Erörterung von Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit innerhalb globaler Lieferketten am Beispiel der Automobilbranche


Seminararbeit, 2022

21 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Zielsetzung & Aufbau der Arbeit
1.3 Methodik

2 Inhaltliche und begriffliche Grundlagen
2.1 Supply Chain Management
2.2 Supply Chain Resilienz
2.3 Reaktionsfähigkeit einer Supply Chain

3 Messung der Reaktionsfähigkeit

4 Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit
4.1 Informationsaustausch entlang der Supply Chain
4.2 Materialfluss innerhalb der Supply Chain
4.3 Lieferantenmanagement der Supply Chain

5 Fazit

Abkürzungsverzeichnis

ATO Assemble-to-Order

BCM Business Continuity Management

bspw beispielsweise

bzw beziehungsweise

ETO Essemble-to-Order

MTO Make-to-Order

MTS Make-to-Stock

SC Supply Chain

SCM Supply Chain Mangement

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Verschiedene Produktionskonzepte in Abhängigkeit des KAEP

1 Einleitung

Die Einleitung wird mit der Motivation eröffnet, welche die Relevanz des Themas aufgreift. Gefolgt wird diese von der Zielsetzung und dem Aufbau der Arbeit. Das Kapitel wird mit der Methodik ge­schlossen.

1.1 Motivation

Auf Situationen schnell reagieren zu können, gewinnt in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung. Auf eine Supply Chain (SC) wirken verschiedenste Einflussfaktoren ein. Auf all diese Einflüsse muss ein jedes Mitglied der Lieferungskette reagieren können. Veränderungen kommen in immer kürzeren Zyklen, wodurch eine hohe Reaktionsfähigkeit einer SC immer mehr an Bedeu­tung gewinnt. Durch eine ausgeprägte Reaktionsfähigkeit können bspw. Kundenanforderungen oder andere Veränderungen schneller berücksichtigt werden. Die Reaktionsfähigkeit kann im direkten Wettbewerbszusammenhang betrachtet werden. Weist eine SC eine enorm kurze Reaktionszeit auf, kann diese sich durch diese Eigenschaft vom Wettbewerb abheben. Ist diese Zeit jedoch sehr langwierig, kann eine Lieferkette demnach nicht schnell genug auf Veränderungen reagieren, wodurch der Wettbewerb mit Hilfe einer schnelleren Reaktion einen Vorteil erlangt.

Besonders im Automobilbereich stieg die Notwendigkeit einer hohen Reaktionsfähigkeit über die letzten Jahre deutlich an. Dieser Industriezweig wird lange Zeit als sehr beständig angesehen, doch hat sich dies in den vergangenen Jahren stark verändert. Damit ein Automobilunternehmen wettbe­werbsfähig ist, reicht es nicht mehr aus nur eine eigene hohe Reaktionsfähigkeit aufzuweisen. Es ist erforderlich, dass alle Beteiligten der SC Ihre Reaktionszeit verkürzen. Die Weiterentwicklung der Branche ist auf die vielen verschiedene Einflussfaktoren zurückzuführen. Zu den stärksten Faktoren zählen die wirtschaftliche Entwicklung, politische Entscheidungen, Veränderung der Kundenbedürf­nisse, Umweltaspekte als auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen (Autoteile-Markt.de, 2020). Der Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung wurde 2015 durch den Abgasskandal besonders her­vorgehoben. Hierbei sind Daten manipuliert worden, wodurch gesetzliche Grenzwerte eingehalten werden konnten und somit gewisse Fahrzeuge fälschlicherweise eine Marktzulassung erhalten haben (ADAC, 2021). Die Veröffentlichung dieser Vergehen hatte Auswirkung auf die gesamte Automobilbrache samt deren SC. Der öffentliche Druck ist erhöht worden, Kundenanforderungen haben sich verändert, Prüfabläufe mussten angepasst werden, Fahrzeuge mussten zurückgerufen werden und noch weitere Maßnahmen waren erforderlich. Demnach hat die SC schnell und agil auf die Veränderungen reagieren und passende Vorgehensweisen festlegen müssen.

