Die stadtmorphologischen Charakteristika der orientalischen Stadt. Kontinuität und Wandel


Hausarbeit, 2018

16 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


1. Die Einleitung

Das Thema dieser Arbeit ist ,,Die Kontinuität und der Wandel der orientalischen Stadt“ und der Schwerpunkt soll es sein, die stadtmorphologischen Charakteristika der orientalischen Stadt zu analysieren und beispielhaft darzustellen. ,,Die Deutsche Orient- Gesellschaft hat eine enge Verbindung zur orientalischen Stadtgeschichte [...], [weil sie] stadtarchäologische Projekte initiiert hat: Soeben nach fast 30 Jahren archäologischer Arbeit die ausgesprochen urbanistisch orientierten Grabungen in den altorientalischen Städten [...] abgeschlossen [hat]. [...] Es erschien daher sinnvoll, die altorientalische Stadt zum Thema zu wählen, nachdem der Vorstand der D.O.G. [...] beschlossen hatte [...] ein internationales Colloquim zu organisieren.“1 Aufgrund dessen wird sich die Basis dieser Arbeit auf die wissenschaftliche Konzeption dieses Colloquims stützen. Diesbezüglich müssen einige Fragen beantwortet werden, die diese Arbeit leiten sollen. Seit wann können im alten Orient mit einer gewissen Sicherheit Städte nachgewiesen werden? Im nächsten Schritt muss die Frage beantwortet werden ob und wie weit diese Städte denn orientalische Städte sind? Die nächste Frage wäre: Gibt es überhaupt so etwas wie einen orientalischen Typ von Stadt? Es gibt drei Hypothesen, die belegt oder wiederlegt werden können. Erstens: Die Kulturen des alten Orients haben die Stadt geschaffen, als eine global- universelle Erscheinung. Zweitens: Die von den Kulturen des alten Orients geschaffenen Städte haben zwar eine Kulturraumspezifisch orientalische Prägung mitbekommen. Diese könnte aber unlösbar mit der Stadt als einer Globalen Erscheinung verbunden sein, sie würde also bis heute allen Städten der Erde anhaften. Die dritte Hypothese geht davon aus, dass es einen kulturraumspezifischen Spezialtyp von Stadt gibt, den wir ,,orientalische Stadt“ nennen können, die sich von anderen kulturraumspezifischen Städten unterscheidet. Die Antworten auf diese Fragen und Hypothesen können erst nach der Analyse folgender Kapitel formuliert werden. Zu Beginn der Analyse ist das Kapitel: die Anfänge der Stadt im Orient von besonderer Bedeutung für diese Arbeit. Weiterhin wird die starke Prägung durch Herrschaft, Macht und elitäre Selbstdarstellung untersucht werden. Das Gefüge der räumlichen Ordnung in Bezug auf die Städte des alten Orients und der Städte des islamischen Orients ist ein wichtiger Aspekt, der in dieser Arbeit unter die Lupe genommen wird. Anschließend muss ebenfalls die Unterschiede im Gefüge der sozialen Ordnung erörtert werden. Desweiteren müssen die Charakteristika der orientalischen Stadt mit den Charakteristika der islamisch-orientalischen Stadt verglichen werden. Der Schlussteil wird die Ergebnisse dieser Arbeit vorstellen, sich auf die bereits erwähnten Hypothesen beziehen und die in der Einleitung erwähnten Fragen versuchen zu beantworten.

