Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart


Examination Thesis, 2007

121 Pages, Grade: 1,5


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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1.2 Theoretische Vorüberlegungen: Begriffsdefinition

II. Die Phasen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der politischen Kultur der BRD
2.1 Die erste Phase der Auseinandersetzung mit der NS- Vergangenheit (1945-1949)
2.2 Die zweite Phase der Auseinandersetzung mit der NS- Vergangenheit (1950-1957)
2.3 Die dritte Phase der Auseinandersetzung mit der NS- Vergangenheit (1958-1964)
2.4 Die vierte Phase der Auseinandersetzung mit der NS- Vergangenheit (1965-1979)
2.4.1 Veränderungen des gesellschaftspolitischen Klimas seit der Mitte der 70er Jahre
2.4.2 Die Holocaust-Serie

III. Die NS-Vergangenheit in den 80er Jahren – Der Umbruch im Umgang mit der NS-Vergangenheit
3.1 Auf der Suche nach nationaler Identität
3.2 Symbolische Politik: Bitburg
3.3 Die Rede Richard von Weizsäckers zum 8. Mai – „Ein Tag der Befreiung“
3.4 Der Historikerstreit – Die Debatte um die Einordnung der NS-Vergangenheit in das Geschichtsbild der BRD
3.5 Die Rede Philipp Jenningers am 10. November 1988 – Die „Wiederkehr des Verdrängten“

IV. Die NS-Vergangenheit in den 90er Jahren

V. Schluss

VI. Literaturverzeichnis

VII. Anhang

„Auch wenn am 8. Mai 1945 die Waffen schwiegen, in Reims und Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet und das „Dritte Reich“ liquidiert wurde, - die Geschichte der Hitler-Diktatur war damit nicht einfach zu Ende. Die zweite Geschichte des Nationalsozialismus hatte begonnen.“[1]

I. Einleitung

Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und den damit verbundenen Verbrechen hat die politische Kultur der Bundesrepublik von Beginn an nachhaltig geprägt. Deutschland sah sich als Nachfolgestaat des Dritten Reiches und war somit auch legitimer Rechtsnachfolger des 1871 gegründeten Deutschen Reiches. Die NS-Vergangenheit war in der politischen Kultur ab 1945 folglich ständig präsent.

Somit scheint das einleitende Zitat des Politikwissenschafters und Zeithistorikers Peter Reichel durchaus legitim. Dies haben zumindest die zahlreichen, zum Teil sehr kontrovers geführten, Debatten in der politischen Kultur in den letzten Jahrzehnten gezeigt, in denen die NS-Vergangenheit immer wieder eine große Rolle gespielt hat – man denke nur an den Historikerstreit Ende der 80er Jahre. Auch das Paradoxon, welches Hermann Lübbe, Professor für Philosophie und Politische Theorie, bereits im Jahr 1983 konstatierte, büßt in diesem Zusammenhang nichts an Aktualität ein: „Die Position des Nationalsozialismus hat im Vergangenheitshorizont der Deutschen emotional an Aufdringlichkeit gewonnen, je tiefer er chronologisch in diesen Vergangenheitshorizont zurückgesunken ist.“[2] Dieses Phänomen lässt sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten weiterhin beobachten, zum Beispiel im bereits erwähnten Historikerstreit im Jahr 1986, in der Debatte um die Wehrmachtsausstellung oder in der Debatte um das Holocaust-Mahnmal in den 1990er Jahren.

Der Nationalsozialismus zieht somit lange Schatten bis in die Gegenwart, so dass man nunmehr von einer zweiten Geschichte des Nationalsozialismus sprechen kann, die im Sprachgebrauch als „Vergangenheitsbewältigung“ Eingang gefunden hat. Doch kann man wirklich von einer Bewältigung der NS-Vergangenheit sprechen? Ist eine Bewältigung überhaupt möglich?

Im wissenschaftlichen Diskurs ist die Rezeption dieses Schlagwortes, welches sich schon seit den 50er Jahren etablierte, äußerst umstritten. Die Deutungsvarianten des Begriffes „Vergangenheitsbewältigung“[3] verlaufen im Grunde zwischen zwei Polen. In der einen Deutungsvariante geht es um eine Kette von Verdrängungsprozessen, die den Charakter einer – wie es der deutsche Journalist, Schriftsteller und Regisseur ausdrückte - „zweiten Schuld“[4] trügen und eine fortdauernde „Ansteckung“ über die Generationen zur Folge hat. Der Eindruck, dass die Deutschen ihre Vergangenheit hinter sich lassen wollen und diese verdrängen, wurde zum ersten Mal im Jahr 1950 von der Essayistin Hannah Arendt artikuliert.[5] Im Jahr 1967 erreicht die Verdrängungsthese in der Studie von Alexander und Margarete Mitscherlich „Die Unfähigkeit zu trauern“[6] ihren Höhepunkt.

Die andere Forschungsperspektive deutet die „Vergangenheitsbewältigung“ als einen angeblich gelungenen und im Wesentlichen abgeschlossenen Prozess. Diese „Bewältigungsthese“ fand ihren Höhepunkt in den 1990er Jahren (insbesondere durch die Aufgabe der Bewältigung der DDR-Vergangenheit). Als einer der größten Verfechter der Bewältigungsthese ist der Zeithistoriker Manfred Kittel[7] zu nennen, der insbesondere die von Ralf Giordano aufgeführten Argumente für eine Verdrängung der NS-Vergangenheit kritisiert. Auch der Zeithistoriker und Politologe Peter Steinbach, der in seiner Arbeit „Nationalsozialistische Gewaltverbrechen“ als erster den Versuch wagt die Diskussion über eben diese als Bestandteil einer Geschichte nationaler Identität und politischer Kultur der BRD nachzuzeichnen, geht davon aus, dass eine Bewältigung der Vergangenheit stattgefunden hat. Nach Steinbach habe in der BRD eine „in der Menschheitsgeschichte wohl einmalige radikale Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“[8] statt gefunden. Hermann Lübbe richtet sich folglich ebenfalls gegen die Verdrängungsthese. Wie bereits erwähnt widerspricht seiner Ansicht nach die Verdrängungsthese dem Faktum, dass der Nationalsozialismus ständig an dokumentarischer, literarischer und historiografischer Präsens gewinne.[9] Bei genauerer Untersuchung lässt sich aus seiner Argumentation sogar noch eine dritte Forschungsposition festmachen, die Aspekte der Verdrängungs- sowohl als auch der Bewältigungsthese aufgreift und somit eine Interaktion zwischen diesen beidem Thesen ermöglicht. Diese Position sieht zwar in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Verdrängung, betont jedoch die Notwendigkeit einer solchen für den weiteren Verlauf der Bewältigung. Hermann Lübbe stellt insbesondere in den 50er Jahren durchaus eine Nicht-Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit fest. Diese „gewisse Stille [sei jedoch] das sozialpsychologisch und politisch notwendige Medium der Verwandlung unserer Nachkriegsbevölkerung in die Bürgerschaft der Bundesrepublik.“[10] Ein vollständiger Überblick über die Forschungsbeiträge zu dieser Thematik ist heute kaum mehr zu leisten. Es werden hier jedoch die Konturen einer emotional und politisch stark aufgeladenen Kontoverse deutlich, die seit langem unerbittlich geführt wurde und weiterhin geführt werden wird.

Meiner Meinung nach zieht der Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ im Allgemeinen kritische Elemente mit sich, die in der neueren Forschungsliteratur[11] ebenfalls aufgegriffen werden: Zum einen kann die Vergangenheit nicht, bewältigt werden, da es sich bei der Zeit des Nationalsozialismus eben um etwas Vergangenes handelt. Auch allein schon der Begriff „Vergangenheit“ erweckt den Eindruck, dass man die betreffende Zeit nicht beim Namen nennen will. Ebenfalls unpassend erscheint mir der Terminus „Bewältigung“, da dieser etwas Endliches aufzeigt, obwohl die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit ein kontinuierlicher Prozess ist. Des Weiteren besteht das Problem, dass mit diesem Begriff ein allgemein gültiges Rezept für den Umgang mit der NS-Vergangenheit suggeriert wird. Dies kann jedoch keineswegs der Fall sein, da es sich bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit um einen individuellen als auch um einen kollektiven Prozess handelt, der verschiedene Maßstäbe hat, die sich im Laufe der Zeit verändern und nicht objektiv sind.

Auch wenn der Begriff in der politisch-sozialen Sprache und in der internationalen Politik Eingang gefunden hat, ist er für die folgende Untersuchung unpassend, da er schon im vornherein einen abgeschlossenen Prozess impliziert. Auf Grund der genannten Kritik sollen in dieser Arbeit die Begriffe „Auseinandersetzung“ oder „Umgang“ mit der NS-Vergangenheit verwendet werden. Diese Begriffe stellen am Besten dar, dass es sich um einen Entwicklungsprozess handelt, der von Versuchen geprägt ist, das Geschehene zu verstehen, zu deuten, zu entschuldigen, zu rechtfertigen und die unterschiedlichsten Konsequenzen aus ihm zu ziehen. Inwiefern der Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ und seine Verwendung mit der Auseinandersetzung im Hinblick auf die NS-Vergangenheit in der politischen Kultur korreliert, soll im Folgenden analysiert werden.[12] Gerade dieser Aspekt soll im Zentrum meiner Untersuchung stehen. Meiner Ansicht nach ist die Forschungsausgangsfrage zu einseitig. Ob nun die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit gelungen ist oder eben nicht scheint mir eher eine politische Machtfrage zu sein. In dieser Arbeit soll demnach die Perspektive, ob die „Vergangenheitsbewältigung“ gelungen ist oder nicht, vermieden werden. Interessanter ist eher den Fokus darauf zu lenken inwiefern und WIE der Umgang statt gefunden hat, und warum gerade der Begriff der „Vergangenheitsbewältigung“ im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit eine Rolle spielt. Meiner Meinung nach sind das Thema und insbesondere die Fragestellung meiner Arbeit von großer Relevanz, da diese die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Gedächtnis neu aufwerfen. Ebenso fragt dieses Thema nach den Bedingungen, unter denen moderne Gesellschaften ihre Vergangenheit überhaupt antizipieren und ob diese nicht noch mal „überarbeitet“ werden müssen. Natürlich ist mir bewusst, dass es sich hier um ein sehr komplexes Thema handelt. Doch wenn man gerade die aktuellen politischen Themen heranzieht, sieht man dass es nötig ist darüber zu schreiben und die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Erinnerung neu aufzuwerfen. Auch wenn ein Fall wie der des Ministerpräsidenten Günther Oettinger im April 2007 (siehe Kap. IV) wieder sehr schnell aus der Öffentlichkeit verschwindet, so zeigt er doch das die Deutschen bestimmte Semantiken entwickelt haben über die NS-Vergangenheit zu kommunizieren – um eben über diese nicht kommunizieren zu müssen. Und genau nach diesen gilt es im Zusammenhang mit dem Terminus „Vergangenheitsbewältigung“ zu fragen. Denn gerade innerhalb der öffentlichen Diskussion über die nationalsozialistische Vergangenheit spielt die rhetorische Auseinandersetzung in ihren verschiedenen Formen eine wichtige Rolle. Deshalb ist es interessant zu untersuchen inwiefern sich das auf den Nationalsozialismus bezogene Geschichtsbewusstsein der bundesdeutschen Gesellschaft in den Reden deutscher Politiker seit 1945 manifestiert.

