Formen und Funktionen der Darstellung weiblicher Existenz in Catherine Martins 'An Australian Girl'


Dossier / Travail, 2008

18 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Das Australian Girl: Nationalbewusstsein aus der Sicht einer Frau

3) Weiblichkeit und Ehe in An Australian Girl

4) Neurasthenie: gender -spezifisches Krankheitsbild und Stellas Heilung

5) Catherine Martins Verstoß gegen die Konventionen der domestic romance: Kritiken im Vergleich

6) Schlussbetrachtung

7) Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Catherine Martins Roman An Australian Girl von 1890 entsteht zu einer Zeit, in der weibliche Autoren aus dem Literaturkanon noch weitgehend ausgeschlossen werden. Die zunehmende Emanzipation der Frauen wird als Bedrohung für bestehende gender -Relationen in einer von Männern dominierten Gesellschaft gesehen. Zum anderen wird der Roman nur elf Jahre vor Australiens Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht und spiegelt den Nationalstolz der Australier wider, die eine von der Kolonialmacht Europas unabhängige Heimat fordern. In Martins Protagonistin Stella Courtland vereinen sich diese zeitgenössischen Themen, zum einen, weil sie eine Patriotin und zum anderen, weil sie eine Frau ist.

Im folgenden Kapitel soll zunächst herausgearbeitet werden, was das Nationalbewusstsein aus der Perspektive einer Frau wie Stella Courtland im ausgehenden 19. Jahrhundert ausmacht. Dazu werden zwei Weltanschauungen gegenübergestellt, von der die eine veraltet und die andere fortschrittlich erscheint. Dabei soll auch gezeigt werden, dass sich eine Frau mit den Grenzen ihrer Möglichkeiten konfrontieren muss, die sie aber durch die Konzentration auf ein bedeutenderes Ziel, unabhängig von egoistischen Motiven, zu akzeptieren lernt. Im dritten Kapitel folgt ein weiterer Vergleich, diesmal in Bezug auf die Darstellungsweisen dreier Frauen in An Australian Girl. Das Ideal australischer Weiblichkeit wird nur von einer von ihnen verkörpert, obwohl sie nicht dem Bild viktorianischer Perfektion entspricht. Catherine Martins Australian Girl zeichnet sich sowohl durch ihren Patriotismus als auch ihren außergewöhnlichen Verstand aus, wobei letzteres im Roman zwar signifikant für ihre Weiblichkeit ist, in der Realität jedoch als Bedrohung aufgefasst wird. Um der Gefahr der weiblichen Emanzipation, die vor allem mit der Zunahme an gebildeten Frauen in Zusammenhang gebracht wird, entgegenzuwirken, diagnostizieren viktorianische Mediziner eine bei Frauen häufig auftretende Krankheit als Konsequenz für ihren Drang nach Bildung. Insofern ist das Nervenleiden Neurasthenie ein gender -spezifisches Krankheitsbild. Auch die Heldin des Romans leidet an dieser Krankheit. Dass die Darstellung ihres Leidens aber in zwei entscheidenden Punkten der frauenfeindlichen Diagnose der Mediziner widerspricht, soll in Kapitel 4 ausgeführt werden. Auch bei den Kritiken des Romans wird die Absicht deutlich, die Emanzipation der Frau in Zusammenhang mit ihrem Intellekt zu untergraben. Catherine Martins Roman wird aufgrund vermeintlicher Verstöße gegen die Konventionen eines für Frauenliteratur bestimmtes Genre zensiert. Ob eine solche Zensur für den Inhalt des Romans gerechtfertigt ist, wird im letzten Kapitel näher analysiert.

Die Darstellung weiblicher Existenz in An Australian Girl inkludiert soziale Kritik, aber auch das Bewusstsein von Grenzen. Ziel dieser Arbeit ist es, ein umfassendes Bild des in Catherine Martins Roman vermittelten Feminismus aufzuzeigen.

2) Das Australian Girl: Nationalbewusstsein aus der Sicht einer Frau

Die in Australien geborene Stella Courtland ist eine junge Frau des ausgehenden 19. Jahrhunderts, deren Vorstellung von der eigenen Identität mit einem ausgeprägten Nationalstolz verbunden ist. Stella empfindet nationale Identität als etwas, das sich stark von einem durch die britische Kolonialherrschaft geprägtes Gesellschaftsbild abgrenzt und steht damit für das Ideal einer unabhängigen und nationalbewussten Gesellschaft. Das Besondere an diesem Idealbild einer sich vom Mutterland loslösenden Nation ist, dass es in Catherine Martins Roman nicht von einem Mann, sondern von einer Frau verkörpert wird.

