Die Rolle einer Mystikerin im Spiegel der mittelalterlichen Frauenbewegung und des Abendmahlstreits


Term Paper, 2007

21 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Religiöser Hintergrund der neuen Mystik
2.1 Streit zwischen Gelehrten um das Abendmahl
2.2 Hostienwunder zur Manifestation der Transubstiationslehre
2.3 Ein neuer Umgang mit der Hostie

3. Die Frauenbewegung
3.1 Die Motive der Frauenbewegung
3.2 Bernhards von Clairvaux als besondere Einflussgröße der Frauenmystik
3.3 Weibliche Mystik

4. Juliana von Lüttich
4.1 Das Leben Julianas
4.2 Die mystischen Erfahrungen Julianas
4.3 Umsetzung Julianas Vorhabens

5. Zusammenfassung & Schlussfolgerung

Literatur
Monographien:
Aufsätze:
Bildquelle:

1. Einleitung

Im Gegensatz zu den vorhergegangenen Jahrhunderten kam es im Spätmittelalter zu einem regelrechten Aufschwung weiblicher Mystik, deren Urheberinnen wie nie zuvor durch unzählige Selig- und Heiligsprechungen gewürdigt wurden. Viele Frauen wandten sich intensiver dem religiösen Leben zu, was unter anderem unzählige Neugründungen von Nonnenkonventen zur Folge hatte. Die gesteigerten Frömmigkeitsformen schienen Ausdruck kirchlicher Bemühungen um Stabilität zu sein. Die Verehrung des Altarsakraments erlangte Ende des 11. Jahrhunderts besondere Bedeutung, als unter Klerikern erneut Streit darüber entstand, ob die konsekrierten Messopfer tatsächlich Fleisch und Blut Christi seien. Die römisch- katholische Kirche war gezwungen diesen Sachverhalt in einem Dogma auf dem IV. Laterankonzil 1215 festzusetzen und den Glauben an diese Interpretation des Wandlungs-herganges in der Eucharistie[1] zu festigen. Der Umgang mit der Hostie änderte sich von einer profanen Handhabe zu einer betont heiligen Handlung. Die Verehrung gipfelte in Juliana von Lüttichs Forderung, ein Fest zum Altarsakrament einzuführen.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob die Kirche tatsächlich bewusst frömmigkeitsorientierte Frauen auffing und motivierte, um die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um das Abendmahl durch ihre mystischen Erfahrungen zu beenden, indem sie die Frauen in der Entwicklung ihrer Mystik unterstützte und ihnen sowohl neue Lebensorientierung, als auch Mittel des sozialen Aufstiegs bot. Auch ist zu untersuchen, was den Anstieg der weiblichen Ordensbeteiligung bedingte.

Exemplarisch soll in einer historischen Betrachtung Juliana von Lüttich ein Bild ihrer Zeit liefern. Hierzu soll im Folgenden der geschichtliche Hintergrund, vor dem sich die Augustinernonne bewegte, geklärt werden. Dabei wird auf die beiden großen Abendmahlstreits eingegangen, der daraus resultierende veränderte Umgang mit der konsekrierten Hostie erläutert und die Frauenbewegung, die eine verstärkte Verehrung des Altarsakraments einleitet, beleuchtet werden.

2. Religiöser Hintergrund der neuen Mystik

2.1 Streit zwischen Gelehrten um das Abendmahl

Im 9. Jahrhundert entbrannte erstmals der sog. „Abendmahlstreit“ darüber, ob sich das Brot tatsächlich in den Leib Christi und der Wein wirklich in das Blut Jesu wandle, oder ob die Wandlung nur eine symbolische, metaphorische Bedeutung habe. So schrieb der Abt von Corbie (Paschasius Radbertus) († 859) in der Abhandlung „De corpore et sanguine Domini“ über die Hostie, sie sei: „Vera utique Christi caro, quae erucifixa est et sepulta“[2]. Ihm gegenüber stand der Mönch Rathramnus aus Corbie († 868), der in der Eucharistie nur spirituell wirkende Körper sah.