Allein schon der Redegegenstand „Nationalsozialismus“ stellt sich als besonders schwierig und prekär dar. Plädoyers in NS-Strafverfahren, Bundestagsdebatten über Fragen und Auseinandersetzungen über die NS-Vergangenheit und Reden zu bestimmten Gedenktagen, wie den 8. Mai (1945) oder den 9. November (1938) geben Beispiele dafür, dass dieses Thema in unterschiedlichen Zusammenhängen auftauchte. Die Gedenkrede stellt dabei eine wichtige Form der Vergangenheitsdeutung dar, da sie nicht einem übergeordneten Redeziel unterstellt ist und somit keine Durchsetzung von Entscheidungen mit sich bringen muss. Deshalb eignet sie sich ganz besonders für eine Untersuchung der rhetorischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus - vor allem da sie einem Konsens zu Grunde liegt: „Es geht [...] um die rhetorische Befriedigung eines unterstellten öffentlichen Interesses an konsensorientierter Geschichtsdeutung, womit implizit der Anspruch auf Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung verbunden ist.“[13] Somit lassen sich Gedenkreden als Ausdruck des gesellschaftlichen Geschichtsbewusstseins verstehen.

Einen Schwerpunkt dieser Arbeit sehe ich im Umbruch der politischen Kultur durch den Regierungswechsel von der SPD zur CDU in den 80er Jahren. Deshalb soll hier die Analyse der Gedenkreden Richard von Weizsäckers zum 8. Mai (Kap. 3.3) und die Rede Philipp Jenningers zum 9. November, sowie die Reaktionen auf diese Reden im Mittelpunkt stehen (Kap. 3.5). Die Rede Richard von Weizsäckers vor dem deutschen Bundestag am 8. Mai 1985 wurde bereits kurz nach ihrem Erscheinen zum zentralen bundesdeutschen Bezugspunkt und künftigen Maßstab für das Gedenken an den Faschismus. Während sie einerseits ein Höhepunkt der Gedenkpraxis war, die sich in den vorangegangenen Jahrzehnten etabliert hatte, bot sie andererseits markante Aspekte jenseits dieser, die genauer zu analysieren sein werden. Philipp Jenningers Rede im Jahr 1988 löste ungeheure Unruhe und Empörung aus. Der Text selbst offenbart, jenseits der geltend gemachten Anstößigkeiten, aber auch ganz andere Aspekte und Perspektiven, die eine genauere Untersuchung wert sind.

Der Fokus dieser Arbeit soll nicht nur auf die Gedenkrede gerichtet sein. Auch die politische Rede eignet sich ebenfalls um den Umgang mit der NS-Vergangenheit zu untersuchen, da diese dazu dient, Wähler für sich zu gewinnen. In diesem Zusammenhang lässt sich folglich nicht nur das Geschichtsbewusstsein der bundesdeutschen Gesellschaft ablesen, sondern auch die machtpolitischen Interessen des Redners. Die Regierungserklärungen der jeweiligen Bundeskanzler stellen einen weiteren Untersuchungsgegenstand dar, da sich auch hier die Deutung und somit der Umgang mit der Vergangenheit herauslesen lässt. Mit der getroffenen Auswahl aus einem quantitativ erheblichen Volumen öffentlicher Äußerungen zum Thema soll somit insgesamt, soweit dies in einer einzelnen Untersuchung möglich ist, ein Grundstück der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland gefasst und erhellt werden. Es sollen im Hinblick auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit folglich ausgewählte Reden untersucht werden, die sich wegen der Person der Redner, ihrer politischen Funktion, ihrer Stellung im bundesrepublikanischen Kulturleben, wegen ihrer Signale oder Botschaften oder wegen der besonderen Situation an herausgehobenen Gedenktagen und/oder schließlich wegen der ausgelösten Folgen in politischen Bruchzonen und Krisen herausheben, und die damit gewichtige Beiträge zum öffentlichen Diskurs in Deutschland geleistet haben. In dieser Arbeit sollen demnach Rhetoriken und Semantiken untersucht werden, die sich in den letzten 50 Jahren entwickelt haben und deutlich machen, wie man in der politischen Kultur mit der NS-Zeit umgegangen ist. Schließlich geht es um einen Versuch einer Nation, politische und nationale Identität auf einem von ihr selbst ausgeübten Verbrechen aufzubauen. Dies kann durch Ablehnung oder Anerkennung, durch Verleugnung, Verschweigen oder in lautstarken Debatten ihren Ausdruck finden.

Um Verständnis für den Gesamtzusammenhang dieser Analyse zu erreichen, sollen auch andere Aspekte - wie beispielsweise die Holocaustserie (Kap. 2.4.2), der Bitburg-Skandal (Kap. 3.2) oder der Historikerstreit in den 80er Jahren (Kap. 3.4) - beleuchtet werden. Somit werden nicht nur Reden deutscher Politiker, sondern auch Diskurse und Debatten herangezogen, an denen besondere Techniken und Topoi, die NS-Vergangenheit zu kommunizieren, sichtbar gemacht werden sollen.

Ein weiterer Schwerpunkt im Hinblick auf den Umgang mit der NS-Vergangenheit stellen meiner Ansicht nach die 90er Jahre dar (Kap. IV). Hier soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich der Umgang mit der NS-Vergangenheit nach der deutschen Einheit bis zur Gegenwart entwickelt und verändert hat.

Um eine Übersicht über die große Entwicklungsspanne zu geben, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, unterteile ich die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in verschiedene Phasen. Die Beschreibung der jeweiligen politischen Zeitklimata soll die Hintergründe verdeutlichen, in denen die NS-Vergangenheit aufgegriffen und kommuniziert wurde. Diese Phasen, die sich idealtypisch voneinander unterscheiden lassen, sollen nicht als „abgesteckt“ begriffen werden, da sie nicht abrupt enden, sondern ineinander übergehen. Sie können unterschwellig weiter verlaufen oder neben oder sogar übereinander existieren. So tauchen bei einer Überlagerung von verschiedenen Erinnerungen Geschichtsbilder, die als längst überwunden galten, nach Jahren wieder auf. Dies hat beispielsweise die „Wehrmachtsaustellung“ gezeigt, die dem „sauberen Bild“ von der Wehrmacht provozierend entgegenwirkte. Die Unterteilung in verschiedene Phasen impliziert, dass die Erinnerung an Nationalsozialismus, Krieg und Holocaust nie statisch und uniform war, beziehungsweise ist. Gerade weil sie Teil der politischen Kultur ist, unterliegt die Erinnerung verschiedenen Wandlungen.

1.2 Theoretische Vorüberlegungen: Begriffsdefinition

Um einer Generalisierung von der politischen Kultur und der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit entgegen zu wirken, soll nun kurz auf die Begriffe eingegangen werden. Außerdem sollen im Folgenden die Begriffe „Erinnern“ und „Gedenken“ kurz beleuchtet werden, um diese zu klar zu differenzieren.

In der Diskussion über Sinn und Unsinn des Begriffs der „politischen Kultur“ beziehungsweise über Möglichkeiten und Grenzen dieses Forschungsansatzes setzt sich die Definition des Politologen Peter Reichel ab. Er definiert die politische Kultur „als die für die Gesellschaft insgesamt oder gesellschaftliche Großgruppen in einer bestimmten Zeit charakteristischen politischen Orientierungs- und Verhaltensmuster.“[14] Ausgangspunkt ist nach seinem Verständnis die Sozialstruktur eines Landes, „die durch Trägergruppen politischer Teilkulturen charakterisiert wird bzw. in diese Trägergruppen eingebunden sind.“[15] Die politische Kultur definiert sich folglich als die Gesamtheit der zu einer bestimmten Zeit in der Gesellschaft oder einer größeren Gruppe der Gesellschaft eines Staates vorherrschenden politischen oder politisch wirksamer Anschauungen und Verhaltensweisen und der dieser zugrunde liegenden Werte definieren.[16] Diese beziehen sich zum einen auf konkrete und aktuelle politische Ereignisse, Probleme und Akteure - sind also vergleichsweise kurzfristig wirksam und können sich somit rasch ändern. Zum anderen besteht die politische Kultur aus gesellschaftlichen Orientierungen gegenüber dem politischen System, seinen Teilbereichen, Institutionen und Leistungen im Ganzen, die auf weltanschaulichen oder ideologisch begründeten politischen Überzeugungen und Werthaltungen beruhen (die also z.B. konservative, liberale oder sozialistisch demokratisch oder antidemokratisch sind) und deshalb vergleichsweise dauerhaft wirksam und stabil sind. Doch auch diese - und damit die politische Kultur im Ganzen - sind langfristig einem geschichtlichen Wandel unterlegen.[17]

Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit verläuft auf verschiedenen Ebenen, die sehr vielfältig sind. Die wichtigsten Ebenen stellen die Abschaffung der belasteten Organisationen, die strafrechtliche Auseinandersetzung, sowie Rehabilitation und Entschädigung der Opfer dar. Auch die Einrichtung und die Arbeit von Institutionen sind Teil der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Dabei wird die Erforschung der Vergangenheit und die Aufklärung über Praktiken, Mechanismen und Funktionsweisen zu Elementen eines Diskurses, „in dem sich die postdiktatorischen Gesellschaften über ihr Verständnis der Geschichte und damit über ihre Absichten für Gegenwart und Zukunft Rechenschaft geben.“[18] Die Ebenen sind unverkennbar miteinander verknüpft, sind aber nicht als gleichrangig anzusehen und werden nicht zur gleichen Zeit ausgeführt. Die strafrechtliche Auseinandersetzung macht nämlich nur Sinn, wenn sie zu Lebzeiten und in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum untergegangenen Regime ausgeführt wird.

