ähnlicher Vorgehensweisen, Erhebungs-standards und Fragemuster bis zu einem gewissen Grad möglich. Aufgrund des hohen methodischen Aufwands konnten nie sämtliche Lokal-TV-Sender des jeweiligen Bun-deslandes in die Studien einfließen. So wurden in Sachsen beispielsweise nur 14 der über 80 Lokalprogramme analysiert. Dennoch gilt für alle hier verwendeten Studien, dass eine gezielte Auswahl an zu untersuchenden Sendern ein „hinreichend verlässli-che(s) Gesamtbild“ ermöglicht (Altrogge/Donsbach/Schabedoth 2004: 16).

Methodisch nutzten sämtliche Studien die verschiedenen Formen der Befragung, um zu ihren Ergebnissen zu gelangen. Dabei ist Einiges zu beachten. Logischerweise kann nur die Akzeptanz von Zuschauern ermittelt werden, die das entsprechende Programm auch empfangen können. Aufgrund der eher moderaten Kabelempfangsdichte sowie eines für lokale Anbieter nahezu unerreichbaren Anteils an Satellitenempfängern (Seufert 2007: 26) liegt deren Zahl aber weit unter der Zahl jener Personen, die bundeweite Programme empfangen können. Beispielsweise liegt die technische Reichweite, also der prozentuale Anteil der Haushalte mit Empfang von mindestens einem Lokalprogramm, in Bayern, wo einige Lokal-TV-Sender durchaus über DVB-S senden, bei 68%, während in Sach­sen mit 64,9% vergleichbare Werte zu konstatieren sind. In den restlichen ostdeutschen Bundesländern liegen die Werte allerdings deutlich darunter, auch wenn es zwischen den verschiedenen Raumordnungsregionen Schwankungen gibt. In absoluten Zahlen ist der Ost-West-Unterschied in Bezug auf die technische Reichweite aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte und größerer Lizenzgebiete in Westdeutschland noch klaffender (Seufert/Schulz/Brunn 2008: 15). So sind 69 von 75 Lokal-TV-Anbietern mit einer Reichweite von weniger als 10000 Haushalten in Ostdeutschland lizensiert (ebd.: 12). Diese Tatsache wäre für eine Arbeit zur wirtschaftlichen Lage des Lokal-TV wichtig, da eine geringere Anzahl an technisch erreichbaren Zuschauern das regionale Fernsehwer-bepotential und damit Rentabilitätschancen begrenzt. Dies verhindert maximale Werbe-erlöse, was neben überdurchschnittlich hohen Distributionskosten ein Hauptgrund für die wirtschaftlich angespannte Lage des Lokal-TV in weiten Teilen Ostdeutschlands ist. Für einen Vergleich bezüglich der Akzeptanz sollte und wird stets mit dem prozentualen Anteil der potentiellen Nutzer gearbeitet und nicht mit für diesen Zweck verzerrenden absoluten Zahlen. Die Nutzung des Lokal-TV durch beispielsweise 8000 Sachsen kann somit eher ein Indikator für Akzeptanz sein, als die Nutzung eines Anbieters mit viel größerer technischer Reichweite durch 16000 Bayern.

Eine weitere Vorbedingung für eine begründete Akzeptanzeinschätzung ist neben der Empfangbarkeit auch die Bekanntheit des Programms. Personen, die ihr lokales Prog-ramm zwar empfangen könnten, davon aber nie gehört haben, fallen somit nicht in die diese Arbeit betreffende, weil in allen Primärstudien verwendete Kategorie der potentiel-len Nutzer. Potentielle Nutzer sind Personen, die Lokal-TV-Angebote sowohl empfan-gen als auch kennen und durch Zu- oder Abschalten oder innerhalb der Befragung ihre Akzeptanz artikulieren können. Unter den Personen, wo die Empfangbarkeit gegeben ist, liegt der Bekanntheitsgrad der Lokal-TV-Sender überall hoch, zwischen knapp 70 bis fast 100% (Hartung/Fleck 2005: 187).

3. Akzeptiertes Lokal-TV als Beitrag für die Vielfalt im lokalen Milieu

Bevor eine analytische Herangehensweise an die These versucht werden soll, scheint es notwendig, die Wichtigkeit des Lokal-TV aus einer vielfalttheoretischen Sicht zu erläu-tern, da nur so die medienpolitische Wünschenswertigkeit einer hohen Akzeptanz für dieses Medium deutlich werden kann. Verschiedene Studien haben bislang gezeigt, dass lokales Fernsehen eine sinnvolle publizistische Ergänzung sowohl des bundesweiten Programms als auch zu den lokalen Printmarken darstellt. Seit jeher sind die lokalen Medienmärkte durch dominierende Printmedien und ein eher hohes Maß an Konzentra-tion gekennzeichnet (Jarren 1999: 280). Ferner finden sich besonders in Ostdeutschland viele Ein-Zeitungskreise. Die Möglichkeit, durch zusätzliche Lokalmedien neben Zei-tungen die Vielfalt auf lokalem Gebiet zu erhöhen und einen weiteren publizistischen Blickwinkel zu etablieren, war auch einer der Gründe für die Zulassung privater Rund-funkveranstalter (Seufert 2007: 21). Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sich na-tionale Vollprogramme im Lizensierungsprozess der Auflage beugen mussten, ein tägli-ches lokales Fensterprogramm im Rahmen des nationalen Mantels auszustrahlen. Positi­ve Stimmen gehen mittlerweile davon aus, dass sich Lokalzeitung und Lokal-TV wech-selseitig im Stile eines Medienverbands stützen, da sie „die gleichen Interessenten zu verschiedenen Tageszeiten (und) mit anderen Mitteln“ bedienen (Hartung 2006: 12). Unter diesen Bedingungen gilt der lokale Rundfunk heute neben der Tageszeitung als „wichtiger Garant der Meinungsvielfalt“ (Seufert/Schulz/Brunn 2008: 19).

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Lokales Fernsehen in Deutschland – Eine Domäne des Ostens?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V131864
ISBN (eBook)
9783640376216
ISBN (Buch)
9783640376391
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lokales, Fernsehen, Deutschland, Eine, Domäne, Ostens
Arbeit zitieren
Peter Franke (Autor:in), 2009, Lokales Fernsehen in Deutschland – Eine Domäne des Ostens?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131864

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