2. Die Anfänge der Stadt im Orient

Zu Beginn der Analyse gibt es einige Kriterien, die erwähnt werden sollten und die eine Stadt von einer Siedlung unterscheiden. ,,Vielfach wird ganz pauschal eine Siedlung im frühen Alten Orient dann als Stadt angesprochen, wenn sie nachweislich von einem verteidigungsfähigen Mauerring mit Toren umgeben war.“2,,Weiter werden Siedlungen des Alten Orients gemeinhin dann als Stadt angesprochen, wenn der Ausgräber in ihnen ein oder mehrere Gebäude gefunden hat, die durch Größe und/oder durch Bauaufwand herausgehoben erscheinen.“3,,Schließlich wurden gelegentlich frühe Siedlungen im Alten Orient dann als Stadt angesprochen, wenn wir um sie herum ein städtisches Umland oder Einzugsgebiet finden, mit welchem sie in ökonomischen und sozialen Beziehungen stehen.“4 An dieser Stelle liefern die schriftlichen Quellen nähere Informationen über die Siedlungen. ,,Die schriftlichen Quellen, die wir seit der Wende vom vierten zum dritten Jahrtausend in solchen Siedlungen finden, lassen gelegentlich den Schluß zu, daß deren Bewohner schon in irgendeiner Weise sozial gegliedert oder geschichtet waren.“5 Ausgrabungsbefunde belegen, dass es seit etwa 3500 Jahren v.Chr. in Vorderasien Siedlungen gab, die man mit gutem Grund als Städte ansprechen kann. Die Abbildung 1 im Anhang zeigt den Plan von Habuba Kabira. Als Beispiel werden die Ergebnisse der Ausgrabungen von Habuba Kabira angeführt.6 Diese altorientalische Siedlung hatte schon ein Kanalisationssystem für das Abwasser und besteht aus einigen großen Gebäuden mit überdurchschnittlichen Bauaufwand, die deutlich herausgehoben sind. Es gibt einige Gründe dafür, in ihnen Tempel zu sehen.7 Zumal ist es die Größe dieser Gebäude, die sich von den restlichen Gebäuden unterscheidet und zum anderen ist es die ausgewählte Baustelle meistens auf dem höchsten Platz der Stadt. Diese Bauwerke stehen topographisch an der höchsten Stelle des Stadtareals und sie sind dementsprechend von Weitem sichtbar. Damit wird auf die Religion und den Tempel viel Wert gelegt. Die Zugangswege zum Tempelhügel sind schlecht ausgebaut. Das lässt den Schluss ziehen, dass im näheren Umkreis der Tempel keine größeren Prozessionen oder Platzaufwendige Kulthandlungen stattfanden. Sobald der durch die Ausgrabungen freigelegte Straßenverlauf und Baubestand sich erkennen lässt, liegt das eigentliche Stadtzentrum im Westen, im Bereich der beiden Tore, die offensichtlich zum Euphrat führten.8 Hier müssen wir den Zugang zum Hafen vermuten; über ihn führte der Flussverkehr sowohl stromab zu den sumerischen Städten des Unterirak als auch stromauf nach Anatolien. Der damit verbundene Fernhandel dürfte die eigentliche Lebensgrundlage von Habuba Kabira gewesen sein, weil im alten Orient der Markt zumindest für Fernhandels- und Massengüter im Bereich der Tore oder des Hafens abgehalten wurde. ,,Im Bereich des Qannas Tores gab es eine größere Zahl an Wohngebäuden, die aufwendiger gebaut sind als die meisten anderen.“9 Dabei sind mehrere unterschiedliche Haustypen zu größeren mehrgliedrigen Gebäudekomplexen zusammengeschlossen, die neben dem privaten Wohnbereich Räume für eine wirtschaftliche Nutzung umfassten. Daraus und aus den vor Ort gefundenen Gebrauchsgegenständen kann man schließen, dass diese Häuser den im Fernhandel engagierten Kaufleuten gehörten und dass in ihnen Waren gelagert wurden. Hier liefen die Warenströme und die Informationen zusammen. Von hieraus wurde der Fernhandel organisiert und dadurch liegt hier in geographischer Sicht das Herz und das Zentrum der Stadt. Nicht die mutmaßlichen Tempel oder der große Gebäudekomplex der Nordmauer der vielleicht Standort der Verwaltungsfunktion war, dürfte die Existenzberechtigung der Siedlung am mittleren Euphrat gewesen sein. Laut Max Weber ist die Siedlung Habuba Kabira eine "Stadt", denn die Stadt ist nach ihm in erster Linie Markt und damit wirtschaftlicher Zentrum. Habuba Kabira wird als städtische Siedlung betrachtet, die eine städtische Gesellschaft besitzt, die sozial geschichtet und arbeitsteilig nach Tätigkeitsbereichen segmentiert ist. Eine Siedlung in der sich diese beiden Gliederungsprinzipien auch räumlich niederschlagen ist Stadt. Und parallel dazu lassen die Häuser in ihren unterschiedlichen Flächenanspruch in ihrer unterschiedlichen Anzahl von Räumen, in der unterschiedlichen starken funktionalen Differenzierung von Räumen und im unterschiedlichen Bauaufwand eine deutliche soziale Schichtung der Bevölkerung erkennen. ,,Das reiche Fundmaterial der Ausgrabungen von Habuba Kabira zeigt uns die vielen Facetten städtischer Siedlung und städtischer Lebensform.