Dass nicht nur direkte Einflussfaktoren, wie ein Skandal eine Folge für die gesamte SC haben, wird durch die Antidumpingmaßnahmen 2021 deutlich. Am 16.06.2021 sind durch die europäische Kom­mission neuen Antidumpingmaßnahmen für Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit dem Warenursprung Volksrepublik China veröffentlicht worden (Durchführungsverordnung (EU) 2021/970, 2021). Die betroffenen Verbindungselemente sind bei der ersten Betrachtung nicht direkt der Automobilbrache zuzuordnen. Jedoch fallen unter diese Elemente unter anderem Schrauben, Scheiben, Muttern und ähnliche Ware, welche für den alltäglichen Herstellungsprozess notwendig sind. Folglich hat die Erhöhung dieser Einfuhrabgaben eine erhebliche Auswirkung auf die Auto­mobilindustrie, da bspw. ein Anstieg der Einkaufspreise erfolgt ist. Diese Erhöhung muss durch andere Maßnahmen schnellstmöglich ausgeglichen werden. Demzufolge hat eine SC mit einer geringen Reaktionsfähigkeit möglicherweise einen höheren wirtschaftlichen Schaden zu erwarten, als eine SC mit einer kurzen Reaktionszeit. Das Bundesamt für Wirtschaft und Klimaschutz bestätigt die Abhängigkeit der Automobilindustrie von anderen Branchen, wie den Verbindungselementen. Dieses gibt folgendes Statement ab „die Fahrzeugfertigung erfordert den Zukauf von Teilen, Kom­ponenten und Rohstoffen, sodass auch Branchen, die vordergründig wenig mit dem Automobilbau zu tun haben, an der Herstellung von Kraftfahrzeugen beteiligt sind und davon profitieren’ (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2022). Insofern haben alle Marktverän­derungen, die im Zusammenhang mit einem Mitglied der SC einher gehen, Konsequenzen für die gesamte Lieferkette. Angesichts der hohen Anzahl von Schnittstellen in einer SC wird eine gesamt- heitliche hohe Reaktionsfähigkeit immer bedeutsamer.

Durch die soeben dargestellten Ereignisse wird ersichtlich, dass prinzipiell eine hohe Reaktions­fähigkeit der Supply Chain empfehlenswert ist. Anlässlich der vielen Schnittstellen innerhalb der Automobilbrache ist in diesem Industriezweig eine schnelle Reaktionszeit innerhalb der SC von be­sonderer Notwendigkeit, da diese zu einem Wettbewerbsvorteil führen kann.

1.2 Zielsetzung & Aufbau der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es Kennzahlen zur Einschätzung der Reaktionsfähigkeit einer SC zu benennen, um anschließend Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit einer SC zu ermit­teln. Diese Faktoren werden anhand der Automobilbrache behandelt, da hier eine enorme Relevanz besteht. Auf Basis dieser Zielsetzungen lässt sich folgende Forschungsfrage formulieren: Wie kann eine hohe Reaktionsfähigkeit entlang der Supply Chain erreicht werden?

In der Ausarbeitung sollen demnach zukünftige Erfolgsfaktoren zur Reduzierung der Reaktionszeit ermitteln werden. Jedoch ist es kein Ziel der Arbeit einen Umsetzungsplan zu erstellen.

Die Abhandlung beginnt mit einer Einleitung, um auf das Thema der Reaktionsfähigkeit einer Supply Chain hinzuführen. Es wird Bezug auf die Automobilbranche genommen, da besonders in diesem Wirtschaftssektor die Relevanz der Reaktionsfähigkeit deutlich wird. Darauffolgend wird die Zielset­zung festgelegt und der Aufbau der Arbeit erörtert. Das Kapitel wird mit der Methodik abgeschlossen. Im Kapitel 2 der Arbeit wird zuerst die begriffliche Grundlage geschaffen. Es werden die später relevanten Fachbegriffe erläutert und eingegrenzt. Im darauffolgenden Kapitel werden einzelne Kennzahlen zur Einschätzung der Reaktionsfähigkeit einer Supply Chain behandelt. Diese Kenn­zahlen dienen dazu, eine Aussage hinsichtlich der Reaktionsfähigkeit einer Lieferkette tätigen zu können. Nur wenn eine Supply Chain eine Einschätzung hinsichtlich Ihrer aktuellen Reaktionsfähig­keit hat, kann an dieser etwas verändert werden. Wie eine Supply Chain ihre Reaktionsfähigkeit optimieren kann, wird im Kapitel 3 behandelt. Es werden Maßnahmen aus verschiedenen Supply Chain Bereichen anhand der Automobilebranche erläutert. All diese sollen als Auswirkung eine Stei­gerung der Reaktionsfähigkeit aufweisen. Abgeschlossen wird die Ausarbeitung mit einem kurzen Fazit.

