Eine Theorie der Prokrastination, die sich nicht auf die Symptombekämpfung beschränken will, müsste umfassend angelegt sein. Kauß (2008) hat dies in ihrer literaturwissenschaftlichen Studie "Der diskrete Charme der Prokrastination" versucht und die literarische Rezeption des Phänomens unter Berücksichtigung der geistesgeschichtlichen Entwicklung des Begriffs dargelegt. Ihre These, dass Prokrastination heutzutage überwiegend als entweder negativ zu bewertende Dysfunktion oder positive Strategie aufgefasst wird, ist Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Im Laufe der Bearbeitung stand daher besonders die Frage im Vordergrund, ob Prokrastination als irrational oder rational zu verstehen ist. An diesem Spannungsverhältnis ist schließlich die Möglichkeit eines kritischen Begriffs von Prokrastination deutlich geworden, der dieses Verhältnis vermittelt. Die daran anschließenden Fragen sind unzählig und aufgrund der Komplexität des Gegenstands wird sich diese Arbeit daher darauf beschränken, einzelne Aspekte eines kritischen Begriffs herauszuarbeiten, an die sich mit weiterer Forschung anknüpfen lässt.
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Erstens wird das Spannungsfeld von Rationalität und Irrationalität, in dem sich Prokrastination bewegt, beschrieben. An diese Bestandsaufnahme schließt ein psychoanalytischer Teil an, der die Schwierigkeit des Phänomens weiter erläutern soll, um mit einem eher spekulativen Teil die Aspekte eines kritischen Begriffs unter Bezugnahme auf die Kritische Theorie zu entwerfen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Prokrastination im Spannungsfeld von Rationalität und Irrationalität
- 2.1 Überblick zum Forschungsstand in der akademischen Psychologie
- 2.2 Zur negativen Konnotation des Begriffs in der psychologischen Literatur
- 2.3 Prokrastination als Strategie: die positive Wendung des Begriffs
- 2.4 Zur Rationalität im Irrationalen: Handlungstheorie und Prokrastination
- 3. Psychoanalytische Theorie der Prokrastination
- 3.1 Zur Genese des Subjekts
- 3.2 Prokrastination und Fehlleistungen
- 3.3 Psychoanalytisch-klinische Ansätze zur Prokrastination
- 3.4 Prokrastination und Sublimierung
- 3.4.1 Der Sublimierungsbegriff bei Freud
- 3.4.2 Bedeutung für die Prokrastination
- 3.4.3 Zur Modifikation des Sublimierungsbegriffs bei Pfaller
- 3.4.4 Sublimierung und Gesellschaft
- 4. Aspekte eines kritischen Begriffs der Prokrastination
- 4.1 Genese des Individuums in der Kritischen Theorie
- 4.2 Entsagung und Sublimierung
- 4.3 Psychoanalytisch-sozialpsychologische Skizze des Phänomens
- 4.4 Schlussbemerkung
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den komplexen und ambivalenten Begriff der Prokrastination, indem sie verschiedene Perspektiven, insbesondere die der akademischen Psychologie und der Psychoanalyse, einander gegenüberstellt. Sie strebt danach, einen kritischen und umfassenden Begriff der Prokrastination zu entwickeln, der über die rein negative oder positive Bewertung hinausgeht.
- Das Spannungsfeld von Rationalität und Irrationalität in Bezug auf Prokrastination
- Die historische Entwicklung des Begriffs Prokrastination und seine unterschiedlichen Konnotationen in der Literatur und Wissenschaft
- Die Anwendung der Psychoanalyse auf Prokrastination, insbesondere hinsichtlich der Genese des Subjekts und des Konzepts der Sublimierung
- Die Einbeziehung der Kritischen Theorie, um eine psychoanalytisch-sozialpsychologische Skizze des Phänomens zu entwickeln
- Die Möglichkeit eines kritischen Begriffs der Prokrastination, der die Komplexität des Phänomens berücksichtigt
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung stellt das Phänomen der Prokrastination vor und diskutiert die unterschiedlichen Perspektiven auf dieses Verhalten, sowohl in der akademischen Psychologie als auch in der Geistesgeschichte. Sie hebt die Bedeutung eines umfassenden und kritischen Begriffs der Prokrastination hervor, der die bestehenden, einseitigen Konzeptionen überwindet.
2. Prokrastination im Spannungsfeld von Rationalität und Irrationalität
Dieses Kapitel beleuchtet den Forschungsstand in der akademischen Psychologie und diskutiert die unterschiedliche Bewertung von Prokrastination als irrationales Verhalten oder als strategisches Vorgehen. Es untersucht die geistesgeschichtliche Entwicklung des Begriffs und die positive Konnotation, die Prokrastination in der Literatur findet.
3. Psychoanalytische Theorie der Prokrastination
Dieses Kapitel untersucht die psychoanalytische Perspektive auf Prokrastination. Es beleuchtet die Bedeutung des Subjekts, Fehlleistungen und die Rolle der Sublimierung im Hinblick auf Prokrastination. Dabei wird die Kritik des Freudschen Sublimierungsbegriffs durch Pfaller berücksichtigt.
4. Aspekte eines kritischen Begriffs der Prokrastination
Dieses Kapitel erforscht die Aspekte eines kritischen Begriffs der Prokrastination unter Bezugnahme auf die Kritische Theorie. Es untersucht die Genese des Individuums in der Kritischen Theorie und die Rolle von Entsagung und Sublimierung. Schließlich wird eine psychoanalytisch-sozialpsychologische Skizze von Prokrastination entwickelt.
Schlüsselwörter
Prokrastination, Rationalität, Irrationalität, Psychoanalyse, Sublimierung, Kritische Theorie, Entsagung, gesellschaftliche Ursachen, Handlungstheorie, Forschungsstand, negative Konnotation, positive Konnotation, Geistesgeschichte, Literatur
- Quote paper
- Benjamin Dittrich (Author), 2018, Versuch über einen kritischen Begriff der Prokrastination. Prokrastination als negativ zu bewertende Dysfunktion oder positive Strategie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1324389