Konstitutioneller Pluralismus in der Weltgesellschaft

Konstitutionalisierung des Völkerrechts


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 9 Punkte

Dennis Kautz (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Begriff der Verfassung

III. Historischer Wandel des Volkerrechts
1. Ursprünge
2. Schaffung volkerrechtlicher Fundamentalnormen
3. Schaffung internationaler Rechtsstandards im Verhaltnis Staat zu Bürger
4. Gründung standiger internationaler Institutionen

IV. Das gegenwartige Normgefüge im Volkerrecht
1. Die Vereinten Nationen als globale Organisation mit quasi-universellem Geltungsanspruch
2. Globale Organisationen mit Autorität auf einem Rechtsgebiet am Beispiel der WTO
3. Regionale Konstitutionalisierung des Rechts am Beispiel der Europäischen Union
V. Theorien zur Konstitutionalisierung des Völkerrechts
1. Konstitutionalisierung als Agenda für eine künftige supranationale
Weltordnung
2. Konstitutionalisierung als Rekonstruktion der geltenden
Volkerrechtsordnung
3. Teilkonstitutionalisierung im gegenwartigen Volkerrecht

VI. Tendenzen der Hierarchisierung des Volkerrechts
1. Normen mit Geltungsvorrang vor nationalem Recht
2. Verfassungselemente im Volkerrecht
a) Materielle Elemente einer Verfassung im Volkerrecht
b) Formelle Verfassungselemente
aa) Normen jus cogens und erga omnes
bb) Rechtsprinzipien als Antwort auf die Frage formeller Verfassungselemente im Volkerrecht
aaa) Problematik der Herleitung
bbb) Problematik der mangelnden Bestimmtheit
3. Durchsetzung des supranationalen Rechts
a) Der Internationale Gerichtshof
b) Der Internationale Strafgerichtshof

VII. Fazit

I. Einleitung

Unsere Welt wird zunehmend geprägt von einer umfassenden Globalisierung in nahezu allen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereichen. Aufgrund der kulminierenden Effekte dieser Internationalisierung und der ihr immanenten, sich beschleunigenden Tendenz kommt es auf den betroffenen Sachgebieten häufig zu Konflikten mit nationalen oder regionalen Interessen, aber auch zwischen den unterschiedlichen Ausprägungen der Globalisierung selbst. Aufgrund des transnationalen Charakters der Globalisierung zeigen sich herkömmliche, nationale Rechtsnormen und Rechtspflege den Herausforderungen in zunehmendem MaBe nicht mehr gewachsen. Der grundlegende Strukturwandel des internationalen Systems, sowie eine wachsende Anzahl globaler Problemlagen übersteigen zunehmend den nationalen Handlungsrahmen.1 An Bedeutung gewinnt damit ein Rechtsgebiet, welches sich seit seinen rudimentären Anfängen im 17. Jahrhundert zunehmend manifestiert und institutionalisiert — das Völkerrecht.2 Die zunehmende Normierung internationaler Beziehungen wirft hierbei die Frage auf, ob und inwiefern man auf globaler Ebene von einem verfassungsbildenden Prozess sprechen kann.

I m Folgenden soll nun (nach einem Blick auf die vorherrschenden Definitionen des Begriffs der Verfassung) kurz auf die Historie des Völkerrechts Rückgriff genommen werden, um anhand der sich zeigenden Tendenzen, sowie ausgehend von dem gegenwärtigen Zustand des Völkerrechts die Problematik einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts kritisch zu hinterfragen. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die verschiedenen Theorien in der Frage nach der Natur dieser Konstitutionalisierung zu legen, welche anhand von konkreten Beispielen zu untersuchen sein wird. Ein wichtiger Aspekt wird hierbei auch die Frage nach den rechtstheoretischen Grundlagen dieser Konstitutionalisierung, sowie ihrer vermutlichen Fortentwicklung sein mit einem Schwerpunkt der Diskussion der von Kadelbach / Kleinlein vorgeschlagenen völkerrechtlichen Rechtsprinzipien als Grundlage in solchn Konstitutionalisiung.

II. Der Begriff der Verfassung

In d Fag nach d Entwicklung hin zu in intnationaln Vfassungsodnung ist s zunachst wichtig, in Dfinition ds Bgiffs d Vfassung vozunhmn. Hibi gibt s gundsatzlich vschidn Ansatz. Kadlbach / Klinlin dfinin dn Bgiff d Vfassung als "Rchtsnom, d in Rchtsodnung ih Lgalitat und Lgitimitat vdankt"3 und vttn somit inn h fomaln Vfassungsbgiff. Gundsatzlich umfasst d fomal Vfassungsbgiff ldiglich dn Inhalt ds Vfassungsdokumnts slbst.4 DmggnLb umfasst in matill Vfassungsbgiff in Vilzahl von Nomn, di in ih Gsamthit dn Aufbau und di Oganisation ds Staats gln.5 In d Fag nach inm Volign vfassungsahnlich Elmnt im Völkcht ist hi sowohl auf fomll, als auch matill Elmnt abzustlln.

