Europa und die Reichsgründung von 1871


Trabajo, 2007

17 Páginas, Calificación: 1.0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Frankreich

2. Österreich-Ungarn

3. Russland

4. Großbritannien

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Mit der Reichsgründung vom 18. Januar 1871 wird die deutsche Einheitsbestrebung im Rahmen der kleindeutschen Lösung vollendet. Jenes Ereignis stellt ohne Zweifel eine Zäsur in der deutschen Geschichte dar. Grund genug zu fragen, wie der Rest Europas die Reichsgründung wahrnimmt? So rücken die Urteile, die die anderen über Deutsch­land fällen, in den Mittelpunkt dieser Betrachtung. Das Urteil Deutschlands über sich selbst oder über andere wird dementsprechend ausgeblendet. Weiterhin sollen weder der preußisch-österreichische Krieg, noch der deutsch-französische Krieg genauer unter-sucht werden. Höchstens die Ursachen und Folgen jener Kriege können Eingang in die-ser Arbeit finden. Zudem muss auf eine konkrete Darstellung der Politik Bismarcks und dessen Absichten verzichtet werden. Im Gegensatz zur thematischen Abgrenzung er-scheint die chronologische Begrenzung schwieriger, da Ausnahmen die Regel bilden. Jedoch soll der Zeitraum nach 1866 bis 1871 grundsätzlich beleuchtet werden. In bib-liographischer Hinsicht fällt sofort auf, dass die überwiegende Literatur veraltet ist. Mit der Aufgabe, die Reichsgründung aus europäischer Perspektive zu betrachten, erscheint es ratsam, die einzelnen Großmächte in der Reihenfolge Frankreich, Österreich-Ungarn, Russland und Großbritannien zu untersuchen. Im Fazit sollen dann die einzelnen Er-gebnisse in aller Klarheit wiedergegeben werden. Abschließend soll ein Exkurs unter-nommen werden, der das Verhältnis von Nationalstaatlichkeit und europäischen Gleichgewicht z. Z. des deutschen Einigungsprozesses aufzeigt. Was die nicht-deutschen Europäer über die Reichsgründung 1871 denken, bleibt abzuwarten. Ange-fangen mit dem Staat Frankreich, der von der deutschen Einigung am meisten betroffen ist1, soll nun die gestellte Frage auf langsamen Weg beantwortet werden.

1. Frankreich

Bereits die Fragestellung, wie in Frankreich der deutsche Einigungsprozess und dessen Resultat bewertet wird, impliziert die Schwierigkeit, eine allgemeinfranzösische Hal-tung darzustellen. Man müsste wohl sehr kurz greifen, um eine eindeutige Tendenz er-kennen zu wollen. Vielmehr wird sich zeigen, dass das französische Urteil über deut­sche Einigung und Einigungsbestrebung von einer „außergewöhnliche[n] Vielschichtig-keit“2 gekennzeichnet ist. Schon für die Zeit nach 1866 und die unmittelbare Vorge-schichte des Krieges von 1870 sind Ziele und Motive der französischen Außenpolitik sehr unklar. Einerseits lässt Napoleon III. das Nationalitätsprinzip auch für Deutschland gelten, andererseits betreibt er eine konsequente Status-quo-Politik3. Wie will man in-folgedessen öffentliche und politische Meinung auf einen Nenner bringen, wenn selbst das außenpolitische Verhalten Frankreichs bereits in den Umrissen Widersprüche ent-hält? Das französische Deutschlandbild benötigt daher eine Ausdifferenzierung, welche den ebengenannten Widerspruch, nicht ausräumt, aber zumindest nachvollziehbar er-scheinen lässt.

