Traumatisierte Kinder in der stationären Kinder- und Jugendhilfe

Traumapädagogik als Ansatz in der alltäglichen Praxis


Bachelorarbeit, 2020

66 Seiten, Note: 1,3

Carola Marti (Autor:in)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zusammenhang von Trauma und stationärer Kinder- und Jugendhilfe
2.1 Definition Trauma
2.2 Auswirkung von Traumatisierung auf die (früh-) kindliche Entwicklung und die Lebensspanne
2.3 Trauma und stationäre KJH
2.3.1 Zahlen und Fakten
2.3.2 Vernetzung von Gesundheitswesen und Jugendhilfe
2.3.3 Implikationen für den pädagogischen Alltag in der stationären KJH

3 Was ist Traumapädagogik?
3.1 Ein Definitionsversuch
3.2 Entstehung und pädagogische Wurzeln
3.3 Standards für traumapädagogische Konzepte in der stationären KJH
3.3.1 Grundhaltung
3.3.2 Selbstwirksamkeit/ -bemächtigung
3.3.3 Institutionelle Standards
3.3.4 Interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation

4 Kritische Betrachtung von Traumapädagogik in der Praxis der stationären KJH
4.1 Was ist das Innovative an Traumapädagogik?
4.2 Positive Erkenntnisse aus der praktischen Arbeit mit traumapädagogischen Konzepten
4.3 Herausforderungen und Grenzen
4.4 Forschungs- und Weiterentwicklungsbedarf

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitung

„Ihr sagt: »Der Umgang mit Kindern ermüdet uns.« Ihr habt recht. Ihr sagt: »Denn wir müssen zu ihrer Begriffswelt hinuntersteigen. Hinuntersteigen, uns herabneigen, beugen, kleiner machen.« Ihr irrt euch. Nicht das ermüdet uns. Sondern dass wir zu ihren Gefühlen emporklimmen müssen. Emporklimmen, uns ausstrecken, auf die Zehenspitzen stellen, hinlangen. Um nicht zu verletzen.“ (Janusz Korczak)

Jede Person, die regelmäßig viel Zeit mit Kindern verbringt, kennt, neben den vielen Freuden, dieses Gefühl der Ermüdung. Es strengt an die vielen Warum-Fragen zu beantworten und ständig aufmerksam zu sein. Kinder erklären sich die Welt auf ihre Weise, sie sind neugierig und wollen lernen. Ihr Handeln hat nicht zum Ziel vernünftig zu sein, sondern erfüllt einen für das Kind sinnvollen Zweck. Es erfordert viel Geduld und Aufmerksamkeit, um die Sichtweisen von Kindern zu verstehen und zu erkennen, was ein Kind glücklich, traurig oder wütend macht. Aber was passiert, wenn wir trotz aller Bemühungen ihr Verhalten nicht verstehen, es nicht schaffen zu den Gefühlen von Kindern „emporzuklimmen“ und Kinder dadurch „verletzen“?

Der Spielfilm ‚Systemsprenger‘1 zeigte im Jahr 2019 einen extrem anmutenden Fall von einem neunjährigen Mädchen, der diese Thematik verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rückte: Was passiert mit einem Kind, zu dem anscheinen niemand wirklich durchdringen kann und welches daher durch alle Raster des Hilfesystems fällt? Die Protagonist*in Benni würde am liebsten bei ihrer Mutter leben. Das geht aber nicht, weil ihre Mutter, aufgrund von Bennis teilweise aggressiven Verhaltens, nicht mit ihr zurechtkommt. Benni reagiert schnell gereizt, rastet aus und lässt sich kaum etwas sagen. In den stationären Einrichtungen und Schulen sind die Fachkräfte überfordert. Ihre Mitschüler*innen haben Angst vor ihr. Da niemand über längere Zeit mit ihr zurechtkommt, wird Benni von Einrichtung zu Einrichtung gereicht.

In dem Film gibt es immer wieder kurze Rückblenden auf Bennis Vergangenheit. Es sind Szenen in denen deutlich wird, dass sie Traumatisches durchgemacht hat: Gewalt durch den Ex-Freund der Mutter, volle Windeln, die ihr ins Gesicht gedrückt wurden, eingesperrt werden im Schrank und keine verlässliche Bezugsperson, die für sie da war. All diese belastenden Erfahrungen haben Auswirkungen darauf, wie Benni als Neunjährige ihre Umwelt wahrnimmt und wie sie auf diese reagiert. Die Erfahrungen sind auch ein Grund dafür, dass niemand es schafft zu Bennis komplexen Gefühlen „emporzuklimmen“. So erleidet sie weiterhin Verletzungen und verletzt andere, obwohl ihr viele Menschen helfen wollen.

Die Geschichte von Benni ist zwar fiktiv, aber keineswegs unrealistisch. Gerade in der stationären Kinder- und Jugendhilfe2 (im Folgenden KJH abgekürzt) leben junge Menschen, die wie Benni stark belastende Erfahrungen gemacht haben und durch ihr vermeintlich schwieriges Verhalten das Hilfesystem an seine Grenzen bringen (Schmid et al. 2007, S. 333). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich damit, wie sich traumatische Erfahrungen von Kindern auf ihre Entwicklung auswirken können und ob Traumapädagogik eine Möglichkeit sein kann, einen adäquaten Umgang mit deren Folgen für die Kinder und das Hilfesystem zu gewährleisten. Folgende Forschungsfragen werden dazu gestellt:

1. Inwieweit ist die Anwendung eines speziellen pädagogischen Ansatzes, wie der Traumapädagogik, welche die Auswirkungen von traumatischen Erfahrungen in der Kindheit berücksichtigt, in der Arbeit der stationären KJH notwendig?
2. Inwiefern hebt sich Traumapädagogik von der bisherigen Praxis im Bereich der stationären KJH ab?
3. Wo liegen die Herausforderungen und Grenzen von Traumapädagogik?

Um diese Fragen zu beantworten, wird vorrangig die vorhandene und zugängliche Literatur ausgewertet und mit Praxisbeispielen, sowie einem Expert*inneninterview, ergänzt. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Im ersten Teil liegt der Fokus auf der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff Trauma und dessen Einordnung in den Kontext der stationären KJH. Darauf folgt eine Annäherung an den Begriff und den Inhalt von Traumapädagogik. Anschließend werden die von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Traumapädagogik formulierten Standards vorgestellt. Im letzten Teil der Arbeit wird traumapädagogisches Arbeiten in der Praxis der stationären KJH beleuchtet, um die positiven Aspekte, die Herausforderungen und Grenzen sowie den Forschungs- und Weiterentwicklungsbedarf dieses Ansatzes herauszuarbeiten. Dazu wird zum einen das Expert*inneninterview, welches die Verfasserin der vorliegenden Arbeit mit der Leiter*in einer stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung geführt hat, einbezogen. Zum anderen ergänzen die Erkenntnisse eines Modellversuches aus der Schweiz, welcher die Implementierung traumapädagogischer Konzepte in der Heimerziehung untersuchte, diesen letzten Teil.

