Früh übt sich... oder: Was Hänschen gelernt hat, fällt Hans viel leichter

Reformulierung. Nachrichtenaufbereitung für Kinder


Seminararbeit, 2006

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kindernachrichten: Wozu die Mühe?

3 Kindgerecht: Was heißt das?

4 Textanalyse
4.1 Sprachstil
4.2 Satzkomplexität
4.3 Wortverständnis
4.4 Anschaulichkeit

5 Gefahren

6 Fazit und Ausblick

7 Bibliographie

1 Einleitung

Die Vereinten Nationen garantieren in ihrem „Übereinkommen der Rechte des Kindes“ in Artikel 17[1] auch Kindern ein Recht auf Information. In der Umsetzung dieser Forderung scheint Frankreich einen Schritt weiter zu sein als Deutschland. Die Suchmaschine Blinde Kuh (www.blindekuh.de), die das Onlineangebot für Kinder auswertet, nennt vor allem fünf (Online-)Formate, die die Redakteure der Suchmaschine im Hinblick auf die Information von Kindern für relevant halten. Die Suchmaschine o pen directory (www.dmoz.org) zeigt dagegen auf deutscher Seite nur drei explizite Nachrichtenmagazine mit der Zielgruppe Kinder auf, auf französischer Seite immerhin sieben. Und die Redaktion der Blinde Kuh stellt fest: „In Deutschland gibt es zwar viele Kinderportale mit Werbung und Zugang zu Spiel und Spaß für Kinder aber kaum Zugang zu Nachrichten.“[2]

Auch wenn Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen dem Kind „das Recht auf freie Meinungsbildung“[3] zugesteht, was eine gute Informationsbasis voraussetzt, könnte sich die Frage stellen, ob es tatsächlich erstrebenswert ist, Kinder bereits so früh an das Weltgeschehen heranzuführen. Sollten Kinder nicht viel mehr unbehelligt leben, von den Ereignissen außerhalb ihrer unmittelbaren Lebenswelt abgeschirmt, vor grausam anmutenden Informationen, vor allem deren begleitenden Bildern geschützt werden? Würden die Informationen über Krieg und Katastrophen die Kinder nicht vielmehr emotional und intellektuell überfordern?

Beim Stichwort Überforderung steht man sich allerdings eher auf der Seite der Erwachsenen, die sich mit den Fragen der Kinder konfrontiert sehen. Kinder nehmen Informationen zwangsläufig aus den sie umgebenden Medien auf und fühlen sich solange von den Informationen verunsichert, wie sie nicht in der Lage sind, sie in ihren Erfahrungshorizont einzuordnen. Erwachsenen fällt es dabei schwer, den Kindern die Ereignisse angemessen, kindgerecht darzulegen, um ihnen die Verunsicherung zu nehmen.

Das Ziel der Nachrichtenaufbereitung für Kinder liegt aber nicht nur darin, den Kindern die Verunsicherung zu nehmen, sondern Kinder sollen – in Analogie zu den Vulgarisierungsbemühungen in der Fachsprachenaufbereitung – in die Lage versetzt werden, „an demokratischen Meinungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen“[4] aktiv oder passiv teilzunehmen. Kindernachrichten fallen also unter die Zielsetzung der Sozialisation von Kindern. Das heißt, es ist nicht nur wünschenswert, sondern wichtig, Kinder zur Informationsbeschaffung zu motivieren, sie für die Belange zu interessieren, die die Grenzen ihrer Lebenswelt überschreiten.

Wenn diese beiden Zielsetzungen, Sozialisation und Abbau von Ängsten, als wichtig in der Erziehung des Kindes angenommen werden und man davon ausgehen kann, dass „Nachrichten […] eher verstanden [werden], wenn es gelingt, einen Bezug zur persönlichen Lebenswelt des Kindes herzustellen“[5], die Nachrichten also „interessant“[6] und „verständlich“[7] gestaltet sein müssen, möchte ich in dieser Hausarbeit die Frage untersuchen: Mit welchen Mitteln versuchen die Redakteure von Kindernachrichten das Ziel, Kinder zum Nachrichtenkonsum zu motivieren, zu erreichen? Welche sprachlichen Besonderheiten zeichnen die Artikel als kindgerecht aus? Wodurch werden die Texte für Kinder interessant gestaltet?

