Zwischen Macht und Tradition

Die Frage der Sonderstruktur am Beispiel der Fugger im Augsburg des 16. Jahrhunderts


Trabajo de Seminario, 2009

15 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die zeitgenössischen Rahmenbedingungen
1. Grundstruktur der Augsburger Bürgerschaft von 1368-1548
2. Grundzüge des Frühkapitalismus

III. Zwischen Macht und Tradition – die Fugger als Sonderstruktur?

IV. Fazit

V. Quellen und Forschungsliteratur

I. Einleitung

Die Zeit zwischen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in das beginnende 16. Jahrhundert hinein war allgemein eine Phase des epochalen Wandels. Mittelalterliche Traditionen in Form sozioökonomischer Strukturen und eines christlich-ethischen Wertsystems wurden öffentlich sichtbar konfrontiert mit technologischem Fortschritt, Ausdifferenzierungen im ländlich-städtischen Wesen, einer neuen Wirtschaftsethik und Handelspraxis, und schließlich mit einem sukzessiv säkularisierten Katholizismus.[1] Die Komplexität dieser Zeit, die jeweiligen Konsequenzen und deren interkausale Relationen können hier nicht annähernd dargestellt werden. Stattdessen soll im Folgenden ein Phänomen des Epochenwandels exemplarisch am Beispiel der Familie Fugger innerhalb der städtischen Gesellschaft Augsburgs untersucht werden: das Phänomen der Verschiebung von der „Macht der Tradition“ hin zur Trennung von „Macht und Tradition“.

In diesem übergeordneten Kontext stellte Olaf Mörke seine These zur Debatte, dass die Familie Fugger im städtischen System Augsburgs eine Sonderstruktur darstellten.[2] Auf Grundlage der prosopographischen Untersuchung von Wolfgang Reinhard und des Vergleichs führungsqualifizierender Beziehungsnetze in Augsburg (1508-1620) von Katarina Sieh-Burens betonte Mörke den mangelnden Integrations- und Identifikationswillen der wohlhabenden Fugger in ein traditionell städtisches Bürgertum. Dies entspräche einem Bruch von Tradition und Macht. Betrachtet man die Fugger dagegen im Kontext einer Bourdieuschen Definition und Differenzierung des Kapitalbegriffs,[3] so erscheint die „Macht der Tradition“ als ihr intentionaler Schwerpunkt.

Extrahieren sich die Fugger aus ihrem sozialen Milieu zu einer damals einmaligen Sonderstruktur? Meines Erachtens stehen die Fugger zwischen dem Ausgang des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 16. Jahrhunderts stellvertretend für den Habitus der Augsburger Oberschicht.[4]

Dahingehend werden im Folgenden erstens die Gesellschaftsstrukturen Augsburgs zur Zeit der Zunftverfassung und zweitens die ökonomischen Tendenzen hin zu einer frühmodernen Geldwirtschaft skizziert. Anhand dieses sozioökonomischen Kontextes soll die Argumentation Mörkes in ausgewählten Punkten revidiert werden. Im Hinblick auf den begrenzten Umfang dieser Arbeit muss auf den konfessionellen Schwerpunkt verzichtet werden.

II. Die zeitgenössischen Rahmenbedingungen

1. Grundstruktur der Augsburger Bürgerschaft 1368-1548

Parallel zu einem idealisierenden Bild der Stadt als einer egalitären Gemeinschaft existieren zur Zeit der Augsburger Zunftverfassung (1368-1548) ständische Kriterien, die den Gegensatz von dives und pauper prägten.[5] Als unterste Schicht sind durchgehend drei Gruppen anhand ihrer Steuerfreiheit zu nennen: die Bettler, „tagwerker“ und „habnit handwerker“.[6] Ihr Gegenstück, die Augsburger Oberschicht, basierte bis ins 15. Jahrhundert hinein auf den patrizischen Geschlechtern, die aus den Ministerialen des Bischofs und der Klöster hervorgingen und die seit etwa 1270 in Augsburg nachweisbar sind. Bis zum Jahr 1368 ist sie als eine weitgehend heterogene, dynamische Oberschicht charakterisierbar.[7] Traditionell bekleideten die Geschlechtermitglieder die städtischen Ämter, ermöglichten aber auch handeltreibenden Handwerkern, die zu Wohlstand gelangt sind, den sozialen Aufstieg.[8] Im Zuge der Verfassungsänderung und Etablierung der Zünfte im Stadtregiment oblagen sämtliche Geschlechter, die sich im Handel oder Gewerbe betätigen wollten, nun der Zunftpflicht. Im Jahr 1383 schlossen sich die Geschlechter ständisch ab, womit zu den „Herren“ (politische Vertretung der Geschlechter) nur noch Familien des älteren Patriziats von vor 1368 zählten und ein Zugang nur durch Geburt oder Einheirat möglich war.[9] Die patrizischen Vertreter in den Ratsorganen besaßen nunmehr kein aktives Wahlrecht und mussten von den Zunftmitgliedern des Kleinen Rates gewählt werden.[10] Zur Sicherung ihrer Identität vollzogen die Geschlechter 1383 gesetzlich einen ständischen Abschluss von der zünftigen Bürgerschaft.[11] Ein überregionaler Wandlungsprozess im 15./16. Jahrhundert (u.a. Sinken der Grundrenten, Preissteigerungen, steigende Standeserhaltungskosten für den Adel) führte zu einer Krise der Aristokratie und zu einer partiellen Umorientierung ihres Einkommens.[12] Patrizierfamilien wie die Welser, Gossembrot und Herwart brachen mit ihrem Handel und Finanzgeschäft sowohl die Zunftpflicht bzw. das Handelsverbot und die Tradition.[13]

