Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Begriffserklärung „körperliche Aktivität“
3.2 Begriffserklärung „Gesundheit“
3.3 Begriffserklärung „psychische Gesundheit“
3.4 Zusammenhang von körperlicher Aktivität und (psychischer) Gesundheit
3.5 Gegenwärtige Situation in Deutschland/der Welt
3.5.1 Aktuelle Gesundheitslage in Deutschland
3.5.2 Gesundheits- und Präventionsverhalten in Deutschland
3.6 Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Aktivität
3.7 Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit
4 METHODIK
5 ERGEBNISSE
6 DISKUSSION
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
Die drei häufigsten Ursachen für eine Arbeitsunfähigkeit in Deutschland sind im Jahre 2020 Psychische Erkrankungen, Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sowie Erkrankungen des Atmungssystems. Im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse liegen die Arbeitsunfähigkeitstage (AU), je 100 Versicherungsjahre nach ICD-10 Diagnosekapiteln, bei einem Geschlechterdurchschnittswert bei 305 Tagen durch psychische Erkrankungen, 271 Tage lassen sich auf Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zurückführen und bei einer Erkrankung des Atmungssystems liegt der Wert bei 233 Tagen (Grobe & Bessel, 2021). Bereits 2013 konnte im Rahmen der DEGSi des Robert KochInstitut (RKI) festgestellt werden, dass 74,6 % der Männer und 84,5 % der Frauen weniger als die von der WHO (2018) empfohlenen 2,5 Stunden pro Woche körperlich aktiv sind. Die sportliche Aktivität fällt dabei mit 33,0 % bei den Männern und 34,3 % bei den Frauen noch geringer aus (Rütten, Abu-Omar, Lampert & Ziese, 2005).
Dabei hat körperliche und sportliche Aktivität nachweislich einen signifikanten Einfluss auf die genannten Hauptfaktoren der Arbeitsunfähigkeit. So lassen sich durch körperliche Aktivität im Allgemeinen psychische Beschwerden durch beispielsweise Stressabbau lindern (Michishita et al., 2017). Krafttraining trägt zu einer Stärkung der passiven und aktiven Strukturen des Körpers bei und regelmäßige Bewegung senkt die Beschwerden muskuloskelettaler Beschwerden (Lee, Lee & Yeun, 2017). Über moderate bis intensive Herz-Kreislaufeinheiten wird das Atmungssystem gestärkt und sowohl Herz als auch Lunge arbeiten effizienter (Löllgen & Löllgen, 2012).
Die, neben körperlicher Inaktivität, weiteren Risikofaktoren nach Faltermaier (2017), wie beispielsweise Rauchen, stehen im Verhältnis zum Gesundheitsverhalten, welche nach Schwarzer (2005) unter anderem durch eine präventive Lebensweise, körperliche Aktivität und präventive Ernährung definierbar ist. So hat Rauchen nicht nur negative Einflüsse auf das Herz-Kreislauf-System, sondern führt darüber hinaus zu einer Reduktion körperlicher Aktivität (Efendi, Özalevli, Naz & Kiling, 2018). Komplettiert wird dieser Zusammenhang mit der Selbstwirksamkeitserwartung des Individuums.
Es ist bekannt, dass eine direkte Korrelation zwischen der psychischen sowie physischen Gesundheit und dem körperlichen Aktivitätslevel besteht und sich eine schlechte psychische Verfassung wiederum durch physische Beschwerden bemerkbar machen kann.
Dabei nimmt die Zahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema jedes Jahr stark zu und es wird zunehmend schwierig, sich umfassend zu dem Zusammenhang von körperlicher Aktivität und der psychischen Gesundheit plus der aufgeführten 3/50
Auswirkung auf die physische Verfassung im Setting des Berufslebens zu informieren, da es eine breite Schwerpunktverteilung gibt. Daher ist es notwendig, einzelne Studien zur gleichen Thematik systematisch zusammenzufassen und kritisch zu bewerten. Die Ergebnislage der Einzelstudien ist jedoch teilweise unübersichtlich. Ein systematischer Review bietet daher eine sehr gute Möglichkeit, einen breiten Überblick über die aktuelle Befundlage zu gewinnen.
