Leseprobe
Das Leib-Seele-Problem bei Thomas Nagel
Textgrundlage:
Thomas Nagel: „Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? [1] “
Essay
Im Schlussteil seiner Atomlehre lässt Demokrit Verstand und Sinne gegeneinander antreten. „Scheinbar ist Farbe, scheinbar Süße, scheinbar Bitterkeit - wirklich nur Atome und leerer Raum!”, deklamiert zunächst der Verstand, woraufhin die Sinne entgegnen: „Du armer Verstand, von uns nimmst du die Beweisstücke und willst uns besiegen? Dein Sieg ist dein Fall!”[2] Es deutet sich hier an, was Philosophen wie Descartes, Leibniz bis weit in die Neuzeit bewegen sollte: das „Leib-Seele-Problem“: Wie kann es sein, dass rein physikalische Reize mich als Menschen in einen emotionalen Zustand von Genuss, Schmerz oder Freude versetzen können? Ist dies dann echt oder nur Farce, eine Art „Sinnestäuschung“? Wie also ist die Natur Zustände beschaffen: Körperlich? Mental? Oder auch anders ausgedrückt: Was ist, was bedeutet menschliches Bewusstsein?
Eben diese Fragen greift auch Thomas Nagel in seinem Essay auf. Es ist also nicht das klassische epistemologische Problem der Möglichkeit objektiver Erkenntnis der tatsächlichen Realität, die sich ihm stellt. Quasi „a priori“ bezeichnet der Autor sich vielmehr explizit selbst als „Realist[3] “ – setzt damit also ontologisch die Existenz einer objektiven, äußeren Wirklichkeit voraus, die zu erkennen er noch darzustellenden „reduktionistischen“ Wissenschaften zuspricht. Nagel zweifelt zwar daran, dass diese objektive Wirklichkeit in ihrer Ganzheit menschlichem Bewusstsein zugänglich werden könne, da es, wie er schreibt, „Tatsachen gibt, die nicht in der Wahrheit von Gedanken bestehen, die in menschlicher Sprache ausgedrückt werden können. Wir können zur Anerkennung der Existenz solcher Fakten gezwungen werden, ohne die Fähigkeit zu besitzen, sie festzustellen oder zu erfassen“[4]. Hier wird ein epistemologischer Skeptizismus deutlich, der auf den sprachtheoretischen Schriften Wittgensteins und Carnaps beruht. Diese Art erkenntnistheoretischer Überlegungen stellen jedoch nur einen theoretischen Rahmen, nicht jedoch das eigentliche Kernproblem seines Essays dar. Es geht Nagel eben nicht um die Diskussion der Möglichkeit objektiver Erkenntnis der äußeren Welt sondern um die der subjektiven Erfahrungswelt von Lebewesen.
[...]
[1] vgl. Nagel, Thomas: „Wie ist es eine Fledermaus zu sein“; in: Bieri, Peter (Hrsg): „Analytische Philosophie des Geistes“, Heidelberg 1981, S. 261-275.
[2] Zitiert nach: Seiffert, Josef: „Das Leib-Seele-Problem“, S. 7 ff.
[3] Nagel, S. 265
[4] S. 266
- Arbeit zitieren
- Anonym, 2004, Das Leib-Seele-Problem bei Thomas Nagel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132390
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