2 Zusammenhang von Trauma und stationärer Kinder- und Jugendhilfe

Von den rund 13,6 Millionen minderjährigen Kindern und Jugendlichen in Deutschland lebten im Jahr 2018 ca. 95.000 fremduntergebracht in Heimen (vgl. Statistisches Bundesamt 2019). Diese Kinder und Jugendlichen können oder wollen aus den verschiedensten Gründen nicht in ihren Familien leben. Die Umstände, wie es zu einer Fremdplatzierung kommt, sind individuell verschieden, meist aber können die jungen Menschen in ihrer „Herkunftsfamilie nicht ausreichend versorgt oder gefördert werden und (…) [es droht] unter Umständen eine Gefährdung des Kindswohls“ (Lehmann und Kolvenbach 2010, S. 400). Auch die Trennung von der Herkunftsfamilie an sich ist für viele Kinder und Jugendliche ein sehr einschneidendes Erlebnis. In diesem Kapitel wird daher der Begriff Trauma in diesem Zusammenhang definiert und medizinisch-diagnostisch eingeordnet. Um die Relevanz von frühkindlicher Traumatisierung darzulegen wird anschließend aufgezeigt, welche Auswirkungen eine (früh-) kindliche Traumatisierung auf die menschliche Entwicklung haben können und wie weit verbreitet sie bei Kindern und Jugendlichen in der stationären KJH ist. Auf dieser Grundlage kann im Anschluss betrachtet werden, inwiefern die verschiedenen Kurz- und Langzeitfolgen von Traumatisierung die Arbeit in der stationären KJH beeinflussen.

2.1 Definition Trauma

Der Begriff „Trauma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet allgemein „Verletzung“ oder „Wunde“. Dabei wird erst im Zusammenhang klar, um was für eine Art Verletzung es sich handelt. In der Medizin steht Trauma für körperliche Verletzungen durch äußere Gewalteinwirkung. In der Psychologie bezieht er sich auf seelische Verletzungen, die aber auch mit körperlichen Verletzungen verbunden sein können. Insgesamt gibt es viele Definitionen für Trauma, die sich in ihrer Komplexität unterscheiden und unterschiedliche Möglichkeiten bieten, die Arten von Traumata zu kategorisieren.

Die internationale Datenbank für Diagnoseschlüssel, kurz ICD-10, definiert psychisches Trauma als „belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ (Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2020, F43.1). In der Literatur werden dieser Definition noch weitere Punkte hinzugefügt. Pausch und Matten ergänzen beispielsweise, dass „eine traumatische Situation (…) dadurch gekennzeichnet [ist], dass es eine Diskrepanz zwischen der subjektiv erlebten Bedrohung für sich oder andere und den individuellen Bewältigungsstrategien gibt“ (Pausch und Matten 2018, S. 4, Herv. i. Orig).

Bei S chmid et al. wird dieses Erleben einer Diskrepanz noch deutlicher beschrieben, indem die empfundenen Gefühle von „intensive[r] Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen“ während des traumatischen Ereignisses betont werden (Schmid et al. 2007, S. 331).

Traumata werden häufig nach Art und Dauer ihres Auftretens eingeteilt. Bei der Unterscheidung nach der Art des Traumas gibt es zum einen die Varianten, die von Menschen verursacht werden, wie zum Beispiel Krieg oder sexuelle Gewalt. Zum anderen gibt es die Arten von Trauma, die eher zufällig ausgelöst werden und beispielsweise durch Naturkatastrophen, wie Erdbeben oder Ähnlichem, entstehen (vgl. Ruppert 2018, S. 70). Werden Traumata nach der Dauer unterschieden, wird meist die folgende Einteilung von Terr verwendet (vgl. Terr 1991, S. 14ff.):

- Typ-I-Traumata sind einmalige traumatische Ereignisse, wie zum Beispiel Naturkatastrophen, Unfälle, technische Katastrophen und Gewalttaten.
- Typ-II-Traumata sind komplexere Ereignisse, die meist über einen längeren Zeitraum hinweg geschehen. Dazu gehören beispielsweise wiederholte körperliche und/ oder sexuelle Gewalt, Kindesmissbrauch, Geiselhaft etc.

Die Folgen eines Typ-I- und eines Typ-II-Traumata können unterschiedlich sein. In der Fachliteratur wird beschrieben, dass es nach einem Typ-I-Trauma oft zur Herausbildung von Symptomen einer klassischen posttraumatischen Belastungsstörung käme3. Wohingegen es nach einem länger anhaltenden Typ-II-Trauma zu einer komplexeren Symptomatik und weitreichenderen negativen Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung kommen könne4 (vgl. Hecker und Maercker 2015, S. 5; Schmid et al. 2010, S. 48; van der Kolk 2009, S. 574f.). H e rman war die Erste, die die Bezeichnung „komplexe posttraumatische Belastungsstörung“ (Herman 1994, S. 166f.) für die Symptome einer Typ-II-Traumatisierung prägte. Diese Diagnose wurde in die aktuellste Version des ICD-11 aufgenommen5 (vgl. Hecker und Maercker 2015, S. 2). Als Oberbegriff für die verschiedenen Folgen, die Traumata auslösen können, wird in der Literatur häufig der Begriff Traumafolgestörung verwendet. Dieser ist allgemeiner und weiter gefasst, wobei jedoch die Bezeichnungen Traumafolgestörung und traumatische Belastungsstörung synonym häufig verwendet (vgl. Pausch und Matten 2018, S. 6).

Der Begriff der Traumatisierung wird in der vorliegenden Arbeit als Typ-II-Traumatisierung verstanden, da ein Großteil der Kinder und Jugendliche im Kontext der stationären KJH anhaltender physischer, psychischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren und/ oder vernachlässigt wurden. Diese Arten von Traumata werden als Kindesmisshandlung bezeichnet und meist durch Personen im familiären Bezugssystem verursacht (vgl. Metzner et al. 2018, S. 241).

