Die Anfänge des Mercedarierordens

Die Bedeutung der Statuten von 1272 für den Gefangenenloskauf


Hausarbeit, 2008

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung:

2.Gefangenschaft und Loskauf:
2.1. Gefangenenloskauf allgemein und in Levante:
2.2. Gefangenloskauf in Aragon:

3. Wichtige Gefangenenloskauforden:
3.1. Der Trinitarierorden:
3.2. Der Mercedarierorden:

4. Jakob I. und die Mercedarier:

5. Die Statuten von 1272:
5.1. Definition von Statuten allgemein:
5.2. Entstehungsumfeld der Statuten:
5.3. Die Rolle des Gefangenenloskaufes in den Statuten:

6. Fazit:

7. Literaturverzeichnis:

8. Quellenverzeichnis:

1. Einleitung:

Im 11. bis 13. Jahrhundert herrschte immer wieder Krieg zwischen Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel. Von Interesse war nicht nur die Eroberung von Land, sondern auch Kriegsbeute und die Gefangennahme von Feinden auf beiden Seiten. Der Gefangenloskauf von Christen spielte besonders im 12. und 13. Jahrhundert eine große Rolle, da sich immer mehr Organisationen gründeten um Gefangene wieder freizukaufen.[1] Einer dieser religiösen Orden war der Mercedarierorden, der um 1230 in Aragon entstand.

Diese Seminararbeit thematisiert die Anfänge des Mercedarierordens unter der besonderen Fragestellung, welche Rolle der Gefangenenloskauf in den Statuten des Ordens von 1272 spielte.

Zunächst möchte ich kurz auf den Gefangenloskauf in Levante, in Jerusalem und schließlich in Spanien zu sprechen kommen und somit drei zum Teil unterschiedliche Entwicklungen des Loskaufes von Gefangenen vorstellen. Das Hauptaugenmerk wird jedoch hierbei auf den katalanisch-aragonesischen Bereich liegen.

Anschließend werde ich auf den Trinitarier- und Mercedarierorden eingehen, zwei religiöse Gemeinschaften, die in unterschiedlichen Gebieten tätig waren, jedoch die gleiche Aufgabe erfüllten – nämlich den Loskauf von christlichen Gefangen. Hierbei sollen unter anderem auch Unterschiede der konkurrierenden Orden herausgestellt werden.

Ein in der Geschichtsforschung oft diskutierter Streitpunkt ist das Verhältnis zwischen König Jakob I. von Aragon und den Mercedariern. Somit möchte ich mich mit der Patronage des Königs beschäftigen und verdeutlichen, welche Schenkungen und Privilegien die Mercedarier im Laufe von Jakobs Regentschaft erhielten. Dieser Punkt ist insofern von Wichtigkeit, als dass er auch herausstellen soll, dass der Loskauforden im aragonesischen König seinen wichtigsten Förderer gefunden hatte.

Erst im Anschluss komme ich zum Hauptpunkt meiner Arbeit, den Statuten von 1272. Vorab möchte ich eine kurze Definition von Statuten geben und den Kontext herausstellen, in dem die mercedarischen Konstitutionen entstanden. Bei der anschließenden Untersuchung der Statuten werde ich ausschließlich die Kapitel behandeln, die den Gefangenenloskauf direkt oder indirekt thematisieren. Zur Ergänzung meiner Ausführungen, werde ich zusätzlich Literatur von James William Brodman und Anne Müller verwenden.

Insgesamt waren besonders die Forschungsarbeiten von Brodman sehr hilfreich, da er sich sehr genau mit den zeitgenössischen Quellen der Mercedarier beschäftigt hat und die ältere Forschung mit seinen Untersuchungen teilweise komplett revidierte.

2.Gefangenschaft und Loskauf:

Die Fürsorge für die eigenen christlichen Gefangenen war ein Phänomen, das sich erst ab dem 12. Jahrhundert im Zusammenhang der Kreuzzüge entwickelte und zuvor aus christlicher Sicht nicht im Zusammenhang mit der Caritas stand. Nach Friedman sind die muslimischen Einflüsse für den Wandel der westlichen Ansichten verantwortlich, da Gefangenloskauf schon zuvor in den muslimischen Regionen institutionalisiert und Teil der Sadaqa war.[2] Im Vergleich hierzu steht die spanische Reconquista, bei der wesentlich schneller die Erfordernis des organisierten Gefangenloskaufes erkannt und institutionalisiert wurde, als bei den Kreuzzügen in Jerusalem.[3]