Die Zeitschrift Les Clés de l’Actualité Junior (http://www.lesclesjunior.com/) wird Eltern sowohl auf den Seiten Blinde Kuh als auch auf open directory empfohlen. An ihrem Beispiel möchte ich aufzeigen, welche sprachlichen Einzelaspekte der Forderung nach Verständlichkeit gerecht werden. Die Wochenzeitung richtet sich an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren und erscheint täglich aktualisiert online und wöchentlich als Printausgabe. Für die Auswahl eines möglichst homogenen Textcorpus habe ich mich auf die Berichterstattung über die Demonstrationen im Umfeld des „contrat première embauche“ konzentriert, die sich über einen Zeitraum von Ende März bis Mitte April 06 erstreckte. Meiner Untersuchung liegen zwölf Texte zu Grunde, die vor der detaillierten Analyse grob mit der entsprechenden Berichterstattung in Le Figaro im gleichen Zeitraum verglichen wurden, um einen Eindruck über den unterschiedlichen Sprachgebrauch in den Pressetexten zu erhalten. Ein direkter Vergleich bietet sich aber nur für wenige, eindeutige Aspekten an, da die Nachrichten wahrscheinlich nicht aus den Erwachsenenformaten umgeschrieben, sondern aus den ursprünglichen Agenturmeldungen für eine andere Zielgruppe neu aufbereitet werden.

Nach der Häufigkeit ihres Auftretens erschienen mir die Untersuchungsaspekte „Sprache“, „Komplexität“ „Wortverständnis“ und „Anschaulichkeit“ die wichtigsten Themenfelder, auf die ich meine Untersuchung konzentriert habe. Nachrichten für Kinder scheinen sich besonders in diesen vier Dimensionen von der Aufbereitung für Erwachsene zu unterscheiden.

2 Kindernachrichten: Wozu die Mühe?

Dieter Möhn und Roland Pelka weisen in ihrem Buch Fachsprachen. Eine Einführung darauf hin, das „die Berichterstattung in öffentlichen Medien“[8] zur Bildung und Sozialisation ihrer Leser beiträgt. Im Hinblick auf Fachsprachen stellen sie in ihrem Bericht dar, dass Begrifflichkeiten der Fachsprachen, wenn sie durch die Medien verbreitet werden, Eingang in den passiven und vielleicht auch in den aktiven Wortschatz des Lesers finden, dass der Wortschatz des Lesers also durch den Konsum der Berichterstattung vergrößert wird. Eine analoge Schlussfolgerung ist für den Nachrichtenkonsum durch Kinder möglich. Es ist anzunehmen, dass Kinder durch das Lesen der für sie verständlichen Nachrichten an das Medienvokabular herangeführt werden. Dadurch vermehrt sich ihr Wortschatz um die Bereiche Politik, Umwelt, Wirtschaft, Kultur, mit denen sie ohne den Konsum von Kindernachrichtenformaten vielleicht erst als Jugendliche oder sogar erst als Erwachsene in Kontakt kommen würden. Es ist anzunehmen – und kann in der Praxis häufig beobachtet werden – dass junge Erwachsene sich mit dem plötzlichen Kontakt zur Tagespresse überfordert fühlen. Ohne schrittweise an die Materie herangeführt worden zu sein, gestaltet sich die Lektüre der Nachrichten als komplex, häufig wird sie als schwierig, nicht selten aufgrund eines fehlenden Zugangs sogar als langweilig empfunden. Die Konsequenz könnte sein, so deuten es die Autoren Langer, Schulz von Thun und Tausch an: „Etliche geben ihr Bestreben, sich zu informieren auf“[9]. Der regelmäßige Nachrichtenkonsum würde also eingestellt, weil der junge Erwachsene sich ihm nicht gewachsen fühlt. Hans-Rüdiger Fluck weist aber im Hinblick auf die Vermittlung zwischen Fachsprache und Gemeinsprache darauf hin, dass ohne diese Vermittlung „ein Demokratisierungsprozeß letzten Endes nicht erfolgen [kann], wenn wirklich eine breite Öffentlichkeit an politischen Entscheidungen beteiligt werden soll“[10]. Die Analogie ist leicht zu bilden: Erst die Vermittlung zwischen der komplexen Darstellung in den Nachrichten für Erwachsene und den Verständnismöglichkeiten des jungen Lesers, räumt dem Kind die Möglichkeit ein, sich entsprechend seines geistigen Horizonts zu informieren und das Vokabular und die Hintergründe der Berichterstattung für sich zu erschließen. Langfristig wird es seinen Horizont zwangsläufig erweitern. Denn auch Langer, Schulz von Thun und Tausch erklären, dass es grundsätzlich zwei Wege gibt, mit denen erreicht werden kann, „daß Informationen von Lesern besser verstanden und gelernt werden […]: Anhebung der Verständnisfähigkeit der Leser oder Senkung der Schwerverständlichkeit der Texte“[11]. Mit der kindgerechten Nachrichtenvermittlung übernimmt die Gesellschaft die Verantwortung, „das allgemeine[] Bildungsniveau[]“[12] des Kindes anzuheben, so wie es ebenfalls Fluck - neben der Anpassung des Textniveaus an die Leserfähigkeiten - als langfristiges Ziel fordert, damit „Sprach- und Informationsbarrieren“[13] abgebaut werden können.