Dass sich sexueller Missbrauch und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen traumatisch auswirken kann, ist naheliegend. Physische und psychische Vernachlässigung wurde dagegen „wegen des eher schleichenden Verlaufs, lange weniger beachtet, obwohl sie wesentlich häufiger vorkommt“ (Ziegenhain 2013, S. 29; vgl. Maercker 2019, S. 119). „Nach Schätzungen von Jugendämtern machen Vernachlässigungen etwa 3/4 aller betreuten Misshandlungsfälle aus“ (Streeck-Fischer 2006, S. 89). Folgendes Beispiel zeigt, wie Vernachlässigung aussehen kann:

„Leon ist zwei und allein zu Hause. Er kann sich nicht aus dem Bett befreien, weil die Brüstung sehr hoch ist und die Stäbe so nah aneinander, dass er den Kopf nicht hindurchzwängen kann. Er hat Hunger und sein Po tut weh, die Windel hätte vor Stunden gewechselt werden müssen. Aber er weint nicht mehr, das ist lange vorbei. Es gibt ohnehin keine Hoffnung auf Änderung. Irgendwann wird vielleicht jemand kommen. Aber das ist nur eine schleierhafte Ahnung“ (Handtke und Görges 2012, S. 56, Herv. i. Orig.).

Es ist wichtig zu erwähnen, dass nicht jedes erlebte Trauma eine Traumafolgestörung im pathologischen Sinne zur Folge hat. Welche Auswirkungen ein traumatisches Ereignis auf einen Menschen hat, hängt stark davon ab, ob und wie die Erfahrungen, die während des traumatischen Ereignisses gemacht wurden, verarbeitet werden können (vgl. ebd., S. 53). Laut Hecker und Maercker gebe es sowohl Schutz- als auch Risikofaktoren für die Herausbildung einer Traumafolgestörung (Hecker und Maercker 2015, S. 7). Mögliche Schutzfaktoren können zum Beispiel Resilienz6 und vertrauensvolle soziale Beziehungen sein. Als Risikofaktoren gelten beispielsweise „eine frühere Traumatisierung in der Biografie, frühe Trennungserlebnisse, psychische und/oder somatische Vorerkrankungen und geringe Ressourcen (Intelligenz, Bildung, sozioökonomischer Status)“ (ebd., S. 7).

2.2 Auswirkung von Traumatisierung auf die (früh-) kindliche Entwicklung und die Lebensspanne

Im vorigen Kapitel wurde allgemein auf die Folgen von Traumatisierung eingegangen und diese medizinisch-diagnostisch eingeordnet. Im Bereich der stationären Hilfen findet sich jedoch vorrangig eine spezielle Zielgruppe: Kinder und Jugendliche. Daher ist es wichtig die Besonderheiten zu beleuchten, die im Zusammenhang mit dieser Zielgruppe in Bezug auf Traumatisierung auftreten. Pausch und Matten erklären, dass traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit bis Jugend „häufig in Phasen der besonderen Verletzbarkeit [fallen] in denen die Persönlichkeit des Betroffenen noch nicht vollständig ausgereift ist“ (Pausch und Matten 2018, S. 6). Diese frühen traumatischen Erlebnisse ziehen zwar nicht unbedingt ein umschriebenes Störungsbild nach sich, dennoch führen sie zu „spezifische[n] und meist schwerwiegende[n] Folgeerscheinungen“ (Streeck-Fischer 2006, S. 2).

Schon Aichhorn stellte in seiner Arbeit mit verwahrlosten Kindern und Jugendlichen7 in Heimeinrichtungen und Erziehungsberatungen Anfang des 20. Jahrhunderts fest, dass diese spezielle Symptome zeigten: „in Erscheinung tritt ein sehr gesteigerter Lusthunger, primitive Form der Triebbefriedigung, Hemmungslosigkeit und verdecktes, aber desto grösseres Verlangen nach Zuneigung“ (Aichhorn 1951, S. 129f.). Das Aichhorns Beobachtungen heute immer noch gelten, zeigt sich beispielsweise bei Schmid. Er schreibt, dass es früh traumatisierten Menschen schwer falle „langfristig zu planen und in die Zukunft zu schauen und sie (…) nicht in der Lage [sind] Belohnungen lange aufzuschieben, was oft dazu führt, dass impulsiv Dinge gemacht werden, die langfristig negative Folgen haben“ (Schmid 2013b, S. 62).

Es wird deutlich: Kinder und Jugendliche mit frühen traumatischen Erfahrungen fallen damals und heute durch ihr Verhalten auf und haben dadurch oft Schwierigkeiten sich an ihr Umfeld anzupassen. Retraumatisierungen und Flashbacks können ohne von außen ersichtlichem Grund auftreten und zu unwillkürlichen Reaktionen führen. Betroffene reagieren in Situationen, die in ihnen Stress auslösen, entsprechend der „Urinstinkte Flucht, Kampf und Erstarrung (…) beispielsweise mit Weglaufen oder Tobsuchtsanfällen“ (Schroeder 2016, S. 213). Viele Traumatisierte stehen außerdem unter dauerhafter Anspannung, denn „erhöhte Wachsamkeit (…) lässt Gefahren schneller erkennen, erhöhte Adrenalinausschüttung erlaubt schnelleres Reagieren und erhöhtes Misstrauen führt zu weniger gefährlichen Situationen durch Mitmenschen“ (Baierl 2016, S. 80).

In den letzten Jahrhunderten wurde der Frage nachgegangen, wie diese Veränderungen im Erleben und Verhalten von traumatisierten Kindern und Jugendlichen erklärt werden könnten. Dank verbesserten bildgebenden Verfahren und Analysetechniken konnte nachgewiesen werden, dass sich Strukturen und die Physiologie des Gehirns aufgrund einer (frühen) Traumatisierung verändern können, da die Gehirnentwicklung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist (vgl. Handtke und Görges 2012, S. 63f.; Streeck-Fischer 2006, S. 174f.; van der Kolk 2009, S. 574f.). Van der Kolk ergänzt, dass „chronische Traumatisierungen (…) die neurobiologische Entwicklung und die Fähigkeit, sensorische, emotionale und kognitive Informationen als Ganzes zu integrieren“, beeinträchtigen8 (van der Kolk 2009, S. 575f.).

Die Professor*in für Kinder- und Jugendpsychiatrie Streeck-Fischer beschreibt in ihrem Buch „Trauma und Entwicklung. Frühe Traumatisierungen und ihre Folgen in der Adoleszenz“ (Streeck-Fischer 2006) ausführlich die neurophysiologischen Auswirkungen, die eine Typ-II-Traumatisierung in der Kindheit auf die Gehirnentwicklung haben kann (vgl. ebd., S. 173). Der Rahmen dieser Arbeit reicht nicht aus, um näher auf die neurophysiologischen Veränderungen einzugehen. Vereinfacht kann jedoch gesagt werden, dass die Stressregulation aufgrund der häufigen Überaktivierung durch eine chronische Traumatisierung gestört ist (vgl. Schroeder 2016, S. 212f.). Hier spielen sogenannte Trigger eine wichtige Rolle:

„In der Arbeit mit traumatisierten Jugendlichen versteht man [darunter] gegenwärtige Reize, die die Jugendlichen an vergangene furchtbare, lebensbedrohlich wirkende Situationen erinnern und zum Wiedererleben der damit verbundenen Gefühle sowie eventuell weiterer Wahrnehmungen führen“ (ebd., S. 214).