Die politisch formale Dominanz beruhte seit 1368 auf 17 Zünften, die im zweiten Zunftbrief (1368) hierarchisch differenziert wurden: Die Kaufleute, Weber, Kramer, Kürschner, außerdem die Bäcker, Metzger, Schuster, Brauer, Salzfertiger und Gewandschneider stellten zwei Vertreter für den inneren Rat, dem eigentlichen Entscheidungsgremium, die restlichen sieben Zünfte nur einen.[14] In der Besetzung der städtischen Ämter dominierte deutlich die Kaufleuteschicht.[15] Zwischen den Großhandelsfamilien der Zünfte und den handeltreibenden Geschlechterfamilien entwickelte sich ein gemeinsames ökonomisches Interesse, aus dem zahlreiche Konnubien hervorgingen.[16] Der Großteil der Zünfte wurde ausgegrenzt in der sozialen Verflechtung innerhalb der Herrentrinkstube, in der sich Patrizier, Landadlige und Kaufleute trafen und eine „tatsächliche“ Oberschicht konstituierten.[17] Die weitere Differenzierung der Großkaufleuteschicht in diejenigen, die stubenfähig waren und jene, die es nicht waren, bildet eine Art „obere Mittelschicht“, die z.B. in niederen bis mittleren städtischen Ämtern fungierte.[18]

[...]


[1] Zur Charakterisierung des Epochenwandels vgl. Goertz, Hans-Jürgen, Deutschland 1500-1648. Eine zertrennte Welt, Paderborn 2004, Kap. 1und 2.

[2] Mörke, Olaf, Die Fugger im 16. Jahrhundert. Städtische Elite oder Sonderstruktur? Ein Diskussionsbeitrag, in: Archiv für Reformationsgeschichte 74 (1983), S. 141f.

[3] Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198.

[4] Zum Begriff des Habitus als das gesamte Auftreten einer Person, als System verinnerlichter Muster und dessen intersubjektiven Relationen vgl. Bourdieu, Pierre, Der Sozialraum und seine Transformationen, in: Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982, S. 172.

[5] Kießling, Rolf, Bürgerliche Gesellschaft in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der Oberdeutschen Reichsstadt, Augsburg 1971, S. 42.

[6] Häberlein, Mark, Die Fugger. Die Geschichte einer Augsburger Familie (1367-1650), Stuttgart 2006, S. 16.

[7] Im Jahr 1368 erhoben sich die Handwerker Augsburgs. Das Ergebnis bestand in der Einführung einer zünftischen Verfassung für die Stadt. Vgl. hierzu Häberlein, Die Fugger, S. 32.

[8] Kießling, Gesellschaft, S. 42.

[9] Rogge, Jörg, Für den gemeinen Nutzen. Politisches Handeln und Politikverständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter, Tübingen 1996, S. 186.

[10] Das Patriziat wurde politisch geschwächt und „interessennäher“ an die Ratsmitglieder aus den obersten drei Zünften heran getragen. Zur Augsburger Ratsgeschichte vgl. Augsburger Stadtlexikon, hg. von Günther Grünsteudel u.a., Augsburg 1998, S. 713; des weiteren Rogge, Für den gemeinen Nutzen, S. 185.

[11] Die Zugehörigkeit konnte nicht mehr durch sozialen Aufstieg sondern allein durch Geburt oder Heirat erfolgen. Vgl. Kießling, Gesellschaft, S. 50.

[12] Die Ausübung des Handels verstieß gegen den Adelsethos und führte zur Debatte um Gut und Ehre. Vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara, Gut vor Ehre oder Ehre vor Gut? Zur sozialen Distinktion zwischen Adels- und Kaufmannsstand in der Ständeliteratur der Frühen Neuzeit, in: Johannes Burkhardt (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils, Berlin 1996, S. 33f.

[13] Nach 1368 sind sieben Geschlechter im Handel nachweisbar. Vgl. hierzu Kießling, Gesellschaft, S. 43.

[14] Zum zweiten Zunftbrief 1368 vgl. Kießling, Gesellschaft, S. 43.

[15] Kießling, Gesellschaft, S. 49.

[16] Hans Fugger heiratete zweimal innerhalb der Weberzunft, Jakob Fugger erhielt mit der Heirat Barbara Bäsingers den Einstieg in den Fernhandel und die Münzprägung. Vgl. hierzu Häberlein, Die Fugger, S. 17f.; Rogge, Für den gemeinen Nutzen, S. 186.

[17] Die Bezeichnung „tatsächlich“ möge hier als schichtenübergreifender Begriff gelten, der unabhängig von Patriziat oder Zunft die Machtwirkung des gleichen wirtschaftlichen Interesses und die verbindende Kraft verdeutlicht. Zur Herrentrinkstube hatten die Kaufleute nur durch Einheirat Zutritt.

[18] Kießling, Gesellschaft, S. 44.

Final del extracto de 15 páginas

Detalles

Título
Zwischen Macht und Tradition
Subtítulo
Die Frage der Sonderstruktur am Beispiel der Fugger im Augsburg des 16. Jahrhunderts
Universidad
Humboldt-University of Berlin  (Geschichtswissenschaften)
Curso
Proseminar Fugger und Welser
Calificación
1,3
Autor
Año
2009
Páginas
15
No. de catálogo
V132260
ISBN (Ebook)
9783640408689
ISBN (Libro)
9783640409327
Tamaño de fichero
423 KB
Idioma
Alemán
Notas
Mutiges Argumentieren gegen gängige Forschungsthese (Dozentenkommentar)
Palabras clave
Fugger, Augsburg, Geschichte, Soziale Netzwerke
Citar trabajo
Sina Hofmann (Autor), 2009, Zwischen Macht und Tradition, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132260

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