Im 11. Jahrhundert wurde die Auseinandersetzung erneut belebt. Domherr Berengar von Tours (* 999 - † 1088) setzte sich ebenfalls für eine symbolisch-spiritualistische Abendmahlslehre ein. Brot und Wein würden zu Zeichen, aber wären nicht der historische Leib Christi.[3] Bei der Kommunion könne sich der Gläubige lediglich durch seinen Glauben Jesus näher fühlen. Berengar erntete heftige Kritik und Empörung (auch aus der Domschule zu Lüttich) und wurde wiederholt aufgefordert, seine traditionsfeindlichen Überlegungen zu widerrufen.[4]

Dem Dominikanermönch Thomas von Aquin (* um 1225, † 1274) sollte es gelingen, mit seiner philosophisch- theologischen Interpretation den Abendmahlstreit zu beruhigen.[5]

Thomas von Aquin prägte dafür den Begriff der „Transsubstiation“[6]. Die Akzidenzien (Eigenschaften) von Brot und Wein blieben zwar erhalten, aber die Substanz (das Wesen) würde sich in Leib und Blut Christi ändern.

Auf dem IV. Laterankonzil 1215 wurde diese Form der Verehrung in einem Dogma kodifiziert, um gegen die provokante These Berengars vorgehen zu können. Bald kannte die Mehrheit der Christen die Bedeutung der „Realpräsenz“ in der Eucharistie, da die Priester allerorts dazu angehalten wurden, gegen die „Häresien“ zu predigen, um die Einheit in der Christlichen Lehre zu bewahren.[7]

2.2 Hostienwunder zur Manifestation der Transubstiationslehre

Seit der öffentlichen Empörung über die Berengaschen Theorie wurde im 12. und 13. Jahrhundert von zahlreichen Hostienwundern berichtet, so als seien sie der Beweis für eine reale Wandlung. Einige sagten aus, Jesus in seiner Gestalt auf dem Altar gesehen zu haben, andere berichten von blutenden Hostien. Diese Darstellungen fanden, wie zur Untermauerung der Transsubstiationslehre, sowohl in Kunst als auch Literatur Eingang. Festzuhalten ist, dass im 12./ 13. Jahrhundert lebendige Berichte über unzählige Hostienwunder in der Bevölkerung und unter dem Klerus kursierten, die die Berengasche Lehre ins Abseits drängen und widerlegen sollten, um den Glauben der Bevölkerung an die Realpräsenz Christi in der konsekrierten Hostie zu bestärken.

2.3 Ein neuer Umgang mit der Hostie

Diese Wundererzählungen konnten dadurch Verbreitung finden, dass sich allmählich in der Messe der Umgang mit der Hostie änderte. Die ehrfürchtige Zurückhaltung und die Unterbindung von öffentlicher Betrachtung wurden nach und nach durch die Notwendigkeit, die Realpräsenz Christi in der Hostie durch die Wandlung zu betonen, geschwächt. Wo die Hostie zunächst unspektakulär von den Priestern fast schon unter Ausschluss der Gemeinde gewandelt wurde, kam nun der Hostie eine größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu.[8] Sie wurde mit dem ausklingenden 12. Jahrhundert nach der Wandlung durch den Priester empor gehalten (elevare), um „das Wunder“ allen sichtbar zu machen und alle daran teilhaben zu lassen. Die Elevatio wurde der neue Höhepunkt der Messfeier, da Theologen und Volk glaubten, dass allein das Schauen der Hostie Gnaden[9] und die Erhörung von Bitten gewähre.[10] Der Hostie wurde im Volksmund eine gewisse Wundertätigkeit zugeschrieben, die auch häufige Missbräuche hervorrief.

Dieser neue Umgang mit dem Sakrament bildete den Ausgangspunkt für die eucharistische Frömmigkeit des Mittelalters.[11] Die Verehrung des Messopfers ereignete sich nun nicht mehr nur innerhalb der Messe.