Die NS-Vergangenheit beziehungsweise die Zeit des Nationalsozialismus umfasst hingegen die zwölf Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich von der „Machtergreifung“ im Jahr 1933 bis hin zur bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung und der Erinnerung stehen insbesondere die vom NS-Regime initiierten Verbrechen (der ausgelöste Zweite Weltkrieg und der Holocaust) und damit zusammenhängend die Opfer und die Schuldfrage. Ihren Ausdruck kann die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in einer Erinnerungskultur beispielsweise mit Mahnmalen, Museen, Ausstellungen oder auch Gedenktagen finden.

Im Hinblick auf die Vergegenwärtigung des Vergangenen werden unterschiedliche Modi wie Erinnern und Gedenken verwendet, auf die nun kurz eingegangen werden soll. Beide Begriffe stellen die zwei Seiten der Gedächtnismedaille dar. Nach dem Soziologen Harald Welzer ist öffentliches Gedenken eine soziale Praxis, eine Form „zeremonialisierter Kommunikation über die Vergangenheit“[19], die von einem dominanten Interesse an normativen Setzungen geleitet ist. Somit ist das Gedenken ritualisiert, rationalisiert und festgeschrieben und wird unter anderem von Festtagen, Gedenkfeiern und Gedenkstätten getragen. Nach der Religionswissenschaftlerin Insa Eschenbach lässt sich öffentliches Gedenken „als Ausdruck eines gesellschaftlichen Konstruktionsprozesses beschrieben, als ein Selbstverständigungsunternehmen bestimmter Gruppen, die mit Hilfe spezifischer Vorstellungen und Praktiken ein Einvernehmen über die Bedeutung des Vergangenen für Gegenwart und Zukunft herstellen.“[20] Dies könne nur mit dem zentralen Merkmal des „unüberbietbaren Alleinanspruch“ eines Ausschnitts der Vergangenheit geschehen, „mit dessen Hilfe Handlungsprämissen für Gegenwart und Zukunft begründet werden.“ Michael Stürmer formulierte in den 80er Jahren: „In einem Land ohne Erinnerung ist alles möglich. [... Die Zukunft] in geschichtslosem Land [...] gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet.“[21] Somit wird nicht nur um die Sicht dessen gekämpft was war, sondern besonders darum, was werden soll. Bezüglich des Gedenkens muss folglich der Schein gewahrt werden, um die Glaubwürdigkeit der Inszenierung zu gewährleisten. Dies birgt allerdings die Gefahr in sich, dass der Anlass immer mehr in den Hintergrund tritt und das Gedenken sich auf andere Zwecke richtet.

Im Hinblick auf die andere Seite der Gedächtnismedaille setzt das Erinnern eine „direkte Beteiligung des Sich-Erinnernden an eine Erfahrung“[22] voraus. Nach der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann definieren sich Erinnerungen als einzelne und disparate „Akte der Rückholung oder Rekonstruktion individueller Erlebnisse und Erfahrungen.“[23] Somit wird Erinnerung zu einem selbstreflexiven Prozess: „diejenigen, die sich erinnern, geben sogleich Auskunft darüber, warum sie es tun und weshalb sie es in der gewählten Form tun.“[24] Dabei gebe es – nach Aleida Assmann – verschiedene Erinnerungsformen, die sich kreuzen, wie die Erinnerung zwischen Individuum und Generation, zwischen Siegern und Besiegten, zwischen Opfern und Tätern. Diese Kreuzung sei für die unabschließbare Dynamik des Erinnerungsprozesses verantwortlich.[25] Somit ist die Geschichtserinnerung in den letzten Jahren selbst zum Gegenstand kulturwissenschaftlicher Forschung geworden.

II. Die Phasen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik in der politischen Kultur von 1945-1979

2.1 Die erste Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit (1945-1949)

Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 8. Mai 1945 vor den Truppen der Alliierten kam es zu einer radikalen Umstellung des alltäglichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens. Die erste Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit war demnach durch das ambitionierte Verfahren der amerikanischen Besatzungsmacht einer individuellen Untersuchung politischer Aktivitäten in der NS-Zeit gekennzeichnet.[26] Dieses so genannte Entnazifizierungskonzept der Alliierten beinhaltete die „vier D´s“: Demilitarisierung, Denazifizierung, Dekartellisierung und die Demokratisierung.[27] In der US-Direktive JCS 1067 wurden die entscheidenden Richtlinien für das Entnazifizierungsverfahren festgehalten:

„Sie sah u.a. die Auflösung der NSDAP und aller ihr angeschlossen Einrichtungen vor, ebenso wie die Verhaftung der höheren NS-Funktionäre, die Entfernung aller mehr als nur nominellen Parteimitglieder aus dem öffentlichen Dienst und die Säuberung des Erziehungswesens vom Nationalsozialismus.“[28]

Die Entnazifizierung wurde zum Vehikel für einen geplanten umfassenden politischen Umbruch in Deutschland. Dabei war der Austausch der politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten das vorrangige Ziel der Alliierten.[29]

Der Höhepunkt der Verfolgung der NS-Verbrechen der Alliierten kulminierte in den Nürnberger Prozessen, die am 20. November 1945 begannen und am 1. Oktober endeten. Angeklagt waren 24 Hauptkriegsverbrecher, die wegen Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen wurden. Dabei kam es zu zwölf Todesurteilen. Die Prozesse waren so konzipiert, dass sie die breite Öffentlichkeit erreichten und aufklärerische Arbeit leisteten. Aus diesen Prozessen ergab sich schließlich, dass nun niemand mehr behaupten konnte, nicht über die Taten des NS-Regimes informiert gewesen zu sein.[30] Die Prozesse waren sogar so konkret, dass sie dazu führten, „dass die NS-Prozesse als Inkarnation der Vergangenheitsbewältigung angesehen wurden.“[31] Sie waren folglich viel aufschlussreicher als die bislang geführten theologischen oder philosophischen Diskussionen in der Literatur oder in wissenschaftlichen Arbeiten. Diese wurden außerdem nur von einer kleinen Gruppe in der Bevölkerung gelesen. Da die Prozesse angeklagte Personen zur Rechenschaft zogen, fand ein klar strukturiertes Verfahren mit einem deutlich gekennzeichneten Abschluss statt: dem Urteil oder dem Freispruch. Die Gefahr bestand allerdings darin, dass man sich selbst durch die starke Personalisierung als Zuschauer fühlte, da „die fällige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit quasi stellvertretend an anderen vollzogen wurde und man sich selbst exkulpiert fühlen durfte.“[32] Aus diesem Grund wurden immer wieder von juristischer Seite heftige Einwendungen erhoben. Die Juristen sahen sich vor die Aufgabe gestellt die „Vergangenheit eines ganzen Volkes aufzuarbeiten“[33] und damit als „Alibi für die übrigen gesellschaftlichen Institutionen zu dienen“[34]. Jedoch war die juristische Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit für die unmittelbare Nachkriegszeit nicht selbstverständlich, wie man im weiteren Verlauf meiner Darstellung erkennen wird.

Unter den Politkern der Nachkriegszeit wurde der Nationalsozialismus von Anfang an als „Irrweg“[35] bezeichnet. Der negative Bezug auf die NS-Vergangenheit war somit für das politische Bewusstsein von Anfang an bestimmend gewesen. Der westdeutsche Staat legitimierte sich folglich dadurch, dass er sich zur Verwirklichung von Rechtsstaatlichkeit und freiheitlich-demokratischen Grundwerten als Konsequenz aus der Erfahrung des Nationalsozialismus verpflichtete unter der Zusicherung, für das verübte Unrecht zu haften.[36] Um dies zu untermauern wurde die politische Kultur der Westzonen von einer vielfältigen Restauration geprägt. Der erste Schritt - und damit das Zeichen des ideologischen Wandels - war die Zulassung von demokratischen Parteien von Seiten der Alliierten. Mit diesen Neuorientierungen der politischen Kultur und dem Aufbau neuer Institutionen wollte sich Deutschland nach außen als verlässliche Nation neu konstituieren. Man wusste, dass man das Vertrauen der anderen Nationen erst wieder gewinnen konnte, wenn das deutsche Volk im Inneren erneuert wird.[37]

Den ersten großen Beitrag zur NS-Vergangenheit hielt Konrad Adenauer als Oberbürgermeister von Köln in seiner Rede am 26. März 1946. Er stellte die Frage in den Mittelpunkt, inwiefern es möglich gewesen sei, dass Verbrechen größten Ausmaßes unter den Deutschen passiert sein konnten. Nach Adenauer sei zwar ein Schuldbekenntnis des gesamten Volkes nicht von Nöten, dennoch läge eine „Gewissensforschung“ im eigenen Interesse der Deutschen und sei für die Erneuerung notwendig. Denn...

„...der Nationalsozialismus hätte nicht zur Macht kommen können, wenn er nicht in breiten Schichten der Bevölkerung vorbereitetes Land für seine Giftsaat gefunden hätte. Ich betone, in breiten Schichten der Bevölkerung. Es ist nicht richtig, jetzt zu sagen, die Bonzen, die hohen Militärs oder die Großindustriellen tragen allein die Schuld. [...] Aber breite Schichten des Volkes, der Bauern, des Mittelstandes, der Arbeiter, der Intellektuellen, hatten nicht die richtige Geisteshaltung, sonst wäre der Siegeszug des Nationalsozialismus in den Jahren 1933 und folgende im deutschen Volk nicht möglich gewesen“[38].