2 Zielsetzung
Ziel der Arbeit ist es, im Rahmen eines systematischen Reviews eine eigenständige Zusammenfassung des Forschungsstands zum Thema „Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit“ auf der Grundlage der einschlägigen theoretischen und empirischen Forschungsliteratur zu verfassen. Dabei wird zusätzlich wie unter Kapitel 1 aufgeführt, weiterführend die Wechselwirkung mit körperlichen Beschwerden miteinbezogen. Die gesamte Recherche bewegt sich dabei im Setting des berufstätigen Deutschen im erwerbsfähigen Alter. Abschließend soll der dargestellte Kenntnisstand in einem Ausblick möglicher Interventionen sowie der Bedeutung für Arbeitgeber in der Zukunft finalisiert werden.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Im Rahmen der Arbeit sollen folgende Begriffe und Inhalte genau erläutert und in den Zusammenhang gestellt werden.
3.1 Begriffserklärung „körperliche Aktivität“
Zur Förderung der Gesundheit ist es nach WHO wichtig, sich regelmäßig zu bewegen, also körperlichen Aktivitäten nachzugehen. Dabei ist das Mindestziel bei moderater Bewegung eine Dauer von 150 Minuten pro Woche während bei intensiver Bewegung bereits 75 Minuten ausreichen (World Health Organization [WHO], 2004). Folgend soll eine Abgrenzung der einzelnen Begriffe erfolgen, die in diesem Kontext relevant sind. Dazu zählen „körperliche Aktivität“, „moderate Bewegung“, „intensive Bewegung“ und „Sport“.
Körperliche Aktivität fasst alle körperlichen Bewegungen zusammen, bei denen eine Steigerung des Energieverbrauchs zu verzeichnen ist. Auch Routinetätigkeiten im Alltag wie der Weg zur Arbeit, Arbeiten im Haushalt oder Wege beim Einkaufen fallen darunter. Unter moderater Bewegung versteht man eine Tätigkeit, die eine moderate Belastung für den Körper darstellt. Ausschlaggebend dafür können beispielsweise der Umfang an mechanischer Belastung oder die Herzfrequenz sein. Bei der mechanischen Belastung im Rahmen eines Krafttrainings ist dabei die relative Beanspruchung ausgehend von der Maximalkraftleistung, auch als „Repetition Maximum“ (1RM) bezeichnet, als Messwert heranzuziehen und sollte sich im Rahmen von 40-60 % der 1RM bewegen. Beim Ausdauertraining ist die Beurteilung durch die relative Herzfrequenz in Abhängigkeit der VO2max als Messwert sinnvoll und sollte sich ebenfalls im Bereich von 40-60 % des Maximalwertes bewegen. Für eine intensive Bewegung sollten die dargestellten Messwerte im Bereich von >60 % liegen (Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention - Deutscher Sportärztebund, 2020).
Grundsätzlich haben diese aber immer das Ziel, die Gesundheit und Fitness zu verbessern und sind geplant und wiederkehrend.
Sport kann wiederum beide Bewegungsausprägungen enthalten, jedoch mit dem Ziel, Wettbewerbsorientiert zu agieren und entsprechenden Regeln zu folgen, wie beispielsweise das Spielen in einem Fußballverein. (Archives of Internal Medicine, 2000)
3.2 Begriffserklärung „Gesundheit“
Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen (WHO, 2004).
Also lässt sich Gesundheit nicht einfach mit ja oder nein beantworten oder messen. Es gibt viele Faktoren, die diesen Zustand positiv sowie negativ beeinflussen können.