3. Die Frauenbewegung

3.1 Die Motive der Frauenbewegung

Mit der Armutsbewegung fand auch eine Frauenbewegung[12] im ausklingenden 11. Jahrhundert zunächst im Gebiet des heutigen Belgiens ihren Anfang, die wohl in der Überzahl der Frauen gegenüber den Männern begründet war.[13] Verschiedene Faktoren führten zu diesem Frauenüberhang, wobei umstritten ist, ob durch viele Kriege und den Ersten Kreuzzug die soziale Situation der Frauen sich derart verschlechtert hatte, so dass sie bei den Klöstern aus existenzialistischen Gründen Zuflucht suchten. Dagegen einzuwenden ist, dass sich die Bewegung durch alle Schichten und Stände zog, wobei oftmals wirtschaftlich von ihrer Familie unabhängige Frauen Klöster stifteten und die Konvente beim Eintritt mit ihrem Vermögen unterstützten.[14] Ein proportional recht hoher Anteil der tief religiösen Frauen stammte aus dem Adel. Sie folgten dem weit verbreiteten Bild keuscher Männer ins Zölibat und waren in ihrer Entscheidung besonders durch den in der Gesellschaft verstärkt aufkommenden Dang religiöser Anteilnahme beeinflusst. Ab dem 11. Jahrhundert wurden Predigten häufiger in der Volkssprache gehalten, was den Zugang zu religiösen Gedankengut erheblich erleichterte und auch das Verständnis der kirchenkonformen Auslegung des Abendmahlstreits und eine Identifikation mit den Verehrungsformen erlaubte. Nicht zu letzt, weil das weibliche Element in der neuen Frömmigkeit (vor allem in der Mystik) besonders betont wurde, kamen Frauen in mehr oder weniger institutionalisierten frommen Gemeinschaften im späten 12. Jahrhundert zusammen.[15] Damit ist die Frauenbewegung des Spätmittelalters als eine religiöse zu verstehen. Der Kirche gelang es im nordfranzösisch- niederländischen Raum besonders schnell den Frauenstrom in „rechtgläubige“ Bahnen zu lenken,[16] um sein Abwandern in religiös konkurrierende Gruppen (wie den Katharern) zu verhindern.

[...]


[1] Das Wort Eucharistie für die Bezeichnung der heiligen Speise des Abendmahls stammt aus dem griechischen Wort eucharistia „Danksagung“. Es wird betont, dass die Eucharistie das stärkste Sakrament der sieben ist, da sie fortlaufend (in der Messe) an das Leiden Christi erinnert, die Hoffnung auf die Gnade Gottes aufrecht erhält und die erneute Erlösung durch den Messias ankündigt. Vgl. Bengsch, Alfred: Eucharistie. Gedächtnis und Hingabe, Berlin 1980, S.6.

[2] „Wahrlich dasselbe Fleisch Christi, das gekreuzigt und begraben wurde“ Gerwing, Manfred: Theologie im Mittelalter. Personen und Stationen theologisch- spiritueller Suchbewegungen im mittelalterlichen Deutschland, Paderborn 2000, S.48.

[3] Eine dazu streitbare Stelle in der Bibel war (neben Mt 26.26-29 und Mk 14.22-25) Lk 22.19-20: „Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, Deissler, Alfons/ Vögtle, Anton/ Nützel, Johannes M. (Hrsg.), 4. Aufl., Freiburg 2005.

[4] Vgl. Löther, Andrea: Prozessionen im spätmittelalterlichen Städten: politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit, Köln [u. a.] 1999, S.57.

[5] In Thomas von Aquins „Summa Theologiae III.“ ist die Theologie Reflektion der göttlichen Offenbarung, womit Gott als höchstes Wesen als Autoritätsargument gilt. In seinem Verständnis zeigt Gott, das etwas ist, so dass dann erst von der Vernunft erörtert werden kann, wie es ist. Wenn also Jesus in der Bibel sagt „Dies ist mein Leib…“, hat das Sakrament die Heilswirksamkeit durch das inkarnierte Wort des Erlösers. Die Materie kann nur durch das Wort und die Handlung umgewandelt werden. Der Pfarrer sei hierbei das äußere Werkzeug Gottes für die Wandlung in der Nachahmung des letzten Abendmahls. Die Dinge und Akte zu den Sakramenten wurden dazu selbst von Christus als Zeichen des Heils ausgewählt. Da der Mensch für Thomas von Aquin als unvollkommenes Wesen nur über Körperliches zum Geistigen gelangen kann, ist es notwendig, Christus mit allen Sinnen „einzuverleiben“, um der Gnade teilhaftig werden zu können. Dies wiederum erfordert die vollständige Wandlung der Materie.