Im Folgenden soll kurz auf die Entwicklung des Gefangenloskaufes bei der Eroberung von Jerusalem und in der Krone Aragon eingegangen werden, wobei der Schwerpunkt auf Spanien liegen wird. Die Anfänge des Gefangenloskaufes in Aragon und Kastilien sind hier nur kurz umrissen. Die einzelnen fueros bezüglich des Loskaufes weichen zeitweise sehr stark von einander ab, so dass in diesem Sinne nicht alle Einzelheiten dargelegt werden können. So möchte ich lediglich skizzieren, welche Ursprünge der Gefangenloskauf auf der Iberischen Halbinsel hatte und welche Rechte den Betroffenen zunächst zustanden.

Als Vergleich hierzu werden vorab die wesentlichen Aspekte des Gefangenenloskaufes in Levante skizziert:

2.1. Gefangenenloskauf allgemein und in Levante:

In Levante wurde der Gefangenloskauf schon während des 8. und 9. Jahrhunderts institutionalisiert, wie Quellen über die byzantinisch-arabischen Kriege beweisen. Der gegenseitige Austausch von Kriegsgefangenen bedeutete hier sowohl eine zumindest zeitweiliges Unterbrechung der Kriegshandlungen und war Teil des gemeinsamen Abkommens. Auf diese Weise wurden Gefangenenaustausche oder Loskäufe zum Alltagsgeschäft. Die Befreiung der Gefangenen war Teil der diplomatischen Verhandlungen und gehörte somit zu dem Verantwortungsbereich des Staates. Bei dem Gefangenaustausch wurde eine Person gegen eine andere ausgetauscht. Hatte ein Lager mehr Gefangene als das andere, mussten die übrigen durch Lösegeld freigekauft werden. Zu dem Austausch der Kriegsgefangenen wurden auch Zuschauer geladen. Friedman schließt aus dieser Tatsache, dass hier an das Gebot der Wohltätigkeit appelliert wurde und das Publikum somit Geld für den Loskauf spenden sollte.[4]

Während des ersten Kreuzzugs am Ende des 11. Jahrhundert war der Gefangenloskauf auf Seiten der Kreuzfahrer hingegen nicht geregelt, was nach Friedman daran lag, dass sich die Christen keinerlei Gedanken über eine mögliche Niederlage gemacht hatten und eine schnelle Eroberung Jerusalems erwarteten. Die Christen fühlten sich weder für ihre gefangen genommen Krieger verantwortlich, noch gewillt muslimische Gefangene zu nehmen, um damit ihre Männer zu befreien – Friedman schreibt diesbezüglich in drastischer Form: „…they preferred rather to allow their captive soldiers to rot in prison or be killed than to lay out money for ransom or give up strongholds in order to free them.“[5] So blieb die Befreiung einer Person aus den Händen der Muslime zunächst reine Privatangelegenheit.[6]

Erst im Verlauf des 12. Jahrhundert lassen sich langsam Änderungen in der Einstellung der Kreuzfahrer gegenüber ihren Gefangenen erkennen. Die Franken waren eher bereit Gefangene zu nehmen und auszutauschen und somit ihre gefangenen Krieger zu schützen. Der Loskauf von Gefangenen, der sich als sehr viel komplizierter erwies als der Austausch, wurde hingegen äußert selten und nur bei wichtigen Persönlichkeiten praktiziert, die trotz alledem oft jahrelang in muslimischen Gefängnissen verweilen mussten. Ein Soldat mit einem niedrigeren sozialen Status musste sich weiterhin selbst um die Wiedererlangung seiner Freiheit bemühen.[7]

Ein Wendepunkt ist erst im Jahre 1187 in der Schlacht bei Hattin zu erkennen, bei der die Kreuzritter eine vernichtende Niederlage erlitten. Die große Anzahl an fränkischen Gefangenen verlangte nach einem großräumig organisierten Loskauf, da es nunmehr unmöglich war, dass der einzelne Gefangene sich selbst um seine Befreiung kümmerte. Erstmals setzte sich das Papsttum für die unfreien Christen ein und verhandelte mit dem Sultan über die Freilassung. Somit entwickelte sich aus der persönlichen Erfordernis des Loskaufs eine gesellschaftliche, wofür Ritterorden zum Loskauf von Gefangenen beauftragt wurden. In diesem Kontext entstand auch der Trinitarierorden, auf den ich im späteren Verlauf dieser Arbeit nochmals zurückkommen möchte.[8] Im Verlauf des 12. Jahrhunderts wurden der Gefangenloskauf, sowie seine finanzielle Unterstützung zu einem Garant für das eigene Seelenheil.[9]

