Nach intensiver und kritischer Lektüre der Erzählung "Der Findling" von Heinrich von Kleist kommen Zweifel auf, ob in der Erzählung wirklich alles so ist, wie es zuerst scheint. Ist Nicolo tatsächlich selbst das Böse in Person oder lassen seine Handlungen auch eine andere Sichtweise zu? Was ist das absolut Böse überhaupt und wo genau ist es in der Erzählung zu finden? Diesen Fragen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Dies kann zum einen durch eine hermeneutische Vorgehensweise geschehen. Zum anderen können jedoch auch psychoanalytische Interpretationsaspekte herangezogen werden, die die Handlungen Nicolos aus psychischen Dispositionen heraus zu erklären versuchen. Zur Klärung des Begriffs des absolut Bösen ist außerdem ein Blick auf ideengeschichtliche Teilaspekte sinnvoll.
Nach der Lektüre der Erzählung "Der Findling" von Heinrich von Kleist verbleibt beim Leser Wut gemischt mit Entsetzen, ja Fassungslosigkeit, über die Geschehnisse, die sich hier ereignen. Da wird ein pestkranker Junge (Nicolo) von einem wohlhabenden Immobilienhändler (Antonio Piachi) gerettet, sein eigener Sohn Paolo stirbt jedoch daraufhin an der Pest. Piachi und seine Frau Elvire adoptieren Nicolo. Er genießt eine Ausbildung als Immobilienhändler und bekommt nach und nach das gesamte Geschäft und Vermögen der Piachis übereignet. Am Ende jedoch stirbt Elvire nach einem Vergewaltigungsversuch durch Nicolo, und Piachi wird von diesem des Hauses verwiesen. Daraufhin wird Piachi von Rachsucht gepackt: Er ermordet Nicolo, verweigert anschließend nach seinem Todesurteil die Absolution durch die Kirche und wird schließlich ohne diese erhängt. Wie kann der Adoptivsohn nur so undankbar und niederträchtig sein? Nicolo erscheint wie die Verkörperung des absolut Bösen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Frage nach dem absolut Bösen
- Das Böse bei Kant
- Definition des absolut Bösen
- Kleists Frage nach dem absolut Bösen
- Nicolo - die Verkörperung des absolut Bösen?
- Das Ersatzsystem in der Erzählung
- Psychoanalytische Perspektive
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die Frage zu untersuchen, inwiefern Nicolo in Heinrich von Kleists Erzählung „Der Findling“ das absolut Böse verkörpert. Hierzu wird die Frage des absolut Bösen selbst anhand von Kants Ausführungen zum Gedanken des Bösen und anhand der Analyse von Kleists eigener Betrachtung des Begriffs erörtert. Anschließend wird Nicolos Handeln im Kontext der Erzählung analysiert, um eine Antwort auf die zentrale Frage der Arbeit zu finden.
- Definition des absolut Bösen
- Kleists Frage nach dem absolut Bösen
- Nicolos Handeln in der Erzählung
- Psychoanalytische Interpretation der Figuren
- Das Ersatzsystem in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Frage der Arbeit vor und führt in die Thematik des absolut Bösen ein. Sie skizziert verschiedene Perspektiven auf Nicolos Handeln in der Literaturforschung und beleuchtet die Relevanz des Begriffs des absolut Bösen für die Interpretation der Erzählung.
Kapitel 2 widmet sich einer Begriffsklärung des absolut Bösen. Zunächst wird Kants Definition des Bösen vorgestellt, gefolgt von einer eigenen Definition des absolut Bösen. Anschließend wird Kleists Frage nach dem absolut Bösen anhand eines Briefes an Wilhelmine von Zenge aus dem Jahr 1801 betrachtet.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Nicolo die Verkörperung des absolut Bösen darstellt. Hierfür wird das Ersatzsystem in der Erzählung beleuchtet und aus psychoanalytischer Perspektive analysiert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Themen dieser Arbeit sind das absolut Böse, Heinrich von Kleist, Der Findling, Nicolo, Kants Moralphilosophie, psychoanalytische Interpretation, Ersatzsystem, Trauer und Verdrängung. Die Arbeit untersucht die Frage, inwiefern Nicolos Handeln in der Erzählung als Verkörperung des absolut Bösen interpretiert werden kann, wobei sie verschiedene Perspektiven auf den Begriff des Bösen und auf die psychischen Dispositionen der Figuren heranzieht.
- Citation du texte
- Daniela Welker (Auteur), 2016, Darstellung der Figur "Nicolo" in der Erzählung "Der Findling" von Heinrich von Kleist. Verkörperung des absolut Bösen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1323105