Dazu wird folgend zuerst genauer auf die drei Oberkategorien „körperliches Wohlbefinden“, „seelisches oder psychisches Wohlbefinden“ und „soziale Wohlbefinden“ eingegangen. Es gilt jedoch zu beachten, dass es in der Realität schwierig ist, die drei Faktoren klar voneinander zu trennen, da sie in gewisser Weise voneinander abhängig sind. So ist die körperliche Verfassung abhängig davon, ob man grundsätzlich wenig gestresst ist und zufrieden mit sich und seinem derzeitigen Leben ist. Bei der psychischen Gesundheit wiederum ist es relevant, ob man sich gesund fühlt und im sozialen interaktiven Leben mit anderen Menschen gut zurechtkommt. Diese Faktoren können wiederum das soziale Wohlbefinden so weit beeinflussen, nämlich wie gut man in Gruppen oder mit Mitmenschen in Interaktion steht und beispielsweise bei sozialen Aktivitäten eingebunden und aktiv ist sowie seiner Rolle in der Gesellschaft gerecht werden kann.
1. Unter körperlichem Wohlbefinden lassen sich viele äußerliche und innerliche Aspekte vereinen. So gehören Beschwerdefreiheit in Bezug auf den Bewegungsapparat, die inneren Organe sowie dem Herz-Kreislauf-System dazu. Darüber hinaus ist jedoch nicht nur der Erhalt der grundlegenden Funktion wichtig, sondern die Fähigkeit, ein gewisses Leistungspotenzial vorweisen zu können. Darunter fallen sportliche Leistungen, aber auch leichte, alltägliche Herausforderungen wie zum Beispiel Treppen steigen.
2. Darauf aufbauend und bis zu einem gewissen Grad in Wechselwirkung mit dem körperlichen Wohlbefinden steht das seelische beziehungsweise in dieser Arbeit synonym verwendete psychische Wohlbefinden. Grundsätzlich sollte man zufrieden mit sich selbst sein, einem geringen Stressniveau ausgesetzt sein sowie gute Stresskompetenzen besitzen und der bereits erwähnten Rolle in der Gesellschaft gerecht werden.
3. Unter sozialem Wohlbefinden konzentriert man sich verstärkt auf die Interaktion und das Leben mit anderen Menschen. Dabei spielen Freundeskreis, Arbeits- und Familienklima sowie die grundsätzliche Form des Zusammenlebens eine Rolle.
In der Realität ist es jedoch häufig der Fall, dass Personen an ihrer aktuellen Situation nichts ändern, solange sie frei von Krankheiten oder Gebrechen sind. Unabhängig davon, ob ihr aktuelles Verhalten ganzheitlich und langfristig gesund ist. Zu dieser Problemstellung sollen im Folgenden zwei Modelle dargestellt werden, mit denen sich die Umstände besser erklären lassen. Ein Beispiel für die beschriebene Situation der fehlenden Handlungsbereitschaft kann eine Person sein, die an Adipositas Grad 1 leidet. Eine gewisse Beeinträchtigung im Alltag ist eventuell spürbar und das Bewusstsein für ein theoretisch erhöhtes Risiko für Diabetes Typ II oder Herzkreislauferkrankungen ist möglicherweise vorhanden. Die Person möchte unter Umständen schon etwas verändern, schafft es aber gar nicht erst anzufangen oder nur kurz durchzuhalten. In diesem Kontext eignet sich das Rubikon-Modell zur Verdeutlichung der Problematik. Denn es stehen bei dem Wunsch, etwas umzusetzen und dem Schritt zum Handeln, Vor- und Nachteile gegenüber, die abhängig von ihrer aktuellen Relevanz unterschiedlich gewichtet werden können.
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Abb. 1: Das Rubikon-Modell nach Brandstätter & Otto, 2009
Beim Rubikon-Modell wird in vier Phasen unterschieden, die bei der Umsetzung einer Handlung durchlaufen werden. Ausgehend von dem oben genannten Beispiel einer an Adipositas Grad 1 leidenden Person ergibt sich folgendes Szenario.
In Phase 1 (Prädesizionale Phase) besteht der grundlegende Wunsch, etwas zu ändern, wie beispielsweise Gewicht zu verlieren. Jedoch stehen diesem Wunsch Nachteile und Vorteile im Weg, zwischen denen abgewogen werden muss, um sich für die Umsetzung des Wunsches oder dagegen zu entscheiden. Bei dem Wechsel von Phase 1 zu Phase 2 (Präaktionale Phase) spricht man von dem wichtigen Überschreiten des „Rubikon“. Die Gründe für eine Veränderung sind präsent und reichen aus, um etwas verhältnismäßig Unangenehmes zu machen. Diesen Punkt schaffen viele nicht zu überschreiten und finden sich dann damit ab und begründen es für sich selbst sinnvoll.