[6] Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae III., S.75,a.4,c. Aus: Speer, Andreas (Hrsg.): Thomas von Aquin: Die Summa Theologiae. Werkinterpretation, Berlin 2005, S.422.

[7] Vgl. Löther, A.: Prozessionen (wie Anm. 4), S.58.

[8] Es ist hier allein von der Hostie und nicht vom Wein die Rede, da diesem im 12./ 13. Jahrhundert noch nicht ein ebenbürtiger Stellenwert zukam.

[9] Da in einer Kirche meist mehrere Messen gelesen wurden, sollen sich die Laien sogar bemüht haben, von Elevation zu Elevation zu laufen, um größtmögliche Gnade zu erhalten.

[10] Vgl. Angenendt, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter. 2., überarb. Aufl. Darmstadt 2000, S.506.

[11] Vgl. Browe, Peter: Die Eucharistie im Mittelalter. Liturgiehistorische Forschungen in kulturwissenschaftlicher Absicht. Mit einer Einführung herausgegeben von Hubertus Lutterbach und Thomas Flammer, London [u.a.] 2003, S.509.

[12] Als Schwerpunktregionen bezeichnet Dizelbacher das heutige Belgien, die angrenzenden Länder Braband, Flandern, Nordfrankreich, den Niederrhein und das Moselgebiet. Vgl. Dinzelbacher, Peter: Rollenverweigerung, religiöser Aufbruch und mystisches Erleben mittelalterlicher Frauen. In: Dinzelbacher, Peter/ Bauer, Dieter R. (Hrsg.): Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter, Köln [u.a.] 1988, S.23.

[13] Vgl. Bosl, Karl: Weltflucht, Frömmigkeit, „Emanzipation“ der Frauen. In: Beck, Reiner (Hrsg.): Streifzüge durch das Mittelalter. 5. Aufl. München 2001, S.252: „Den realen Hintergrund der Frauenemanzipation bildeten Frauenüberschuss, ständige Kriege, das religiöse Postulat des Zölibats, die Krisenanfälligkeit, weibliche Sensitivität, das Verlangen nach gesellschaftlicher Freiheit, Freizügigkeit, Unabhängigkeit vom besonderen Dienstverhältnis zum Mann.“

[14] Vgl. Koch, Gottfried: Frauenfrage und Ketzertum im Mittelalter. Die Frauenbewegung im Rahmen des Katharismus und des Waldensertums und ihre soziale Wurzeln (12.-14. Jahrhundert), Berlin 1962, S.14.

[15] Vgl. Warnatsch- Gleich, F.: Herrschaft und Frömmigkeit. Zisterzienserinnen im Hochmittelalter, Bamberg 2005, S.34.

[16] Koch, G.: Frauenfrage (wie Anm. 14), S.30.

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Details

Title
Die Rolle einer Mystikerin im Spiegel der mittelalterlichen Frauenbewegung und des Abendmahlstreits
College
University of Potsdam  (Institut für Lebensgestaltung- Ethik- Religionskunde)
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
21
Catalog Number
V133110
ISBN (eBook)
9783640398980
ISBN (Book)
9783640398485
File size
531 KB
Language
German
Keywords
Juliana von Lüttich, Bernhard von Clairvaux, Eucharistie, Abendmahl, Frauenbewegung, Askese, Christus, Visionen, Kirche, Nonne, Kloster
Quote paper
Kati Neubauer (Author), 2007, Die Rolle einer Mystikerin im Spiegel der mittelalterlichen Frauenbewegung und des Abendmahlstreits, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133110

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