Für Adenauer bedeutete die Überwindung des Nationalsozialismus den Bruch mit bestimmten zentralen Aspekten der nationalen Identität und der politischen Tradition Deutschlands. Er wollte den Nationalsozialismus ausrotten, indem die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollten.[39] Anfangs hatte Adenauer noch gefordert gegen jeden vorzugehen, der sich ein Verbrechen zu Schulden kommen lassen hat. So meinte er bereits im März 1946, man solle die Mitläufer, die nicht andere unterdrückten, die sich nicht bereicherten und keine strafbaren Handlungen begangen haben, endlich in Ruhe zu lassen.[40] Doch wie konnte eine Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Staates, der moralisch vollständig diskreditiert ist, mit weitgehend demselben „Personal“ glaubwürdig ein neues Staatswesen aufbauen? Hier lag das Dilemma der Nachkriegszeit: Es fand kein Bruch statt, obwohl dieser gerade von Adenauer als notwendig angesehen wurde, um sich von dem „Nazideutschland“ zu distanzieren. Die Kontinuität des „NS-Personals“ und somit die Integrität belasteter Personen in der Gesellschaft wurde dadurch verstärkt, dass sich Adenauer gegen die Entnazifizierungspolitik der Alliierten wandte und diese öffentlich kritisierte. Er sah in der Entnazifizierung die Ursache des Nachkriegsnationalismus, wie er sich am 2. Juni 1946 in Mönchengladbach (oder wie es noch 1950 hieß: München-Gladbach) äußerte.[41] Unter den Deutschen in den Westzonen kamen Vorwürfe gegen die Alliierten auf. Sie beinhalteten, dass es sich bei den Prozessen ausschließlich um eine Justiz der Sieger handle und diese Verbrechen bestraft werden müssten, die zum Zeitpunkt ihres Begehens nicht unter Strafe gestanden hätten.[42]

Die Deutschen sahen sich insofern selbst als Opfer: Im Rückblick auf die Jahre 1933-1945, indem sie die vielen Toten – Soldaten und Kriegsopfer -, zerstörte Städte, sogleich sich selbst aber auch als Opfer von Flucht und Vertreibung zu beklagen hatten. Somit kristallisierte sich eine Verdrängung der Frage nach der persönlichen bzw. kollektiven Mitverantwortung an den Verbrechen der NS-Diktatur heraus. Die Deutschen haben darüber hinaus große kommunikative Anstrengungen unternommen, die Frage nach der Schuld gar nicht erst aufkommen zu lassen, „Anstrengungen die mit Verschweigen, Verdrängen oder Vergessen nur oberflächlich beschrieben sind.“[43] Verstärkt wurde diese Tendenz auch dadurch, dass auch die Alliierten schon bald die „Entnazifizierungsanstrengungen“ in deutsche Hände abgaben. Ab 1953 kamen diese sogar völlig zum Erliegen, sodass „die Schere zwischen Tätern, Mitläufern und Opfern noch weiter auseinander klaffte.“[44]

Des Weiteren wurden Amnestiegesetze eingesetzt, die dazu führten, dass sich Mitte der 50er fast niemand mehr fürchten musste wegen seiner NS-Vergangenheit behelligt zu werden. Dazu führte Konrad Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung im September 1949 aus:

„Der Krieg und auch die Wirren der Nachkriegszeit haben so eine harte Prüfung für viele gebracht und solche Versuchungen, daß man für manche Verfehlungen und Vergehen Verständnis aufbringen muss. Es wird daher die Frage der Amnestie von der Bundesregierung geprüft werden, (Bravo!) und es wird weiter die Frage geprüft werden, auch bei den hohen Kommissaren dahin vorstellig zu werden, daß entsprechend für von alliierten Militärgerichten verhängte Strafen Amnestie gewährt wird. (Beifall rechts und in der Mitte.)“[45]

Diese Worte bildeten wohl kaum eine Projektionsfläche für die Umerziehungsversuche der Alliierten. Besonders die Forderung nach Amnestiegesetzen scheint der bessere Weg zu sein, als die von den Alliierten geforderte Einsicht, dass „das Individuum mitverantwortlich sein für die Barbarei seiner Gemeinschaft.“[46]

2.2 Die zweite Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit (1950-1958)

Mit dem Straffreiheitsgesetz von 1949, welches zu den ersten Amtshandlungen der gerade etablierten Regierung gehörte, wurde folglich die Integration von Tätern und Parteigängern des Nationalsozialismus gefördert. Für diese „Lösung“ war die Entstehung des Kalten Krieges ausschlaggebend, denn „ohne den Ost-West-Konflikt hätte sie [die neue Regierung unter Adenauer] nie und nimmer so schnell die Zustimmung der westlichen Siegermächte gefunden.“[47]

Hier wird ebenfalls deutlich, dass der Bruch mit der Vergangenheit nicht nur auf personeller Ebene gescheitert ist (auch wenn die NS-Eliten praktisch total ausgeschaltet und bestraft wurden), sondern auch einzelne Strukturelemente des NS-Denkens in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive wirksam wurden. Denn mit dem Amnestiegesetz von 1949, welches die Straffreiheit für bestimmte nazistische Gewalttäter beschloss, wurde Hitlers Amnestieregelung für staatliche Straftäter bei der Reichspogromnacht von 1938 weitgehend wieder in Kraft gesetzt.[48] Allerdings bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass der offizielle Bruch der BRD mit dem Nationalsozialismus und seiner Ideologie nie in Frage stand. Somit gehörten zwei Aspekte zusammen, denn „die 50er Jahre brachten das Kunststück zustande, die ehemaligen Nazis zu integrieren und zugleich die politische und ökonomische Verfassung der Bundesrepublik zur Negation des Nationalsozialismus zu erklären.“[49] Deshalb kann man in diesem Zusammenhang von einer zweiten Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit sprechen. Sie umfasst die langen Jahre der Verharmlosung, der Leugnung und der Amnestie der NS-Täter.

In der Öffentlichkeit wurde folglich eine klare Trennlinie zum Nationalsozialismus gezogen, während das alte (NS-) Personal wieder in seine Stellungen zurückkehrte und „seine Vergangenheit für unwichtig erklärt wurde.“[50] Der Politikwissenschaftler Helmut König spricht in diesem Zusammenhang von der „Doppelstrategie der frühen Bundesrepublik“.[51]

Mangels der juristischen Verfolgung und Säuberung hatte nun die Wiedergutmachungspolitik Adenauers ab den 1950er Jahren den größten Teil der „Vergangenheitsbewältigung“ zu übernehmen. Für die Politiker schien es einfacher zu sein finanzielle Angebote zu machen als belastete Personen auszuschalten. Die Wiedergutmachungsdebatte war jedoch wiederholt davon gekennzeichnet, dass man nicht offen über die Opfer sprach - geschweige denn die Taten der Deutschen in der NS-Zeit benannte. Adenauer sprach in diesem Zusammenhang von „den im Namen des Volkes begangenen Verbrechen.“[52] Damit beabsichtigte er vielleicht „diese Taten von den in der NS-Zeit lebenden Deutschen zu trennen.“[53] Adenauer erkannte zwar Lasten und Verpflichtungen an, versuchte diese jedoch abzumildern. So sollte die Bevölkerung nicht zu sehr mit der NS-Vergangenheit konfrontiert werden. Ebenfalls sollte dies zur Beruhigung der Bevölkerung und zur Entbindung von den Lasten des NS-Regimes beitragen. Mit der Wiedergutmachung suggerierte Adenauer, dass dies „der erste Schritt in Richtung auf eine tief greifende juristische, politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen sein würde.“[54] Die Wiedergutmachung sollte ein „Signal für die Welt“[55] sein, welches zum Ausdruck bringen sollte, dass die Deutschen die NS-Verbrechen verurteilen. Diese Form der „Vergangenheitsbewältigung“ – dass die Schuld durch Wiedergutmachungsleistungen abgetragen wird - war aus Adenauers Sicht für die Bevölkerung weniger irritierend als die juristische Bewältigung. Deshalb lehnte er eine tief greifende Säuberung ab, womit er die Wünsche zumindest eines erheblichen Teils der Wählerschaft repräsentierte: Schweigen über die eigene NS-Vergangenheit. In diesem Zusammenhang bedeutete für Adenauer die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit eher Integration in den Westen als Erinnern und Gerechtigkeit.[56] Ohne die Opposition wäre es jedoch nicht zu den Wiedergutmachungsleistungen gekommen, denn aus den eigenen Reihen erfuhr er wenig Zustimmung. Die CDU dehnte den Begriff der „Opfer“ sogar so sehr aus, dass es auch die Deutschen, die unter dem Krieg gelitten hatten, umfasste.[57] Dennoch bleibt festzuhalten: Die Wiedergutmachungsverpflichtungen blieben rein formal und lösten keine tief greifende Auseinandersetzungswelle aus.[58] Bezeichnenderweise sah sich die deutsche Bevölkerung Mitte der 50er Jahre selbst auch als Opfer der Besatzungsmächte. Denn anstatt den 8. Mai 1945 als „den großen Tag in der deutschen Geschichte“[59] bezeichnen, feierte man den 5. Mai 1955 – das Ende der Besatzungszeit. In einer Rundfunkansprache zum 5. Mai 1955 bekräftigte der Bundeskanzler:

„Der Tag der Zurückgewinnung der Souveränität ist ein großer Tag in der deutschen Geschichte. Vor zehn Jahren zerbrach Deutschland und hört auf, ein sich selbst zu regierender Staat zu sein. Es war die dunkelste Stunde unseres Vaterlandes.“[60]

Hier wird nicht die Machtergreifung, sondern die Beatzungszeit als „dunkelste Stunde unseres Vaterlandes“ bezeichnet.