III. Historischer Wandel des Völkerrechts

Vo in ntspchndn Analys ist s jdoch fodlich, sich in KLz mit d Gschicht ds Völkchts ausinand zu stzn, um von dis ausghnd di Fag nach in möglichn Tndnz in sin Entwicklung hin zu vfassungsahnlichn Stuktun zu bantwotn.

1. Ursprtinge

Im Jah 1648 wud mit dm Wstfalischn Fidn in diBig Jah wahnd Episod d Kig in Mittluopa bndt. Dis Fidnsschluss btont stmals di Souvanitat d Staatn und schuf somit in Rchtspinzip, wlchs auch hut, mh als A50 Jah spat, tilwis sin GLltigkit bhalt. Auch wnn hi in Gundvoausstzung ds Völkchts gschaffn wud, wa s jdoch vfLht, dis bits als ausgpagt, völkchtlich Rchtsodnung zu dfinin. Vilmh wudn mit d Souvanitat und Gleichberechtigung der Staaten lediglich die Voraussetzungen fir ein noch zu entwickelndes Völkerrecht geschaffen. Im Rahmen der Aufklärung in Europa schlieBlich gab es erste Forderungen nach der Etablierung eines allgemeinen Völkerrechts. So forderte bereits Kant in seinem Buch "Zum Ewigen Frieden" eine rechtliche Verfassung des Verhältnisses der Staaten zueinander als Voraussetzung zur Vermeidung von internationalen Konflikten6 und legte insoweit die theoretische Grundlage einer kinftigen Konstitutionalisierung des Völkerrechts.

2. Schaffung völkerrechtlicher Fundamentalnormen

Einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer solchen Konstitutionalisierung des Völkerrechts schlieBlich stellen die völkerrechtlichen Fundamentalnormen dar, welche in der Folge vereinbart wurden und sich im Wesentlichen auf pragmatisch-humanitärer Motivation begrinden.7 So regelten denn auch die frihen Vertragswerke dieser Art fast ausschlieBlich die Verhaltensregeln im Falle militärischer Auseinandersetzungen. Solche wurden zwar weiterhin als ultimatives Mittel der politischen Auseinandersetzung im Sinne Machiavellis betrachtet, allerdings sollten - die Verheerungen der frihneuzeitlichen Kriege als drohendes Fanal in Erinnerung - die Auswirkungen dieser Auseinandersetzungen auf ein fir die beteiligten Staaten erträgliches MaB reduziert werden. Ein auf wirtschaftlicher, humanitärer und militärischer Ebene am Boden zerstörtes Europa lag nicht im Interesse der vertragschlieBenden Mächte. Diese Verträge, bzw. die in ihnen enthaltenen Fundamentalnormen wurden in Tradition des Souveränitätsgrundsatzes des Westfälischen Friedens (s. oben) zunächst zwischen den vertragschlieBenden Parteien ausgehandelt und standen somit zu deren Disposition. (Der völkerrechtliche Souverän in Form des Nationalstaats entspricht in dieser traditionellen völkerrechtlichen Form der Rechtsschöpfung nach Haltern der in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, der Nationalstaat entspreche auf völkerrechtlicher Ebene in seiner Rolle dem auf nationaler Ebene agierenden Souverän in Form des Individuums als eines Teils des Staatsvolkes im Liberalismus.8 Allerdings unterschlägt Haltern hier, dass auf dieser Ebene far den staatlichen Akteur die Möglichkeit besteht, sich durch Enthaltung der Wirksamkeit dieser Norm far ihn zu entziehen - eine Möglichkeit, die keinem Individuum in einer liberalen Demokratie offen steht.)

3. Schaffung internationaler Rechtsstandards im Verh ä ltnis Staat zu Btirger

Ein weiterer wichtiger Aspekt war die erstmalige verbindliche Regelung von Rechtsstandards im Verhältnis der Staaten zu ihren Bargern. Diese Regelungen - motiviert auch durch humanitäre Uberlegungen - sollten einen international einheitlichen Mindestschutz in der Garantie der Menschenrechte darstellen, sowie das Prinzip der Selbstverwaltung garantieren. Zu nennen sind hier insbesondere die allgemeine Deklaration der Menschenrechte von 1948 durch die Vereinten Nationen (dazu später mehr), sowie die vom Europarat verabschiedete Europäische Menschenrechtskonvention von 1950.9 In ihnen werden Mindeststandards far unabdingbare und unverzichtbare Menschenrechte von allen ratifizierenden Staaten verbindlich anerkannt. Erstmalig beziehen sich somit die anerkannten Verbindlichkeiten nicht auf die jeweiligen Vertragspartner (bzw. deren Interessen), sondern auf die eigene Bevölkerung.