Nun wird der Entschluss gefasst und die Person kommt ins Handeln beziehungsweise in die Vorbereitung. Das könnte eine Anmeldung im Fitnessstudio sein, um dort regelmäßig Sport zu treiben. Sobald damit begonnen wird und systematisch dem Plan gefolgt wird, um Gewicht zu verlieren, befindet sich die Person in Phase 3 (Aktionale Phase). Wenn die Person dann nach einer gewissen Zeit dem Ziel näherkommt oder es bereits erreicht hat, wird in der Phase 4 (Postaktionale Phase) der Prozess bewertet und im Falle der Beispielperson festgestellt, welche Vorteile oder Veränderungen die Handlung erbracht haben und ob es sich gelohnt hat.
Im Gegensatz zum Rubikon-Modell, welches sich ausschließlich mit dem Prozess einer Verhaltensänderung in Form einer Aktion auseinandersetzt, kann mit dem Salutogenese Modell eine ganzheitliche Herleitung des grundlegenden Umfangs von Gesundheit eines Menschen stattfinden.
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Abb. 2: Das Modell der Salutogenese nach Faltermaier, 2020
Beim Modell der Salutogenese wird das Verhältnis von krankheitsfördernden Faktoren zu den sogenannten Widerstandsressourcen dargestellt. Es geht somit nicht darum zu begründen wieso eine Person bedingt durch gewisse Auslöser krank ist oder krank werden könnte, sondern weshalb sie trotz bestimmter Risikofaktoren gesund bleibt. In der Praxis ist es häufig der Fall, dass eine Person ein Verhalten vorweist, welches für sich betrachtet zu gesundheitlichen Problemen führen kann, jedoch aber durch ein entsprechendes gesundheitsförderliches Verhalten den potenziellen Erkrankungsfolgen entgegenwirkt. Beispielsweise kann es sein, dass eine Person sehr viel und relativ unausgewogen isst. Grundsätzlich können die Folgen davon eine starke Gewichtszunahme oder Stoffwechselerkrankungen sein. Wenn sich diese Person nun aber gleichzeitig sportlich regelmäßig betätigt, wird sie den zugeführten Kalorienmengen gerecht und kann weiterführende positive Adaptionsprozesse nutzen, um die Risikofaktoren so zu negieren.
Insgesamt werden beim Salutogenese Modell die ganzheitlichen Einflussfaktoren betrachtet, die sich auf einen Menschen auswirken können. Im Fokus liegen dabei die gesundheitsförderlichen beziehungsweise Widerstandsfaktoren. Diese können physikalisch, biochemisch, kognitiv, emotional, materiell, kulturell, sozial und politisch sein. Durch das Verhältnis dieser Faktoren ergibt sich der Kohärenzsinn, welcher sich als das 8/50 persönliche Vertrauen definieren lässt, mit Anforderungen, Ressourcen und Herausforderungen fertig zu werden. Abhängig von diesem Vertrauen und der Möglichkeit, mit den Anforderungen zurechtzukommen und dem Einwirken möglicher Stressoren ergibt sich der Umfang der möglichen Bewältigung und dem entsprechenden Gesundheitszustand.
3.3 Begriffserklärung „psychische Gesundheit“
Im Rahmen der allgemeinen Gesundheit lässt sich die psychische Gesundheit nicht als unabhängiger Zustand bewerten. Da dieser Zustand sehr komplex ist und in einer Wechselwirkung mit biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren steht, ist die psychische Gesundheit ebenfalls durch gesamtgesundheitliche Faktoren beeinflusst.
