„Blau-gelb ist mein Herz, ich sterb in Döbling“

Zugangsarten, Motivdimensionen und die Bedeutung des Vereins für das Alltagsleben und die Identitätsbildung der Fans des First Vienna Football Club 1894


Diplomarbeit, 2008

119 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Erkenntnisleitendes Interesse
1.2 Aufbau der Arbeit

I. Theoretischer Teil: Relevante Begriffe und theoretische Konzepte zum Thema Fussballfans

2 Fussballfans – Versuch einer Kategorisierung
2.1 Ausdifferenzierung der Fussballfans
2.2 Motivdimensionen von Fussballfans
2.2.1 Konsumorientierte Fans
2.2.2 Fussballzentrierte Fans
2.2.3 Erlebnisorientierte Fans

3 Jugendliche Fussballfans
3.1 Neudefinition der Jugendphase
3.2 Bedeutungszuwachs der Gleichaltrigengruppe
3.3 Jugendliche Fussballfankultur
3.3.1 Fussballzentrierte jugendliche Fans auf der Suche nach Zugehörigkeit
3.3.2 Hooligans auf der Suche nach Zusammengehörigkeit

4 Aktuelle Entwicklungen im Fussballsport
4.1 Auflösungsprozesse in der Fankultur durch Disziplinierungs- und Kontrollinstanzen
4.2 Auflösungsprozesse in der Fankultur durch die Durchkapitalisierung des Fussballs
4.3 Widerstand gegen die Durchkapitalisierung und zunehmende Kommerzialisierung des Fussballs

5 Individualisierungsthese als Ausgangspunkt meiner Untersuchung

II. Empirischer Teil: Zugangsarten, Motivdimensionen und die Bedeutung des Vereins für das Alltagsleben und die Identitätsbildung der Fans des First Vienna Football Club 1894

6 Projektbeschreibung
6.1 Ausgangslage
6.2 Kurze Geschichte des First Vienna Football Club 1894
6.2.1 Anfangsjahre (1894 bis 1928)
6.2.2 Die „erfolgreichsten“ Jahre (1929 bis 1945)
6.2.3 Die Vienna in der Zweiten Republik (1945-2007)
6.3 Kategorisierung der Zielgruppe
6.3.1 Zuschauerstruktur im Stadion Hohe Warte
6.3.2 Vienna-Fanblock
6.4 Fragestellung
6.5 Methode
6.5.1 Datenerhebung
6.5.2 Methodologie des narrativen Interviews
6.5.3 Zur Methode des narrativen Interviews
6.5.4 Feldzugang
6.5.5 Datenauswertung

7 Darstellung der empirischen Ergebnisse meiner Untersuchung
7.1 Zugangsarten - Sozialisation zum Viennafan
7.1.1 TYP A: „Institutionell-regionaler Zugang“ – Einstieg über die Nachwuchsmannschaft und dem lokalen Bezug
7.1.2 TYP B: „Vererbter Zugang“ - Einstieg über den Vater
7.1.3 TYP C: „Wahl-Zugang“- Interesse am Verein aufgrund persönlicher Präferenzen
7.2 Kontinuitäten und Brüche in den Fanbiographien
7.2.1 Kein Bruch in der Fanbiographie
7.2.2 Räumlicher Bruch: kein Spielbesuch – bei ungebrochener Identifikation mit dem Verein
7.2.3 Radikaler Bruch in der Fanbiographie und „intensiver Wiedereinstieg“
7.3 Der Weg in den Fanblock (Vom Fan zum „Supporter“)
7.4 Bedeutung des Fussballvereins im Alltagsleben der Fans
7.5 Bedeutung des Vereinsinteresses für die Identitätsbildung der Fans
7.6 Motivdimensionen der Viennafans
7.6.1 Community-Motiv
7.6.2 Exkurs: Fanblock
7.6.3 Fankultur als Motiv
7.6.4 Exkurs: Beziehung zwischen den Fans und dem offiziellen Verein
7.6.5 Spannungsmotiv
7.6.6 Weitere Motive für den Spielbesuch

8 Nachwort

9 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Erkenntnisleitendes Interesse

Trotz immer neuer Trendsportarten und anderen Freizeitbeschäftigungen nimmt der Fussball als fester Bestandteil populärer Kultur eine zentrale Stellung in der österreichischen Gesellschaft ein und darf besonders auch in Hinblick auf die Europameisterschaft 2008, die in Österreich und der Schweiz ausgetragen wird, auch als bedeutender Wirtschaftsfaktor nicht unterschätzt werden.

Jedes Wochenende nehmen hunderttausende Österreicher/innen am Geschehen rund um den Fussball teil, davon allein rund 600.000[1] als aktive Spieler/innen.[2] Hinzu kommen noch zahlreiche Funktionäre, Trainer, Angestellte, freiwillige Helfer und vor allem die Zuschauer. Auch die TV-Einschaltquoten steigen auf Rekordniveau, so sahen mehr als zwei Millionen Österreicher und weltweit mehr als eine Milliarde Menschen das Finale der Weltmeisterschaft 2006.

Fussball ist ein weltweit verbreitetes soziales Massenphänomen, das wie kaum eine andere Sportart enorme Mengen von Bildern, Waren und Menschen in Bewegung setzt.

„Nach Angaben der FIFA, dem Weltfussballverband, verfügte die WM 1998 über hochgerechnete ZuseherInnenzahlen von 33,4 Milliarden Menschen in 196 Ländern, wobei alleine das Finale von einer Milliarde verfolgt worden sein soll. Kein Wunder, dass sich brands wie Coca Cola, McDonalds, Phillips oder Adidas schon seit langem mit den Insignien „Offizieller Sponsor“ des Weltfussballverbands zieren.“[3]

Fussball hat sich sehr weit von seinen Ursprüngen weg hin zum „Millionengeschäft“ entwickelt und auch das Fussballpublikum hat sich im Verlauf der Geschichte zunehmend verändert. Fussball ist heute nicht mehr Sport einer bestimmten Klasse, sondern spricht mittlerweile alle gesellschaftlichen Schichten an. Heute wird Fussball als „Event“ einer modernen Freizeitkultur inszeniert. Dadurch entfremdet sich der Fussballsport immer mehr von seiner Basis, den fussballzentrierten, „fussballverrückten“ Fans. Fussballfankultur, verstanden als eine lebendige (Sub-)Kultur verschwindet im zunehmenden Masse aus den Stadien. Zurück bleibt eine anonyme Masse die nicht mehr mit dem Sport und den Vereinen verwurzelt ist. Das Beispiel der Vergabe der Tickets für die Weltmeisterschaft 2006 verdeutlichte diese Tendenz. Von den 2,93 Millionen Tickets konnte nur rund ein Drittel von den Fussballfans im freien Verkauf erworben werden[4], die übrigen zwei Drittel gingen an Sponsoren, Medien, Ehrengäste und die teilnehmenden Verbände.

Der Wandel der Fankultur seit den 1980erJahren bedeutet aber nicht, dass wir im Stadion ausschließlich nur mehr „Konsumenten“ antreffen. Es gibt sie noch, die fussballzentrierten, fussballverrückten Fans und es gibt auch Widerstand gegen die zunehmende Kommerzialisierung und Durchkapitalisierung des Fussballs.

Im Rahmen meiner Untersuchung beschäftigte ich mich mit den Fans des First Vienna Football Club, also mit einer relativ kleinen überschaubaren Fangruppe eines Vereins, der in den letzten Jahren eher durch chronische Erfolglosigkeit aufgefallen ist und weitgehend von den oben beschriebenen Kommerzialsierungstendenzen verschont blieb. Horak/Reiter sprechen in diesem Zusammenhang von einer „zweiten Fussballkultur“ einer alten, regionalen, atavistischen in den unteren Ligen, die Wochenende für Wochenende ‚vor Ort’ ihre produktive Basis findet. Während der letzten sechs Jahre verharrt die Vienna konsequent in der dritten Liga und wird dabei von einer Schar treuer Anhänger begleitet, die im Zentrum meiner Analyse stehen.