1.3 Methodik

Bei der zugrundeliegenden Ausarbeitung wurde qualitativ recherchiert, um die Forschungsfrage zu beantworten. Die qualitative Forschung sammelt Daten und Informationen zu einem bestimmten Themengebiet. Demnach werden keine eigenen Untersuchungen und Erhebungen durchgeführt, sondern bestehende Daten gesammelt und ausgewertet. Für die qualitative Forschung bestehen verschiedenste Methoden in der vorliegenden Arbeit wurde die Literaturrecherche gewählt (Häder, 2019, S. 342 ff.). Bei dieser Methode werden bereits bestehende Quellen behandelt und aus diesen relevanten Schlussfolgerungen gezogen. In der Forschungsfrage der vorliegenden Ausarbeitung geht es darum, Maßnahmen zu ermitteln, wie eine hohe Reaktionsfähigkeit der Supply Chain erreicht werden kann.

Die Datenerhebung hat durch verschiedene Vorgehensweisen stattgefunden. In der Ausarbeitung ist die Literatur zum einen anhand der Schneeballmethode ermittelt worden, zum anderen durch das Durchsuchen verschiedener Datenbank mit relevanten Schlagwörtern. Bei der Schneeballmethode wird eine bestehende Quellenangabe oder ein Literaturverzeichnis nach geeigneter Literatur durch­sucht. Es wird somit als Grundlage eine vorliegende konkrete Quelle verwendet, die für die Forschungsfrage relevant ist. In der vorliegenden Arbeit wird die Literatur „Performance indicators for supply chain resilience: review and conceptual framework“ (Singh et al., 2019) und das Werk „The role of collaboration in supply chain resilience“von Scholten & Schilder (2015) als Recherche Grundlage verwendet. Die jeweiligen Quellen sind betrachtet worden, um für die Ausarbeitung rele­vanten Abschnitten zu ermitteln. Die in diesen Sektoren erwähnte Literatur wird als nächster Unter­suchungsgegenstand verwendet. Diese Prozedur ist mehrfach wiederholt worden. Bei dieser Method entstehen oftmals Rückschlüsse auf bereits betrachtete Daten, jedoch kommen stetig neue relevante Literaturquellen hinzu. Bei den Quellen ist darauf geachtet worden, dass diese eine gewisse Qualität aufweisen. Neben der erläuterten Methode ist ergänzend eine Schlagwortsuche durchgeführt worden. Es sind verschiede Datenbanken wie der Springer Verlag, Elektronische Zeit­schriftenbibliothek, IU Hochschulbibliothek und Google Scholar verwendet worden. In diesen Daten­banken ist mit verschiedenen Schlagwörtern recherchiert worden. Es ist mit Schlagwörtern wie „Responsive1, „Reaktionsfähigkeit“, „Supply Chain Resilienz“, „Supply Chain“, „Lieferkette“ und „Erfolgsfaktoren Supply Chain“ gestartet worden. Die Leitwörter sind bei der Recherche stetig erwei­tert worden, wodurch immer weitere Literatur ermittelt worden ist. Durch die facettenreiche Daten­erhebung sind verschiedenste Quellentypen betrachtet worden. Somit sind neben der klassischen Fachliteratur auch Fachzeitschriften, Webartikel oder Fallstudien behandelt worden.