Im Hinblick auf die Gedenkreden in dieser Phase stellt die Wendung vom „guten Wehrmachtssoldaten“ ein weiteres Diktum dar. So gedachte man in den Volkstrauertagsreden zwar den Opfern des politischen Systems – jedoch des stalinistischen. Dieser Tag wurde lange Zeit mit mehr Engagement begangen als das Gedächtnis der NS-Herrschaft.[61] Die Rede des Politikers Heinrich Vockel zur Gedenkfeier der Opfer des Stalinismus ist in diesem Zusammenhang die bezeichnendste Rede. Er nennt die NS-Vergangenheit in keinem Wort, „als sei einfach klar, daß eine solche Rede nicht auf deutsche Verhältnisse passe.“[62]

„Wir gedenken hier vor allem der Opfer des Stalinismus, die das deutsche Volk gebracht hat. Wohl die meisten von ihnen sind nicht im Kampf auf den Barrikaden gefallen, sondern sind in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern, in der letzten menschlichen Verlassenheit, gestorben.

Was ist der Stalinismus? Dieses heute so viel gebrauchte Wort, das noch Jahre nach dem Tod Stalins von so grausiger Aktualität ist, bezeichnet eine Form der Diktatur in ihrer letzten technischen Perfektion.

Stalin hielt sich nicht damit auf, um die Menschen zu überzeugen, aufzuklären und geduldig mit ihnen zusammen zu arbeiten, sondern er zwang anderen seine Absichten auf und verlangte absolute Unterwerfung unter seiner Meinung. Wer sich seiner Konzeption widersetzte oder, einen eigenen Standpunkt zu vertreten, die Korrektheit der eigenen Position zu beweisen suchte, wurde unweigerlich aus dem Führungskollektiv ausgestoßen und anschließend sowohl moralisch als auch physisch vernichtet.“[63]

Von einer kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit kann hier also nicht gesprochen werden. „Stattdessen war all das gefragt, was die Katastrophe der Shoah in einem wie auch immer gearteten ‚Humanismus’ einfädeln konnte – auch auf Kosten einer angemessenen Darstellung der Opfer.“[64]

In der Opposition wurde eine komplementäre Position im Hinblick auf den Umgang mit der Vergangenheit vertreten: Insbesondere Kurt Schumacher, Ernst Reuter und auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss vertraten das politisch schädliche Argument, dass die Grundlage der Demokratie mehr Erinnerungsarbeit beinhalten sollte. Zwar blieben sie in der Minderheit, was den Zusammenhang zwischen Demokratisierung und mangelnder Diskussion der NS-Verbrechen in der Ära Adenauer unterstreicht. Dennoch hinterließen diese drei Politiker ein wertvolles Erbe, welches schließlich auch breitere Anerkennung finden sollte. Insbesondere Theodor Heuss hielt an seiner Grundüberzeugung fest, dass es Aufgabe der Deutschen sei, sich der NS-Vergangenheit zu stellen, und dass ehrliche Erinnerung die Grundlage für die moralische uns politische Stellung Deutschlands im Nachkriegseuropa bilde:

„Und auch für die Völker ist es eine Gnade, vergessen zu können. Aber meine Sorge ist, daß manche Leute in Deutschland mit dieser Gnade Missbrauch treiben und zu rasch vergessen wollen. Wir müssen das im Spürgefühl behalten, was uns dorthin geführt hat, wo wir heute sind. Daß soll kein Wort der Rachegefühle, des Hasses sein. Ich hoffe, daß wir dazu kommen werden, nun aus dieser Verwirrung der Seelen im Volk eine Einheit zu schaffen. Aber wir dürfen es uns nicht so leicht machen, nun das vergessen zu haben, was die Hitlerzeit uns gebracht hat.“[65]

Mit dieser Aussage setzte Heuss als erster Bundespräsident Deutschlands den Grundstein für das „wach haltende“ Erinnern an die NS-Zeit – was viele Menschen in der Nachkriegszeit lieber vergessen hätten. Die wohl eindringlichste öffentliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit von Seiten eines Vertreters der westdeutschen Staatsführung war wohl Heuss` Rede in Bergen-Belsen, die durch ihren Titel berühmt wurde: „Diese Scham nimmt uns niemand ab!“ Er rief die Deutschen dazu auf, sich der Wahrheit zu stellen, von der alle etwas gewusst haben. Außerdem dürfen die Deutschen „nie vergessen, was von Menschen ihrer Volkszugehörigkeit in diesen schamreichen Jahren geschah.“[66] Damit bekleidete Theodor Heuss das Amt des Mahnens und Erinnerns.

Dennoch sollte sich sein Beitrag zur Kollektivschuldthese Ende der 40er Jahre als ein rhetorisch ausgesprochen geschickter Weg herauskristallisieren, um die Deutschen ein weiteres Mal als die Opfer der Hitler-Diktatur zu stilisieren:

„Man hat von einer ‚Kollektivschuld’ des deutschen Volkes gesprochen. Das Wort Kollektivschuld und was dahinter steht ist aber eine simple Vereinfachung, es ist eine Umdrehung, nämlich der Art, wie es Nazis gewohnt waren, die Juden anzusehen: daß die Tatsache, Jude zu sein, bereits das Schuldphänomen in sich eingeschlossen habe. Aber etwas wie eine Kollektivscham ist aus dieser Zeit gewachsen und geblieben. Das Schlimmste, was Hitler uns angetan hat –und er hat uns viel angetan-, ist doch dies gewesen, daß er uns in die Scham gezwungen hat, mit ihm und seinen Gesellen gemeinsam den Namen Deutscher zu tragen.“[67]

Diese äußerst geschickt angelegte rhetorische Wende, die aus dem deutschen Tätervolk Opfer des NS-Regimes macht, „machen aus der Kollektivschuld nicht nur eine Koll ektivscham, sondern letztlich eine kollektive Unschuld.“[68] Dieser hier angelegte Grundstein der Argumentation der Deutschen als Opfer der NS-Diktatur soll sich im weiteren Verlauf der „Vergangenheitsbewältigung“ großer Beliebtheit erfreuen.

In den beiden ersten Phasen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit - in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in den Gründungsjahren der Bundesrepublik - zeigte sich somit ein ambivalentes Bild insbesondere in der Koalition: Zum einen wollte man Lehren aus der Vergangenheit ziehen und damit eine weitere NS-Diktatur verhindern. So sah man sich als legitimer Nachfolger des Deutschen Reiches, und nahm durch die Wiedergutmachungszahlungen die Schuld für den Zweiten Weltkrieg auf sich. Zum anderen zog man den Demokratisierungsprozess rigoros durch. Die Erinnerung an den Nationalsozialismus schwieg man dabei tot – nicht zuletzt um die Wünsche der Wählerschaft zu erfüllen.

Diese Ambivalenz der Politik Adenauers lässt sich auch in der ersten Regierungserklärung, die er im September 1949 hielt, wieder finden, in der er sich nur ganz beiläufig mit der NS-Vergangenheit beschäftigte:

„Wenn die Bundesregierung so entschlossen ist, dort, wo es ihr vertretbar erscheint, Vergangenes vergangen sein zu lassen, in der Überzeugung, daß viele für subjektiv nicht schwerwiegende Schuld gebüßt haben, so ist sie andererseits doch unbedingt entschlossen, aus der Vergangenheit die nötigen Lehren zu ziehen, die an der Existenz des Staates rütteln, (Bravo! und Sehr gut!) mögen sie nun zum Rechtsradikalismus oder zum Linksradikalismus zu rechnen sein.“[69] (Hervorgehoben durch Janina Dreyer)

Die Konfrontation mit der Vergangenheit hatte folglich anfangs nur von Seiten den Alliierten statt gefunden und wurde durch „Verfechter“ der Erinnerungsarbeit – wie beispielsweise Kurt Schumacher – weiter betrieben. Dennoch wurde dies von der Bevölkerung nicht aufgenommen und sie wählten Konrad Adenauer, der im wirtschaftlichen Wiederaufbau und in der politischen Legitimität die Medizin für die Überwindung der NS-Vergangenheit sah. Jedoch darf man auch nicht die herrschenden Verhältnisse kurz nach dem Krieg vergessen. So schreibt die Schriftstellerin Ruth Andreas-Friedrich in ihren Tagebuchaufzeichnungen für den 9. Mai 1945:

„Die Welt tobt im Siegestaumel. Die Berliner grübeln, wo sie etwas zu essen finden. Geschäfte gibt es noch nicht. Sie sind entweder geschlossen oder ausgeplündert. Nicht wir allein haben während der Kampftage das siebente Gebot vergessen. Was in den Läden fehlt, geht zumeist auf das Konto der Deutschen. Nur die Bäcker arbeiten noch. Vor ihren Türen drängten sich die Menschen. Das Brot ist schwarz und naß. Wie Blei liegt es im Magen. Immerhin, es ist Brot. Heike beschließt, sich für Anstehen zu opfern.“[70]

Ein hybrid gewordener Staat war zerschlagen, die Menschen waren zerstört und ihre Umwelt lag in Trümmern. Insbesondere in den Nachkriegsjahren war die materielle Situation der Deutschen katastrophal. Das Leben der Menschen war geprägt von Hunger, Elend, Ratlosigkeit – aber auch von dem Kampf ums einfache Überleben. Mit der äußeren Zerstörung korrespondierte eine innere Zerrissenheit der Menschen. Denn neben der materiellen Krise tritt die Krise des Bewusstseins hinzu.

In den ersten beiden Phasen des Umgangs mit der Vergangenheit kann man folglich davon sprechen, dass die Einsicht einer notwendigen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit eher nur bei den politischen Eliten stattgefunden hat – insbesondere in den Reihen der SPD. Auch wenn das Bündnis darin bestand, die Vergangenheit ruhen zu lassen und alle Kraft in den Wiederaufbau des zertrümmerten Vaterlands[71] zu investieren, hielt somit die Diskussion über eine notwendige Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit an. Auch wenn die NS-Zeit nicht immer explizites Thema in der öffentliche Diskussion war (insbesondere in den 1950er Jahren), der Geist der Vergangenheit war ständig präsent. Das Dritte Reich hatte immer noch einen festen Platz in den Köpfen der Politiker.[72] Die politische Verurteilung des NS-Regimes bedeutete zwar nicht, dass man in den 50er Jahren in der Öffentlichkeit gar nicht über die NS-Zeit redete. Auch in Broschüren, Magazinen und Zeitschriften wurden regelmäßig Erlebnisberichte veröffentlicht, die sich auf den Krieg bezogen. Nach dem Politikwissenschaftler Helmut König sei es somit unangemessen im landläufigen Sinn von einer Verdrängung der NS-Vergangenheit zu sprechen. In den 50er Jahren sei es nicht zum Verleugnen, Verschweigen und zu einer Tabuisierung gekommen sei, sondern eher zu einer weitgehenden Abwesenheit des Gefühls von Schuld, Scham und schlechtem Gewissen.[73]

Dennoch lässt sich schließlich für diese Phase feststellen, dass gerade die Kontinuität zwischen dem Dritten Reich und der BRD den Eliten den Weg verbaute, die NS-Vergangenheit ruhen zu lassen. Hiermit ist nicht die politische Mentalität gemeint, sondern die des staatlichen Selbstverständnisses der BRD: die Rechtsnachfolgerschaft zum Dritten Reich, was u.a. die Haftungskontinuität beinhaltet - das heißt hier: die Wiedergutmachung. Dies führte zur ständigen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, welcher man sich nicht entziehen konnte. Diese Tatsache trug wiederum zu der Entstehung und Festigung einer vergangenheitskritischen und demokratischen Öffentlichkeit bei.