Die Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften und die dadurch bedingte Individualisierung, die Flexibilisierung der Ökonomie und ein massiver Wertewandel führten in den vergangenen Jahrzehnten dazu, dass Menschen in den westlichen Industrieländern kaum noch biographische Fixpunkte haben. Lebensläufe von „flexiblem Menschen“ in den hoch entwickelten Gesellschaften sind oft durch einen häufigen Arbeitsplatz- Berufs- und Ortswechsel bestimmt und auch die sozialen Beziehungen sind nur selten von lebenslanger Dauer. Die Bindung an einen bestimmten Fussballverein bleibt aber zumeist über Jahre/Jahrzehnte oder gar ein Leben lang bestehen.

Im Zentrum meines Forschungsinteresses stand daher die Frage was Menschen dazu bewegt, über Jahre und Jahrzehnte Woche für Woche ins Stadion zu pilgern, um Spielen der dritten Liga beizuwohnen und damit große Teile ihrer Freizeit zu „opfern“ und welche Bedeutung der Verein, die „Vienna“ für die Fans hat.

Ich will im Rahmen dieser Diplomarbeit dem interessierten Leser einen Einblick in die Welt der Fussballfans - einer Lebenswelt, die für „Aussenstehende“ meist schwer zu verstehen ist - ermöglichen und versuchen die Leidenschaft der Fans zumindest teilweise nachvollziehbar zu machen.

1.2 Aufbau der Arbeit

Im ersten Teil der Arbeit beschäftige ich mich mit dem theoretischen Forschungsstand zum Thema Fussballfans und versuche eine Kategorisierung der Fussballfans vorzunehmen. Weiters gehe ich auf die Subkultur jugendlicher Fussballfans und die aktuellen Entwicklungen im Fussballsport und die daraus resultierenden Transformationsprozesse in der Fankultur ein. Am Ende dieses Theorieteils versuche ich die wichtigsten Eckpfeiler der Individualisierungsthese, quasi als Ausgangspunkt meiner Untersuchung nachzuzeichnen.

Der zweite Teil der Arbeit widmet sich meiner empirischen Untersuchung über die Viennafans und der Beziehung zu „ihrem“ Verein. Nach einem kurzen Kapitel zur Geschichte des Vereins erfolgt eine Projektbeschreibung, in der ich die Zielgruppe, die Fragestellungen und die angewandte Methode der Datengewinnung- und Auswertung darstelle. Daran anschliessend stelle ich die wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchung vor. Neben den verschiedenen Zugangsarten der Fans, versuche ich auch die Kontinuitäten und Brüche in den Fanbiographien und den Weg der Fans in den sogenannten „Fanblock“ nachzuzeichnen. Den Kern des empirischen Teils der Arbeit stellt schliesslich das Kapitel zur Bedeutung des Vereinsinteresses für die Gestaltung des Alltags und der Identitätsbildung der Fans dar. Im letzten Kapitel der Arbeit gehe ich noch auf die verschiedenen Motivdimensionen der Viennafans ein.

I. Theoretischer Teil: Relevante Begriffe und theoretische Konzepte zum Thema Fussballfans

2 Fussballfans – Versuch einer Kategorisierung

Im folgenden Kapitel möchte ich versuchen die „heterogene Masse der Fussballfans“ zu kategorisieren. Fussballzuschauer sind kein unstrukturiertes Massenpublikum, sie lassen sich vor allem anhand ihrer Motive relativ gut unterscheiden. In der sportsoziologischen Literatur findet man verschiedene Konzepte zur Ausdifferenzierung der Fans, die ich hier kurz darstellen werde.

Bevor ich mit der Kategorisierung der Fussballfans beginne, möchte ich aber zuvor eine allgemeine Definition des Spotzuschauers anführen.

„Ein Zuschauer ist jemand, der etwas betrachtet, bzw. beobachtet. Demnach wäre jeder ein Sportzuschauer, der anderen Menschen bei ihren sportlichen Aktivitäten zusieht. Doch der Sportzuschauer ist mehr als nur ein ‚Betrachter’ Sein Verhalten ist geplant, er befindet sich mit Gleichgesinnten in einer Halle, einem Stadion oder am Rande des Sportgeschehens. Meistens hat er auch noch Geld bezahlt, um passiv am Sport teilnehmen zu dürfen. Während der ‚Betrachter’ oft zufällig ein Ereignis vor Augen hat, betreibt der Sportzuschauer häufig einen immensen Aufwand an Zeit und Geld, um Sportveranstaltungen beizuwohnen. Die Größenordnung dieses Aufwandes, verglichen mit den individuellen Möglichkeiten, zeigt bereits, wie sich die emotionale Bindung des Sportzuschauers zum Sport ist.“[5]

Opaschowski kam im Zuge seiner 2000 Personen umfassenden Fragebogenuntersuchung zur Schlussfolgerung, dass sich die Bedürfnisse von Sportzuschauern auf folgende vier reduzieren lassen: - Spaß haben

- Spannung erleben
- Geselligkeit finden
- Begeistert werden[6]

Elias sieht im Sport eine Art Refugium, wo in einer Art von Mimesis sich Emotionen noch äußern können, d.h. Menschen können hier all das ausleben, was in der Gesellschaft beschränkt oder gänzlich verboten ist. Im Sport können demnach Aggressionen befriedigt werden und in der Mimesis von Freizeithandlungen können Kompensationen für die Routinen der industriellen Gesellschaft erzielt und ein Kontrast zur „ernsten“ Welt erlebt werden.[7]

2.1 Ausdifferenzierung der Fussballfans

Am Beginn dieses Kapitels möchte ich zuerst einmal den Begriff „fan“ definieren. Meyers Enzyklopädisches Lexikon liefert folgende Erklärung:

„Fan [engl., gekürzt aus fanatic >Fanatiker<] begeisterter Anhänger von jemanden (v.a. von Stars aus Sport und Film) oder etwas.“[8]

Eine kompakte sozialwissenschaftliche Definition liefert Herrmann:

„Fans bilden meistens eine räumlich und visuell von den übrigen habituellen Zuschauern unterscheidbare relativ kohärente Subgruppe, die sich durch stark affektive Bindungen an das jeweilige Bezugsobjekt in relativ unveränderter Zusammensetzung von Heimspiel zu Heimspiel wiederholt.“[9]

Man kann heute sicher nicht mehr von einem einheitlichen Bild des Fussballfans ausgehen. Waren es während der Anfänge des Spiels vorwiegend Arbeiter welche die Spiele besuchten, so partizipieren heute alle gesellschaftlichen Gruppen am „Event“ Fussball.

Fussballzuschauer stellen kein unstrukturiertes Massenpublikum dar, das belegen mehrere Untersuchungen von Fans. Jeder Zuschauer kommt durchschnittlich zusammen mit fünf bis sechs weiteren Personen ins Stadion, wie aus folgender Statistik hervorgeht.

Tabelle 1: Strukturiertes Fussballpublikum[10] Die Zuschauer kommen ins Stadion:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Publikum setzt sich überwiegend aus Paaren, Freundeskreisen, Gruppen von Bekannten und verschiedensten Cliquen zusammen. Aus dieser Grafik geht eindeutig hervor; Besucher die ohne Begleitung ins Stadion gehen, bilden eine verschwindend geringe Minderheit. Betrachtet man die durchschnittliche Zahl der Begleiter in den verschiedenen Altersklassen, so lassen sich auch Unterschiede feststellen.

Tabelle 2: Durchschnittliche Zahl der Begleiter in den verschiedenen Altersklassen[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die beiden ersten Altersklassen umfassen eine Entwicklungsphase des Jugendalters, die neben einer allmählichen Ablösung vom Elternhaus vor allem durch den Trend zur Gruppenbildung im Kreise Gleichaltriger (Peer-Groups) gekennzeichnet ist. Diese Jugendlichen kommen auch in größeren Gruppen ins Fussballstadion. Die sich anschliessende Phase der Adoleszenz bringt die Auflösung dieser Peer-Groups. Cliquen und ähnliche soziale Konfigurationen treten in ihrer Bedeutung zurück. [...] Berufsbildung und Familiengründung lassen den Kreis der möglichen Begleiter für den Besuch eines Fussballspiels kleiner werden.[12]

Innerhalb der Zuschauerstruktur gibt es natürlich verschiedene Gruppen, die unterschiedlich handeln, man kann also von keinem homogenen Publikum bzw. von einem homogenen Verhalten der Zuschauer ausgehen.