Zwei grundsätzliche Standpunkte, wohlbemerkt auf politischer Ebene, könnten daher als Erklärungsansatz dienen, weshalb das außenpolitische Handeln Napoleons von einer gewissen Gegensätzlichkeit bestimmt wird. Zum einen vertreten viele Liberale, Demo-kraten und Radikale den Standpunkt, nach dem das Nationalitätsprinzip allen Völkern zugestanden werden sollte - somit auch den Deutschen. Zum anderen herrscht eine „tra-ditionell realistische Haltung“4 in Frankreich vor, die den überlieferten Vorstellungen des „Kardinals“ Richelieu entsprechen. Dem folgend könnte Deutschland nur ein an-nehmbarer Nachbar sein, wenn es geteilt bleibt, oder solange Preußen und Österreich um die Vorherrschaft wetteifern. Diese beiden Standpunkte, welche unvereinbar sind, deuten zweifelsohne das Dilemma französischer Außenpolitik bzw. Deutschlandpolitik an. Auf der öffentlichen Ebene ist hingegen festzustellen, dass ein großer Teil der fran-zösischen Bevölkerung bis zum Ausbruch des preußisch-österreichischen Krieges Sym-pathien für Deutschland und dessen Einigung hegt. Diese Sympathien verschwinden allerdings nach 1866 schlagartig. Gerade den preußischen Ansprüchen, die sich im Pra- ger Frieden manifestieren, ist der französischen Öffentlichkeit ein Dorn im Auge. Dies gilt ebenso und besonders für die Person Bismarck, dessen Polenpolitik und dessen Verhalten im dänischen Krieg schon vor 1866 zu einem äußerst negativem Bild in der Öffentlichkeit geführt hat. Ein Politiker, der keine friedliche Einigung anstrebt, sondern vielmehr eine kriegerische Macht- und Eroberungspolitik betreibt. Hinzu kommt die als rückläufig empfundene Innenpolitik Bismarcks, welche vielfach nur auf das bekannte Zitat von „Blut und Eisen“ reduziert wird5. Selbst bei den noch wenigverbliebenen Ei-nigungsbefürwortern mehren sich die Zweifel, ob das italienische Beispiel auch für das „militaristische Preußen“ gelten sollte. Insgesamt sehen nun die meisten „in der deut-schen Einheit eine Gefahr oder verlangen nach Kompensationen, den berühmten >Trinkgeldern<, die Bismarck [aber] dann sehr geschickt zu umgehen“6 weiß. Der Krieg zwischen Preußen und Österreich kann demnach als ausschlaggebend für eine Neubewertung der deutschen Einigungsbestrebung verstanden werden. Dies gilt sowohl für die öffentliche Meinung, als auch für die politische Landschaft in Frankreich. In diesem Zusammenhang muss auf die widersprüchlich Deutschlandpolitik Napoleons nochmals verwiesen werden, da gerade jenes Dilemmata einen wichtigen Ansatzpunkt bietet, um den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges verstehen zu können. Denn schwankend zwischen dem Nationalitätsprinzip und dem Kurs des europäischen Gleichgewichts ist die Situation Napoleons III. mehr als verfahren. Einerseits unter-stützt er Bismarck bei der Einheitsbewegung (Nationalitätsprinzip), jedoch nur in Nord-deutschland und verlangt andererseits hierfür die berühmten Kompensationen (Kurs des europäischen Gleichgewichts)7. Nach dem preußischen Sieg von Königgrätz wird dies um so deutlicher, als Napoleon den Versuch unternimmt, vermittelnd in die Gescheh-nisse einzugreifen, da ihm sein eigentliches Ziel, als Schiedsrichter im „deutschen Krieg“ 1866 aufzutreten, misslingt. Auf diesem Weg will er sein „Deutschlandpro-gramm“ doch noch durchsetzen. In jenem „Programm“ sollen die Mittelstaaten gestärkt und daraus resultierend, der französische Einfluss in Deutschland erhöht werden8. „Aber der Kaiser überzeugt nicht.