Das von der Archäologie seit der Schenkung der Aba (Codex Lorsch Nr.12) durchgängig angenommene Patrozinium St. Nazarius für die Pfarrkirche Ober-Roden steht auf schwachen Füßen. Es gibt Argumente, die andere Deutungen wahrscheinlich machen.
Die wechselvolle Geschichte des Patroziniums der St. Nazarius-Kirche in Oberroden / Rödermark
Nur wenige Kirchen haben das Patrozinium eines heute unmodernen Heiligen in die Gegenwart gerettet. Modern war der Heilige etwa in der Zeit zwischen 700 -1200. Und dass die Kirche heute noch dieses Patrozinium besitzt, führt Prof. Dr. Schallmayer [1] darauf zurück, dass die Mönche des Klosters Lorsch, denen die Äbtissin Aba am 25.2.786 [2] das Kloster Rotaha schenkte, ihren neuen Besitz mit dem Patrozinium des Hl. Nazarius versahen, um ihre Rechtsansprüche zu dokumentieren. Nazarius war der Heilige des Klosters Lorsch, der auf Bitte des Chrodegang von Metz durch Papst Paul I am 11.6.765 dem Kloster übergeben wurde.
Für das ununterbrochene Patrozinium, das Prof. Dr. Schallmayer annimmt, gibt es keinen Beweis. Die bruchstückhaften Überlieferungen lassen doch eher Lücken erahnen.
In dem Büchlein „100 Jahre St. Nazarius“ [3] findet sich der Hinweis, dass beim Abbruch des Hauptaltars der Vorgängerkirche am 23.10.1894 ein kleiner Zylinder gefunden wurde, der „gut verschlossen, aber ohne äußeres Siegel war. Dieser Reliquienbehälter wurde heraus genommen und sollte später dem bischöflichen Amt übergeben werden.“
Aus dieser Notiz kann man entnehmen:
- Man muss den Behälter geöffnet haben, denn sonst wüsste man nicht hundert-prozentig, dass es sich um Reliquien handelt
- Es muss innen eine Bezeichnung gegeben haben, die auf den zugehörigen Heiligen deutete. Denn wenn es Nazarius gewesen wäre, hätte man von vornherein nicht die Absicht gehabt, diese Reliquien an das bischöfliche Archiv zurück zu geben.
Man musste also im Hauptaltar auf die Reste eines Heiligen gestoßen sein, der nicht zum Patrozinium St. Nazarius passte.
Eine Nachfrage beim bischöflichen Archiv in Mainz ergab, dass eine Reliquienkapsel aus Oberroden nicht eingegangen oder in den Beständen verzeichnet ist.
So ist es denkbar, dass man stillschweigend die Reliquienkapsel in den Neubau St. Nazarius mit einbezogen hat, um der Peinlichkeit zu entgehen, Jahrhunderte lang im Hauptaltar die Reliquien eines Heiligen gehabt zu haben, der aber keine Verehrung erfuhr. Im o. g. Buch [3] ist der Hinweis zu finden, dass man seit alters her das Fest des Nazarius feierte und deswegen das Patrozinium der Kirche diesem Heiligen zugeordnet hat.
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- Dipl.Ing. (TU) Karl Pohl (Autor), 2009, Die wechselvolle Geschichte des Patroziniums der St. Nazarius-Kirche in Oberroden / Rödermark, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133589