Bromberger spricht im Rahmen seiner Analyse von Fussballzuschauern vom „Stadion, als einer der wenigen Plätze heutzutage, wo sich die städtische Gesellschaft ein genaues Abbild von sich als Einheit und als differenziertes Gebilde machen kann“. Man kann demnach das Stadion gewissermassen als „Stadtplan im kleinen“ ansehen, in dem die Zurschaustellung sozialer Beziehungen beobachtbar ist. Er widerspricht dem allgemein vorherrschenden Bild einer „unstrukturierten sportbegeisterten Masse“ in den Stadien. In seinen Studien belegt er dass sich das Publikum vielmehr nach verschiedenen Kriterien verteilt (Alter, Wohngegend, Beruf, ethischer und regionaler Zugehörigkeit, nach bestimmten Gewohnheiten und nach spezifischen Gehabe) und sich die Sozialstruktur der Stadt in der Verteilung innerhalb des Stadions wiederfindet, wenn auch mit spezifischen und fussballtypischen Einschränkungen. So entsteht rund um das Fussballspiel „ein zweites Spektakel“ das von den Zuschauern selbst produziert wird.[13]

2.2 Motivdimensionen von Fussballfans

Fussballfans lassen sich vor allem durch ihre verschiedenen Motive unterscheiden. Gängige Erklärungen für das Phänomen der Fussballfans betonen die Spannungs- und Überraschungsmomente die das Spiel beinhaltet und somit für viele Zuschauer so interessant machen. (Stress and Stimulation Seeking Motiv).

„Der Fussballsport ist massenwirksam, weil seine Regeln einfach und jedermann verständlich sind und weil die Dramaturgie des Spielverlaufs angesichts jener beängstigend rationalistischen Zivilisation Überraschungsmomente bereithält, die spannende Zerstreuung vom routinierten Alltag versprechen. Der Fussballwettkampf als überschaubare Einheit von Zeit und Handlung kann deshalb beim Zuschauer eine beträchtliche Affektabfuhr bewirken.[14]

Weitere mögliche Motive für den Besuch von Fussballspielen sind -Unterhaltung (Entertainment-Motiv), die Steigerung des Wohlbefindens (Recration-Motiv), das Treffen von „Gleichgesinnten“ (Affiliationsmotiv), die Identifikation mit den Spielern und der Mannschaft (Identifikationsmotiv), das Erleben von spannenden Erlebnissen und Abenteuern im Stadion (Sensation Seeking Motiv), das Teilhaben an Erfolgserlebnissen des Vereins (Achievement-Seeking-Motiv) und die Gelegenheit aufgestaute Aggressionen abzubauen (Aggressionsmotiv).[15]

Horak/Stocker/Reiter versuchten in ihrer Studie „So werden wir nicht Meister“, einer empirischen Analyse der (jugendlichen) Wiener Fankultur, unter anderem der Motivationen für die Fan-Existenz nachzugehen und kamen im Rahmen ihrer Fragebogenuntersuchung zu folgendem Ergebnis.

Motivationen für die Fan-Existenz: (Mehrfachantworten möglich)

Weil ich selber Fussball spiele/gespielt habe 51 %

Weil ich Freunde kennengelernt habe, die auch Fussballfans sind 40 % Weil ich als Kind mit meinem Vater, Opa etc. zu Fussballspielen gegangen bin 30% Weil ich aus Zeitungen und TV erfahren habe, dass im Fan-Sektor was los ist 14 %“[16]

Die vier in der Literatur immer wieder genannten Hauptmotivationen für den Besuch einer Sportveranstaltung sind die Ergebnisorientierung, die Sachorientierung, die soziale Orientierung und die Erlebnisorientierung. Anhand dieser Motivationen werden in der sozialwissenschaftlichen Fachliteratur Fussballfans grob in drei Gruppen unterteilt: konsumorientierte, fussballzentrierte und erlebnisorientierte Fans.

2.2.1 Konsumorientierte Fans

Konsumorientierte Fans gehen ins Stadion um ein schönes und gutes Spiel zu sehen. Für sie ist das Erleben von Spannungssituationen, die jedoch von anderen, also den Spielern auf dem Spielfeld dargeboten werden das zentrale Motiv für den Stadionbesuch. Fussball ist für diese Fans austauschbar und stellt nur eine mögliche Freizeitbeschäftigung unter vielen dar.

„Für die konsumorientierten Fans steht das Erleben von Spannungssituationen (...) im engen Zusammenhang mit Leistungsgesichtspunkten, während die soziale Relevanz weitgehend unbedeutend ist“.[17]

In dieser Zuschauergruppe finden wir alle Altersgruppen und zum Teil auch Familien. Diese Gruppe verweilt während des Spiels auf ihren Sitzplätzen und applaudiert vermehrt nur bei Toren und nach dem Spielende. Konsumorientierte Fans sind demnach passive Beobachter des Geschehens, die nur in das Stadion kommen, wenn auch der Verein über längere Zeit erfolgreich ist. Diese Gruppe besucht auch häufig Spiele verschiedener Vereine, je nachdem welcher Klub gerade Erfolg hat.

Im Vergleich zu den fussballzentrierten Fans ist die Gruppenorientierung nicht so stark ausgeprägt. Konsumorientierte Fans besuchen das Stadion häufig in Kleingruppen, die sich aufgrund des Spielbesuchs zusammengefunden haben. Diese Fans verfolgen das Spiel von Sitzplätzen der Haupt bzw. Gegentribüne aus.

2.2.2 Fussballzentrierte Fans

Die Zuschauergruppe, die auch im Zentrum meiner Untersuchung steht, sind die „fussballzentrierte Fans“, sie stellen den eigentlichen Kern der Fanszene dar.

Für sie stellt der Verein (und auch der Fussball allgemein) einen zentralen Lebensinhalt dar. Fussballzentrierte Fans demonstrieren durch ihr äußerliches Auftreten eine enge Verbundenheit mit dem Verein, fast alle Fans dieser „Kategorie“ tragen Fanartikel, bzw. das offizielle Vereinstrikot. Mit ihrer Kleidung zeigen sie ihre Sympathie und ihr Bekenntnis zum Verein. Die Leistung der Mannschaft steht nicht unbedingt im Vordergrund, sondern es zählt die Loyalität gegenüber dem Verein.

„Für fussballzentrierte Fans steht das Erleben von Spannungssituationen auch in engem Zusammenhang mit den sportlichen Darbietungen, ist aber nicht ausschließlich leistungsfixiert, sondern die (fast) absolute Treue, selbst bei sportlichen Misserfolg zählt. Auch dadurch zeigt sich, dass Fussball nicht austauschbar ist also eine hohe soziale Relevanz besitzt, ein unverzichtbares Präsentationsfeld darstellt, über das Anerkennung für den einzelnen und die Gruppe gesucht wird, indem u.a. auch eigene Beiträge zur Erhöhung der Spannung geleistet werden.“[18]

Im Stadion werden soziale Kontakte zu Gleichgesinnten geknüpft, was erleichtert wird durch den festen, von den übrigen Teilen des Publikums separierten Standort im Stadion, dem so genannten „Fanblock“. Fussballzentrierte Fans unterscheiden sich von den „normalen“ Zuschauern auf den Sitzplatztribünen vor allem durch ihre starke affektive Bindung an „ihren Verein“. Wenn man von einer eigenen Subkultur der Fans sprechen kann, dann kann man sie wenn überhaupt nur in dieser Gruppe verorten.