Die Gütekriterien der qualitativen Forschung Transparenz, Reichweite und Intersubjektivität sind ein­gehalten worden. Die Vorgehensweise der Forschung ist verständlich sowie transparent dargelegt. Die Reichweite wird ebenso erfüllt, da eine ausreichende Schnittmenge an Literatur betrachtet worden ist und demnach bei einer Wiederholung der Recherche identische Rückschlüsse zu erwarten wären. Des Weiteren ist ebenso das Gütekriterium der Intersubjektivität erfüllt. Die Daten­erhebung als auch die Interpretation sind subjektiv durchgeführt worden.

2 Inhaltliche und begriffliche Grundlagen

Ziel des zweiten Kapitels ist es, ein für die vorliegende Arbeit relevantes Grundverständnis zu erar­beiten. Folglich werden die Begrifflichkeiten „Supply Chain1 und „Supply Chain Management“als Grundlagen erläutert. Auf diesen aufbauend wird die Benennung „Supply Chain Resilienz“ behan­delt. Anschließend wird die Bedeutung der „Reaktionsfähigkeit“ erörtert.

2.1 Supply Chain Management

Der Begriff Supply Chain Management unterteilt sich in „Supply Chain“ und „Management“. Folglich muss vorerst die Begrifflichkeit „Supply Chain“ erläutert werden und auf dieser die Erläuterung des „Supply Chain Managements“ aufzubauen.

Als Synonym für den Begriff Supply Chain (SC) sind in der Literatur häufig die Begriffe Wertschöp­fungskette oder Lieferkette zu finden (Biedermann, 2018). Eine SC beinhaltet den „gesamten Wert­schöpfungsprozess, ausgehend von der Rohstoffgewinnung über die Veredelungsstufen bis hin zum Endverbraucher definiert Prof. Dr. Kai-Ingo Voigt (2018). Als Wertschöpfungsprozess können alle Aktivitäten/ Prozesse angesehen werden, welche direkt oder indirekt in den Herstellungsprozess einfließen. Prinzipiell kann unter einem Prozess die Gesamtheit aufeinander einwirkender Vorgänge innerhalb eines Systems verstanden werden. Ein Prozess benötigt immer einen Input aus Ressourcen, welcher aus Materialien, Informationen oder Energien bestehen kann. Der Input wird zu einem Output transformiert, gespeichert oder transportiert (Dr. Dr. Jörg Berwanger, 2021). Der Output eines Prozesses ist demnach der Input des darauffolgenden Prozesses. Die jeweiligen Vor­gänger- oder Nachfolgerprozesse können unternehmensintern oder extern durchgeführt werden. Durch diese Verkettung der Vorgänger-Nachfolger-Prozesse ergibt sich eine SC. Zwischen den einzelnen Akteuren einer SC sind drei wesentliche Flüsse zu beobachten. Nach Kuhn & Hellingrath (2002, S. 22) gliedert sich die unternehmensübergreifende Integration in den Material-, Informations­und Finanzfluss auf. Der Materialfluss beinhaltet alle physischen Bewegungen, hingegen der Infor­mationsfluss sich auf den Datenaustausch fokussiert. Finanzbewegungen werden unter dem Finanzfluss eingegliedert (Arndt, 2021, S. 32 f.). Nach der klassischen SC Theorie hat jede Flussart eine vorgeschriebene Flussrichtung. Die moderne Interpretation widerspricht diesem Verständnis so weit, dass die Flüsse der SC sich in alle Richtungen bewegen und somit auch die Streuung der entsprechenden Aufgaben.

Bei der Betrachtung der SC wird diese häufig mit dem Begriff Logistik in Verbindung gebracht. Hier­bei ist jedoch wichtig, dass die Logistik lediglich ein Teilgebiet der SC ist. Die Logistik befasst sich mit allen Güter- und Informationsflüssen im Unternehmen, die SC jedoch mit der Interaktion der Gesamten Versorgungskette. Diesbezüglich findet keine Eingrenzung auf den interne Bereich im Unternehmen statt, sondern es wird die Lieferkette vom ersten Lieferanten bis zum letzten Kunden betrachtet (Pfohl, 2021, S. 49 ff.).