[...]


[1] http://www.un.org/Depts/german/wiso/crc-gc2001-1.pdf; am 6.8.06

[2] http://www.blinde-kuh.de/informationen/nachrichten.html; am 6.8.06

[3] http://www.un.org/Depts/german/wiso/crc-gc2001-1.pdf; am 6.8.06

[4] Hoffmann, Lothar (Hsg.): Handbücher zur Sprache und Kommunikationswissenschaft, S. 406

[5] http://www.schau-hin.info/fileadmin/content/Medienerziehung/Material_Kindernachrichten.pdf; am 6.8.06

[6] http://www.schau-hin.info/fileadmin/content/Medienerziehung/Material_Kindernachrichten.pdf; am 6.8.06

[7] http://www.schau-hin.info/fileadmin/content/Medienerziehung/Material_Kindernachrichten.pdf; am 6.8.06

[8] Dieter Möhn/Roland Pelka: Fachsprachen. Eine Einführung, Tübingen, 1984, S. 142

[9] I. Langer, F. Schulz von Thun, R. Tausch: Verständlichkeit in Schule, Verwaltung, Politik und Wissenschaft, München, 1974, S. 7

[10] Fluck, Hans-Rüdiger. Fachsprachen. Einführung und Bibliographie, S. 44

[11] I. Langer, F. Schulz von Thun, R. Tausch: Verständlichkeit in Schule, Verwaltung, Politik und Wissenschaft, S. 8

[12] Fluck, Hans-Rüdiger. Fachsprachen. Einführung und Bibliographie, S. 44

[13] ebd.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Früh übt sich... oder: Was Hänschen gelernt hat, fällt Hans viel leichter
Untertitel
Reformulierung. Nachrichtenaufbereitung für Kinder
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Romanistisches Institut)
Veranstaltung
Textwissenschaften
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V132135
ISBN (eBook)
9783640381586
ISBN (Buch)
9783640381739
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im Gutachten zu dieser Proseminararbeit heißt es, die Arbeit sei klar strukturiert. Die methodische Einführung verdeutliche die Relevanz der untersuchten Problemstellung und gebe Einblicke in die textorientierte Verständlichkeitsforschung. An den Dimensionen der Verständlichkeit (Sprachstil, Satzkomplexität, Wortverständnis, Anschaulichkeit) orientiere sich schließlich auch die qualitative Korpusanalyse. Die Analyse werde den methodischen Prämissen vollkommen gerecht, Ergebnisse udn engagierte Argumentation überzeugten ohne Einschränkungen.
Schlagworte
Früh, Hänschen, Hans, Reformulierung, Nachrichtenaufbereitung, Kinder
Arbeit zitieren
Ariela Sager (Autor:in), 2006, Früh übt sich... oder: Was Hänschen gelernt hat, fällt Hans viel leichter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132135

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