Heitmeyer geht davon aus, dass über die ereignisbezogene Teilnahmemotivation hinaus, vor allem das selbstinszenierte Gruppenerlebnis für das jugendliche Fanpublikum charakteristisch ist.[19]

„Die Wiederherstellung der Gemeinschaft ist die charakteristische Chiffre und der Fan-Block wird als eigenes, unverzichtbares Territorium gesehen. Hier sind noch am ehesten subkulturelle Bestände zu finden.“[20]

2.2.2.1 Subgruppe – (älteres) Stammpublikum

In der gängigen Fussballiteratur fehlt oft eine Kategorie/Bezeichnung für ein langjähriges eher älteres Stammpublikum, dass den Verein schon über Jahre/Jahrzehnte begleitet, d.h. daher eher unter die „fussballzentrierten Fans“ fallen würde.

Ich möchte diese Gruppe hier aufnehmen, aber sie dennoch von den oben beschriebenen weitaus jüngeren Fans differenzieren, da ihr Verhalten während des Spiels (weniger Hang zur symbolischen Identifikation (Schlachtrufe, Vereinsinsignien) unterschiedlich ist, auch wenn sie sich in ihren Einstellungen, vor allem was die Loyalität gegenüber den Verein betrifft, sehr ähnlich sind.

Meiner Einschätzung nach ist der Anteil dieser Gruppe am Gesamtpublikum sehr hoch, leider wird er in den wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Fussballfans zumeist völlig außer Acht gelassen.

2.2.3 Erlebnisorientierte Fans

Die erlebnisorientierten Fans gehen in erster Linie nicht ins Stadion, um dem Spiel beizuwohnen, sondern wegen der dortigen Atmosphäre und der Möglichkeit, Bedürfnisse nach Spannung, Abenteuer, Risiko, nach gefühlsmäßigen Erfahrungen zu befriedigen. Das Fussballspiel selbst ist für sie zweitrangig. Dementsprechend hat diese Fangruppe auch keinen festen Standort innerhalb des Stadions, sondern hält sich dort auf, „wo was los ist“.

„Für die erlebnisorientierten Fans erhält bei der Suche nach Spannungssituationen die sportliche Bedeutung des Fussballspiels einen ambivalenten Akzent. Fussball als Sinnobjekt zählt eher unter dem Gesichtspunkt des „Spektakels“ und spannender Situationen, die (notfalls) selbst erzeugt werden. Zwar stellt das Stadion ein wichtiges Präsentationsfeld für Anerkennungsprozesse bereit, doch wenn sich andere Felder auftun, wechselt man weitgehend unabhängig vom Spielverlauf. Ablösungsprozesse vom Fussball sind deutlich, die sich mit wechselnden Gruppenorientierungen und instabilen Stadionstandorten verbinden.“[21]

In dieser Gruppe finden wir vorrangig jugendliche Fussballfans. Das Fussballspiel stellt nur die Plattform dar für ihre Suche nach Spannung und Erregung in einer sonst eher langweiligen Gesellschaft. Innerhalb der Kategorie der „erlebnisorientierten Fans“ findet man auch den konfliktsuchenden aggressiven Fantyp, der besser bekannt ist unter dem Begriff „Hooligan“, auf den ich im Rahmen des nächsten Kapitel noch näher eingehen werde.

3 Jugendliche Fussballfans

Jugendliche Fussballfankultur erregt meist nur dann öffentliches Interesse, wenn es zu gewalttätigen Ausschreitungen im Rahmen eines Fussballspiels kommt. Es ist jedoch ein falscher Schluss jugendliche Fussballfans deshalb ohne Differenzierung mit dem Bild von sozial benachteiligten Gewalttätern gleichzusetzen. Ich will im folgenden sowohl den Hintergrund dieser jugendlichen Subkultur der Fans als auch ihre identitätsstiftende Funktion beschreiben. Zuvor will ich aber die Begriffe „Kultur“ und „Subkultur“ darstellen.

„Unter dem Begriff Kultur versteht man die gesamte Lebensweise einer Gruppe, Bedeutungen, Werte und Ideen, wie sie in Institutionen, gesellschaftlichen Beziehungen, Glaubenssystemen, Sitten und Bräuchen, im Gebrauch von Objekten und im materiellen Leben zum Ausdruck kommen. Der Kulturbegriff beschreibt also das Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens und umfasst Leistungen und Einrichtungen, die die Menschen zur Aneignung der Natur und zur Regelung ihrer Beziehungen untereinander entwickelt haben. Da mehrere Kulturen nebeneinander existieren und damit auch verschiedene Lebensweisen, spricht man in diesem Zusammenhang auch von Gesellschaft“.[22]

Innerhalb der Gesellschaft gibt es Teilkulturen, die man als „Subkulturen“ bezeichnet.

„Die Subkulturtheorie geht davon aus, dass innerhalb eines größeren, komplexeren sozialen Gebildes Normen, Werte und Symbole nicht für alle Mitglieder dieses sozialen Systems gleich gelten oder die gleiche Bedeutung haben. Diese Teilsysteme innerhalb einer Gesellschaft werden auch als „Szene“ bezeichnet. Dessen Träger weisen meist eine lockere bis feste Bindung zueinander auf, wodurch sich klare Identitäten und Strukturen entwickeln.“[23]

Fussballfankultur kann man aber auch nicht als eine homogene Subkultur begreifen, denn sie tritt in verschiedensten Spielarten auf, von der Subkultur der fussballzentrierten Fans bis hin zu politisch motivierten rechtsradikal, nationalistischen Gruppen.

Auch Horak/Reiter/Stocker kamen 1998 zu der These dass „sich die jugendlichen Fans auch nach der Bedeutung, die für sie der Fussball (als Zuschauersport) für die Gestaltung des Alltags, der Freizeit und für ihre Identitätsbestrebungen hat, unterscheiden (lassen) und dass die verschiedenen Aspekte dieser Bedeutung, die sich sowohl auf sportliche Gesichtspunkte, als auch auf den Stadionbesuch als soziales Ereignis, auf Action, Spannung und Erlebnis, sowie auf die Vereins-Passion beziehen, bei verschiedenen Fan-„Gruppierungen“ in unterschiedlicher Gewichtung und Kombination zu finden sind.[24]

3.1 Neudefinition der Jugendphase

Vor dem Hintergrund der Risikogesellschaft (Beck), in der die Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen immer weiter voranschreitet, ändert sich auch das Heranwachsen der Jugendlichen nachhaltig.

„Das Kennzeichen der Risikogesellschaft liegt darin, dass die Struktur sozialer Ungleichheit eine überraschende Stabilität aufweist, während das Leben jenseits der Klassengesellschaft stattfindet, weil sich die Lebensbedingungen der Menschen drastisch geändert haben. Durch Niveauverschiebungen insbesondere bei Bildung und Einkommen, durch Wegschmelzen subkultureller Klassenidentitäten, Enttraditionalisierung ‚ständisch’ eingefärbter Klassenlagen, ist das Hierarchiemodell sozialer Klassen unterlaufen.“[25]

Ein grundsätzliches Problem liegt in der Ausdehnung der Jugendphase in ökonomischer Hinsicht. Durch längere Ausbildungszeiten erfährt die ökonomische Unselbständigkeit eine größere zeitliche Ausdehnung. Andererseits widerspricht diesem Prozess jedoch die rechtliche Verkürzung der Jugendphase, durch welche Jugendlichen früher Volljährigkeit und Verantwortung zugestanden wird, ohne ihnen aber von politischer Seite wirkliche Mitbestimmungsmöglichkeiten anzubieten.[26]

Heute stehen die Jugendlichen also vor mehrfachen gesellschaftlichen Widersprüchen, denn einerseits sollen sie über eine immer bessere Ausbildung verfügen, andererseits kann Ihnen jedoch niemand die Garantie eines entsprechenden Arbeitsplatzes, den frühere Generationen hatten, zusichern.