Eine SC beinhaltet nach Werner (2002, S. 1) viele Einflussfaktoren, wodurch immense „Potentiale zur Optimierung der Unternehmensabläufe entstehen. Hierbei müssen unternehmensinterne Prozesse, sowie über das Netzwerk ausgerichtete Prozesse betrachtet werden. Um dieses Potential zu erkennen und zu nutzen, ist ein Supply Chain Management notwendig.

Supply Chain Management (SCM) wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert und hat somit keine klare einheitliche Definition. Fisher (1997) hat SCM als Absatzkanal auslegt, der die Fertigung des Produktes mit dem Kunden verbindet. Towill (1996) hingegen definiert SCM als eine Verkettung von Systemen zur Auftragsabwicklung. Die Lieferketten als Teil eines zusammenhängenden inte­grierten Ganzen zu sehen, stammt von Stevens (1995). Er ging davon aus, dass ein Unternehmen eine definierte Reihe von Entwicklungsstufen durchlaufen muss (Stevens & Johnson, 2016). Ähnlich definiert Ellram & Cooper (1990) SCM, als die Verknüpfung von Wertschöpfungsprozessen.

Seit diesen Interpretationen von SCM hat sich die Wirtschaft, die Gesellschaft, als auch die Technik weiterentwickelt. Die Lieferketten sind komplexer geworden und haben sich im Lauf der Zeit weiter vergrößert (Fredriksson & Jonsson, 2009). Die Technologie hat weitere Fortschritte gemacht, wodurch sich das SCM ebenso weiterentwickeln musste. Es sind neue und ausgereiftere Lieferket­tenstrategien entstanden, ebenso haben sich die Instrumente und Techniken verändert (Fredriksson & Jonsson, 2009). Die Rolle des SCM hat durch diese Entwicklung mehr Aufmerksamkeit und Wertigkeit erhalten. Die Lieferkettenmodelle setzen immer mehr auf vernetzte und kooperative Supply Chain Strategien und wenden sich von linearen Modellen ab. Der Grundgedanke des SCM hat sich jedoch nicht verändert. Es steht weiterhin der Fokus des vernetzten Denkens, Arbeiten und Interagieren in einer Lieferkette (Stevens & Johnson, 2016). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass alle Ziele und Handlungen die einer Sicherung oder Optimierung von Material-, Informations- sowie Wertflüsse unter das SCM fallen und eine Auswirkung auf die gesamten Wert­schöpfungskette haben (Werner, 2017, S. 5). Die betroffenen Prozesse beinhalten die Tätigkeiten von der Rohstoffgewinnung über die einzelnen Veredelungsstufen bis hin zum Endkunden. Ziel ist es, den Gesamtprozess unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse sowohl zeit- als auch kostenoptimal zu gestalten (Arndt, 2021, S. 44).

2.2 Supply Chain Resilienz

Der Begriff Resilienz wird im Duden (2022) als „psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“ definiert. Supply Chain Resilienz ist demnach die Bewältigung von vorübergehenden störenden Ereignissen. Die Störfak­toren können intern als auch extern auftreten. Die Lieferkette passt sich an die neuen Bedingungen an und weist trotz der veränderten Rahmenbedingungen eine Stabilität auf. Diese Beständigkeit kann durch verschiedene Indikatoren interpretiert werden. Klassische Indikatoren sind hierfür bspw. die Zusammenarbeit untereinander, die Nachhaltigkeit oder auch die Agilität der SC. Ebenso können die Flexibilität, Reaktionsfähigkeit, Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit oder die IT-Fähigkeit als Indikator betrachtet werden.

Die Notwendigkeit einer stabilen Lieferkette wird durch verschiedene Faktoren notwendig. Die steigende Variabilität der Nachfrage als nachfragegesteuerter Faktoren, ist immer einflussreicher, da sich die Anforderungen und Erwartungen der Kunden kontinuierlich verändern (Pereira et al., 2014). Des Weiteren steigt das Bedürfnis der Stabilität durch verschiedene Umfeldfaktoren wie bspw. eine Pandemie, Naturkatastrophen oder Krieg. Ergänzend können als Einflussfaktoren auch Neuerungen in nationalen und internationalen gesetzlichen Regulationen oder Änderungen der Lieferantenbeziehung oder -zuverlässigkeit angesehen werden.