“10 Diese Siedlungen können als Konzentration nicht agrarischer Standorte angesprochen werden. ,,In ihnen sind die drei Grundfunktionen städtischen Lebens schon voll oder zumindest ansatzweise vertreten. Religiöse oder geistige Institutionen , Macht und Herrschaft, sowie nicht agrarische Wirtschaft. An der Spitze steht eine irgendwie herrschende Elite die den ganzen "städtischen Betrieb" organisierte.“11 Es waren hervorragend ausgebildete Spezialisten für Verwaltung und Schrift. ,,Mit guten Gründen können wir den Terminus "Stadt" auch dann verwenden, wenn sich in den Ausgrabungsstädten des alten Orients neben mutmaßlichen Tempeln auch noch mutmaßliche Paläste als große Bauwerke ausgliedern lassen der entscheidende Befehlsträger war entweder der Priester oder Herrscher.“12 Die Siedlungen funktionieren als Markt- und Wirtschaftszentrum. Die Ausgrabungen ermöglichten den Nachweis sowohl von Bauwerken als auch von Standorten, die eindeutig ökonomische Funktionen erfüllt haben.13 Die Wirtschafts- und Marktfunktionen der altorientalischen Städte beinhaltet die Möglichkeit von Privatinitiative. Herrschaft und Religion lassen den wirtschaftlich aktiven Menschen viele Möglichkeiten eigener Entscheidung. ,,Damit verbunden waren nicht nur eine stetig ansteigende Qualität der agrarischen, gewerblichen und bautechnischen Produktion sowie eine Ausweitung und Intensivierung des Fernhandels, sondern auch erste Ansätze von etwas , was wir heute "Lebensqualität" nennen.“14 Im Laufe von drei Jahrtausenden entwickelte sich einiges weiter. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Siedlungen im alten Orient Frühformen städtischer Architektur sind, auf die alle wesentlichen Merkmale einer Stadt zutreffen. Nachdem wir uns mit den Städten im alten Orient beschäftigt haben, müssen wir uns im nächsten Schritt fragen, ob und wie weit diese Städte denn orientalische Städte sind? Die Konzeption der Stadt im Alten Orient ist durch viele Lücken der Forschung unscharf und fragmentarisch. Analogieschlüsse nach dem Muster der abendländischen Stadt können manches Merkmal andersartiger Orientalität verdecken.15,,Die Ausgrabungen erschließen nur den architektonischen Baubestand daher gibt es nur geringe Informationen über die Lebensformen.“16 Möglicherweise waren Baubestände anderer Kulturen noch von kulturraumspezifischen Eigenschaften des Alten Orient geprägt. ,,Die wissenschaftlichen Beschäftigungen mit den Städten Nordafrikas und Vorderasiens deuten auf einen Sondertyp der orientalischen Stadt mit charakteristischen Eigenarten, die sie klar sowohl von der Stadt der klassischen Antike als auch von der westlich abendländischen Stadt abheben.“17 Die Aussage sollte durch eine zweite These ergänzt werden, denn die Stadt im Alten Orient und die islamische Stadt sind eng miteinander Verwandt.18,,Die eintausend Jahre der klassischen Antike, von den hellenistischen bis zu den frühbyzantinischen Jahrhunderten erscheinen fast nur wie ein Zwischenspiel. Es hat in den Städten des Islam klare und unverwechselbare Spuren hinterlassen; aber die Prägung durch den Alten Orient konnte sich dann aber in vieler Hinsicht doch wieder durchsetzen.“19 Die archäologischen Quellen liefern die Informationen, dass es einen Sondertyp der orientalischen Stadt mit wiederum charakteristischen Eigenarten gibt, die mit der islamischen Stadt eng verwandt ist. Diesbezüglich müssen im weiteren Verlauf der Arbeit, die Besonderheiten analysiert werden, die sich herausheben lassen, die einigermaßen abgesichert sind. Während der Analyse müssen folgende Aspekt untersucht werden: ,,Das ist erstens die starke Prägung durch Herrschaft, Macht und elitäre Selbstdarstellung, es sind zweitens Unterschiede im Gefüge der räumlichen Ordnung und drittens solche im Gefüge der sozialen Ordnung.“20