„Jugendliche werden nach wie vor normativ daraufhin orientiert in den Produktionsprozess einzutreten. Gleichzeitig wird faktisch einer erheblichen Anzahl genau die Realisierung dieser Norm über Arbeitsplätze verweigert bzw. die Arbeitsplatzsicherheit wird außerordentliche labil. „[27]

In diesem Kontext ist die Entstehung und Formation jugendlicher Fan-Subkulturen zu verstehen, deren latente Funktion darin besteht, die erfahrenen Widersprüche offen zum Ausdruck zu bringen und zumindest in symbolischer Weise zu lösen zu versuchen.

„Neben dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit, welche viele junge Menschen daran hindert, an der Gesellschaft und ihren Möglichkeiten zu partizipieren, produzieren bewegungsfeindliche und erlebnis- und kontaktarme Wohngebiete eine Abkehr der Jugendlichen von der traditionellen Zukunftsausrichtung hin zu einem sehr gegenwartsbezogenen Erlebnishunger. Zeit ist unter diesen Bedingungen häufig etwas, das man ‚totschlagen’ will; Freizeitangebote sind entweder unattraktiv oder werden überhaupt nicht angeboten. Die Folge ist schiesslich häufiges ‚Rumhängen’ und ein verstärktes Bedürfnis nach Action, Spannung und Abenteuer.“[28]

Das Stadion wirkt für dieses Bedürfnis nach „Action“ und Spannung wie ein Magnet für viele Jugendlichen und stellt einen Ort dar, wo sie sich „ausleben“ können.

3.2 Bedeutungszuwachs der Gleichaltrigengruppe

Die Jugendphase muss wie oben beschrieben also aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und Widersprüche neu definiert werden, aus einer „Übergangsphase“ wurde eine „eigenständige Lebensphase“, für deren Sinn die Jugendlichen selbst verantwortlich sind.

Heitmeyer spricht von einem Wandel der Sozialisationsmodi, von einer produktionistischen hin zu einer konsumistischen Sozialisation.

„Einerseits wird damit das Bewusstsein gesellschaftlicher Nützlichkeit unterhöhlt, die zeitlichen Anteile des „Auf andere bezogen Seins“ verringert und gleichzeitig der Zwang ausgedrückt, sich auf dem Felde von Freizeit und Konsum zu präsentieren, um dort Anerkennung zu erwerben und so Selbstbewusstsein zu entwickeln. Damit ändert sich Entscheidendes vor allem für jene Gruppen von Jugendlichen, die aufgrund ihrer Familiengeschichte ihre Lebensweise und Zukunftsvorstellungen zum einen mit Arbeit und anderen mit ihrer sozialen Klasse, Gruppe und ihrem Milieu verbunden haben. Beides ist in gewisser Weise entwertet: die über diese Sozialisationswege verlaufenden Integrationen in die Gesellschaft sind versperrt oder zumindest zeitweise blockiert. Arbeit und „Subkultur von unten“ müssen daher in Konsum und „Jugendkultur von oben“ umgelenkt werden.“[29]

Das Jugendalter ist die Lebensphase, in der der Heranwachsende eine psychosoziale Identität aufbauen muss, dies geschieht in einer Art dialektischem Auseinandersetzungsprozess des Individuums mit seiner gesellschaftlichen Umwelt. Das „Fan sein“ ist daher auch Teil des Jugendlichen um gemeinsam, zumeist mit Gleichaltrigen in sogenannten „Peer Groups“ auf eine spezifische Weise eine eigene Identität zu erwerben.

„In diesen Gleichaltrigenruppen, die auch als „peer-groups“ bezeichnet werden, findet eine Auseinandersetzung mit der „Welt der Erwachsenen“ und den darin bestehenden Erwartungen und Maßstäben statt. Die Findung und Stabilisierung der eigenen Identität ist als ein Prozess zu verstehen, indem der Jugendliche sich kontinuierlich zwischen Distanzierung und Angleichung, der Erprobung und Abänderung befindet. Zweck dabei ist es, ein Gleichgewicht zwischen der Selbst- und Fremdsicht zu erlangen. In den Gleichaltrigengruppen finden die Jugendlichen hierfür den erforderlichen Erfahrungs- und Handlungsraum. Peer Groups sind wenig vorstrukturiert und bieten dadurch die Möglichkeit einer flexiblen Interessens- und Rollendefinition. Durch aktives und konkretes Handeln wird eine Strukturordnung innerhalb der Gruppe geschaffen.“[30]

Überraschend erscheint die Tatsache, dass sich jugendliche Fussballfans aus der Erwachsenenwelt mit ihren festen Grenzen und Vorschriften herauslösen wollen, aber zugleich gruppenintern wiederrum ein stark reglementiertes System aufbauen.

3.3 Jugendliche Fussballfankultur

Wie schon eingangs erwähnt werden in der Literatur drei verschiedene Fangruppen differenziert, die fussballzentrierten, die konsumorientierten und die erlebnisorientierten Fans.

Jugendliche Fussballfans findet man sicher in allen dieser drei Gruppen. Wenn man sich aber die Fankultur (im Sektor) ansehen will, so wird man sich auf die fussballzentrierten Fans und die erlebnisorientierten Fans konzentrieren. Horak/Reiter/Stocker weisen in ihrer Studie „So werden wir nicht Meister“ von 1991 darauf hin, dass unterschiedliche fussballbiographische Einstiegsbedingungen die Karriereverläufe von Fans (fussballzentriert/erlebnisorientiert) stark mitbestimmen.

„Fussballinteresse hat, zumindest soweit es die Fans im Sektor betrifft, einiges mit der jeweils besonderen Erfahrung als Fussballplatzbesucher zu schaffen. Die Jugendlichen, die schon sehr früh (mit dem Vater) Spiele besucht haben, spielen auch selber Fussball und sehen dies als wesentliches Begründungsmoment für ihr „Fan-Sein“ an. Fans, die schon sehr früh Fussballspiele besuchten, entwickeln viel eher eine Tradition des Spielbesuches. Es gibt also eine Kontingenz von Fussballinteresse; wer schon früh in den Bann geriet, der wird oft auch Fan. Es speisen sich also die Populationen der Sektoren nicht unwesentlich aus solchen Jugendlichen, die bereits in jungen Jahren Spielplätze besucht haben und die seither relativ regelmässig Spiele besuchten und schliesslich den Weg in den Sektor wagten. Für sie ist der Besuch des Stadions Teil ihrer Freizeit, ihres Alltags, in dem eben der Fussballsport einen wichtigen Platz einnimmt. Es ist dies die große Mehrheit der im Sektor anwesenden Fans. Dort finden sich aber auch solche für die die Bedeutung des Fussballs (als Sport) nicht diesen großen Stellenwert hat. ‚Sensation-seeking’ als Motiv ist hier wohl wichtiger, wenngleich nicht übersehen werden darf, dass dieses Moment allgemein im Sektor (und eben nicht auf der Tribüne) von einiger Bedeutung sein dürfte“.[31]

3.3.1 Fussballzentrierte jugendliche Fans auf der Suche nach Zugehörigkeit

Für jugendliche fussballzentrierte Fans steht, wie schon am Beginn dieser Arbeit beschrieben, das Spielgeschehen am Rasen und die absolute Treue zum Verein im Mittelpunkt des Fan-Seins.

Die Fans besuchen sowohl die Heimspiele als auch die Auswärtsspiele und nehmen dabei oft große finanzielle Belastungen auf sich. Vor allem der Besuch von Auswärtsspielen steigert das Selbstwertempfinden der Fans, welches sich nach innen in Stolz und Solidaritätsgefühl, nach aussen in einer Verbesserung des Ansehens innerhalb der peer group ausdrückt. Dieses Solidaritätsgefühl gegenüber der Mannschaft und ihren Zielen kann auch als starkes „Wir-Gefühl“ bezeichnet werden.

Die über die Vereinszugehörigkeit gewonnene kollektive Identität wird nicht nur zum Fundament, sondern auch zum Fokus des Weltbildes für die jugendlichen Fans, der Verein wird als „große Familie“ angesehen. Bodo Wild beschreibt diese Form der Sozialität in seiner Dissertation über jugendliche Fussballfans als „Zugehörigkeit“.