Somit geht es nicht um einen definierten Zustand, sondern um einen Prozess inklusive einer Vielzahl von Einflüssen. In diesem Kontext lässt sich ebenfalls das oben dargestellte Salutogenese Modell miteinbeziehen, um die komplexe Struktur von psychischer Gesundheit erklären zu können. Denn auch hier gilt es, Widerstandsfaktoren definiert durch äußere Einflüsse oder individuelle Faktoren in Zusammenhang mit dem eigenen Gefühl der Selbstwirksamkeit und Kontrolle zu beachten. So ist es auch bei der psychischen Gesundheit ein Zusammenspiel von Belastungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Mit dem Fokus auf dem Gefühl der Selbstwirksamkeit ist es sinnvoll, die Selbstwirksamkeitserwartung im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit einzubeziehen. Diese Erwartung lässt sich von dem Modell der Salutogenese im Hinblick auf die Bewältigung der Belastungen und Anforderungen ableiten.
Dabei lässt sich der Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung als die Überzeugung einer Person, einer gewissen Leistung gerecht werden zu können und die geforderte Leistung erbringen zu können beschreiben (Bandura, 1986). Zu den Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung zählen unteranderem die direkte Erfahrung beispielsweise bereits gelöste Probleme oder Aufgaben und die symbolische Erfahrung durch Mitteilungen der eigenen Kompetenzen durch andere Personen, wie zum Beispiel dem Vorgesetzten (Schwarzer, 2004).
Zusammenfassend stellt der Kreislauf des psychischen Wohlbefindens ein aussagekräftiges Modell dar, an dem der komplexe Zusammenhang erneut erkennbar ist.
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Abb. 3: Modell zum Zusammenhang von Wohlbefinden und Gesundheit nach Röhrle, 2018
In diesem Modell werden Voraussetzungen, Einflussfaktoren und Reaktionen dargestellt, die eine Rolle bei der Beurteilung zur psychischen Gesundheit spielen. Auf die einzelnen Punkte soll nicht weiter eingegangen werden. Jedoch ist die übersichtliche Darstellung für das Verständnis der weiteren Inhalte hilfreich.
3.4 Zusammenhang von körperlicher Aktivität und (psychischer) Gesundheit
Um den Einfluss von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit beurteilen zu können, sollen zunächst die unter Punkt 3.5 genauer dargestellten gesundheitlichen Beschwerden, Risiken und Krankheiten grob aufgezeigt werden, die eine hohe gesellschaftliche Relevanz haben. So sind positive Einflüsse klarer zu erkennen und Risiken von körperlicher Inaktivität können erkannt und definiert werden.
Im Rahmen der Datenerhebung des Robert Koch Instituts und zahlreichen Krankenkassen lassen sich einige Krankheiten als sehr häufig auftretend abgrenzen.
Dazu zählen diverse Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck oder koronare Herzerkrankung. Weiterführend lassen sich im Zusammenhang von physischen Beschwerden eine große Anzahl von Erkrankungen im Bewegungsapparat verzeichnen. Dabei sind Wirbelsäule und andere Gelenkpartien als Erstes zu nennen. Zusätzlich ist die Zahl psychischer Erkrankungen in den letzten Jahren stark angestiegen, häufig bedingt durch Stress im Sinne der Überforderung im beruflichen oder privaten Umfeld und/oder durch körperliche Inaktivität.
Schaut man sich die Datenlage an, ist grundsätzlich festzustellen, dass regelmäßige körperliche Aktivität die Lebensdauer verlängern und das Immunsystem stärken kann. Dies ist darauf zurückzuführen, dass körperliche Aktivität viele gesundheitlich fördernde Einflüsse hat, worauf folgend genauer eingegangen werden soll.
Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bei aktiven Personen um 30-40 % niedriger als bei Personen, die sich gar nicht oder zu wenig körperlich betätigen. Dieser Unterschied ist auf Anpassungen des Systems durch körperliche Aktivität zurückzuführen. Betrachtet man beispielsweise Ausdauertraining, so finden nach einiger Zeit positive Anpassungen wie die Ökonomisierung des Herzens, also ein höheres Schlagvolumen, welches einen niedrigeren Puls herbeiführt, statt. Ablagerungen in den Venen und Arterien finden weniger statt, wodurch das Risiko für Bluthochdruck sinkt. Die Gefahr, an Diabetes mellitus Typ II zu erkranken, reduziert sich, da der Stoffwechsel effizienter arbeitet und die Zellen bezüglich der Insulinaufnahme empfindlicher werden.