4. Grtindung st a ndiger internationaler Institutionen

Als einen entscheidenden Punkt in der Frage nach einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts stellt sich die Grandung erster internationaler Institutionen dar. Erste - zunächst humanitäre - Institutionen entstanden bereits im 19. Jahrhundert, beispielsweise in Form des Internationalen Roten Kreuzes in Folge der ersten Genfer Konvention 1864. Es handelte sich jedoch meist um Nichtregierungsorganisationen oder supranationale, jedoch regional und von ihrer Zweckbindung her stark beschränkte Konstrukte. Eine relativ umfassende rechtliche Verfasstheit der völkerrechtlichen Akteure in einer iibergeordneten Gemeinschaft wurde erstmals mit Griindung des Völkerbundes erreicht.10 Die Satzung dieses Völkerbundes - entstanden unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs - ächtete denn auch in Konsequenz erstmals die Fiihrung von Angriffskriegen (wenn auch nur unter der Voraussetzung fehlender Schlichtungsversuche) und bemiihte sich erstmals um Institutionen zur Verhinderung kriegerischer Auseinandersetzungen.11 Mit dem Scheitern des Völkerbundes und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die Defizite dieser völkerrechtlichen Ordnung offensichtlich, so dass mit dem Ende des Krieges 1945 international der Versuch einer grundsätzlichen Reorganisation des Völkerrechts begann, welche bis heute nicht abgeschlossen ist.

V. Das gegenwärtige Normgeftige im Völkerrecht

Das gegenwärtige Normgefiige im Völkerrecht wird wesentlich geprägt durch den Gegensatz inter-, bzw. supranationaler Teilrechtsregime12 (beispielsweise der Welthandelsorganisation (WTO), dem Internationalen Währungsfond ( IMF), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder auch von rudimentären Institutionen zur Durchsetzung dieser Rechtsordnungen wie dem Internationalen Strafgerichtshof ( IStGH)), sowie regionaler Institutionen und Organisationen mit zunehmend umfassendem Geltungsanspruch, wie beispielsweise der Afrikanischen Union (AU) oder der Europäischen Union (EU). Statt eines einheitlichen, hierarchischen und klar gegliederten Normgefiiges im Sinne traditioneller nationaler Verfassungen herrscht ein Nebeneinander verschiedener, global oder lediglich regional giiltiger Rechtsnormen auf einzelnen Rechtsgebieten, sowie ebensolcher Organisationen. Folge ist eine erhebliche Fragmentierung des Völkerrechts.13

1. Die Vereinten Nationen als globale Organisation mit quasi-universellem Geltungsanspruch

In der Frage nach einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts ist die Betrachtung der Vereinten Nationen als Nachfolger des untergegangenen Völkerbunds der vermutlich wichtigste Anknapfungspunkt. Erstmalig wurde 1945 mit den Vereinten Nationen eine weltumspannende Organisation mit universalem Geltungsanspruch und ebensolcher Autorität geschaffen.14 Grundlegende Berufung der Vereinten Nationen ist - ausgehend von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs, sowie beeinflusst durch die offensichtliche Inkompetenz des Völkerbundes, diesen zu vermeiden - die Verhinderung gewaltsamer internationaler Konflikte, sowie daraber hinausgehend die weltweite Garantie der Menschenrechte.15 Kodifiziert ist diese Mission in der Charta der Vereinten Nationen,16 bzw. der Universal Declaration of Human Rights von 1948.17

Ausgehend von der zur Grandungszeit der Vereinten Nationen vorherrschenden Weltordnung (mit den traditionellen Groß mächten als Ständigen Mitgliedern im Weltsicherheitsrat) sollte hier ein mit verbindlichen Regularien agierendes und mit einem internationalen Gewaltmonopol ausgestattetes Gremium der konfliktfreien Lenkung wichtiger internationaler politischer Aspekte geschaffen werden. Charta und Resolutionen der Vereinten Nationen beanspruchen allerdings im Regelfall keine innerstaatliche Wirkung,18 so dass insoweit auch keine einheitliche Hierarchisierung des nationalen und internationalen Rechts gegeben ist. Aus völkerrechtlicher Sicht entspricht das Reglement der Vereinten Nationen somit nicht den Mindestvoraussetzungen einer Verfassung.

[...]


1 Blome, 49.

2 Baumann, 19.

3 Kadlbach / Klinlin, 240.

4 Hatmann, 18.

5 Hatmann, 18.

6 Kant, Zum ewigen Frieden, 7.

7 Kadelbach / Kleinlein, 236.

8 vgl. Haltern, 540.

9 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Rom, 1950.

10 Kadelbach / Kleinlein, 238.

11 Schneider, 28.

12 Bieling, 153.

13 Bieling, 153.

14 Schneider, 64.

15 Laubach / Preu13 / Schmierer / Stoll, 5.

16 Charter of the United Nations, New York, 1945.

17 United Nations General Assembly resolution 217 A (III), New York, 1948.

18 Kadelbach / Kleinlein, 236.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Konstitutioneller Pluralismus in der Weltgesellschaft
Untertitel
Konstitutionalisierung des Völkerrechts
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
9 Punkte
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V133521
ISBN (eBook)
9783640400959
ISBN (Buch)
9783640400607
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weltgesellschaft, Konstitutionalisierung des Völkerrechts, Völkerrecht, Internationale Gemeinschaft
Arbeit zitieren
Dennis Kautz (Autor:in), 2007, Konstitutioneller Pluralismus in der Weltgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133521

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