2.2. Gefangenloskauf in Aragon:

Während der Osten beinahe zwei Jahrhunderte für eine Institutionalisierung für den Gefangenloskauf benötigte, war die Entwicklung in der Krone Aragon wesentlich schneller.[10]

Im Rahmen der Reconquista wurden auch hier sowohl auf Seiten der Muslime, als auch auf der der Christen Gefangene genommen. Diese Gefangennahmen der Gegner während der christlich-muslimischen Kriege betrafen auch hier nicht nur Krieger, sondern auch Zivilisten. Die Gefangenen galten als eine Art Beutegut und somit auch als Eigentum, das man mit Profit verkaufen oder versklaven konnte. Die christlichen Gefangenen wurden beispielsweise nach Andalusien, oder Nordafrika gebracht, um dort verkauft zu werden, hatten jedoch auch die Möglichkeit sich ihre Freiheit zurückzukaufen. Der Loskauf brachte oft sogar mehr Gewinn ein, als der Preis für einen Sklaven und wurde somit eine beliebte und lukrative Alternative für den Verkäufer.[11]

Vor dem 12. Jahrhundert gab es keine Institutionalisierung des Gefangenloskaufens, d.h. dass der Freikauf den betroffenen Privatpersonen überlassen blieb. Die Anfänge des institutionalisierten Gefangenloskaufes liegen erstaunlicher Weise als karikative Maßnahme nicht bei der Kirche, sondern bei spanischen Städten, die sich im christlich-muslimischen Grenzland bildeten. Die jeweiligen fueros bezeugen, dass die eigentliche Verantwortung für den Loskauf bei der Stadtgemeinde lag, die Sorge für den Erhalt des Eigentums der Bürger tragen sollte. Das erste Gesetz für den Gefangenloskauf ist in den fueros der aragonesischen Stadt Calatayud aus dem Jahre 1131 zu finden. Dieses Gesetz erlaubt den Eltern eines Gefangenen einen muslimischen Gefangenen zum „Einkaufspreis“ zu kaufen, mit dem sie ihren Sohn auslösen können. Gelingt dieser Austausch nicht, muss der Gefangene wieder zum Verkäufer zurückgegeben werden. Dieses Recht ermöglichte den betroffenen Eltern möglichst wenig Geld in den Loskauf zu investieren.[12]

Die späteren Gesetze wurden so ausgeweitet, dass nicht mehr nur die Eltern eines Gefangenen das Anrecht hatten sich einen muslimischen Unfreien zu kaufen, sondern ebenso erhielten auch Verwandte und Freunde das gleiche Anrecht auf Unterstützung für den Freikauf bzw. Austausch.[13]

Für gefangene Soldaten galten zudem noch Sonderrechte, da sich die Stadt gegenüber den Kriegern besonders verantwortlich fühlte. So bemühte man sich darum, zuerst die gefangenen Krieger auszulösen, was zumeist ebenfalls durch den Austausch muslimischer Gefangener geschah, die jedoch den gleichen militärischen Status inne haben mussten wie der zu befreiende Christ. Zudem wurden die „Güter“ oder Gelder für den Austausch von Gemeindesteuern und königlichen Abgaben befreit. Des Weiteren wurden dem Befreiten Waffen, Pferd und diverse andere Utensilien, die bei der Gefangennahme abhanden gekommen waren, ersetzt.[14]

Ein Problem war allerdings, dass die Schulden des Gefangenen während seiner unfreiwilligen Abwesenheit nicht aufgeschoben wurden. Die Familie musste hierfür aufkommen und konnte auch haftbar gemacht werden. Brodman sieht in dieser Anordnung die mögliche Dauerhaftigkeit einer solchen Gefangennahme.[15] Hieraus lässt sich schließen, dass längst nicht alle aus der gegnerischen Gefangenschaft befreit werden konnten und die jeweiligen Schulden, wie bei dem Erbrecht, auf die Familie übergingen.