Bezüglich des aktiven und passiven Bewegungsapparats findet bei regelmäßiger Bewegung zum einen eine Ausgleichsbewegung für eine oftmals inaktive Arbeitszeit statt, die Strukturen werden gestärkt und können ähnlich wie beim Herz-Kreislauf-System effizienter arbeiten. Dadurch sinkt die Belastung im Alltag und es kommt seltener zu muskulären Beschwerden. Bei gezieltem Krafttraining ist der Trainingsreiz zudem in der Lage, die Stabilität und Struktur von Knochen, Sehnen und Gelenken zu optimieren, wodurch das Risiko für Osteoporose oder Arthrose sinkt (Ballin et al., 2019).
Im Kontext der psychischen neuronalen Prävention kann sportliche Aktivität das Risiko für Demenz und Alzheimer senken, da das Erlernen und Durchführen von definierten Bewegungsmustern die Gesundheit des Gehirns trainiert. Zudem schüttet der Körper während und vor allem nach körperlichen Aktivitäten Endorphine und andere positive Hormone aus, die Risiken für Depressionen senken können. Bezug nehmend auf die oben beschriebene Selbstwirksamkeitserwartung und grundsätzliche Wahrnehmung fühlen sich aktive Personen oft grundsätzlich besser und trauen sich selbst mehr zu, was langfristig die psychische Gesundheit fördert.
Nun steht im Kontrast dazu die körperliche Inaktivität, die in der heutigen Gesellschaft einen hohen Anteil betrifft. Während körperliche Aktivität mehrere positive Effekte auf einmal auf den Körper haben kann, so ist es im Falle der Inaktivität das genaue Gegenteil. Die Inaktivität begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen und gleichzeitig das Risiko für Übergewicht und damit einhergehend Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II. Zudem fehlt dem Körper der Ausgleich und die Stärkung aller Strukturen, weshalb es häufiger zu Beschwerden und Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Bewegungsapparat kommt, die zusätzlich noch durch das potenzielle Übergewicht verstärkt werden können.
3.5 Gegenwärtige Situation in Deutschland/der Welt
Folgend sollen genaue Zahlen im Zeitraum von 2010 bis dato dargestellt und verglichen werden. Der Fokus liegt dabei auf Zahlen bezogen auf die Bevölkerung Deutschlands, soll aber abschließend teilweise noch kurz internationalen Vergleichswerten gegenübergestellt werden.
Unterschieden wird dabei in Zahlen zur aktuellen Gesundheitslage und Zahlen zum Ge- sundheits- und Präventionsverhalten.
3.5.1 Aktuelle Gesundheitslage in Deutschland
Bezogen auf die Arbeitsunfähigkeit lässt sich der größte Anteil an Arbeitsunfähigkeitstagen auf drei Krankheitsarten zurückführen. Darunter fallen auf dem 1. Platz Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, gefolgt von psychischen Erkrankungen auf Platz 2 und auf Platz 3 Erkrankungen des Atmungssystems. Im Verlauf von 6 Jahren hat sich an dieser Reihenfolge nichts geändert, jedoch ist eine Veränderung innerhalb der Kategorien über die Jahre erkennbar. Während die Fälle an Erkrankungen des Muskel-Skelett-System und Atmungssystem abnehmen, steigen die Fälle bei psychischen Erkrankungen stetig an.
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Abb. 4: Anteile der sechs wichtigsten Krankheitsarten an den Arbeitsunfähigkeitstagen in Deutschland in den Jahren 2013 bis 2019 (eigene Darstellung modifiziert nach Marschall, Hildebrandt, Kleinlercher & Nolting, 2020)
Ergänzend zu der oben dargestellten Übersicht der häufigsten Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit ist es sinnvoll, die häufigsten Todesursachen in Deutschland zu betrachten.