„Ein Lebenszusammenhang der milieuspezifischen Zugehörigkeit konstitutiere sich, wenn an die Stelle intentionalen gesellschaftlichen Handelns von Individuen ein Gefühl der inneren Verbundenheit trete. Diese Form der Identitätsbildung ist jedoch nicht im Sinne einer individualbiographischen Entwicklung zu verstehen, da das, was die Einzelnen zu einer Gemeinschaft vereine, ein kollektiver Besitz im Sinne einer Tradition sei, etwa einer Familientradition, für die Vorgängigkeit des Ganzen vor den Teilen wesentlich sei.“[32]

Das erste Spiel besucht der fussballzentrierte jugendliche Fan meistens mit seinem Vater, dies erweckt in ihm meist ein erstes Interesse. Den weiteren Verlauf so einer Fankarriere beschreibt Bremer wie folgt:

„Der Einstieg in die Fanszene ist dann gegeben, wenn der heranwachsende Zuschauer den Fanblock, den er zunächst aus der Distanz betrachtet, als für ihn attraktiv empfindet. In der folgenden Zeit wird er sich dann bemühen, Gleichaltrige zu finden oder auszumachen, die mit ihm ins Stadion – und hier speziell in die Nähe des Fan-Blocks – gehen werden. Eine besondere Rolle für die Annäherung an den Fanblock spielt hierbei das so genannte ‚sensation-seeking-Motiv’ welches bedeutet, dass der Jugendliche aktiv solche Situationen aufzusuchen bestrebt ist, in welchen eine Atmosphäre von ‚Spannung, Abenteuer und Gefahr’ vorherrscht.“[33]

Dieser Wunsch nach Spannung und Gefahr ist der Versuch der Jugendlichen aus ihrer monotonen Schul- und Arbeitswelt auszubrechen und sich die Bestätigung, die ihnen im Alltag oft fehlt, beim Besuch des wöchentlichen Fussballspiels zu holen. Gefühlszustände wie Freude, Spannung, Trauer können hier im Gegensatz zu ihrem Alltag erreicht werden. Das Stadion dient hier also als Kompensationsplattform.

Eine spezielle Verhaltensweise der Fans kann man unter dem Begriff „Aneignung“ subsummieren. Fussballfans machen sich das Stadion und die Zuschauerrolle zu eigen. Einerseits wird zwar starke Unterstützung des Vereins durch das Tragen von Trikots, Fanartikeln, Fahnen, Transparente von den Fans eingefordert, andererseits eignen sie sich einen Rahmen an, innerhalb dessen sie sich eine grosse Anzahl an Freiheiten herausnehmen.

Die Differenzierung innerhalb der unterschiedlichen Fangruppen eines Vereins ist ein Beispiel dafür, z.B. unterschiedliche Fahnen und Transparente, verschiedene Fanchoreographien, etc.

Eine andere Verhaltensweise der Fans stellt die „Provokation“ dar. Sie kann bewusst und unbewusst erzeugt werden. Ihr eigentlicher Zweck ist das Erringen von Aufmerksamkeit und Beachtung. Ausserdem dient die Provokation während des Spielgeschehens (z.B. durch diffamierende Fangesänge gegenüber der gegnerischen Fans oder dem "Auspfeiffen" von Spielern der Gegners, etc.) einerseits der Verunsicherung der gegnerischen Mannschaft, andererseits dem Herausstellen der eigenen Größe, Entschlossenheit und Dominanz.[34]

Die fussballzentrierten jugendlichen Fans verfügen über eine monisitische Fan-Identität, damit meine ich, dass jeder biographisch relevante Bereich aus den Prinzipien des Fussball-Interesses heraus erklärt wird und krisenhafte biographische Phasen auf diese Weise bewältigt werden. Ein wichtiger Unterschied zur Gruppe der Hooligans ist der integrative Aspekt des Fan-Daseins.

„Im Unterschied zum Modus der episodalen Negation der Alltagsexistenz der Hooligans, wo der Wochenalltag rigoros vom Wochenendgeschehen abgespalten wird, kann bei den Fussballfans das Fussballgeschehen am Wochenende partiell in den Wochen- und Berufsalltag integriert werden, so z.B. in Form der Mitgliedschaft in einem Fanclub des entsprechenden Vereins.“[35]

Fussballzentrierte jugendliche Fans sind grundsätzlich nicht am Ausbruch von Gewalttätigkeiten interessiert. Die Gewalteskalationen gehen in der Regel von einer anderen relativ kleinen Gruppe, der sogenannten Hooligans aus, können dann aber andere nicht gewaltorientierte Fans mitreissen. Ich werde im folgenden Kapitel näher auf die Gruppe der Hooligans eingehen.

3.3.2 Hooligans auf der Suche nach Zusammengehörigkeit

Der Begriff „Hooligan“ stammt ursprünglich aus England und bedeutet „Fussballrowdy“. Dieser konfliktsuchende Fantyp zeigt sich nach aussen, meist durch äusserliche Besonderheiten, wie z.B. kurzgeschorene Haare, das Tragen von Designer Kleidung mit sportlichen Aussehen und sogenannte „Bomber Jacken“.[36]

Für Hooligans sind körperliche Auseinandersetzungen im Stadion, die völlig unabhängig vom Spielverlauf entstehen können, ein wesentlicher Bestandteil ihres Fandaseins. Normalerweise finden Auseinandersetzungen nicht im Stadion statt, weil das mittlerweile durch Sicherheitsmassnahmen und Polizeiaufgebot nahezu unmöglich geworden ist, sondern in der Umgebung des Stadions bzw. an anderen ausgewählten Plätzen. Häufig werden schon vor dem Fussballwochenende Verabredungen zu Prügeleien mit gegnerischen Fans getroffen und so kann der „Kampf“ zwischen den Gruppen ohne Polizei stattfinden. Vor allem in den 1980er Jahren breitete sich diese Form des Fussballfan-Daseins von England aus rasant auf die anderen europäischen Länder aus. Die „Heysel-Katastrophe“ anlässlich des Endspiels um den Fussball Europacup zwischen Juventus Turin und dem FC Liverpool 1985 in Brüssel war einer der traurigen Höhepunkte dieser Entwicklung. Etwa eine Stunde vor Spielbeginn kam es nach Auseinandersetzungen zwischen italienischen und englischen Fans zu einer Massenpanik, bei der 39 Menschen, darunter 31 italienische Fans getötet wurden. 1989 kam es beim Spiel Nottingham Forrest gegen Liverpool im Sheffielder Hillsborough-Stadion zu einer ähnlichen Katastrophe, bei der 95 Liverpool-Fans starben. In dieser Zeit mieden auch viele „normale“ Zuschauer die Stadien und die 80er Jahre gehen auch als Krise in die Fussballgeschichte ein.

„Diese Ausdifferenzierung der ursprünglich einheitlichen Fanszene der 60er und 70er Jahre zu Beginn der 80erJahre führte nun dazu, daß seit etwa Mitte der 80erJahre die Gruppe der Hooligans stark in das Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten ist. [...] Bedeutsam an diesem Strukturwandel ist in erster Linie, daß sich die Aggressionen aus dem sozialen Zusammenhang mit dem Fußball weitgehend gelöst und verselbständigt haben. Es geht nicht mehr um den Sieg der Mannschaft, um das Image des Vereins, es geht vielmehr um persönliche Selbstverwirklichung mittels Aggressionen und Gewalt.“[37]

Heitmeyer betont in seinen Untersuchungen aber, dass sich gewaltförmiges Handeln von jugendlichen Fussballfans nicht ursächlich als psychisch-individuelle Deformation von Jugendlichen begreifen lässt, sondern nur in einem gesellschaftlichen Ursachenzusammenhang gesehen werden kann, in dem die Durchkapitalisierung nahezu aller sozialer Lebensverhältnisse und auch des Profifussballs von zentraler Bedeutung ist.[38]

Auch Krauss teilt die Einschätzung, dass man die zunehmende Gewalt in den Stadien nur vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Entwicklungen verstehen kann, wie den Niedergang proletarischer Öffentlichkeit, die Deregulierung der Normalarbeitsverhältnisse, die De- oder Umfunktionalisierung sogenannter „massenintegrativer Apparate“, zu denen auch die zur Disposition gestellte Integrationskraft des Sports gezählt werden muss und allgemein das Ringen um neue gesellschaftlich-staatliche Regulationsinstanzen inklusive der Herausbildung neuer Hegemonien.[39]

Hooligans bilden zusammen mit anderen situative Schicksalsgemeinschaften aus, innerhalb derer die biographischen Hintergründe des einzelnen bedeutungslos werden und zugunsten des kollektiven Habitus zurücktreten müssen.