Für den Fall, dass eine Familie das erforderliche Lösegeld für den Gefangenen nicht aufbringen konnte, hatten einige fueros eine Sonderregelung. So konnte der gefangen genommene Vater mit der Einwilligung des Gemeindrates seinen Sohn für drei Jahre als Ersatzgefangenen aussenden, um sich während dieser Zeit persönlich um das Lösegeld zu bemühen. Gelang es dem Vater nicht dieses Geld in der Zeitspanne aufzubringen, musste er zurück in die Gefangenschaft. Diese Regelung war jedoch nur in der eben benannten Konstellation anwendbar. Der Sohn durfte folglich nicht seinen Vater als Gefangenen eintauschen, ebenso wenig durfte der Vater an seiner statt seine Tochter in die Gefangenschaft schicken.[16]

Zum Auslösen der Gefangenen wurden Mittelsmänner der Stadt ausgesandt, die besonders im Verhandeln und Vermitteln ausgebildet waren. Erst im 12. und 13. Jahrhundert wurde dieses Vorgehen ausgeweitet. Die christlichen Gefangenenloskäufer hießen exea[17], die muslimischen almotalefe. Die exea waren Händler, die seit 1116 unter dem Schutz des Königs standen. Gelang es einem exea einen Gefangenen freizukaufen, war er während der Heimreise für die Sicherheit des Freigekauften verantwortlich. Für seinen Schutz und die Verköstigung wurde der Händler mit einem zusätzlichen maravedi entlohnt und erhielt für den Freikauf des Gefangenen 1/5 des Loskaufwertes als Lohn. Durch diesen finanziellen Anreiz erhofften sich die Städte die Freiheit möglichst vieler Gefangener.[18]

[...]


[1] Brodman, James William: Ransoming Captives in Crusader Spain: The Order of Merced on the Christian-Islamic Frontier, Philadelphia 1986, S. 2 (im Folgenden zitiert als: Brodman: Order of Merced).

[2] Friedman, Yvonne: Encounter between Enemies. Captivity and Ransom in the Latin Kingdom of Jerusalem, Brill, Leiden, Boston, Köln, 2002 , S. 2 und 4 (im Folgenden zitiert als: Friedman: Encouter).

[3] Friedman: Encounter between Enemies, S. 8.

[4] Friedman: Encounter between Enemies, S. 34, 36 und 39.

[5] Friedman: Encounter between Enemies, S. 23.

[6] Friedman: Encounter, S. 14 und 16ff.

[7] Friedman: Encounter between Enemies, S. 74ff und 85.

[8] Friedman: Encounter between Enemies, S. 86-88.

[9] Müller, Anne: Gefangenloskauf unter der Augustinerregel. Aspekte institutioneller Entwicklung im Mercedarierorden von den Anfängen bis 1317, in: Regula Sancti Augustini. Normative Grundlage differenter Verbände im Mittelalter, Paring 2002, S. 489f.

[10] Friedman: Encounter between Enemies, S. 8.

[11] Brodman, James William: Municipal Ransoming Law on the Medieval Spanish Frontier, in: Speculum 60/2 (1985), S.318 (im Folgendem zitiert als: Brodman: Ransoming Law)

[12] Brodman: The order of Merced, S.6f; zu den verschiedenen Loskaufbestimmungen der einzelnen fueros, siehe: Ders: Ransoming Law S. 319f.

[13] Brodman: Ransoming Law, S. 322.

[14] Ders: Ransoming Law, S. 323

Ders: The order of Merced, S.7.

[15] Ders: Ransoming Law, S. 323.

[16] Ders: Ransoming Law, S. 324.

[17] Die Gefangenloskäufer aus Portugal und Kastilien bezeichnet man hingegen als alfaqueque, für die zum Teil andere Bestimmungen und Gesetze galten als für die exeas, siehe hierzu: Brodman: Ransoming Law, S. 328f.

[18] Ders: Ransoming Law, S. 326ff. und Ders: The Order of Merced, S. 8.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Anfänge des Mercedarierordens
Untertitel
Die Bedeutung der Statuten von 1272 für den Gefangenenloskauf
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Königliche Chroniken. Die Biographien der Aragonischen Herrscher
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V133094
ISBN (eBook)
9783640398874
ISBN (Buch)
9783640398447
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anfänge, Mercedarierordens, Bedeutung, Statuten, Gefangenenloskauf
Arbeit zitieren
Leona Nickel (Autor:in), 2008, Die Anfänge des Mercedarierordens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133094

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