Das kann dazu führen, dass es bei der Beantwortung eines Reizes, welcher bei (früh) traumatisierten Menschen als Trigger wahrgenommen wird und für Außenstehende harmlos wirken kann, zu einer akuten Stressreaktion kommen kann. Das bedeutet, dass in eine Art Notfallmodus umgeschaltet wird, in dem mit Flucht, Kampf, Dissoziation9 oder Erstarren reagiert wird, um mit einer vermeintlichen Gefahr umzugehen. Dabei wird der Teil des Gehirns, der für bewusste Entscheidungen zuständig ist und Reize mit vorhandenen Informationen abgleicht und evaluiert, zugunsten einer möglichst schnellen Reaktion umgangen (vgl. Streeck-Fischer 2006, S. 173). Die Art und Intensität dieser Notfallreaktion ist von verschiedenen Faktoren, wie „Temperament, Ausmaß und Dauer des Traumas und vom Stand der Persönlichkeitsentwicklung zum Zeitpunkt der Traumatisierung“ abhängig (ebd., S. 100; vgl. Gahleitner 2010, S. 46).

Diese Verhaltensweisen, welche in akuten Gefahrensituationen das Überleben sichern sollen, sind später im alltäglichen Leben eher hinderlich. Die neurophysiologischen, durch die Traumatisierung bedingten Veränderungen können außerdem weitere unterschiedliche Folgestörungen nach sich ziehen. Zu diesen gehören unter anderem die Störung der Impulskontrolle, der Emotionsregulierung und der Körperwahrnehmung, sowie Bindungsstörungen, Selbstwertprobleme, Dissoziationsneigung und eine dauerhafte Überanspannung (vgl. Schmid 2013a, S. 43). Mittlerweile sind neben den psychischen auch die physischen Langzeitfolgen früher Traumatisierungen durch Studien belegt10 (vgl. Fegert und Petermann 2011, S. 61). Zu den negativen Gesundheitsfolgen gehören u. a. das erhöhte Risiko für Depression und anderen psychischen Störungen, unterschiedliche Krebsarten, das Begehen von Selbstmordversuchen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Leber-, Herz- oder Lungenerkrankungen, Knochenbrüche und Essstörungen (vgl. Felitti et al. 1998, S. 251). Dies zeigt, dass Traumatisierungen von der frühen Kindheit bis zur Jugend umfassende, schwerwiegende Folgen haben können, die sich über die ganze Lebensspanne erstrecken können und dabei oftmals schwer als solche zu diagnostizieren sind (vgl. Herman 1994, S. 218).

2.3 Trauma und stationäre KJH

Nachdem in den beiden vorigen Kapiteln ein Überblick über Traumatisierung und deren mögliche Folgen gegeben wurde, bleibt nun zu bewerten, wie relevant dieses Wissen für die stationäre KJH ist und ob ein spezieller pädagogischer Ansatz in diesem Arbeitsfeld notwendig ist. Damit wird der Bezug zur ersten Forschungsfrage hergestellt. Zur Beantwortung, wird zuerst betrachtet, welche Untersuchungen es über die Zahl der Kinder und Jugendlichen gibt, die in dieser Form der Hilfen zur Erziehung von Traumatisierung betroffen sind. Anschließend geht es um den Zusammenhang zwischen Gesundheitssystem und stationärer KJH in Bezug auf die Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen und die Frage, wer für deren Versorgung zuständig ist. Darauf aufbauend wird auf die Herausforderungen eingegangen, die im pädagogischen Alltag mit lebensgeschichtlich belasteten Kindern und Jugendlichen auftreten.

2.3.1 Zahlen und Fakten

Bausum schreibt, dass „in allen pädagogischen Handlungsfeldern (…) Kinder und Jugendliche anzutreffen [sind], die traumatische Erfahrungen machen mussten“ (Bausum 2016a, S. 304). Gleichzeitig fehlt es in Deutschland insgesamt jedoch an aussagekräftigen und grundlegenden Studien darüber, wie viele Kinder und Jugendliche überhaupt von Kindeswohlgefährdungen und somit potentiellen Traumatisierungen betroffen sind (vgl. Fegert und Petermann 2011, S. 61). Gerade im Vergleich mit vielen anderen Ländern11 ist „die Datenlage in Deutschland (…) sehr mangelhaft“ (ebd. 2011, S. 61). Es gebe hier, so Pillhofer et al., keine systematische Erfassung über die Verbreitung von Kindeswohlgefährdungen12 und bisher auch „keine koordinierte Strategie, um verlässliche Zahlen zu erhalten“ (Pillhofer et al. 2011, S. 64). Dennoch existiert das Problem, dass sich Kinder und Jugendliche in Deutschland in belastenden und traumatisierenden Lebenssituationen befinden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend konstatiert dazu im 13. Kinder und Jugendbericht:

„Auch wenn es keine verlässlichen Daten über die tatsächliche Anzahl traumatisierter Kinder und Jugendlicher in Deutschland gibt, so weisen alle Erfahrungen aus der Praxis darauf hin, dass man es mit einem bislang viel zu wenig beachteten Problem zu tun hat“ (BMFSFJ 2009, S. 238).

In diesem Zusammenhang beklagen auch Fegert et al. „ein extrem großes Dunkelfeld nicht erkannter Kindheitstraumata und falsch oder unterdiagnostizierter posttraumatischer Stressbelastungen“ (Fegert et al. 2013, S. 310; vgl. Herman 1994, S. 218) Es wäre daher wünschenswert, wenn auch in Deutschland Strategien entwickelt würden, um mehr Licht in dieses Dunkelfeld zu bringen.

Wie hoch der Anteil traumatisierter Kinder und Jugendlicher in der stationären KJH in Deutschland ist, lässt sich daher ebenfalls nicht genau sagen. Es gibt aber beispielsweise britische und US-amerikanische Studien, welche die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in stationären Kontexten untersuchen und somit eine Orientierung diesbezüglich geben können. Diese Studien kommen zu dem Ergebnis, dass über 60% der untergebrachten Kinder und Jugendlichen Missbrauchs-, Misshandlungs- und/ oder Vernachlässigungserfahrungen gemacht haben (vgl. Meltzer et al. 2003, S. 21f.; Burns et al. 2004, S. 963). Ein weiteres Ergebnis der Studien besagt, dass der Anteil an Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen und Auffälligkeiten bei über 45% liege (vgl. Meltzer et al. 2003, XII; Burns et al. 2004, S. 960). Diese Zahlen deuten noch einmal auf den Zusammenhang von (früher) Traumatisierung und der Herausbildung psychischer Auffälligkeiten bzw. Erkrankungen hin.