“9 Die „Politik der Trinkgelder“ schlägt fehl und obwohl die Deutschlandpolitik Napoleons bis zur französischen Kriegserklärung undurchsichtig bleibt, so zeichnet sich dennoch eine gewisse Tendenz zum Kurs des europäischen Gleichgewichts ab. Ob die Wahrung des Gleichgewichts in Europa Napoleon u.a. dazu treibt, den Krieg zu beginnen, bleibt offen und ist ebenso, wie der Kriegsverlauf an sich, nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Festzuhalten bleibt lediglich, dass Frankreich die Fusion von Norddeutschen Bund und den vier süddeutschen Staaten als eine „tödliche Bedrohung“10 empfindet. Mit der Kapitulation Napoleons endet jedenfalls das 2. Kai-serreich. Am 4. September 1870 wird Frankreich erneut Republik und am 18. Januar 1871 Deutschland geeint - soweit die Chronologie. Die eingangs formulierte Fragestel-lung fordert nun ihre Antwort. Zunächst kann die geringe Aufmerksamkeit, die der Reichsgründung aus französischer Perspektive entgegengebracht wird, als grundle-gendste Antwort auf die Frage, wie die französische Bevölkerung die deutsche Einigung wahrnimmt, gelten. Fragt man genauer, dann ergibt sich ein weitaus differenzierteres Bild. In politischer Hinsicht wird dies verständlich, durch die zahlreichen Aufgabenfel-der der noch jungen Republik unter Thiers. Dem französischen Staatsmann Leon Gam-betta geht es hauptsächlich um die Aushebung neuer Truppen für die nationale Vertei-digung. Der Außenminister der dritten Republik Jules Favre will den Ausgang des deutsch-französischen Krieges „europäisieren“, was bekanntermaßen fehlschlägt. Der Senator des ehemaligen Kaiserreichs Michel Chevalier korrespondiert u.a. mit dem Prime Minister Gladstone und fordert ihn, damit Großbritannien, auf, auf dieses „neue Tilsit“ zu reagieren, um den „zügellosen Ehrgeiz Preußens“11 Einhalt zu gebieten. Großbritannien reagiert aber nicht. Was übrig bleibt, ist die folgenschwere Annexion von Elsaß-Lothringen, die das politische und öffentliche Befinden Frankreichs allge-mein bestimmt. Als nationale Ungerechtigkeit empfunden, ist die Zeremonie des 18. Januars, im Gegensatz zur Annexion Elsaß-Lothringens, für die französische Bevölke-rung unbedeutend. Die formale Anerkennung des neuen Deutschen Reiches kommt zwar mit dem Wortlaut des ersten Artikels: „Frankreich verzichtet zugunsten des Deut-schen Reiches...“ im Präliminarvertrag (Vorfrieden von Versailles am 26. Februar 1871) zum Ausdruck, ob eine tatsächliche Anerkennung stattfindet, ist indes stark zu bezwei-feln. Was tatsächlich stattfindet, ist ein Wandel im nationalen Denkschemata. An die Stelle des Bildes von einem „>guten Deutschen<, der ein musikliebender und romanti-scher Biertrinker ist, [tritt] das Bild des erfolgreichen, harten, grausamen, disziplinierten und hochmütigen Soldaten“12. Die Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spie-gelsaal von Versailles und die Aushungerung bzw. die Bombardierung von Paris kön- nen nur dazu beitragen, dass Frankreich auch nach dem Frankfurter Frieden unversöhn-lich bleibt und auf Rache sinnt. Nicht das Resultat des deutsch-französischen Krieges von 1870/71, ergo die Vollendung der deutschen Einheit, bedrückt die Franzosen, son-dern die Niederlage an sich bzw. deren Verlust von Elsaß-Lothringen13.