2.3 Die dritte Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit (1958-1964)

Ab dem Jahr 1958 kann man insofern von einer dritten Phase in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit sprechen, da in diesem Zeitraum eine Veränderung im Umgang mit der Vergangenheit in der breiten Bevölkerung stattfand. Gründe für diese Modifizierung werden in der Wissenschaft insbesondere am Ulmer Einsatzgruppenprozess festgemacht, der in der Bevölkerung für Bestürzung sorgte. Wurde in den 50er Jahren der Konsens des Schweigens betrieben, die juristische Aufarbeitung zum Erliegen gebracht und die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit eher von den politischen Eliten als von der Gesellschaft betrieben, so bekam die Bevölkerung nun die Konsequenzen vor Augen geführt.

Zu dem Prozess kam es als ein ehemaliger (NS-)Beamter auf Wiedereinstellung nach Artikel 131 GG geklagt hatte. „Im Zuge dieses Rechtstreites wurde deutlich, dass hier ein für Massenexekutionen im Raum Litauen verantwortlicher ehemaliger hoher Polizeibeamter seine ranggleiche Wiedereinstellung betrieb.“[74] Daraus ergab sich der Prozess gegen Polizeibeamte, die wegen Ermordung von 4000 Juden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Erkenntnis, die man aus dem Ulmer Einsatzgruppenprozess zog, war folglich, dass die juristische Aufklärung und Strafverfolgung noch längst nicht abgeschlossen war. Untermauert wurde diese Tatsache, dass NS-Belastete in der BRD hohe Ämter bekleiden konnten – folglich ohne Konsequenzen von NS-Verbrechern zu Demokraten wurden.

Ein weiter Vorfall, der für eine Welle der Empörung sorgte und zu hektischen innenpolitischen Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit führte, war eine antisemitistische Schmierwelle. Sie begann mit der Beschmutzung der Kölner Synagoge mit Hakenkreuzen und judenfeindlichen Sprüchen in der Weihnachtsnacht 1959. Die Wahl des Zeitpunktes sowie des Objekts erklärt die starken Reaktionen. Die Kölner Synagoge sollte nämlich ein Zeichen für die Wiedergründung einer kleinen jüdischen Gemeinde in der Stadt setzen. Außerdem sollte die Anwesenheit des Bundeskanzlers bei der Einweihung den staatsoffiziellen Anti-Antisemitismus der jungen BRD symbolisieren.[75] Für die SPD und die Liberalen war diese Schmierwelle Anzeichen für die Schwäche des demokratischen Systems. Sie betonten hier noch einmal die „Notwendigkeit von geistigen und pädagogischen Initiativen im Umgang mit der Erbschaft der Nazi-Zeit.“[76] Die Reaktion auf diesen öffentlichen Antisemitismus wurde zum „Prüfstein im Umgang mit der Geschichte“[77]. Konrad Adenauer bemühte sich die Schändigungen zu rationalisieren und die zahlreichen Anschlusstaten auf ein Motiv zurückzuführen „bei dem Staatsraison und ethisches Weltbild aus konservativer Perspektive in Übereinstimmung waren: Die neonazistischen und antisemitistischen Schmiererein seien von der DDR aus angezettelt und gesteuert, um den inneren Frieden der Bundesrepublik zu stören.“[78]

In dieser turbulenten Zeit kam es - insbesondere als Konsequenz aus den Urteilen aus den Prozessen in Ulm und auf den drohenden Imageverlust für die BRD im Ausland[79] - 1958 zu einer neuen juristischen Form im Umgang mit der NS-Vergangenheit: Der Gründung der „Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“ in Ludwigsburg, die schon bald eine Reihe von NS-Prozessen nach sich zog. Das Augenmerk der Bevölkerung richtete sich bald auf dieses Verfahren. Denn hier – namentlich dem längsten Gerichtsverfahren, dem Frankfurter Auschwitz-Prozess – „wurden der deutschen Bevölkerung die Dimensionen des Völkermords bzw. die Monstrosität der NS-Verbrechen noch einmal vor Augen geführt.“[80] Zum ersten Mal herrschte eine gesellschafts-politische Einigkeit über die juristischen Folgen der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Mit den Prozessen wurde deutlich, dass NS-Täter und Gesinnungsleute noch immer nicht zur Rechenschaft gezogen worden waren. Die NS-Prozesse zeigten schließlich das Ausmaß der „unaufgearbeiteten Vergangenheit“: Die Integration NS-Belasteter in die neue Demokratie. Die Nürnberger Prozesse hatten in den Nachkriegsjahren zwar die NS-Eliten ins Auge genommen und bestraft. Nun stand jedoch die Frage im Raum, wie vielen Verbrechern es noch gelungen war, unbehelligt in ihren alten Beruf zurückzukehren.[81]

Daraus resultierte die beunruhigende Tatsache, dass im Zuge der zwanzigjährigen Verjährungsfrist für Mord – nur aufgrund des Vergehens der Zeit - NS-Verbrecher der Bestrafung entgehen würden. Ein weiteres Mal war es die SPD, die sich für eine weitere Strafverfolgung von NS-Verbrechen einsetzte. Auch wenn der Antrag der SPD abgelehnt wurde, so ist es den Sozialdemokraten gelungen, „das Versagen der deutschen Justiz der fünfziger Jahre zu einem politischen Thema zu machen.“[82]

Prägend für diese dritte Phase ist schließlich, dass sich hier die Beziehung zwischen Erinnerung und Demokratie zu wandeln beginnt. Dennoch muss auch hier festgehalten werden, dass es bei den Prozessen gegen Kriegsverbrecher wiederum um „die spezifische Strategie der deutschen Nachkriegsjustiz“[83] handelte: „die Verengung des Schuldbegriffs auf einige wenige ‚Dämonen’ und eine Tätergruppe, die unmittelbaren Anteil an den Verbrechen in den Konzentrationslagern hatte.“[84]

2.4 Die vierte Phase der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit (1965-1979)

Im Jahr 1965 fand die erste große Verjährungsdebatte statt, da die zwanzigjährige Verjährungsfrist für NS-Mordtaten zu diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. Dieser Umstand führte zu einer weiteren Etappe in der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, da die gesellschaftlich-politische Einigkeit in der juristischen „Vergangenheitsbewältigung“ zerbrach. Es kristallisierten sich zwei Positionen heraus: „Die eine Position lehnte aus rechtstaatlichen Bedenken die Veränderung der Verjährungsfristen gänzlich ab, um die Rechtssicherheit zu erhalten und ein ‚NS-Sonderrecht’ zu vermeiden. Die andere Position legte das Gewicht stärker auf einen moralischen Gerechtigkeitsbegriff und forderte aus politischer Erwägung eine Aufhebung der Verjährung.“[85] Der Politikwissenschaftler Peter Reichel bewertet die nachfolgende lange und intensive Debatte als Höhepunkt der parlamentarischen Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit: Die Differenzen, wie man nun rechtlich mit der NS-Vergangenheit und den damit verbundenen Verbrechen umgehen sollte, waren einfach zu groß.[86] Deshalb hat man sich 1965 zunächst darauf geeinigt, dass man die Verjährungsfrist erst mit dem Beginn der BRD (sprich: 1949) beginnen ließ – was eine zweite große Verjährungsdebatte zur Folge hatte.

Sich im Einzelnen mit den Debatten auseinander zu setzten würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen. Dennoch spielten Ernst und Intensität im Umgang mit der Frage der NS-Vergangenheit in diesem Zusammenhang eine große Rolle. In einem Beschluss aus dem Jahr 1969 wurde entschieden, die Verjährungsfrist zu verlängern. Im Jahr 1979 wurde diese schließlich ganz aufgehoben.[87] Was nun also in den fünfziger Jahren „unter den Teppich gekehrt“ wurde, wurde in dieser Phase mit großer Verantwortung betrieben und die NS-Gewaltverbrechen konnten nun wenigstens theoretisch geahndet werden.[88] Das Bestreben der SPD sich für eine weitere Verfolgung der NS-Täter einzusetzen und damit die Bewältigung der Vergangenheit voranzutreiben, war also gelungen. Dennoch kann in diesem Zusammenhang nach dem Politikwissenschaftler Peter Graf Kielmansegg nicht von einer „Ruhmestat“[89] gesprochen werden, da man den Mut für eine entschlossene Anstrengung im Hinblick auf die Verurteilung der NS-Täterschaft allenfalls in den fünfziger Jahren gebraucht hätte.