In Deutschland wurde 2005 eine Studie zur psychiatrischen Versorgung von psychisch belasteten Heimkindern durchgeführt. Diese kam zu einem ähnlichen Ergebnis wie die britischen und US-amerikanischen Studien: bei ca. 60% der fremdplatzierten Kinder und Jugendlichen konnte eine psychische Störung mit ICD-10 Diagnose nachgewiesen werden (vgl. Fegert et al. 2005, S. 633). In den britischen und US-amerikanischen Studien korrelierten außerdem die Zahlen der untersuchten Kinder und Jugendlichen, die mit einer psychischen Erkrankung diagnostiziert wurden, mit den schwierigen Bedingungen in den Herkunftsfamilien und den initialen Gründen für die Inobhutnahmen (z.B. Missbrauch, Vernachlässigung, Gewalt, u. a.) (vgl. Meltzer et al. 2003, XII; Burns et al. 2004, S. 963). Ob auch ein Großteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, stark belastende Erfahrungen machen mussten, welche die psychischen Störungen bedingen könnten, kann nur vermutet werden.

Es kann demnach festgehalten werden, dass es zwar keine umfassenden Studien zu traumatisierten Kindern und Jugendlichen in Deutschland allgemein und speziell im Kontext der stationären Hilfen gibt, aber in der Fachwelt Einigkeit darüber herrscht, dass das Thema mehr Beachtung finden muss (vgl. BMFSFJ 2009, S. 238). Es wird aufgrund von Praxiserfahrung und internationalen Studien davon ausgegangen, dass Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der KJH, die in frühen Jahren verschiedenste traumatische Erfahrungen machen mussten und „bei denen psychische Belastungen und Störungen [vorliegen,] eher die Regel, denn die Ausnahme sind“ (Ziegenhain 2013, S. 31f.). Auch wenn nicht jedes Kind, welches in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe untergebracht ist, an den Folgen einer Traumatisierung leidet (vgl. Kühn 2006, S. 9), sollten die „traumatische[n] Erfahrungen von Jungen und Mädchen nicht außer Acht“ (Bausum 2016a, S. 304) gelassen werden, wenn die Hilfen gelingen sollen.

2.3.2 Vernetzung von Gesundheitswesen und Jugendhilfe

Die Kinder und Jugendlichen, die an den Folgen von Traumatisierung leiden, brauchen eine adäquate Versorgung. Momentan herrscht in Deutschland jedoch häufig Uneinigkeit über die Zuständigkeiten und die Frage, wer die Versorgung finanziert (vgl. Fegert et al. 2013, S. 313). Weitere Probleme sind „der fehlende Eingang aktuellen Fachwissens in die Praxis und die nicht stattfindende flächendeckende Implementierung evidenzbasierter Hilfemaßnahmen“ (ebd., S. 313).

Im Bereich der stationären Hilfen fällt auf, dass die multiplen Probleme, die sich aus dem Verhalten von traumatisierten Kindern und Jugendlichen ergeben, oft zu einer Überforderung von Fachkräften führen. Es ist notwendig, dass diese Fachkräfte Wissen haben, um das auffällige Verhalten einzuordnen. Zusätzlich brauche es Reflexionsräume, in denen „Vermutungen ausgetauscht und reflektiert werden können und im gemeinsamen Abwägen entschieden wird, ob ein Kind von Fachleuten [der Psychologie, Anm. d. Verf.] diagnostiziert und gegebenenfalls behandelt werden sollte“ (BMFSFJ 2009, S. 239). Da die Diagnose einer möglichen Traumafolgestörung im Arbeitsfeld der Psychologie bzw. Psychiatrie stattfindet, liegt das Verlangen von Seiten der stationären Einrichtungen der KJH nahe, auch die Behandlung ausschließlich den Fachkräften der Psychologie und Psychiatrie zu überlassen. Schmid sieht in diesem Vorgehen jedoch folgende Schwierigkeit:

„Der Wunsch nach Therapie ist prinzipiell richtig und sehr sinnvoll, kann aber für einen pädagogischen Prozess dann zum Problem werden, wenn dieser Fall fortan als rein psychiatrisch/psychotherapeutischer Fall definiert wird“ (Schmid 2013a, S. 42).

Er erläutert weiter, dass es wichtig sei, eine „gemeinsame Falldefinition zwischen dem pädagogischen Team und der Psychotherapie“ (ebd., S. 42) zu finden und sich die pädagogischen Fachkräfte weiterhin aktiv bemühen müssten, damit sich auch das Alltagsverhalten eines Kindes ändere (ebd., S. 42). Denn „das Wesentliche an Entwicklung [soll] zwischen den Therapiestunden, sozusagen in der alltäglichen Umsetzung stattfinden“ (Kühn 2006, S. 4; Herv. i. Orig.). In der stationären KJH werde der größte Teil der Traumaversorgung von Fachkräften aus dem Bereich der Sozialen Arbeit und (Heil-)Pädagogik gestaltet. Gerade in diesem Arbeitsbereich seien die Problemlagen häufig komplex und „mit anderen Komorbiditäten und sozialen Benachteiligungsaspekten vermengt“ (Gahleitner 2013, S. 52).

Um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten ist daher eine gute Kooperation zwischen den psychosozialen Fachdisziplinen und die Anwendung von Fachwissen im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen notwendig. Diese Punkte werden in Deutschland bisher jedoch nur unzureichend umgesetzt (vgl. Fegert et al. 2005, S. 629; BMFSFJ 2009, S. 240). Im 13. Kinder- und Jugendbericht wird zusammengefasst, dass es an „vorhandenen interdisziplinären und -professionellen Angebote[n], in denen sich stabile pädagogische Settings und therapeutische Unterstützung gegenseitig ergänzen“ (BMFSFJ 2009, S. 240) fehle.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass bei festgestelltem Therapiebedarf von Kindern und Jugendlichen eine zeitnahe Therapie durch eine Kinder- und Jugendpsycholog*in nicht gewährleistet werden kann. Dies kommt daher, dass es nicht genug Therapieplätze gibt, die den Bedarf decken würden. Bei den Therapieplätzen, die es gibt, besteht außerdem das Problem, dass häufig empirisch abgesicherte evidenz- basierte Behandlungsformen fehlen (vgl. Fegert et al. 2013, S. 301f.).