Für die Erhöhung der Stabilität der SC gibt es in der Anwendung verschiedene Werkzeuge und Methoden. Eine klassische Methode hierfür ist das Business Continuity Management (BCM). Das Ziel dieser Methode ist die Prävention von Gefahren und der Wiederherstellung der betrieblichen Funktionen bei einem nicht abwehrbaren Schaden (Suresh et al., 2020). Des Weiteren zählen ein strategisches Risikomanagement, ein Komplexitätsmanagement und die Digitalisierung als Werk­zeuge für die Steigerung der Resilienz. Als zentrale Eigenschaften einer resilienten SC zählen nach Biedermann (2018) Agilität, Flexibilität, Kooperationsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit. In der vorlie­genden Seminararbeit wird der Fokus auf die Steigerung der Reaktionsfähigkeit gelegt. Daher wird im nachfolgenden Kapitel lediglich die Eigenschaft Reaktionsfähigkeit betrachtet.

2.3 Reaktionsfähigkeit einer Supply Chain

Unter der Reaktionsfähigkeit ist die Geschwindigkeit zu verstehen, in der eine SC auf ungeplante bzw. nicht vorhergesehen Anforderungen reagieren kann. „Die zunehmende Komplexität und Dyna­mik in Wertschöpfungsketten erfordern, dass die richtigen Entscheidungen zeitnah getroffen werden1 (Voß, 2020, S. 18). Die Zeitspanne, um eine Entscheidung zu treffen werden immer kürzer, da der wettbewerbsrelevante Informationsvorsprung über die Zeit stark abnimmt. Je früher demnach eine Information vorliegt, desto schneller kann reagiert werden. Die Reaktionszeit vom Auftreten des Ereignisses bis hin zu der entsprechenden Reaktion kann durch verschiedene Ereignisse beeinflusst werden. Die dadurch entstehende Verzögerung wird Latenzen genannt. Besteht demnach eine hohe Latenz, liegt eine schlechte Reaktionszeit vor (Voß, 2020, S. 17).

Bei der Betrachtung der Reaktionsfähigkeit ist es relevant diese von der Agilität abzugrenzen. In der Praxis werden Agilität und Reaktionsfähigkeit vermehrt als Synonym verwendet, jedoch unter­scheiden sie sich in ihrer Bedeutung. Die Agilität weist einen direkten Bezug auf die Kostenstruktur auf. Folglich bringt dieser Erfolgsfaktor zum Ausdruck, wie schnell sich die SC den jeweils optimalen Kostenstrukturen anpasst (Arndt, 2021, S. 128).

Ziel einer SC muss es demnach sein, eine hohe Reaktionsfähigkeit zu erlangen, um auf diese Weise auf unvorhergesehenen Ereignisse zeitnah reagieren zu können (Arndt, 2021, S. 152). Nach Biedermann (2018, S. 135) ist das Ziel „unmittelbar auf Bedarfsänderungen reagieren zu können, basierend auf der Fähigkeit, Marktbewegungen in Echtzeit zu erkennen, zu verstehen und Informa­ tionen ausgehend vom Kunden rückwärts in die Supply Chain verarbeiten zu können“. Weist eine SC eine kurze Reaktionszeit aufgrund von schnellen Entscheidungen auf, ist dies oftmals ein Wett­bewerbsvorteil.

Die Steigerung der Reaktionsfähigkeit einer SC kann durch verschiedene Maßnahmen erlangt werden. Ein enormes Potential besteht in der Digitalisierung und der Industrie 4.0, um eine erhöhte Informations- und Umsetzungsgeschwindigkeit zu erreichen (Voß, 2020, S. 17). Um die passenden Verbesserungsmaßnahmen ermitteln zu können muss zuvor eine Einschätzung der bestehenden Reaktionsfähigkeit erfolgen. Verschiedene Messinstrumente werden im nachfolgenden Kapitel betrachtet.

