Zur Zeit des Erscheinens der Risikogesellschaft, Mitte der 80er Jahre, war der gesellschaftliche Risiko Diskurs maßgeblich bestimmt von der Entdeckung neuer "Gifte der Woche" (Beck: 2007), der Antizipation atomarer Katastrophen und der individuellen Bedrohung durch Massenarbeitslosigkeit. Im Sinne dieses Rückblickes konstatiert Beck (2008/1) heute, "dass vieles von dem, das jetzt im Realkabinett der Weltwirtschaft und Weltpolitik stattfindet, weit über das hinausgeht, das mir im Studierzimmer eingefallen ist". Mit dieser Hausarbeit möchte ich der Frage der wissenschaftlichen Übertragbarkeit, von Becks risikosoziologischen Annahmen, in die Gegenwart nachgehen. In Kapitel 2 stelle ich deshalb die mir zur Klärung am wichtigsten erscheinenden theoretischen Grundlegungen vor. Da Beck leider etwas dazu neigt Begriffe nicht sehr klar voneinander abzugrenzen, verzichte ich in dieser Arbeit auf die Verwendung der Begriffe "zweite" und "reflexive Moderne" und ersetze sie (in noch darzustellender Weise) durch die von ihm weitgehend synonym verwanden Bezeichnungen "reflexive Modernisierung" und "Risikogesellschaft".
In Kapitel 3 übertrage ich diese Annahmen soweit möglich auf die zur Zeit drängensten Probleme der Gegenwart: die Weltwirtschaftskrise und den Klimawandel. Die von Beck in seinem neuesten Buch Weltrisikogesellschaft ebenfalls bearbeitete Terrorismusproblematik, habe ich mich, nicht zuletzt aus Platzmangel, entschlossen auszuklammern. Sie passt sich zwar recht gut in seine Risikodefinition ein, jedoch ist mir nicht ganz klar, worin ihre gesellschaftliche Verursachung liegen soll.
Der Individualisierungsproblematik (Kap. 4) habe ich, gemessen an ihrer Bedeutung die sie in den 80ern hatte, hier relativ wenig Platz eingeräumt. Viele ihrer Phänomene (Bastelbiographie, prekäre Arbeitsverhältnisse, Single-Gesellschaft, ...) sind, meiner Meinung nach, im Bewusstsein und der Wahrnehmung der heutigen Generation bereits als so selbstverständlich eingelagert, dass ihnen angesichts der gegenwärtigen globalen Gefahrenlagen, eine eher nachgeordnete Bedeutung zukommt .
Mir liegt darüber hinaus sehr daran hier den systemischen Charakter der heutigen Risiken in den Vordergrund zu stellen, dessen (Nicht)wahrnehmbarkeit und Offenheit im Verlauf eine vollkommen neue Risikodimension darstellt und in sofern auch ganz neue Anforderungen an die (Welt)gesellschaftlichen Akteure stellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Konzept der Risikogesellschaft
- Risikobegriff
- Erste Moderne
- Reflexive Modernisierung
- System und Verantwortung
- Konstruktion von Risiken
- Globale Risiken und Bumerang Effekt
- Die globale Risikogesellschaft
- Ökonomie und Risiko
- Subprime market: Virulenz der Risiken
- Not ist hierarchisch, Swaps sind demokratisch
- Ökologie und Risiko
- Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch
- Der Klimawandel ist hierarchisch und demokratisch
- Konstruktion und Dekonstruktion heutiger Risiken
- Die Erfindung des Politischen: Der Transnationalstaat
- Ökonomie und Risiko
- Individualisierung
- Die Entzauberungsdimension
- Die Freisetzungsdimension
- Die Reintegrations- und Kontrolldimension
- Entgrenzung von Arbeit und Alltag heute
- Zusammenfassung und Resumee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Übertragbarkeit von Ulrich Becks risikosoziologischen Thesen auf die Gegenwart. Sie analysiert, inwieweit Becks Konzept der Risikogesellschaft noch relevant ist angesichts aktueller Herausforderungen. Die Arbeit konzentriert sich auf die Anwendung der Theorie auf aktuelle weltweite Probleme.
- Die Entwicklung und der Wandel des Risikobegriffs in der modernen Gesellschaft.
- Die Anwendung des Konzepts der Risikogesellschaft auf aktuelle ökonomische und ökologische Krisen.
- Die Rolle der Individualisierung im Kontext der Risikogesellschaft.
- Die Grenzen der Übertragbarkeit von Becks Theorien auf die heutige Zeit.
- Der systemische Charakter heutiger Risiken und die daraus resultierenden Herausforderungen.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung skizziert den Kontext der Risikogesellschaftstheorie in den 1980er Jahren und ihre Relevanz für die heutige Zeit. Sie formuliert die zentrale Forschungsfrage nach der Übertragbarkeit von Becks Annahmen auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen und beschreibt den Aufbau der Arbeit, wobei einige Aspekte aufgrund von Umfangsbeschränkungen ausgelassen werden, wie z.B. die Terrorismusproblematik.