Die erste große Verjährungsdebatte führte im Jahr 1965 nicht nur im Parlament zu intensiven Auseinandersetzungen. Durch die „Einheitsmeinung“ der großen Koalition, welche die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nur noch verzögerte, machte sich Unmut in der Bevölkerung breit. Zu diesem Zeitpunkt war nun die Opposition, die viele als Grundpfeiler der Demokratie ansahen, quasi nicht mehr vorhanden. Gerade unter politisierten Studenten wuchs der Protest, der in der Bildung der außerparlamentarischen Opposition (APO) kulminierte.[90] In der Forschung lassen sich noch weitere Gründe festmachen, die zu der Studentenbewegung geführt haben. Zum einen wird die fehlende Universitätsreform und zum anderen die Faschismusdebatte als Ursache genannt, die jeweils eine Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Gesellschaft mit sich brachte. Dies zog einen Kampf für gesellschaftliche Veränderungen mit sich, der die Schwächen in der Politik aufdeckte. Nachdem die Studenten die Integration belasteter ehemaliger Funktionäre des NS-Regimes an den Universitäten und in der Politik aufdeckten, erschlossen sie aus diesem Wissen die Belastung der Gesellschaft, die durch die unaufgearbeitete Vergangenheit zustande gekommen war. So war die Doppelstrategie der westdeutschen Vergangenheitspolitik erkannt. Nicht nur die gegenwärtige Situation, sondern auch die unaufgearbeitete Vergangenheit rückte somit immer mehr in den Blickpunkt der Gesellschaft. Viele Studenten blickten mit Misstrauen auf die ältere Generation. Nach dem Politikwissenschaftler Helmut König verschob sich nun die Wahrnehmungsperspektive: Im Vordergrund stand nun nicht mehr die Negation des NS-Regimes, sondern die Kontinuität des politischen, administrativen und wissenschaftlichen Personals und die Integration der Mitläufer, Nutznießer und Täter. Ein wirklicher politischer Neuanfang, so schien es jetzt, sei 1945 verpasst worden.[91]

Selbst wenn die Studentenbewegung nach einiger Zeit abschwächte, so wurde diese im Zusammenhang mit der Faschismustheorie die bestimmende Form im Umgang mit der Vergangenheit in den 1970er Jahren. Jetzt wurden die Kontinuität und die Verbindungslinien zwischen der BRD und dem Nationalsozialismus offen gelegt und man erkannte, dass es keinen wirklichen Bruch gegeben hatte. Die Bundesrepublik sei vor allem deswegen nicht frei von der Gefahr eines neuen Nationalsozialismus - so sahen es die Anhänger der 68er-Bewegung - da die Voraussetzungen für den Faschismus in der ökonomischen Struktur der Gesellschaft nicht beseitigt worden waren. Deshalb war der Nationalsozialismus kein Problem der Vergangenheit sondern der Gegenwart.[92]

Eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war nun also generationsabhängig geworden. Aus der lebensgeschichtlichen Distanz heraus gab sich nämlich die Nachkriegsgeneration erstmals mit der Sprachlosigkeit vieler Älterer bei Antworten auf die Frage nach deren Rolle im Dritten Reich nicht mehr zufrieden.

Der Historiker Hans-Ulrich Thamer sieht jedoch nur in der Selbstwahrnehmung der 68er-Generation einen Beitrag zur Aufklärung der bisher verdrängten Vergangenheit. Er misst zwar der Studentenbewegung im Hinblick auf den Aufbruch des Generationenkonfliktes eine große Bedeutung zu, wodurch diese eine größere Resonanz erhielt. Dennoch trug sie darüber hinaus zur „Fortschreibung der Ausblendungen von Tätern und Opfern bei, indem sie mit der Übernahme marxistischer Positionen die Verdrängungsmechanismen der nun im Westen adaptierten DDR-Geschichtswissenschaft und Geschichtspolitik übernahm.“[93] Dort wolle man – wie in der marxistischen Faschismustheorie überhaupt – „nur über die gesellschaftlichen Bedingungen der Ermordung der Juden sprechen und ging in der DDR wie auch in den westdeutschen epigonalen Diskussionszirkeln davon aus, daß mit der Frage nach der ideologischen und politischen Ursachen bzw. Etappen der Judenverfolgung nur von dem sehr viel grundsätzlicheren Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus, zwischen Bourgeoisie und NSDAP abgelenkt würde.“[94] Wenn man nun den Rassenwahn und Judenhass des (faschistischen) NS-Regimes in den Mittelpunkt der Beschäftigung mit der Geschichte des deutschen Faschismus setzt, so lautete der Vorwurf, „verfehle man damit den gesellschaftlichen Kern und Ursprung des Faschismus.“[95] Folglich wurde gerade die Beschäftigung mit dem Genozid und dem Bedingungsrahmen als Ablenkungsstrategie verstanden, die den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus – den eigentlichen Kern – nur ausblendet. Hans-Ulrich Thamer bezeichnet diese Phase als eine Phase der zweiten Verdrängung, da Täter, Tatort und sogar Opfer selbst anonymisiert wurden.[96]

Und auch die Soziologin Julia Kölsch sieht in der Pauschalisierung des Faschismusvorwurfes eine Vereinfachung des Themas der deutschen NS-Vergangenheit. Somit konnte sich die APO davor schützten, sich nicht zu sehr mit der NS-Zeit auseinander setzten zu müssen. Des Weiteren stellt die Soziologin heraus, dass sich die Studenten eher mit außenpolitischen Themen beschäftigt haben und darüber hinaus ironischerweise nicht mit dem Zeitraum der NS-Diktatur, sondern mit der Zeit nach 1945 – haben sie die „Nichtbeschäftigung“ mit der NS-Zeit doch gerade der Nachkriegsgesellschaft angekreidet. Dennoch könne man den „68ern“ zu gute halten, dass sie auf die Folgeprobleme der unaufgearbeiteten Vergangenheit aufmerksam gemacht haben. Kölsch geht über die übliche Erkenntnis, die APO habe mit dem Faschismusthema ein „Tabu“ gebrochen hinaus: „Mit dem Faschismusvorwurf an die demokratische Organisation der BRD wurde ein Reflexionsdefizit der Gesellschaft problematisiert. Dieses Reflexionsdefizit lässt sich als Folgeproblem funktionaler Differenzierung beschreiben.“ Das Problem in den 50er und 60er Jahren sei folglich gewesen, dass man im politischen System „hinter diesem Faschismusvorwurf kein eigenes Thema erkannte, oder [...] das Thema als eigenes erkannte und genau deshalb mit Latenz[97] belegte. Latenzschutz hat dann die Funktion zu invisibilisieren, daß ein Thema nicht kommuniziert wird, obwohl es ein systemeigenes Thema ist.“[98] Der APO komme von daher der Verdienst zu, das Faschismusthema für alle Teilsysteme sichtbar gemacht zu haben – auch für die Familie, wo es dann als „Generationenkonflikt“ kommuniziert wurde. Somit sei das Ende der 60er Jahre definitiv auch das Ende des Schweigens: „Die nächsten Jahrzehnte zeigen, daß man kaum noch von Deutschlands Geschichte sprechen kann, ohne an Auschwitz zu denken – daß das Gegenteil aber durchaus der Fall ist.“[99]

[...]


[1] Reichel, Peter: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Eine Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute. München. 2001. S. 9.

[2] Lübbe, Hermann: Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewusstsein. In: Historische Zeitschrift. Band 236. München. 1983. S. 579.

[3] Wie es zu dieser Begriffsbildung gekommen ist, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Der früheste Beleg für den Gebrauch könnte auf eine „Einladung zur Tagung zum 20. Juli“ der Evangelischen Akademie Berlin im Sommer 1955 zurückzuführen sein. Thema der Tagung war die „Verbindlichkeit und Problematik unserer Geschichte“. Der damalige Akademieleiter Müller-Gangloff sprach zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem tatsächlich stattfindenden Prozess oder einem Resultat der „Vergangenheitsbewältigung“, sondern betonte die Notwendigkeit, sich mit den „Schatten einer unbewältigten Vergangenheit“ auseinanderzusetzen. Nach Werner Wertgen, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, könnte die Urheberschaft des Terminus aber auch auf den Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts für Geschichte, Hermann Heimpel oder auf Theodor Heuss zurückzuführen sein.

Vgl.: Wertgen, Werner: Vergangenheitsbewältigung. Interpretationen und Verantwortung. Ein ethischer Beitrag zu ihrer theoretischen Grundlegung. Diss. Uni Saarbrücken. Paderborn. 2001. S. 13.

[4] Geprägt wurde der Ausdruck von Ralph Giordano: Die zweite Schuld. Oder von der Last Deutscher zu sein. Köln. 2000. S. 17f. Giordano definiert den Begriff wie folgt: Jede zweite Schuld setzt eine erste voraus – hier: die Schuld der Deutschen unter Hitler. Die zweite Schuld: die Verdrängung und Verleugnung der ersten nach 1945. Folglich „die historische Fehlentscheidung einer Mehrheit der heute älteren und alten Generationen, sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und der eigenen Rolle in ihr nicht ehrlich auseinanderzusetzen, belastende Erinnerungen abzuwerfen und sich aus einem kompromittierenden Abschnitt selbsterlebter und mitgestalteter Nationalgeschichte herauszustehlen.“

[5] Arendt, Hannah: Besuch in Deutschland (1950). In: Knott, Marie Luise (Hg.): Hannah Arendt. Zur Zeit. Politische Essays. Berlin. 1986.

[6] Mitscherlich, Alexander / Mitscherlich, Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. 9. Auflage. München. 1973.

[7] Kittel, Manfred: Die Legende von der „Zweiten Schuld“. Vergangenheitsbewältigung in der Ära Adenauer. Überarbeitete Fassung der Diss. Uni Erlangen. Frankfurt am Main. 1993.

[8] Steinbach, Peter: Nationalsozialistische Gewaltverbrechen. Die Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit nach 1945. (Beiträge zur Zeitgeschichte. Bd. 5). Berlin. 1981. S. 8.

[9] Lübbe: Nationalsozialismus. S. 579.

[10] Lübbe: Nationalsozialismus. S. 585.

[11] Besonders der Historiker Friso Wielenga stellt sich ebenfalls gegen den Begriff der „Vergangenheitsbewältigung“: Wielenga, Friso: Schatten deutscher Geschichte. Der Umgang mit dem Nationalsozialismus und der DDR-Vergangenheit in der BRD. Vierow bei Greifswald. 1993.

Aber auch andere Historiker sind sich über die Schwierigkeiten des Begriffs bewusst, geben jedoch ihren Publikationen den Titel „Vergangenheitsbewältigung“.

Wie beispielsweise der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse: Jesse, E./ Löw, K.: Vergangenheitsbewältigung. Berlin, 1997. Oder auch der Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Peter Reichel: Reichel, Peter: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Eine Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute. München. 2001.