3 Messung der Reaktionsfähigkeit

Die gegenwärtige Reaktionsfähigkeit muss eingestuft werden, um passende Maßnahmen zur Opti­mierung der Reaktionsfähigkeit ableiten zu können. Diese Einschätzung kann durch verschiedene Methoden bzw. Kennzahlen erfolgen. Nach Catalan und Kotzab (2003) kann die Reaktionsfähigkeit einer SC anhand von vier verschiedenen Methoden eingeschätzt werden. Zu diesen Kennziffern zählen die Durchlaufzeit, Postponement, der Bullwhip-Effekt und der Informationsaustausch.

Die Durchlaufzeit misst die Dauer vom Auftragseingang bis zur Auslieferung der Ware an den Kunden. In dieser Kennzahl sind demnach Aufwärmzeit, Rüstzeit, Produktionszeit, Liegezeit und Fehlzeit inkludiert (Werner, 2020, S. 321). Weist eine SC eine überdurchschnittlich lange Durchlauf­zeit auf, spricht dies für eine schwache Reaktionsfähigkeit. Die Ermittlung der durchschnittlichen Durchlaufzeit ist von der SC abhängig und muss zuvor definiert werden. Ein Handlungsbedarf wird festgestellt, wenn die Einschätzung über dem Durchschnitt ist.

Die Verzögerungsstrategie oder auch als Postponement bekannt bezieht sich auf den Kundenent­kopplungspunkt (KAEP) (Werner, 2017, S. 44). Die Positionierung des KAEP innerhalb der SC lässt Rückschlüsse auf die Reaktionsfähigkeit schließen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass umso näher der KAEP beim Kunden ist, umso besser kann eine SC reagieren. Daher ist es positiv zu werten, wenn der Entkopplungspunkt innerhalb der SC möglichst weit am Ende der Produktionspro­zesse liegt, um auf Kundenwünsche reagieren zu können.

Bei dem Bullwhip-Effekt handelt es sich um den Bestandsaufbau durch verschiedene Gründe. Die signifikanten Gründe für einen Bestandsaufbau können durch ein Informationsmangel bei der Bedarfsprognose, ein falsches Bestellverhalten oder durch starke Nachfrageschwankungen entste­hen. Demnach befinden sich Angebot und Nachfrage nicht im Abgleich (Werner, 2022, S. 71). Dieser Effekt kann anhand der Lagerbestandsentwicklung und der hohen Sicherheitsbestände bei schlechter Lieferfähigkeit erkannt werden. Für die Reaktionsfähigkeit bedeutet dies, liegt ein Bullwhip-Effekt vor, desto mehr Kapitalbindung besteht und umso schwerfälliger wird eine SC (Arndt, 2021, S. 76 ff.).

Als vierte Kennzahl wurde der Echtzeit-Informationsaustausch von Catalan und Kotzab (2003) auf­gezählt. Hierbei spielt der Austausch über den tatsächlichen Kundenbedarf eine große Rolle. Nur wenn eine hohe Zusammenarbeit zwischen den Akteuren besteht und somit ein Echtzeit-Austausch vorliegt, kann eine SC reagieren. Demnach muss der Informationsaustausch mit allen Beteiligten der SC besonders betrachtet werden. Sollten hier Verzögerungen vorliegen oder gar festgestellt werden, dass kein Informationsaustausch stattfindet, ist dies ein Indikator für eine geringe Reaktionsfähigkeit.

Nach Arndt (2021) lassen sich aus der Lieferfähigkeit und der Lieferflexibilität Rückschlüsse auf die Reaktionsfähigkeit einer SC ziehen. Bei der Lieferfähigkeit wird betrachtet, wie viele Kundenwunsch­termine von der SC zugesagt werden. Findet eine hohe Zusage der Wunschtermine statt, liegt eine hohe Lieferfähigkeit vor. Dies bedeutet eine gute Reaktionsfähigkeit liegt dann vor, wenn die Kundenwunschtermine bestätigt werden. Neben der Lieferfähigkeit bezieht sich Arndt (2021) auf die Lieferflexibilität. Diese Kennzahl sagt aus, wie flexibel und demnach auch reaktionsfähig die SC auf Änderungen reagiert (Arndt, 2021, S. 134 ff.). Sollte diese Kennziffer gering ausfallen, spricht dies für eine schlechte Reaktionsfähigkeit der SC.