2. Das Konzept der Risikogesellschaft: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar. Es erläutert Becks Verständnis von Risiko, die Unterscheidung zwischen Risiken der ersten und der reflexiven Moderne, und beleuchtet den Transformationsprozess der Modernisierung. Es wird auf die Schwierigkeiten der klaren Begriffsgrenzung bei Beck eingegangen und die Verwendung des Begriffs "reflexive Modernisierung" begründet.
3. Die globale Risikogesellschaft: Dieses Kapitel wendet Becks Theorie auf aktuelle globale Herausforderungen an, insbesondere die Weltwirtschaftskrise und den Klimawandel. Es analysiert ökonomische und ökologische Risiken im Kontext der reflexiven Modernisierung und beleuchtet deren systemischen Charakter. Die "Erfindung des Politischen" im Kontext des Transnationalstaates wird ebenfalls diskutiert.
4. Individualisierung: Dieses Kapitel behandelt den Aspekt der Individualisierung innerhalb des Rahmens der Risikogesellschaft. Es räumt zwar angesichts der globalen Gefahrenlagen eine nachgeordnete Bedeutung ein, beleuchtet aber dennoch die "Entzauberungs-", "Freisetzungs-" und "Reintegrations- und Kontrolldimension" der Individualisierung und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt und den Alltag.
Schlüsselwörter
Risikogesellschaft, reflexive Modernisierung, Risikobegriff, Globalisierung, Individualisierung, Weltwirtschaftskrise, Klimawandel, Ökologie, Ökonomie, Systemrisiken, Transnationalstaat.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zu: Übertragbarkeit von Ulrich Becks Risikogesellschaftstheorie auf die Gegenwart
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht, inwieweit Ulrich Becks Konzept der Risikogesellschaft angesichts aktueller globaler Herausforderungen noch relevant ist. Sie analysiert die Übertragbarkeit seiner risikosoziologischen Thesen auf die Gegenwart, mit einem Fokus auf ökonomische und ökologische Krisen sowie den Aspekt der Individualisierung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung des Risikobegriffs, die Anwendung des Konzepts der Risikogesellschaft auf aktuelle Krisen (z.B. Weltwirtschaftskrise und Klimawandel), die Rolle der Individualisierung, die Grenzen der Übertragbarkeit von Becks Theorien und den systemischen Charakter heutiger Risiken. Es wird die reflexive Modernisierung und der Einfluss des Transnationalstaates beleuchtet.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zum Konzept der Risikogesellschaft (inkl. Risikobegriff und reflexiver Modernisierung), ein Kapitel zur globalen Risikogesellschaft (mit Fokus auf Ökonomie und Ökologie), ein Kapitel zur Individualisierung und eine Zusammenfassung. Aufgrund des Umfangs werden einige Aspekte, wie z.B. die Terrorismusproblematik, ausgelassen.
Was sind die zentralen Forschungsfragen?
Die zentrale Frage ist die Übertragbarkeit von Becks Annahmen auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Weitere wichtige Fragen betreffen den Wandel des Risikobegriffs, die Anwendung des Konzepts auf ökonomische und ökologische Krisen, die Rolle der Individualisierung im Kontext der Risikogesellschaft und die Grenzen der Übertragbarkeit von Becks Theorien.
Welche konkreten Beispiele werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die Weltwirtschaftskrise (insbesondere den Subprime-Markt und den Einsatz von Swaps), den Klimawandel und deren Auswirkungen im Kontext der Risikogesellschaft. Es werden die Begriffe "Not ist hierarchisch, Swaps sind demokratisch" und "Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch" verwendet, um die Verteilung von Risiken zu illustrieren.
Welche Aspekte der Individualisierung werden betrachtet?
Die Arbeit betrachtet die Individualisierung in ihren drei Dimensionen: Entzauberung, Freisetzung und Reintegration/Kontrolle. Es wird der Einfluss der Individualisierung auf die Entgrenzung von Arbeit und Alltag untersucht. Obwohl im Kontext globaler Risiken nachgeordnet, spielt dieser Aspekt dennoch eine Rolle.
Was sind die Schlüsselbegriffe der Arbeit?
Schlüsselbegriffe sind Risikogesellschaft, reflexive Modernisierung, Risikobegriff, Globalisierung, Individualisierung, Weltwirtschaftskrise, Klimawandel, Ökologie, Ökonomie, Systemrisiken und Transnationalstaat.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
(Die konkreten Schlussfolgerungen sind im Text nicht explizit als FAQs formuliert, sondern müssen aus den Kapitelzusammenfassungen und dem Gesamtzusammenhang erschlossen werden.) Die Arbeit zielt darauf ab, die Relevanz von Becks Theorien im Kontext aktueller globaler Herausforderungen zu bewerten und deren Grenzen aufzuzeigen.
- Quote paper
- Rainer Scheu (Author), 2009, Die Risikogesellschaft heute, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132910