In den 1958 bis 1961 erschienenen Bänden der „Noten zur Literatur“ wendet Adorno Überlegungen aus der „Negativen Dialektik“, der „Dialektik der Aufklärung“ und anderer seiner Werke auf Literaturphänomene der Moderne an. Zahlreiche von ihm geschätzte
Autoren wie Kafka, Beckett und Thomas Mann, unterzieht er auf diese Weise einer kritischen Analyse. Ein Beitrag zu Paul Celan ist jedoch, obwohl dies denkbar wäre, nicht vorhanden. Adorno ist dabei durchaus unter die Bewunderer Celans zu rechnen: für ihn vollbrachte Celan auf dem Gebiet der Lyrik das, „was Beckett auf dem Gebiet des Theaters und Romans leistete“. So trug er sich lange Zeit mit Plänen zur Niederschrift eines Essays über Sprachgitter, worüber Celan, gerade vor dem Hintergrund der Goll-Affäre, äußerst erfreut war. Zu einer Umsetzung des Aufsatzprojektes kam es jedoch nicht mehr: ein Fragment in der Ästhetischen Theorie sowie einige Anstreichungen und Kommentare in Adornos Sprachgitter-Exemplar bleiben die einzigen Zeugnisse seiner Beschäftigung mit Celan.
Der engere Kontakt zu dem Dichter entwickelte sich 1959 nach der Publikation von dessen viertem Gedichtband Sprachgitter - dem einzigen Gedichtband, den Celan Adorno persönlich zukommen ließ. Gleichzeitig ist es neben dem „Meridian“ das einzige Buch Celans, das nach Adornos Tod in dessen Bibliothek zu finden war.
Umgekehrt stellten für Celans Poetik die Werke Adornos neben denen Heideggers einen wichtigen Bezugspunkt dar. Zahlreiche Werke des Philosophen waren in Celans Besitz und ihre vielfachen Lektürespuren lassen auf eine intensive Auseinandersetzung schließen. Insbesondere die, im Vergleich zu den vorherigen Gedichtbänden stark veränderte Ästhetik des Sprachgitter-Bandes, ist auch als ein Resultat der Auseinandersetzung mit den Texten
Adornos zu sehen. Aus diesem Grund bezeichnet es Joachim Seng nicht als Zufall „[…], daß der Dichter gerade nach der Publikation des neuen Gedichtbandes »Sprachgitter« die Begegnung mit dem Philosophen sucht.“ Mit dem Begriff Involution hat Celan selbst ein entscheidendes Stichwort zum Verständnis der Lyrik des Sprachgitters aufgebracht. Inwieweit Celan diese Gedankenfigur in derfruchtbaren Auseinandersetzung mit Adornos Kafka-Aufsatz gewann und in welcher Form Adorno wiederum auf ein Verfahren der Rückbildung ins Anorganische zur Analyse von Celans Lyrik in der Ästhetischen Theorie zurückgriff, versucht diese Arbeit aufzuhellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Die Beziehung Celans und Adornos
- „Atavismus vielleicht, auf dem Weg über die Involution erhoffte Entfaltung...“
- Kontext des „Gespräch im Gebirg“
- Wörtliche Definition
- Die Herkunft des Involutionsgedankens: Adornos „Aufzeichnungen zu Kafka“
- Involution im Sprachgitter-Band
- Die Bedeutung der Augenmetaphorik
- Die Korrespondenz von Blindheit und Verstummen
- Der „Entwurf einer Landschaft“ – Involution am Beispiel
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Thematik der Involution in Paul Celans Lyrik, insbesondere im Gedichtband „Sprachgitter“ und dem Gedicht „Entwurf einer Landschaft“. Sie beleuchtet den Einfluss Theodor W. Adornos auf Celans Werk und analysiert, inwiefern Celans Konzept der Involution als ein Verfahren der Rückbildung, verbunden mit der Hoffnung auf Entfaltung, verstanden werden kann. Die Arbeit konzentriert sich auf die Auflösung des scheinbaren Paradoxons einer Entfaltung durch Rückbildung.