All die aufgeführten Kennzahlen können als Werkzeuge eingesetzt werden, um die Reaktionsfähig­keit einer SC einzuschätzen. Wichtig hierbei ist immer das Gesamtbild zu betrachten und nicht nur einzelne Bereiche der SC. Wenn eine Einschätzung der eigenen Reaktionsfähigkeit vorliegt, können die passenden Maßnahmen gewählt werden, um diese Fähigkeit zu verbessern. Nachfolgend werden einige Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit erörtert.

4 Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit

Im vorherigen Kapitel werden verschiedenste Kennzahlen zur Einschätzung der Reaktionsfähigkeit erläutert. Anhand dieser Beurteilung müssen entsprechende Optimierungsansätze festgelegt werden. Die Wahl der nachfolgenden Instrumente wurde im Zusammenhang der Automobilbrache getroffen. Bereits in der Einleitung wurde deutlich gemacht, wie sich diese Branche in den letzten Jahren verändert hat. Eine hohe Reaktionsfähigkeit ist essenziell, um schnell auf diese schwanken­den Marktnachfragen oder die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Nachfolgende werden Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit aus dem Automobilbereich behandelt. Die SC muss in der Lage sein einen Echtzeit- Informationsaustausch entlang der SC anzuwenden, um Informationen weiterzugeben. Da dies wesentlich für die Reaktionsfähigkeit ist, wird der Punkt unter dem Kapitel 4.1 betrachtet. Des Weiteren muss die SC fähig sein auf Veränderungen aktiv reagieren zu können. Daher ist die Strukturierung der SC und des Produktionsdesign besonders wichtig für die Reaktionsfähigkeit und wird nach dem Informationsaustausch entlang der SC behandelt. Im Kapitel 4.3 werden Maßnahmen aus dem Lieferantenmanagement erörtert.

4.1 Informationsaustausch entlang der Supply Chain

Angesichts des Ziels eine hohe Reaktionsfähigkeit entlang der SC zu erreichen, müssen alle Betei­ligten einer SC zusammenarbeiten und einen intensiven Informationsaustausch aufweisen. Die Kollaboration und der Echtzeit-Informationsaustausch gehen demnach miteinander einher. Unter einer Kollaboration ist die Zusammenarbeit und Kommunikation mit den anderen Akteuren aus der Wertschöpfungskette zu verstehen (Wohlgemuth, 2002, S. 11). In einer kollaborativen SC findet der Austausch meist mit Hilfe einer digitalen Plattform statt. Jede SC muss den für sich notwendigen Grad an Informationsaustausch wählen. Im Bereich der Konsumgüterindustrie ist das Konzept „Collaborative Planning, Forecasting & Replenishment“ (CPFR) erstmals als globaler Standard etab­liert worden (Poppe, 2017, S. 99). Dieses Konzept ist nicht nur für die Konsumgüterindustrie geeig­net, sondern wird auch in vielen weiteren Branchen angewendet. Dieser Kanal des Daten- und Informationsaustausches ist ebenso für die Automobilindustrie von Bedeutung (Zeilhofer-Ficker, 2002). Nach Werner werden bei CPFR (2020, S. 239) „Bedarfszahlen aus verschiedenen Absatz­kanälen aggregiert und auf einer elektronischen Plattform sämtlichen Teilnehmern einer Lieferkette zur Verfügung gestellt“. Demnach wird bei dieser Methode Lagerbestände, Verkaufsdaten, Absatz­planungen und Auftragsprognosen ausgetauscht, verglichen und angepasst.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Erörterung von Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit innerhalb globaler Lieferketten am Beispiel der Automobilbranche
Hochschule
Internationale Fachhochschule Bad Honnef - Bonn
Note
2,3
Jahr
2022
Seiten
21
Katalognummer
V1328583
ISBN (Buch)
9783346815675
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Resilienz, Supply Chain, Reaktionsfähigkeit, globale Lieferketten, Automobilbranche
Arbeit zitieren
Anonym, 2022, Erörterung von Maßnahmen zur Steigerung der Reaktionsfähigkeit innerhalb globaler Lieferketten am Beispiel der Automobilbranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1328583

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