„Statt einer Revitalisierung von Formen milieuspezifischer Zugehörigkeit begegnet uns bei den Hooligans eine rituelle Suche nach Zusammengehörigkeit, eine Suche nach habitueller Übereinstimmung und Solidarität in Gruppen männlicher Gleichaltriger. Die peer-group steht im Fokus der biographischen Orientierung, die „Kumpelschaft“ und „Männerfreundschaft“ weist sich als primordialer Rückhalt und als Substitut mangelnder familialer Solidarität aus. Die neu gefundene ‚Zusammengehörigkeit’ hat labilen und episodalen Charakter und muss immer wieder bestätigt werden. Der kollektive Aktionismus setzt somit ständig im gleichsam Voraussetzungslosen an. Wie die Fussballfans versichern sich auf diese Weise auch die Hooligans der Zugehörigkeit zu einem kollektiven Erfahrungsraum, nur dass es sich hier im Gegensatz zu den Fussballfans um einen fiktiven konjunktiven Erfahrungsraum handelt, der nicht in sozialisationsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten fundiert ist.“[40]

Innherhalb der „Szene“ existieren ungeschriebene, eigengesetzliche Regeln für die körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Hooligan-Gruppen.

Es dürfen z.B. keine Waffen getragen werden, es darf nicht „nachgetreten“ werden und unbeteiligte Zuschauer dürfen nicht zu Schaden kommen (usw.).

„Die physische Gewalt der Hooligans kann als abweichendes Verhalten von Jugendlichen verstanden werden, denn in der hiesigen Normalgesellschaft wird physische Gewalt weitestgehend abgelehnt. Hier liegt auch wieder ein Differenzierungspunkt zu ‚normalen’ Fussballfans, die sich eher an den Werten und Normen der Gesellschaft orientieren.“[41]

4 Aktuelle Entwicklungen im Fussballsport

Durch die zunehmende Durchkapitalisierung des Fussballs einerseits und dem standardisierten Einfluss der Disziplinierungs- und Kontrollinstanzen andererseits kommt es zu einem Auflösungsprozess innerhalb der fussballzentrierten subkullturellen Fanszene. Ich werde im folgenden Kapitel auf beide Entwicklungen eingehen und auch den sich formierenden Widerstand der Fans in die Analyse miteinbeziehen.

4.1 Auflösungsprozesse in der Fankultur durch Disziplinierungs-und Kontrollinstanzen

Mit der Zunahme der Gewalt in den Stadien, vor allem in den 1980er Jahren verschärfte die Polizei ihre Massnahmen, was teilweise noch mehr Gewalt hervorrief. Heute beginnen die Polizeimassnahmen bereits im Vorfeld eines Spiels.

Bei der An- und Abreise werden Fan-Busse und Sonderzüge nach Waffen und auffälligen Personen durchsucht. Durch sogenannte „Sicherheitsverwahrungen“ sollen etwaige Ausschreitungen in den Stadien vermieden werden. Die unterschiedlichen Fangruppen werden streng voneinander getrennt von der Polizei zum Stadion geleitet. Zivilbeamte werden zusätzlich in die Fangruppen „eingeschleust“, um das Geschehen besser einschätzen zu können. Eine Form der Disziplinierung die ständig ausgebaut wird, ist die lückenlose Videoüberwachung der Fanblöcke in den Stadien.

Eine andere Entwicklung ist die bauliche Umgestaltung der Stadien, die nach den Stadionkatastrophen von Heysel und Hillsborough Ende der 80erJahre von England aus einsetzte. Einerseits wurden sukzessive die Stehplätze in Sitzplätze umgewandelt und die Ticketpreise stark angehoben was dazu führte, dass sich verschieden Gruppen des traditionellen Publikums, vor allem die niedrigen Einkommensgruppen und die Arbeitslosen teilweise die Spieltickets schlichtweg nicht mehr leisten konnten. Andererseits wurden die Fanblöcke eingezäunt, um so die Fans besser kontrollieren zu können.

Der Erfolg dieser Massnahmen ist aber zweifelhaft, da es dadurch nur zu einer Verschiebung der gewalttätigen Auseinandersetzungen in andere Gegenden kommt. Problematisch ist vor allem auch, dass die fussballzentrierten grösstenteils „friedlichen“ Fans in andere Teile des

Stadions (z.B. die Haupttribüne) wechseln und die identitätsstiftende Bedeutung der Fankultur verloren geht. Die global gegen alle Fans gerichteten Ordnungsstrategien fördern eine Auflösung der fussballzentrierten Gesellungsformen.

„Durch diese gewandelten Polizeistrategien, durch die ordnungspolitische Besetzung der Fankultur, werden die Handlungsspielräume der Fans immer enger. Gewalthandlungen werden in andere weniger kontrollierte und kontrollierbare Bereiche verlagert. Der Zusammenhang zwischen zunehmender Disziplinierung und Einengung des affektiven Handlungsspielraums einerseits und der Eskalation andererseits beruht nicht zuletzt auf der Erkenntnis, dass die Fankultur für die Jugendlichen ein unverzichtbarer Raum zur Identitäts-und Persönlichkeitsbildung, ein Raum für wichtige soziale und affektive Erfahrungen ist.“[42]

Weiters versuchen die Vereine den Konflikt zu entschärfen, indem sie anstatt eines massiven Polizeiaufgebots, private Sicherheitsdienste und Ordner beschäftigen. Die letzte Instanz ist das Aussprechen von Stadionverboten gegen einzelne Fans die „auffällig“ geworden sind. Heitmeyer schildert das Problem so:

„Zum einen wird u.a. über kulturindustriell produzierte Moden, Stile etc. eine Pluralisierung von Weltsichten und Handlungsweisen gefördert, die neue Verhaltensweisen der Jugendlichen ermöglichen. Aus der Sicht gesellschaftlicher Kontrollinstanzen wird eine Einflussnahme erschwert, weil „standardisierte Massnahmen“ nicht mehr greifen. Jugendliche ihrerseits wissen dann nicht mehr, weshalb Eingriffe der Kontroll- und Disziplinierungsinstanzen ihnen gelten. Kurz: die „globalen“ Zugriffe treffen die „individuellen“ Handlungsweisen von Gruppen nicht mehr. Im Bereich der Fussballfans lässt sich daher der Versuch erkennen, vor allem über Ausgrenzung und Auflösung von Gruppen die Probleme zu lösen.“[43]

Den Höhepunkt der Kontroll- und Disziplinierungsversuche, stellte sicher die letzte Weltmeisterschaft in Deutschland dar, dies war die erste grosse Veranstaltung in der die so genannte RFID-Technik zum Einsatz kam.

„Ein Chip, weniger als einen Quadratmillimeter gross, sitzt in jeder Eintrittskarte; darauf werden verschlüsselte Daten gespeichert, mit denen der Kartenbesitzer vom Organisationskomitee (OK) identifiziert werden kann. Hooligans, Randalierern und internationalen Terroristen soll es so nicht möglich sein in die Nähe der Stadien zu gelangen.[44]

Die Organisatoren argumentierten, dass sie mit Hilfe dieser Technologie die Sicherheit gewährleisten können. Dass die persönlichen Freiheitsrechte der Bürger dabei auf der Strecke blieben und es wieder ein Schritt in Richtung „gläserner Fan“ war, ist die andere Seite der Medaille.