Bei der Erhebung des Statistischen Bundesamts fällt auf, dass seit einigen Jahren die häufigste Todesursache Herzkreislauferkrankungen darstellen. 2019 waren 35,3 % aller Todesfälle darauf zurückzuführen. An zweiter Stelle stehen Krebserkrankungen mit ca. 25 %. Auf dem dritten Platz befindet sich auch hier, analog zu der Darstellung von Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit, das Atmungssystems mit 7 %.
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Abb. 5: Todesursachen in Deutschland (eigene Darstellung nach Statistischem Bundesamt)
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass 4 der aufgeführten 5 Krankheiten in gewisser Weise in direktem Zusammenhang mit einer inaktiven Bevölkerung steht, die unter Bewegungsarmut leidet. Da Bewegungsarmut und eine inaktive Verhaltensweise Krankheiten begünstigen können, die kurzfristig zur Arbeitsunfähigkeit führen und langfristig die Entwicklung der in Abbildung 5 kategorisierten Todesursachen begünstigen können. So kann eine hohe Inaktivität zu Diabetes mellitus Typ II führen, was sich wiederum negativ auf das Herz-Kreislauf-System sowie den Bewegungsapparat auswirkt. Die Bedeutung solcher kombinierten Erkrankungen wird ersichtlich, wenn man als Referenzwert den aktuellen Stand des Körpergewichts in der deutschen Bevölkerung betrachtet. So sind 2019 in Deutschland 61 % der Männer und 47 % der Frauen übergewichtig und liegen damit jeweils 1 % über dem Durchschnitt der EU-Staaten.
Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
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Abb. 6: Übergewicht in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2021)
Ein beispielhaftes krankheitsförderliches Verhalten, dass sowohl Erkrankungen des Atmungssystems als auch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems begünstigt, ist das Rauchen. Laut dem Statistischen Bundesamt rauchen aktuell in Deutschland ca. 22 % der Bevölkerung.
Zusätzlich zu den physischen Folgen der aufgeführten Beispiele ist die Tragweite im Kontext der psychischen Gesundheit ebenfalls relevant. Denn wie bereits erläutert wurde, ist die psychische Gesundheit ein komplexes Konstrukt aus physischen und sozialen Faktoren. Mit extremem Übergewicht kann man sich beispielsweise im Alltag schlechter bewegen und somit gewisse Aufgaben im Alltag nicht mehr umsetzen. Zudem ist unter Umständen das Empfinden der eigenen Attraktivität geschwächt, was sich auf das eigene Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeitserwartung auswirken kann. Anhand der dargestellten Datenlage und der komplexen Zusammenhänge der einzelnen Faktoren ist es also von großer Bedeutung entsprechende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu generieren, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
3.5.2 Gesundheits- und Präventionsverhalten in Deutschland
Der Bedarf und potenzielle Umfang für gesundheitsförderlicher Maßnahmen gehen aus dem vorangegangenen Punkt hervor. Um die unter 3.6 und 3.7 ausgeführte Umsetzung solcher Maßnahmen jedoch richtig einordnen zu können, ist eine vorherige Auseinandersetzung mit dem Gesundheits- und Präventionsverhalten in Deutschland wichtig.
So geht aus einer Umfrage der European Union Statistics on Income and Living Conditions aus dem Jahr 2016 hervor, dass von 69.199 Befragten 47,2 % ihren Gesundheitszustand als „gut“ einschätzen, wohingegen lediglich 8,3 % ihn als „schlecht“ beziehungsweise „sehr schlecht“ einschätzen. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Großzahl der befragten Personen keinen akuten Bedarf sehen, ihr Verhalten zu optimieren, auch wenn es möglicherweise bestehende Risiken gibt. Demzufolge ist es wichtig, breitaufgestellte Maßnahmen anzubieten, die über die reine Möglichkeit für Bewegung hinausgehen. So sollten Wissensvermittlung, Aufklärung und niederschwellige Bewegungsangebote sinnvoll miteinander kombiniert werden, um das Gesundheitsbewusstsein zu verbessern. Auf einen möglichen Umfang soll in den folgenden Punkten weiter eingegangen werden.