- Der Einfluss von Adornos Philosophie auf Celans Poetik
- Das Konzept der Involution in Celans Lyrik
- Die Bedeutung der Augenmetaphorik und die Korrespondenz von Blindheit und Verstummen
- Analyse von "Sprachgitter" und "Entwurf einer Landschaft" im Kontext der Involution
- Das Verhältnis von jüdischer Identität und deutscher Sprache in Celans Werk
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung - Die Beziehung Celans und Adornos: Die Einleitung beschreibt die Beziehung zwischen Paul Celan und Theodor W. Adorno, die, obwohl Adorno keinen Essay über Celan verfasste, durch gegenseitigen Respekt und intensive Lektüre der jeweiligen Werke geprägt war. Celans „Sprachgitter“ wurde von Adorno besonders geschätzt und ist ein zentraler Bezugspunkt dieser Arbeit, die die Relevanz von Adornos Denken für das Verständnis von Celans Poetik untersucht, insbesondere im Kontext des Begriffs der Involution.
2. „Atavismus vielleicht, auf dem Weg über die Involution erhoffte Entfaltung...“: Dieses Kapitel untersucht den Begriff der Involution in Celans Werk im Kontext des „Gesprächs im Gebirg“, eines fiktiven Dialogs mit Adorno. Es analysiert die wörtliche Definition von Involution und Atavismus, deren Ursprung im evolutionsgeschichtlich-biologischen Bereich liegt. Der scheinbare Widerspruch einer Entfaltung durch Rückbildung wird als zentrales Problem vorgestellt, das im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden soll. Die Herkunft des Involutionsgedankens aus Adornos „Aufzeichnungen zu Kafka“ wird angeschnitten, um den philosophischen Hintergrund zu beleuchten.
Häufig gestellte Fragen zu: Involution in Paul Celans Lyrik
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert das Konzept der Involution in Paul Celans Lyrik, insbesondere in seinem Gedichtband „Sprachgitter“ und dem Gedicht „Entwurf einer Landschaft“. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Einfluss Theodor W. Adornos auf Celans Werk und dem Verständnis von Involution als ein Verfahren der Rückbildung mit der gleichzeitigen Hoffnung auf Entfaltung.
Welche konkreten Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht den Einfluss von Adornos Philosophie auf Celans Poetik, das Konzept der Involution in Celans Lyrik, die Bedeutung der Augenmetaphorik und die Korrespondenz von Blindheit und Verstummen. Sie analysiert „Sprachgitter“ und „Entwurf einer Landschaft“ im Kontext der Involution und beleuchtet das Verhältnis von jüdischer Identität und deutscher Sprache in Celans Werk.
Wie wird der Begriff der Involution definiert und untersucht?
Der Begriff der Involution wird im Kontext des fiktiven „Gesprächs im Gebirg“ mit Adorno untersucht. Die Arbeit analysiert die wörtliche Definition von Involution und Atavismus und beleuchtet deren Ursprung im evolutionsgeschichtlich-biologischen Bereich. Das scheinbare Paradoxon einer Entfaltung durch Rückbildung bildet ein zentrales Thema der Analyse.
Welche Rolle spielt Theodor W. Adorno in dieser Arbeit?
Adornos Philosophie und seine „Aufzeichnungen zu Kafka“ spielen eine wichtige Rolle, da sie den philosophischen Hintergrund für Celans Konzept der Involution liefern. Obwohl Adorno keinen Essay über Celan verfasste, wird die gegenseitige Wertschätzung und der Einfluss von Adornos Denken auf Celans Poetik hervorgehoben.
Welche Kapitel beinhaltet die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, die die Beziehung Celans und Adornos beschreibt; ein Kapitel zur Analyse des Begriffs der Involution anhand des „Gesprächs im Gebirg“; ein Kapitel zur Involution im „Sprachgitter“ mit Fokus auf Augenmetaphorik und der Korrespondenz von Blindheit und Verstummen; ein Kapitel zur exemplarischen Analyse von „Entwurf einer Landschaft“ und einem Schlusswort.
Welche Bedeutung hat die Augenmetaphorik und die Korrespondenz von Blindheit und Verstummen?
Die Augenmetaphorik und die Verbindung von Blindheit und Verstummen werden im Kontext des Gedichtbandes „Sprachgitter“ untersucht und spielen eine wichtige Rolle im Verständnis von Celans Konzept der Involution. Sie werden als zentrale Bildmotive interpretiert, die die Thematik der Rückbildung und der potentiellen Entfaltung verdeutlichen.
Wie wird das Verhältnis von jüdischer Identität und deutscher Sprache in Celans Werk behandelt?
Das Verhältnis von jüdischer Identität und deutscher Sprache in Celans Werk wird als ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit erwähnt und in Zusammenhang mit dem Konzept der Involution und der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit betrachtet, aber nicht im Detail ausgeführt.
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- Anne-Maria Sturm (Autor), 2007, Formen der Involution in Paul Celans Lyrik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131955