„Und als die Leute an diesem Ort ihn erkannten, schickten sie Botschaft ringsrum in das
ganze Land und brachten alle Kranken zu ihm und baten ihn, daß sie nur den Saum seines
Gewandes berühren dürften. Und alle, die ihn berührten wurden gesund.“1 (Mt 14.35f.)
Schon seit jeher wurden Gewandbeschreibungen, nicht nur in der epischen Dichtung, sondern
auch in christlichen Texten stark konstruiert und idealisiert, wie dieser Bibelauszug aus dem
Matthäus-Evangelium beweist. Entsprechende Idealisierungen, Kongruenz bzw. Inkongruenz
von Kleid-Körper-Charakter, positive bzw. negative Konnotationen hinsichtlich Kleiderbeschreibungen
sind ein wesentlicher Teil besonders der mittelalterlicher Kleidersymbolik.
Die Ursprünge für die idealisierenden Elemente in der mittelalterlichen Dichtung und explizit
den Artusromanen ‚Iwein’ und ‚Erec’ Hartmann von Aues, die in dieser Arbeit untersucht
werden, sind in der Bibel zu finden. Raudszus merkt hierzu an: „.. läßt sich konstatieren, daß
die mittelalterliche Kleidersymbolik auf der Bibelexegese basiert, ja ohne sie überhaupt nicht
denkbar wäre.“2
Selbst in der heutigen Gesellschaft ist noch ein hoher vestimentärer Symbolcharakter virulent.
Die moderne Mode- und Werbewelt trägt ebenso wie im Mittelalter die epische Dichtung
ihren Teil zur Idealisierung der Kleidung bei, indem sie in ihr mehr sieht, als Schutz vor
Nässe, Kälte und Witterung. Kleidung stellte und stellt einen Prestigewert dar, der von den
Anfängen der Gewandbeschreibungen in der griechischen Antike, bis in die Zeitgenössische
Medienlandschaft als präsent postuliert. König fasst passend zusammen: „Die Mode ist in der
Tat eine verkannte Weltmacht.“3
Es gibt ein rigides Muster, das von mittelalterlichen Autoren angewandt wurde, um dem Leser
die Zeichenfunktionen von Gewandbeschreibungen näher zu bringen. [...]
1 Die Bibel; Lutherbibel Standardausgabe, Deutsche Bibelgesellschaft. Stuttgart 1985.
2 Raudszus, Gabriele.: Die Zeichensprache der Kleidung. Untersuchungen zur Symbolik des Gewandes in der
deutschen Epik des Mittelalters (Ordo. Studien zur Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen
Neuzeit, Bd.1). Hildesheim/Zürich/New York 1985, S.231.
3 König, Rene: Macht und Reiz der Mode, Verständnisvolle Betrachtungen eines Soziologen. Düsseldorf 1971,
S.39.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konstrukthaft idealisierte Darstellungen höfischer Kultur und Ethik durch Gewanddeskriptionen bei Hartmann von Aues, 'Erec' und 'Iwein'
- Inkongruenzen von Kleid, Körper und Charakter
- Kongruenzen von Kleid, Körper und Charakter
- Iweins Krise und sein Erwachen
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die idealisierenden Elemente in Gewandbeschreibungen der mittelalterlichen Artusepik, insbesondere in Hartmanns von Aues Artusromanen 'Erec' und 'Iwein'. Sie untersucht die Rolle von Kleidung als Symbol für den Charakter, den sozialen Stand und die seelische Verfassung der Figuren. Die Analyse konzentriert sich auf die Konzepte von Inkongruenz und Kongruenz zwischen Kleid, Körper und Charakter, sowie auf die Bedeutung von Farben und Materialien in der Gestaltung von Gewandbeschreibungen.
- Die Bedeutung von Gewandbeschreibungen in der mittelalterlichen Artusepik
- Die Konstruktion von Charakteren durch Kleidungsmerkmale
- Die Rolle von Farben und Materialien in der Symbolik von Kleidung
- Die Konzepte von Inkongruenz und Kongruenz zwischen Kleid, Körper und Charakter
- Die Verbindung zwischen Gewandbeschreibungen und höfischer Kultur und Ethik
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung bietet einen kurzen Überblick über die Bedeutung von Gewandbeschreibungen in der mittelalterlichen Literatur, insbesondere in der Artusepik. Sie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Kleidung und Charakter sowie den Einfluss von Farben und Materialien.
- Kapitel 2 untersucht die idealisierenden Elemente in Gewandbeschreibungen bei Hartmann von Aues. Es werden die Konzepte von Inkongruenz und Kongruenz zwischen Kleid, Körper und Charakter analysiert und die Bedeutung von Farben und Materialien in der Gestaltung von Gewandbeschreibungen herausgestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der mittelalterlichen Artusepik, insbesondere mit den Artusromanen 'Erec' und 'Iwein' von Hartmann von Aues. Die zentralen Schwerpunkte liegen auf der Analyse von Gewandbeschreibungen, deren Symbolik und ihrer Rolle in der Konstruktion von Charakteren und der Darstellung höfischer Kultur und Ethik. Wichtige Begriffe sind: Kleidung, Gewand, Symbolik, Inkongruenz, Kongruenz, Farben, Materialien, Charakterisierung, höfische Kultur, Artusepik, Hartmann von Aues, 'Erec', 'Iwein'.
- Citation du texte
- Marco Kerlein (Auteur), 2003, Idealisierende Elemente in Gewanddeskriptionen der mittelalterlichen Artusepik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13349