3.6 Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Aktivität
Nach den bisher dargestellten Inhalten wird deutlich, welche Relevanz körperliche Aktivität für die Gesundheit des Menschen hat. Dabei werden übergreifende Effekte bezüglich der physischen als auch psychischen Gesundheit erzielt.
Bei der aktuell geringen Bereitschaft für körperliche Bewegung und lebenssituationsbedingte Bewegungsarmut ist es sinnvoll, gerade im Sinne der Prävention körperliche Aktivität zu fördern.
Hier ist es sinnvoll, in drei Ebenen zu unterscheiden: Die individuelle Ebene, die Setting Ebene und die Bevölkerungsebene.
Auf der individuellen Ebene gibt es Möglichkeiten für körperliche Aktivität wie beispielsweise, Fitnessstudios oder Sportvereine, die sich grundsätzlich an gesunde Personen richten, jedoch auch zur Reduktion bereits bestehender Beschwerden wie beispielsweise Übergewicht genutzt werden können. Dabei geht es grundsätzlich darum, räumliche und materialistische Möglichkeiten zu bieten, um körperlich aktiv zu werden. Diese Angebote richten sich an Personen, die eigenmotiviert den Entschluss gefasst haben, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Gibt es durch ärztliche Untersuchungen oder Ähnlichem die Aufforderung, sich mehr zu bewegen, kann dies unter Umständen durch Krankenkassen gefördert werden und findet dann zum Teil in speziell dafür ausgelegten Gesundheitszentren statt.
Bei der Setting-Ebene werden oftmals Ansätze von Theorie und Praxis miteinander verbunden. So ist es im betrieblichen Kontext häufig der Fall, dass den Mitarbeitern Kurse und Sportangebote zur Verfügung gestellt werden, wodurch sie gesundheitsförderliches Know-how erwerben können und in organisiertem Rahmen Sport treiben können. Dort ist es dann meist spezifisch auf die mit der Tätigkeit verbundenen Belastungen ausgelegt. Auf der Bevölkerungsebene müssen die Angebote im Vergleich zur individuellen und Setting-Ebene eine breitere Menschenmasse mit unterschiedlichen Gegebenheiten und Umständen bedienen.
Hier wird in der Regel vom Staat oder anderen Gesundheitsinstituten ganzheitliche Strategien zur Gesundheitsförderung beworben und angeboten. Dabei wird meist mit speziellen Aktionen geworben, die eine Teilnahme in einer Gemeinschaft ermöglichen (Jordan, Weiss, Krug & Mensink, 2012).
3.7 Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit
Da die ganzheitliche Förderung der psychischen Gesundheit eine komplexe Herausforderung für den Staat Deutschland und dessen Gesellschaft darstellt und es diesbezüglich zahlreiche Einflussfaktoren gibt, soll sich folgend primär auf den in dieser Arbeit relevanten Kontext der erwerbsfähigen Personen und somit den Möglichkeiten im Rahmen des Betriebs konzentriert werden. Denn dort gibt es einige gut definierbare und umsetzbare Möglichkeiten zur Förderung der psychischen Gesundheit für die Beschäftigten.
Als Grundlage werden die europäischen Werte und Visionen sowie der entsprechende Aktionsplan genutzt, welche von den Mitgliedsstaaten und der WHO definiert wurden. So sind die drei Werte Gerechtigkeit, Befähigung zum selbstbestimmten Handeln und Sicherheit und Wirksamkeit. Der Anwendungsbereich bezieht sich dabei auf die Verbesserung des psychischen Wohlbefindens durch die Reduktion der Belastung und Vermeidung riskanter Verhaltensweisen. Zudem sollen die Rechte von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen geachtet werden und gleiche Chancen verfügbar sein, um eine erhöhte Lebensqualität zu erlangen. Außerdem liegt der Schwerpunkt auf einer ganzheitlichen Schaffung von zugänglichen, sicheren und wirksamen Angeboten, die sowohl gesunden als auch psychisch erkrankten Menschen gerecht werden (Regionalbüro für Europa, 2013).
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