3. Die starke Prägung durch Herrschaft, Macht und elitäre Selbstdarstellung

,,Im Alten Orient waren vermutlich zu Beginn des Städtewesens die religiösen Funktionen dominant.“21 Im Gegensatz dazu erscheinen in den darauf folgenden Jahrtausenden die Städte des alten Orients durch drei andere dominante Merkmale geprägt. ,,Zum einen ist es die abschreckende Wehrhaftigkeit und einschüchternde Zwangsgewalt des Kriegsherren, zum zweiten das demonstrative zur schaustellen herausgehobenen Prestiges durch prunkvolle Bauwerke, zum dritten die höfisch-heitere Selbstinszenierung und Lebensgenuss der Oberschicht.“22 Diese drei Merkmale sind mit der Grundfunktion der Herrschaft verbunden und von besonderer Bedeutung für die Städte des Alten Orients. ,,Wie das Beispiel von Mari zeigt, drängen im Alten Orient vom 2. Jahrtausend v.Chr. an Palastbauten die Tempel zurück und bei den assyrischen Hauptstädten steigert sich die Palastarchitektur ins Einschüchternd-Monumentale.“23 Fast überall wird jetzt der Sitz des Herrschers in einen eigenen Thronsaal ritualisiert herausgehoben und seit etwa 1500 v.Chr. spielen dann in den Städten des Alten Orients Palastgärten eine wichtige Rolle. Man beginnt auch damit, den Ausblick von einer überhöhten Palastterasse weit ins Land hinaus zu genießen. ,,Demgegenüber erscheint die Dominanz der Herrschaft in Stadtbild und Stadtstruktur bei den Städten der klassischen Antike und des Abendlandes deutlich weniger ausgeprägt.“24 Die Dominanz des Palastes in der Stadtarchitektur liegt daran, dass der Herrscher verehrt wird wie eine Gottheit. Aber das Christentum und der Islam haben dann eine Vergöttlichung des Herrschers unmöglich gemacht.25 Die Thron und Audienzsäle werden seit etwa 1800 v.Chr. zu einem zentralen Element altorientalischer Palastarchitektur. Die Könige der mittel- und neuassyrischen Reiche beginnen damit, ihre Paläste in einem Zitadellenbezirk von der übrigen Stadt abzusondern. Diese Zitadellen liegen als Landmarken auf einem überragenden Hügel der Stadt. Sie sind aufwendig und abschreckend ummauert. ,,Sie ist dann aber auch ein Mittel, hohes Prestige zur Schau zu stellen und herausragenden sozialen Rang zu dokumentieren.“26

4. Das Gefüge der räumlichen Ordnung

In diesem Kapitel wird der Grundriss und der Aufriss der Stadt des Alten Orients und des Islams analysiert werden, um die Kontinuität und den Wandel der Städte im alten Orient feststellen zu können. Die Untersuchung der Ursachen für die Kontinuität und den Wandel wird das Ergebnis dieser Arbeit näher bringen.

[...]


1 Wilhelm (1997), S. VII.

2 Wirth (1997), S. 2.

3 Ebd.

4 Ebd., S. 3.

5 Ebd., S. 2.

6 Vgl. ebd., S. 5.

7 Vgl. ebd.

8 Wirth (1997), S. 5.

9 Ebd.

10 Wirth (1997), S. 8.

11 Ebd.

12 Ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Ebd., S. 9.

15 Vgl. ebd., S. 11.

16 Ebd.

17 Ebd., S. 12.

18 Vgl. ebd.

19 Ebd.

20 Wirth (1997), S. 12.

21 Ebd.

22 Ebd.

23 Ebd., S. 12-13.

24 Ebd., S. 13.

25 Vgl. ebd., S. 14.

26 Ebd., S. 15.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die stadtmorphologischen Charakteristika der orientalischen Stadt. Kontinuität und Wandel
Hochschule
Universität Münster  (Altorientalistik)
Note
2,0
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V1330398
ISBN (eBook)
9783346824837
ISBN (Buch)
9783346824844
Sprache
Deutsch
Schlagworte
charakteristika, stadt, kontinuität, wandel
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Die stadtmorphologischen Charakteristika der orientalischen Stadt. Kontinuität und Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1330398

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