Die Folge dieser bisher unzureichenden Versorgung und der unklaren Versorgungszuständigkeit kann für die betreffenden Kinder und Jugendlichen dramatisch sein. Fegert et al. sprechen von einem „Drehtür-Effekt“ (Fegert et al. 2005, S. 629) zwischen Heimen und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Kinder und Jugendliche, die an den Folgen von Traumatisierung leiden, zeigen häufig ein Beziehungs- und Sozialverhalten, welches Fachkräfte aus allen Arbeitsbereichen13 überfordert, weil selbst kleinste Konflikte sehr schnell eskalieren können. In diesen Fällen verspricht eine Übergabe des Kindes oder Jugendlichen in die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine enorme Entlastung. Dieses Hin- und Herschieben zwischen den Institutionen führt jedoch zu immer weiteren Beziehungsabbrüchen und eventuell zu Einrichtungswechseln (vgl. ebd., S. 629; Schmid 2013a, S. 39). Damit einhergehend kann bei den jungen Menschen mit belastenden Lebensumständen das Gefühl entstehen nirgendwo gewollt zu sein. Gerade Kinder und Jugendliche, deren Vertrauen in die Welt und in zwischenmenschliche Beziehungen schon erschüttert ist, brauchen ein Hilfesystem, welches gut auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist und nicht eines, welches ihre eher misstrauische und negative Sicht auf die Welt noch bestärkt (vgl. Gahleitner 2010, S. 48).

2.3.3 Implikationen für den pädagogischen Alltag in der stationären KJH

In den Einrichtungen der stationären KJH befinden sich Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Kindeswohlgefährdung akut bedroht waren und/ oder bei denen „ambulante Hilfen entweder bereits gescheitert sind oder aufgrund der Schwere der psychosozialen Belastung der Familie wenig erfolgsversprechend [schienen]“ (Schmid 2013b, S. 77). Die Heimerziehung steht am Ende einer Hierarchie von Hilfen und wird auch aufgrund der Kostenintensität oftmals erst als eine Art letzte Instanz eingesetzt, wenn nichts anderes mehr in Frage kommt (vgl. Schmid 2013a, S. 40). Kinder, die traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren und davon psychisch belastet sind, sind daher eher die Regel als die Ausnahme (siehe Kapitel 2.1).

Es gibt in Deutschland bereits traumapädagogische Intensivwohngruppen14, aber es sind zu wenige, um alle lebensgeschichtlich belasteten Kinder und Jugendlichen unterzubringen (vgl. Schmid 2013b, S. 77; Schmid et al. 2017, S. 200). Leben mehrere Kinder und Jugendliche mit ähnlicher Problematik in Regelwohngruppen zusammen, habe dies besondere Implikationen (vgl. Gahleitner et al. 2016, S. 116). Beispielsweise wirke es sich auf die Gruppendynamik aus, wenn „einzelne oder alle Mitglieder einer Gruppe traumatische Erfahrungen gemacht [hätten]“ (Bausum 2016a, S. 305). Kühn fasst die Probleme, die unter den Bewohner*innen auftreten können, folgendermaßen zusammen:

- „hohes Gefährdungspotential durch gegenseitige Triggerung und Reinszenierung
- die Unterbringung in der stationären Jugendhilfe kann u.U. zu weiteren Retraumatisierungen führen und die Symptomatik bzw. eine vorhandene Belastungsstörung so verstärken
- Etablierung paralleler, ‚grauer‘ Gewalt­ und Hierarchiestrukturen unter den Kindern und Jugendlichen, auf die PädagogInnen oftmals nur wenig Einfluss haben“ (Kühn 2006, S. 17)

Bausum ergänzt, dass es dazu kommen könne, dass sich Kinder und Jugendliche isolieren oder andere Bewohner*innen manipulieren, um auf diese Weise zu „versuchen für sich selbst Sicherheit und Kontrollierbarkeit herzustellen“ (Bausum 2016a, S. 305). Da viele traumatisierte Kinder und Jugendliche zusätzlich Schwierigkeiten darin haben sich selbst zu regulieren, sind sie oft unsicher, wie sie sich in sozialen Kontexten und Konflikten verhalten sollen. Diese Unsicherheit versuchen sie „über Isolation und Manipulation zu kompensieren und [sind] weit davon entfernt (…), sich in sozialen Kontakten selbstwirksam zu erleben“ (ebd., S. 305). In den aktuellen pädagogischen Diskursen werden die Auswirkungen, die es beispielsweise auf die Gruppendynamik haben kann, wenn ein oder mehrere Mitglieder einer Gruppe an den Folgen von Traumatisierung leiden, bisher wenig beachtet15 (vgl. ebd., S. 304). Zu diesen Dynamiken, die in Gruppen entstehen können, kommen die individuellen Traumafolgestörungen, welche sich in Art und Intensität stark unterscheiden können. Wie in Kapitel 2.2 beschrieben, entwickelt sich nicht bei jedem Kind ein umschriebenes Störungsbild. Dennoch können Folgen wie Albträume, Einschlafprobleme, mangelnde Impulskontrolle, Ruhelosigkeit, Konzentrationsprobleme, Schwierigkeiten in der Schule, sozial unpassendes Verhalten, Tagträume, allgemeine Ängste und Ähnliche auftreten (vgl. Streeck-Fischer 2006, S. 96). Gerade wenn die Folgen einer Traumatisierung sich nicht so deutlich auswirken, dass sie als solche erkannt und daher psychotherapeutisch behandelt werden, können sie leicht übersehen oder als bewusst provozierendes Verhalten missinterpretiert werden:

„Erwachsene sehen die Feindseligkeit, das Schweigen oder andere Reaktionen von misshandelten Kindern oder Jugendlichen als Antworten auf gegenwärtige Ereignisse, statt sie als konditionierte Reaktionen auf Erinnerungen aus der Vergangenheit zu erkennen“ (ebd., S. 100).

Der Fachbegriff für diese Reaktionen, die sich eigentlich auf ein Ereignis oder eine Person aus der Vergangenheit richten und dann in die Gegenwart transferiert werden, stamme aus der Psychoanalyse und laute Übertragung (vgl. Herman 1994, S. 203). Aichhorn wendet ihn, neben der Patient*innen-Therapeut*innen-Beziehung, auch gezielt auf die Beziehung zwischen Kindern und Erzieher*innen in der Führsorgeerziehung an, welche mit der stationären KJH vergleichbar ist (vgl. Aichhorn 1951, S. 102). Im pädagogischen Alltag mit traumatisierten Kindern kann es immer wieder zu Übertragungen kommen (vgl. Kessler 2016b, S. 282). Folgendes Beispiel verdeutlicht, dass die Intensität von Übertragungen sehr unterschiedlich ausfallen kann und sich nicht immer durch einen Impulsdurchbruch o. Ä. bemerkbar macht:

„Tobias’ alleinerziehende Mutter war aufgrund eigener Belastungen nicht in der Lage, ihn und seine Geschwister zu versorgen. Tobias’ Erleben, dass Erwachsene nicht in der Lage sind, ihn zu versorgen, bringt er in vielen Situationen in der Wohngruppe zum Ausdruck. Er macht alles alleine und harscht die Pädagog/innen an, sie sollen sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Die Beziehung zu den Pädagog/innen scheint gestört durch die von Misstrauen, Angst und Ohnmacht geprägte Bindungserfahrung“ (Kessler 2016b, S. 283, i. Orig. kursiv).