Auch hinsichtlich der Europameisterschaft 2008, die in Österreich und der Schweiz ausgetragen wird, kann man mit einer weiteren Verschärfung der Kontroll- und Disziplinierungsmassnahmen rechnen. Eine geplante Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes sieht das Konzept einer „versteckten Präventivhaft“, also einer „Meldepflicht samt polizeilicher Belehrung“ vor, mit der Fussballanhänger („amtsbekannte Randalierer, die in der sogenannten „Hooligan-Datei“ erfasst sind) von den Spielen ferngehalten werden sollen.[45]

Neben einer lückenlosen Überwachung der Stadien werden rund um die Veranstaltungsorte in einem Umkreis von einem halben Kilometer sogenannte „Sicherheitszonen“ eingerichtet. Wer sich „verdächtig“ verhält kann weggewiesen werden, bei Nichtbefolgen droht eine Festnahme. Problematisch ist hierbei, dass sich die Massnahmen zur Gewaltvermeidung in den Stadien nicht nur gegen die einzelnen Gewalttäter sondern letztendlich gegen alle Fans richten. Aussserdem kann man davon ausgehen, dass die anlässlich der Europameisterschaft verschärften „Sicherheitsbestimmungen“, Überwachungsmechanismen und Schikanen nach dem Großereignis nicht zurückgenommen werden und den ohnehin schon eingeschränkten Handlungsraum für eine positive, lebendige Fankultur weiter einengen.

[...]


[1] vgl. http://www.ihs.ac.at/publications/lib/ots 00942007.pdf - 10.9.2007

[2] Aufgrund der einfacheren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf der Arbeit auf eine geschlechtsneutrale Differenzierung (Bsp. Zuschauer/innen) verzichtet. Die Begriffe gelten daher im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich immer für beide Geschlechter.

[3] Spitaler, Georg/Wieselberg, Lukas: Think global, act local, kiss football. Das Medienereignis Fußball-WM und seine Sponsoren, in: Fanizadeh, Michael/Hödl,Gerald/Manzenreiter, Wolfgang [Hrsg.], Global Players. Politik, Kultur und Ökonomie des Fussballs, Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt 2002, 183

[4] http://www.stern.de/sport-motor/fussball/535653.html?nv=ct mt – 10.9.2007

[5] Bremer, Christoph: Fußball ist unser Leben. Ein Zuschauersport und seine Fans, Tectum Verlag, Marburg 2003, 53

[6] zit nach: Strauß, Bernd: Zuschauer, Hogrefe Verlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 1998, S. 123

[7] zit. Nach: Vaz, Alexandre Fernandez: Sport und Sportkritik im Kultur- und Zivilisationsprozess. Analysen Adorno, Horkheimer, Elias und Da Matta, Afra Verlag, Butzbach 2004, 127

[8] Brockhaus. Die Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Zwanzigste, überarbeitete und aktualisierte Auflage, Band 7, F.A. Brockhaus, Leipzig-Mannheim 1996, 103

[9] Herrmann, Hans-Uwe: Die Fußballfans. Untersuchungen zum Zuschauersport, Schorndorf 1977, 11

[10] Stollenwerk, Hans: Soziales Ereignis „Bundesligaspiel“, in Linder Rolf [Hrsg.], Der Fußballfan. Ansichten vom Zuschauer, Syndikat, Frankfurt a. M. 1980, 44

[11] Stollenwerk 1980: 45

[12] Stollenwerk 1980: 45

[13] zit nach: vgl. Horak, Roman/Marschik, Matthias: Das Stadion. Facetten des Fußballkonsums in Österreich, WUV Universitätsverlag, Wien 1997, 99

[14] Friebel, Harry/Gunkel-Henning, Doris/Prott, Jürgen/ Toth Stephan: Selbstorganisierte Jugendgruppen. Zwischen Partykultur und politischer Partizipation, Westdeutscher Verlag 1979, 44

[15] vgl. Gabler Hartmut: Zuschauer im Sport, in: Strauß, Bernhard, Zuschauer, HogrefeVerlag für Psychologie, Göttingen-Bern-Toronto-Seattle 1998, 125 f

[16] Horak, Roman/Reiter, Wolfgang/ Stocker, Kurt: „So werden wir nicht Meister“. <soccer hooliganism> in Austria revisited, Expertise I im Rahmen des >Crosss National Survey on the Changing Nature, Causes and Long Term Policies Regarding Spectator Violence and Football< des Europarates, eine Studie der Projektgruppe „Fußballgewalt in Österreich“ im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Kosumentenschutz, Institut für Kulturstudien, Wien 1991, 49

[17] Heitmeyer, Jürgen/ Peter, Jörg-Ingo: Jugendliche Fußballfans. Soziale und politische Orientierungsformen, Gesellungsformen, Gewalt,Juventa Verlag, Weinheim-München 1988, 33

[18] Heitmeyer 1988: 33

[19] Heitmeyer 1998: 46

[20] Heitmeyer 1998: 33

[21] Heitmeyer 1998: 33

[22] Bremer 2003: 62

[23] Bremer 2003: 62

[24] vgl. Horak, Roman/Reiter, Wolfgang/Stocker, Kurt: Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten. Fußball und Gewalt in Europa, Junius Verlag Hamburg 1988, 66

[25] Heitmeyer 1988: 21

[26] vgl. Heitmeyer 1988

[27] Heitmeyer 1988: 26

[28] Heitmeyer 1988: 27

[29] Heitmeyer 1988: 29

[30] Bremer 2003: 64

[31] Horak, Roman/Reiter, Wolfgang/ Stocker, Kurt: „So werden wir nicht Meister“. <soccer hooliganism> in Austria revisited, Expertise I im Rahmen des >Crosss National Survey on the Changing Nature, Causes and Long Term Policies Regarding Spectator Violence and Football< des Europarates, eine Studie der Projektgruppe „Fußballgewalt in Österreich“ im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Kosumentenschutz, Institut für Kulturstudien, Wien 1991, 48

[32] vgl. Wild, Bodo: Kollektivität und Konflikterfahrungen. Modi der Sozialität in Gruppen jugendlicher Fußballfans und Hooligans, eine rekonstruktiv-empirische Vergleichsstudie, Diss., Freie Universität Berlin, 1996

[33] Borkenstein, Wolfgang: Fanfreundschaften im Fußball, in: Sportwissenschaft und Praxis, Band 68, Hamburg 1988, 21

[34] vgl. Bremer 2003

[35] Wild 1996: 327

[36] Dabei handelt es sich um sogenannte „Fliegerjacken" der US-Army

[37] Gabler 1998: 132

[38] vgl. Heitmeyer 1988: 21

[39] Krauss, Martin: Fußball und Gewalt. Über Normalos, Kutten und Hools, in: Schulze-Marmeling, Dietrich: Der gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1992, 251

[40] Wild 1996: 329 ff

[41] Weigelt, Ina: Die Subkultur der Hooligans. Merkmale, Probleme, Präventionsansätze; Tectum Verlag, Marburg 2004, 15

[42] Pilz, Gunter: Noch mehr Gewalt ins Stadion? in: Horak, Roman (Hrsg.), Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten – Fußball und Gewalt in Europa; Junius Verlag, Hamburg 1998, 226

[43] Heitmeyer 1988: 36

[44] Süddeutsche Zeitung;, 25.1.2005, 33

[45] vgl. http://www2.argedaten.at/php/cms monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=19053wlr – 9.9.2007

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
„Blau-gelb ist mein Herz, ich sterb in Döbling“
Untertitel
Zugangsarten, Motivdimensionen und die Bedeutung des Vereins für das Alltagsleben und die Identitätsbildung der Fans des First Vienna Football Club 1894
Hochschule
Universität Wien
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
119
Katalognummer
V132134
ISBN (eBook)
9783640377060
ISBN (Buch)
9783640377176
Dateigröße
5351 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fussballfans, qualtitative Sozialforschung, Kultursoziologie, Fankultur
Arbeit zitieren
Daniel Hinteregger (Autor:in), 2008, „Blau-gelb ist mein Herz, ich sterb in Döbling“ , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132134

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