[12] Wenn der Begriff „Vergangenheitsbewältigung“ verwendet wird, dann wird dieser unbedingt in Anführungszeichen gesetzt. Bei der Verwendung des Wortes handelt es sich um eine Selbstbeschreibung aus der jeweiligen Perspektive.

[13] Jeismann, Karl-Ernst: Geschichtsbewusstsein. Überlegungen zur zentralen Kategorie eines neuen Ansatzes der Geschichtsdidaktik. In: Süssmuth, Hans (Hrsg.): Geschichtsdidaktische Positionen. Bestandsaufnahme und Neuorientierung. Paderborn. 1980. S. 179-222. Hier: S. 198 f.

[14] Reichel, Peter: Vergangenheitsbewältigung als Problem unserer politischen Kultur. Einstellungen zum Dritten Reich und seine Folgen. In: Weber, Jürgen/ Steinbach, Peter: Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren? NS- Prozesse in der Bundesrepublik Deutschland. München. 1984. S. 151.

[15] Ebd.: S. 151 f.

[16] Vgl.: Beck , Reinhart: Sachwörterbuch der Politik. Stuttgart. 1986. S. 740.

[17] Berg-Schlosser, Dirk/ Schissler, Jakob: Politische Kultur in Deutschland. Forschungsgegenstand, Methoden und Rahmenbedingungen. In: Berg-Schlosser, Dirk/ Schissler, Jakob (Hrsg.): Politische Kultur in Deutschland. Bilanz und Perspektiven der Forschung. Opladen. 1987. S. 13.

[18] König, Helmut: Die Zukunft der Vergangenheit. Frankfurt am Main. 2003. S. 183.

[19] Welzer, Harald: Das soziale Gedächtnis. Geschichte, Erinnerung, Tradierung. Hamburg. 2001. S. 13.

[20] Im Folgenden: Eschebach, Insa: Öffentliches Gedenken. Deutsche Erinnerungskulturen seit der Weimarer Republik. Frankfurt. 2005. S. 46.

[21] Stürmer, Michael: Geschichte in geschichtslosem Land". In: Historikerstreit. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. München. 1987. S. 36.

[22] Platt, Kristin/ Dabag, Mihran: Generation und Gedächtnis. Einleitung. In: Platt, Kristin/ Dabag, Mihran (Hrsg.): Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten. Opladen. 1982. S.12.

[23] Assmann, Aleida/ Frevert, Ute: Geschichtsvergessenheit. Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart. 1999. S. 35.

[24] Ebd.: S. 11.

[25] Vgl.: Assmann/ Frevert: Geschichtsvergessenheit. S. 12.

[26] Thamer, Hans-Ulrich: Der Holocaust in der deutschen Erinnerungskultur vor und nach 1989. In: Birkmeyer, Jens/ Blasberg, Cornelia (Hrsg.): Erinnern des Holocaust? Eine neue Generation sucht Antworten. Bielefeld. 2006. S. 81.

[27] Vgl.: Kleßmann, Christoph: Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945-1955. Göttingen. 1991. S.78.

[28] Reichel:: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. S.30.

[29] Vgl.: Kölsch, Julia: Politik und Gedächtnis. Zur Soziologie funktionaler Kultivierung vom Erinnerung. Wiesbaden. 2000. S. 51.

[30] Vgl.: Steinbach, Peter: Nationalsozialistische Gewaltverbrechen in der deutschen Öffentlichkeit nach 1945. In: Weber, J. / Steinbach, P.(Hrsg.): Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren? München. 1984. S. 25.

[31] Hey, Bernd: Die NS-Prozesse – Probleme einer juristischen Vergangenheitsbewältigung. In: Weber, J. / Steinbach, P.(Hrsg.): Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren? München. 1984. S. 53.

[32] Ebd.: S. 53.

[33] Henkys, Reinhard: Die nationalistischen Gewaltverbrechen. Geschichte und Gericht. Stuttgart, 1964, S. 219.

[34] Hey: NS-Prozesse. S. 53.

[35] Wielenga: Schatten. S. 43.

[36] Blänsdorf, Agnes: Die Einordnung der NS-Zeit in das Bild der eigenen Geschichte. In: Bergmann, Werner (Hrsg.): Schwieriges Erbe. Der Umgang mit Nationalsozialismus und Antisemitismus in Österreich, der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main. 1995. S. 32.

[37] Vgl.: Bergmann, W.: Kommunikationslatenz und Vergangenheitsbewältigung. In: König, Helmut/ Kohlstruck, Michael/ Wöll, Andreas (Hrsg.): Vergangenheitsbewältigung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Sonderheft 18/1998. Opladen/ Wiesbaden. S. 393-408. Hier: S. 395.

[38] Adenauer, Konrad: Grundsatzrede des 1. Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union für die Britische Zone in der Aula der Kölner Universität. In: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.): Reden 1917-1967. Eine Auswahl. Stuttgart. 1975. S. 84 f.

[39] Vgl.: Ebd.: S. 92.

[40] Vgl.: Ebd.: S. 84.

[41] Vgl.: Herf, J.: Zweierlei Erinnerung: Die NS-Vergangenheit im geteilten Deutschland. Deutsche Ausgabe. Berlin. 1998 S. 266.

[42] Vgl.: Hey: NS-Prozesse. S. 55.

[43] Kölsch: Politik. S. 55.

[44] Ebd.: S. 55.

[45] Adenauer: Grundsatzrede. S. 163.

[46] Kölsch: S. 55.

[47] König: Zukunft. S. 24.

[48] Perels, Joachim: Der Mythos der Vergangenheitsbewältigung. In: Die Zeit Online, vom 26.1.2006. Online unter: http://hermes.zeit.de/pdf/archiv/2006/05/NS_Rechtsstaat.pdf, [Stand: 18.4.2007].

[49] König: Zukunft. S. 25.

[50] Ebd.: S. 25.

[51] Ebd.: S. 25.

[52] Zitiert nach: Herf: Erinnerung. S. 335.

[53] Ebd.: S. 335.

[54] Ebd.: S. 336.

[55] Ebd.: S. 339.

[56] Herf: Erinnerung. S. 262.

[57] Vgl.: Ebd.: S. 336 f.

[58] Vgl.: Musiol, Jörg: Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik. Kontinuität und Wandel in den spätern 1970er Jahren. Marburg. 2006. S. 31.

[59] So der Titel der Rundfunkansprache Adenauers zum 5. Mai 1955. In: Bulletin. Hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Nr. 85. 1955. S. 701.

[60] Adenauer, Konrad: „Großer Tag der deutschen Geschichte.“ In: Ebd., S. 701.

[61] Vgl.: Kölsch: Politik. S. 80.

[62] Ebd.: S. 80.

[63] Zitiert nach: Kölsch: Politik. S. 80.

[64] Kölsch: S. 81.

[65] Heuss, Theodor: Rede nach der Wahl zum Bundespräsidenten vor Bundestag, Bundesrat und Bundesversammlung, 12. September 1949. In: Vogt, Martin.: Politiker und Publizist. Tübingen. 1984. S. 378f.

[66] Heuss, Theodor: „Diese Scham nimmt uns niemand ab. Der Bundespräsident sprach bei der Weihe des Mahnmals in Bergen-Belsen.“ In: Bulletin. Hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 1. Dezember 1952. S. 1655 f.

[67] Zitiert nach: Kölsch: Politik. S. 64.

[68] Ebd.: S. 64.

[69] Adenauer, Konrad: 20. September 1949. Erste Regierungserklärung von Bundeskanzler Adenauer. In: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.): Reden 1917-1967. Stuttgart. 1975. S. 163.

[70] Andreas-Friedrich, Ruth: Schauplatz Berlin. Tagebuchaufzeichnungen 1945-1948. Frankfurt am Main. 1984. S. 26 f.

[71] Vgl.: Benz, Wolfgang: Zum Umgang mit nationalsozialistischer Vergangenheit in der Bundesrepublik. In: Danyel, Jürgen: Die geteilte Vergangenheit. Berlin. 1995. S. 47.

[72] Vgl.: Dubiel, Helmut: Niemand ist frei von Geschichte. München. 1999. S. 68.

[73] Vgl.: König: Zukunft. S. 26.

[74] Steinbach: Gewaltverbrechen. S.46.

[75] Vgl.: Dubiel: Geschichte. S. 81.

[76] Dubiel: Geschichte. S. 82.

[77] Benz: Umgang. S. 54.

[78] Ebd.: S. 54

[79] Musiol: Vergangenheitsbewältigung. S. 32.

[80] Ebd.: S. 34.

[81] Vgl.: Ebd.: S. 32.

[82] Herf: Erinnerung. S. 398f.

[83] Kölsch: Politik. S. 85.

[84] Ebd.: S. 85.

[85] Musiol: Vergangenheitsbewältigung. S. 35.

[86] Reichel: Vergangenheitsbewältigung. S. 191.

[87] Vgl.: Kielmansegg, Peter Graf: Lange Schatten. Vom Umgang der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Berlin. 1989. S. 54.

[88] Vgl.: Benz. S. 55.

[89] Ebd.: S. 54.

[90] Vgl.: Musiol: Vergangenheitsbewältigung. S. 36.

[91] Vgl.: König: Zukunft. S. 31.

[92] Vgl.: Ebd.: S. 34.

[93] Thamer: Holocaust. S. 88.

[94] Thamer: Holocaust. S. 88.

[95] Ebd.: S. 88.

[96] Vgl.: Ebd.: S. 89.

[97] In der Gedenkkultur wird der Begriff der Latenz als eine Verschweigung im offiziellen Diskurs benutzt, um die Komplexität im sozialen System zu reduzieren. Vgl.: Kölsch: Politik. S. 24 f.

[98] Kölsch: Politik. S. 100 f.

[99] Kölsch: Politik. S. 101.

Excerpt out of 121 pages

Details

Title
Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart
College
LMU Munich
Grade
1,5
Author
Year
2007
Pages
121
Catalog Number
V133606
ISBN (eBook)
9783640401086
ISBN (Book)
9783640400713
File size
932 KB
Language
German
Keywords
Auseinandersetzung, NS-Zeit, Kultur, Bundesrepublik, Deutschland, Gegenwart
Quote paper
Janina Dreyer (Author), 2007, Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133606

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