Übertragungen haben auch Auswirkungen auf die Person, auf die etwas übertragen wird. Die Art und Weise, wie auf eine Übertragung reagiert wird, heißt Gegenreaktion oder Gegenübertragung. Aichhorn beschreibt die Gegenreaktion als „Gefühlsbeziehungen des Fürsorgeerziehers zu seinem Zögling“ (Aichhorn 1951, S. 102). Gegenreaktionen beeinflussen Fachkräfte in ihrem professionellen Handeln, da sie meist unbewusst passieren. Sie können sich durch Körperreaktionen, Gefühle, Handlungsimpulsen, Gedanken und Sinneswahrnehmungen äußern. Beispielweise können es Gefühle von Wut oder Hilflosigkeit sein oder Erinnerungen aus der eigenen Vergangenheit, die durch eine Übertragung ausgelöst werden (vgl. Kessler 2016a, S. 125f.). Laut Herman seien Übertragungs- und Gegenübertragungsreaktionen in der Arbeit mit traumatisierten Menschen unvermeidlich. Des Weiteren geht sie davon aus, dass sie sich zwangsläufig negativ auf den Aufbau von (therapeutischen) Beziehungen auswirken würden (vgl. Herman 1994, S. 203).

Ein weiterer Aspekt ist der Umgang mit Regeln. Gerade in Heimen gibt es klare Regeln und Abläufe, mit dem Ziel Stabilität und Sicherheit für die Bewohner*innen und Fachkräfte zu gewährleisten. Werden aber die gleichen Regeln auf alle Bewohner*innen angewandt, führe dies laut Schmid zwangsläufig zu Problemen (vgl. Schmid 2016, S. 87). Er geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Traumatisierung in ihrer Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit eingeschränkt sind, mit sehr starren Gruppenregeln oft überfordert seien. Eine Beziehungsgestaltung, die von Wertschätzung und Transparenz geprägt sein sollte, ließe sich durch „Sanktionen und Drohungen leicht untergraben“ (ebd., S. 87). Bausum führt in diesem Zusammenhang aus, dass es in der pädagogischen Arbeit mit traumatisierten Kindern wenig zielführend sei, diese unter Druck setzen zu wollen: „in der Regel sind die pädagogischen Fachkräfte weder Willens noch in der Lage, den Druck aufzubauen, den diese Kinder gewohnt waren auszuhalten“ (Bausum 2016b, S. 315, i. Orig. kursiv). Das Durchsetzen von starren (Gruppen-)Regeln mittels Sanktionen ist daher selten zielführend. Werden Regeln nicht gemeinsam zwischen den Personen, die sie betreffen und die miteinander in Beziehung stehen, ausgehandelt, werden sie weniger verinnerlicht, da sie „oft keine direkte Bedeutung (…) für die Beziehungen [haben]“16 (Schmid 2016, S. 87). Allgemein zeigt sich in der Betreuung von lebensgeschichtlich belasteten Kindern und Jugendlichen, dass sonst wirksame Methoden und Herangehensweisen zum Teil ins Leere laufen. Im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass sich Fehlverhalten noch verstärkt und „Beziehungsabbrüche eskalieren“ (Schmid et al. 2007, S. 340). Folgendes Praxisbeispiel verdeutlicht, wie unvermittelt es im pädagogischen Alltag zu einem Impulsdurchbruch kommen kann, welcher die Beziehung zwischen den Beteiligten stark belasten kann:

„Die zehnjährige Tamara17 lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in einer Kinderwohngruppe. Sie wurde in ihrer Herkunftsfamilie vernachlässigt und körperlich misshandelt. Wegen Impulsdurchbrüchen wurde sie schon mehrfach von der Schule suspendiert und auch in der Wohngruppe kommt es immer wieder zu Vorfällen, wie z. B. gewaltvollen Konflikten. An einem Abend weigerte sich Tamara den Tisch nach dem Abendessen mit den anderen Kindern abzuräumen. Ihrer Anspannung machte sie durch schnelles Herumlaufen und Knurren Luft. Die Diensthabende Pädagog*in schlug ihr vor, eine Auszeit in ihrem Zimmer zu nehmen, um sich zu beruhigen. Darauf ließ sie sich nicht ein. Sie rannte ins Badezimmer und kniff einem Kind, welches dort gerade Zähne putzte in den Arm. Danach ging sie in eines der Kinderzimmer und warf mit Gegenständen um sich. Dabei reagierte sie nicht auf die beruhigenden Worte der Pädagog*in. Sie war rastlos, wollte mehrfach auf andere Kinder losgehen und schlug auf die Pädagog*in ein“ (GENERATIONENHOF 2020).

Eine solche oder ähnliche Situationen bedeuten für alle Beteiligten enormen Stress. Die anderen Kinder der Wohngruppe haben Angst oder werden sogar körperlich in Mitleidenschaft gezogen. Das Kind, welches den Impulsdurchbruch hat, erleidet einen Kontrollverlust und muss danach einen Umgang mit den Konsequenzen finden. Die Fachkräfte erleben Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Selbstunwirksamkeit (vgl. Schmid 2013a, S. 42). Alles in allem lässt sich sagen, dass der spezielle pädagogische Bedarf und die vielschichtigen Traumafolgestörungen, die viele Kinder und Jugendliche, die in stationären Einrichtungen der KJH leben, mitbringen, die klassische Heimerziehung an ihre Grenzen bringe (vgl. Schmid et al. 2017, S. 224). Auch für die Fachkräfte hat dies negative Auswirkungen. Die komplizierten Beziehungsdynamiken müssen stets reflektiert werden, was emotional sehr fordernd sein kann. Damit einhergeht die hohe Arbeitsbelastung, die „unattraktive[n], schwer mit einem Familienleben zu vereinbarende Arbeitszeiten sowie eine nicht gerade üppige Bezahlung“ (Schmid 2013b, S. 69). Daher müsse traumaspezifisches Wissen eine größere Rolle in der Ausbildung von Professionen spielen, deren Zielgruppe lebensgeschichtlich belastete Menschen sind (vgl. Fegert et al. 2013, S. 313).

3 Was ist Traumapädagogik?

Die Herausforderungen in der stationären Betreuung von lebensgeschichtlich belasteten Kindern und Jugendlichen sind zwar, wie in den vorigen Kapiteln beschrieben, sehr komplex, gleichzeitig stellt dies jedoch keine neue Erkenntnis dar. Die Schriften von Aichhorn, Bettelheim, Redl und deren Zeitgenoss*innen machen deutlich, dass es diese Herausforderungen schon lange vor der heutigen Zeit gab und mit ihnen umgegangen wurde. Traumapädagogik als Ansatz hat sich dahingegen erst Mitte der 90er Jahre entwickelt (Weiß 2011, S. 260). Im folgenden Kapitel soll daher geschildert werden, wofür Traumapädagogik steht, wie es zu ihrer Entstehung kam und was ihre Wurzeln sind. Anschließend werden ihre Grundsätze und Standards beschrieben.