2. Österreich-Ungarn

Im Krieg von 1866 verliert Österreich den Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft über Deutschland gegen Preußen. Im darauffolgenden Prager Frieden 23. August 1866 muss sich Österreich verpflichten, sich künftig aus deutschen Angelegenheiten herauszuhal-ten - soweit die Ausgangslage. Ziel der zukünftigen Außenpolitik unter Friedrich Ferdi­nand Graf von Beust wird nunmehr sein, die Annäherung an die süddeutschen Staaten und den Ausbau der „mitteleuropäischen Position“ mit Hilfe von Allianzen voranzutrei-ben14. Dennoch fällt mit dem Aufziehen des deutsch-französischen Konflikts auf, wie zurückhaltend die österreichische Politik unter Beust agiert. Die katastrophale Haus-haltslage, innenpolitische Reformen sowie der Ausgleich von 1867 mit Ungarn nötigt die politische Führung des Landes zu einem passiven Verhalten. Viel wichtiger dabei ist, dass das Bündnis mit Frankreich und Italien gegen Preußen aufgrund unterschiedli-cher Interessenslagen nie zustande kommt. Auf dieses Bündnis wäre Österreich aber unbedingt angewiesen, wenn es denn eine Revision der Ereignisse von 1866 erreichen wolle. Zugleich muss die österreichisch-ungarische Politik die Befindlichkeiten der süddeutschen Staaten berücksichtigen, da ein offenes Zusammengehen mit Frankreich diese nur direkt in die Arme Preußens treiben würde. Ein weiterer Aspekt, der dabei beachtet werden muss, ist das preußisch-russische Verhältnis. Zu diesem Verhältnis und dessen Bedeutung für Österreich-Ungarn im Falle eines möglichen Kriegseintritts nimmt Beust gegenüber Frankreich Stellung. „In Paris sollte man sich im klaren darüber sein, daß Russlands Neutralität von der unseren abhängt“15. Selbst aus innenpolitischen Erwägungen ist ein Vorgehen gegen Preußen kaum denkbar, somit bleibt dem Außen- minister und Reichskanzler nichts weiter übrig, als die Neutralität Österreich-Ungarns am 20.

[...]


1 Vgl. Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, in: Schieder, Theodor/Deuerlein, Ernst (Hg.): Die Reichsgründung 1870/71, Stuttgart 1970, S. 388.

2 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 388.

3 Vgl. Radewahn, Wilfried: Europäische Fragen und Konfliktzonen im Kalkül der französischen Außen-politik vor dem Krieg von 1870, in: Kolb, Eberhard (Hg.): Europa vor dem Krieg von 1870, München 1987, S. 36.

4 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 389.

5 Vgl. Fehrenbach, Elisabeth: Preußen-Deutschland als Faktor der französischen Außenpolitik in der Reichsgründungszeit, in: Historische Zeitschrift Beiheft 6 (1980), S. 128f.

6 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 390.

7 Vgl. ebd., S. 389ff.

8 Vgl. Radewahn, Wilfried: Europäische Fragen und Konfliktzonen im Kalkül der französischen Außen-politik vor dem Krieg von 1870, S. 40.

9 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 390.

10 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 390.

11 Pouthas, Charles-Henri (Hg.): Charles de Remusat. Memoires de ma vie, Bd. V, Paris 1967, S. 306.

12 Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 396.

13 Vgl. Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 392ff.

14 Vgl. Lutz, Heinrich: Außenpolitische Tendenzen der Habsburger Monarchie von 1866 bis 1870, in: Kolb, Eberhard (Hg.): Europa vor dem Krieg von 1870, München 1987, S. 2ff.

15 Vgl. Duroselle, Jean-Baptiste: Die europäischen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches, S. 414.

Final del extracto de 17 páginas

Detalles

Título
Europa und die Reichsgründung von 1871
Universidad
Dresden Technical University  (Institut für Geschichte)
Curso
Preußen zwischen Wiener Kongress und Reichsgründung
Calificación
1.0
Autor
Año
2007
Páginas
17
No. de catálogo
V133672
ISBN (Ebook)
9783640404636
ISBN (Libro)
9783640404339
Tamaño de fichero
817 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Europa, Reichsgründung
Citar trabajo
Conrad Maul (Autor), 2007, Europa und die Reichsgründung von 1871, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133672

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