Wenn Stella Courtland über ihre Heimat spricht, tut sie dies stets voller Emotion. Sie betrachtet Australien nicht als Kolonie, sondern als eigenständigen Kontinent.[1] Dementsprechend identifiziert die junge Patriotin sich auch nicht mit einer australischen Kolonialgesellschaft. Auf die Frage der gebürtigen Engländerin Mrs Anstey-Hobbs etwa, ob sie eine Kolonialgeborene sei, antwortet Stella selbstbewusst: “I am an Australian.”[2]

Die Unterhaltung der beiden Frauen verdeutlicht zwei unterschiedliche Positionen der australischen Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts, zu einer Zeit unmittelbar vor Australiens Unabhängigkeitserklärung. Mrs Anstey-Hobbs wuchs in England auf und bekam in ihrer Jugend Werte britischer Aristokratie vermittelt, nach denen der Begriff colonial einen weit niederen Status als den der “great British under-middle classes” markiert.[3] Eine in Australien geborene und aufgewachsene Frau wie Stella muss aus ihrer Perspektive demnach eine Erziehung genossen haben, die weit weniger aristokratisch war als die der gebürtigen Engländerin mittleren Standes.[4] Auf Mrs Anstey-Hobbs’ Bitte hin, ihr den Unterschied zwischen den Begriffen colonial und Australian zu erklären, führt Stella ihr eigenes Verständnis von einer Kolonie aus, welches eher dem Bild Australiens entspricht, als das Land von den ersten Europäern besiedelt wurde – wie Stella es ausdrückt, von einer “handful of pioneers who have an uncertain footing in an alien land”.[5] Doch dieses Bild hat Australien ihrer Ansicht nach schon lange nicht mehr inne, da inzwischen bereits seit Generationen Nachfahren der ersten Siedler auf dem Kontinent gelebt haben, die das Land als ihre Heimat betrachten – “the birthplace of thousands upon thousands who love it more dearly than any other spot in the whole world.”[6] Das Bild Australiens einer Kolonie, wie es bei einigen Einwohnern noch besteht, die das britische Mutterland höher schätzen als die neue Heimat, erscheint somit veraltet.

Mrs Anstey-Hobbs’ Weltanschauung wird weiterhin insofern in Frage gestellt, als dass die Engländerin als Figur stark ironisiert wird. Als sie und der Maler Mr. Vincent etwa darüber sinnieren, wie man die australische Nation allegorisch am besten darstellen könnte und die Idee geäußert wird, dass eine Frau mit einem native companion auf der Schulter diese illustrieren sollte, muss Stella herzhaft lachen.[7] Offenbar reichen Mrs Anstey-Hobbs’ Kenntnisse über Australiens einheimische Vögel nicht aus, um zu erkennen, welch groteskes Bild eine Frau mit einem ca. ein Meter großen Vogel auf der Schulter als Allegorie für die australische Nation abgeben würde. Darüber hinaus beurteilt der Erzähler – oder auch die Erzählerin – den Stolz der Dame auf ihre englischen Wurzeln und ihre Familie kritisch und sympathisiert so mit Stellas Abneigung gegen Klassenaffektiertheit, soziale Hierarchien und die sogenannte old-world nobility.[8] Die spöttische Bemerkung “There was a vague flourishing emphasis on ‘our family’, as though it represented great territorial magnates”[9] spiegelt zum Beispiel höchstwahrscheinlich das wider, was Stella in diesem Moment denkt.

Am Titel des Romans ist nicht nur bezeichnend, dass es sich um ein Australian Girl statt um ein colonial girl handelt, sondern auch der Begriff Girl statt Woman ist bedeutungsvoll. In Zeiten der Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts wird zwischen der sogenannten New Woman und dem Girl differenziert.[10] Sie unterscheiden sich durch eine jeweils andere Form von Feminismus, wobei die Rolle der New Woman als größere Gefahr für gender -Relationen betrachtet wird als die des Girls. In einem Artikel der Zeitschrift The Age wurde The New Woman folgendermaßen beschrieben:

[...]


[1] Martin, Catherine. 1999. An Australian Girl. 1890. Ed. Graham Tulloch. Oxford World’s Classics. New York: Oxford University Press, S. 133

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Ebd., S. 134

[8] Nettelbeck, Amanda: Introduction. – In: Graham Tulloch (Hrsg.): An Australian Girl. New York: Oxford University Press 1999, xx

[9] Martin: An Australian Girl, S. 133

[10] Vickery, Ann und Dever, Maryanne: Australian Women Writers 1900-1950. Introduction. In: Australian Women Writers 1900-1950. An exhibition of material from the Monash University Library. Rare Book Collection, 29. March to 31 July 2007, Clayton 2007, online unter URL: <http://lib.monash.edu.au/exhibitions/women-writers/catalogue07.pdf> (12.08.2008), S. 1

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Formen und Funktionen der Darstellung weiblicher Existenz in Catherine Martins 'An Australian Girl'
Université
University of Cologne  (Englisches Seminar)
Cours
Hauptseminar
Note
1,7
Auteur
Année
2008
Pages
18
N° de catalogue
V132892
ISBN (ebook)
9783640391257
ISBN (Livre)
9783640391059
Taille d'un fichier
434 KB
Langue
allemand
Annotations
In der vorliegenden Hausarbeit wird der innovative Beitrag des weiblichen Romans zur Konstitution einer australischen Nationalidentität erörtert. Dabei setzt der Text sich mit einer gender-spezifischen Deutung von Krankheitserscheinungen auseinander und erörtert die Adaption und Unterminierung der Gattungskonventionen der domestic romance durch Martins. Der Roman 'The Australian Girl' ist als feministischer Text, hedoch nicht als Text einer radikal feministischen Ausprägung zu verstehen.
Mots clés
Formen, Funktionen, Darstellung, Existenz, Catherine, Martins, Australian, Girl
Citation du texte
Franziska Scholz (Auteur), 2008, Formen und Funktionen der Darstellung weiblicher Existenz in Catherine Martins 'An Australian Girl', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132892

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