[...]


1 Mehr Informationen und Hintergründe unter https://www.systemsprenger-film.de/ (letzter Zugriff: 25.05.20)

2 Die stationäre KJH ist ein Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit und bezieht sich in dieser Arbeit, sofern nicht anders bezeichnet, auf stationäre Einrichtung der KJH nach SGB VIII §34, wie z.B. Kinderheime, Kinder- und Jugendwohngruppen u. Ä.

3 Zu den Symptomen gehören u. a. „Wiedererleben in der Gegenwart (z.B. Flashbacks oder Albträume), Vermeidungsverhalten und Übererregung“ (Hecker und Maercker 2015, S. 25).

4 Zum Beispiel: „Emotionsregulationsprobleme, Selbstkonzeptveränderungen, Probleme der Beziehungsfähigkeit, Dissoziationsneigung“ (Hecker und Maercker 2015, S. 25).

5 Laut dem Deutschen Ärtzeblatt trete das ICD-11 Anfang Januar 2022 in Deutschland in Kraft (vgl. DEUTSCHE ÄRZTEBLATT 2019).

6 „Als Resilienz wird die psychische Widerstandsfähigkeit verstanden, die dazu führt, dass es trotz Exposition mit traumatischen Erlebnissen bei einigen Personen nicht zur Ausbildung von psychischen Störungen kommt.“ (Hecker und Maercker 2015, S. 8).

7 Aichhorns Herleitung der Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen kann mit den Folgen von Traumatisierung verglichen werden (er berichtet z.B. von Kindern, die ihre Eltern sterben sahen, Gewalt in der Familie erlebt haben, Elterlichen Konflikten ausgesetzt waren, Vernachlässigung erlebt haben u. Ä.) (vgl. Aichhorn 1951).

8 Neben erlebten Traumata haben auch die frühen Bindungsbeziehungen einen großen Einfluss auf die Entwicklung von wesentlichen sozialen und emotionalen Kompetenzen. „Gemäß bindungstheoretischen Annahmen entwickeln sich (…) [die] Fähigkeit, die Intensität von Gefühlen und Impulsen zu regulieren bzw. der Umgang mit Stress in frühen Bindungsbeziehungen“ (Ziegenhain 2013, S. 30). Bei frühkindlichen Traumata sind häufig die Eltern oder andere nahestehende Personen beteiligt. Erlebte Traumata hängen damit häufig mit einer unsicheren Bindung zusammen (vgl. Gahleitner et al. 2016, S. 116f.). Der Umfang dieser Arbeit reicht nicht aus, um tiefer auf Bindungstheorien im Zusammenhang mit frühkindlichen Traumata einzugehen. Bei Streeck-Fischer gibt es weiterführende Informationen zu diesem Thema (vgl. Streeck-Fischer 2006, S. 152ff.).

9 Dissoziation ist im Kontext von Traumatisierung als Schutz- und Copingmechanismus zu verstehen. Die schmerzhaften oder überwältigenden Erlebnisse während einer traumatischen Situation werden dissoziiert, d.h. abgespalten und somit nicht mehr wahrgenommen (vgl. Putnam 1993, S. 40). Dies ermöglicht einem traumatisierten Kind die Vorstellung „das erlittene Trauma sei nicht ihm, sondern ‚einem anderen‘ passiert“ (Reddemann et al. 2006, S. 197). Eine dissoziative Störung kann als Folge von Typ-II-Traumata entwickelt werden und kann bei Kindern und Erwachsenen zu folgenden Symptomen führen: Amnesie, Störungen der Selbstwahrnehmung, trance-ähnlichen Zuständen, Stimmungsschwankungen, Verhaltensänderungen, plötzlicher Verlust von Wissen und Fähigkeiten, auditive und visuelle Halluzinationen und das Einbilden eines imaginären Freundes (vgl. Putnam 1993, S. 39).

10 Die bisher wichtigste Studie in diesem Zusammenhang ist die US-amerikanische ACE-Studie (ACE steht für ‚Adverse Childhood Experiences‘). Diese Studie untersuchte über 17.000 Erwachsene bezüglich Traumatisierungen in der Kindheit und deren Folgewirkungen. Die Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Kindheitstrauma und der späteren Gesundheit der Betroffenen im Erwachsenenalter auf (vgl. Felitti et al. 1998, S. 245).

11 Beispielsweise gibt es in den „USA, Kanada, Australien, Neuseeland und England bereits nationale Datenregister zur Häufigkeit von Kindesmisshandlungen und -vernachlässigung“ (Pillhofer et al. 2011, S. 64).

12 Pillhofer et al. führten daher eine Metaanalyse der öffentlich frei zugänglichen Daten (z.B. polizeiliche Kriminalstatistik, Kinder- und Jugendhilfemaßnahmenstatistik, familiengerichtliche Beschlüsse nach den §§1666, 1666a BGB) durch (vgl. Pillhofer et al. 2011).

13 Außer den Bereich der stationären Kinder- und Jugendhilfe gehören beispielsweise Kindertageseinrichtungen, Schulen, Hort, Vereine, offene Kinder- und Jugendtreffs u.v.m. dazu.

14 Diese zeichnen sich durch ein traumapädagogisches Konzept und einem sehr guten Betreuungsschlüssel aus (Schmid et al. 2017, S. 198).

15 Pädagogen, wie Fritz Redl, August Aichhorn u. A. haben sich schon Anfang bis Mitte des 20. Jhd. mit dieser Thematik beschäftigt, ihre Erkenntnisse gerieten jedoch nach Ende des zweiten Weltkrieges weitgehend in Vergessenheit und gelangen nun wieder verstärkt in den Fokus von Pädagog*innen (siehe Kapitel 3.2).

16 Dies gilt nicht nur speziell für die Beziehung zwischen Fachkraft und traumatisierten Kindern und Jugendlichen, sondern auch allgemein.

17 Name, Alter und kleinere Details aus Datenschutzgründen geändert.

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Traumatisierte Kinder in der stationären Kinder- und Jugendhilfe
Untertitel
Traumapädagogik als Ansatz in der alltäglichen Praxis
Hochschule
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
66
Katalognummer
V1324479
ISBN (Buch)
9783346820495
Sprache
Deutsch
Schlagworte
traumatisierte, kinder, kinder-, jugendhilfe, traumapädagogik, ansatz, praxis
Arbeit zitieren
Carola Marti (Autor:in), 2020, Traumatisierte Kinder in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1324479

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