Der deutsche Literaturwissenschaftler Thomas Anz hat Diskursregeln entwickelt, die bestimmte Regeln im normativen Umgang mit den Begriffen "gesund" und "krank" festlegen. Für die folgende Arbeit wird sich primär mit der ersten Diskursregel befasst. Jene Regel betrachtet die Gesellschaft und die Institutionen als krank, da diese den Einzelnen krank machen. Dementsprechend wird dem sozialen Umfeld des Einzelnen die Schuld zugewiesen und das Individuum wird in dem Fall zum Opfer. Die Krankheitsbilder von Protagonisten solcher Literatur werden weniger von individuellem Fehlverhalten geprägt als durch bestimmte familiäre bzw. sozialen Umstände, in denen er/sie lebt.
Die Begrifflichkeiten “gesund” und “krank” sind seit Jahrhunderten in der Gesellschaft fest verankert und beschreiben eigentlich ein normatives Wertesystem, denn was gibt dem Menschen eigentlich das Recht darüber zu werten. In der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur werden diese Thematiken ebenfalls besprochen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Else und die Gesellschaft: Etikette, männliche Unterdrückung und Familie
- Gesellschaftliche Etikette Anfang des 20. Jahrhunderts: Elses Anpassungszwang
- Der Stand der Frau: Elses Leben in einer von Männern dominierten Gesellschaft
- Gesellschaftliches Ansehen: Elses Eltern und die Bewahrung des Scheins durch unmoralisches Handeln
- Else als psychoanalytische Fallstudie?: Narzissmus und Hysterie als Schutzmechanismus
- Elses Narzissmus: Selbstverliebtheit und Bedürfnis nach Bewunderung
- Elses hysterische Symptomatik: Einbildung, Vorspielen und Identitätsstörung
- Elses Selbstmordgedanken: Kulmination von Scham, Schuld und Entblößung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Arthur Schnitzlers Monolognovelle "Fräulein Else" im Hinblick auf die Diskursregel, welche die Gesellschaft als krank betrachtet, da sie den Einzelnen krank macht. Der Fokus liegt auf Elses psychischen Störungen, insbesondere Narzissmus und Hysterie, die als Schutzmechanismus gegen eine kranke Gesellschaft verstanden werden.
- Gesellschaftliche Etikette und der Anpassungszwang von Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts
- Männliche Dominanz und die untergeordnete Rolle der Frau in der Gesellschaft
- Das unmoralische Handeln von Elses Eltern und die Bewahrung des gesellschaftlichen Scheins
- Narzissmus und Hysterie als Schutzmechanismen gegen eine kranke Gesellschaft
- Elses Selbstmordgedanken als Folge von Scham, Schuld und Entblößung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Diskursregel vor, die den Fokus der Arbeit auf die krankmachende Gesellschaft legt. Die Arbeit betrachtet Elses psychische Störungen als Reaktion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.
Das erste Kapitel beleuchtet die gesellschaftliche Etikette und den Anpassungszwang von Frauen im frühen 20. Jahrhundert, wobei Elses Situation im Kontext der männlichen Dominanz und der Rolle der Frau in der Ehe betrachtet wird. Das Kapitel untersucht auch das unmoralische Handeln von Elses Eltern und wie sie den gesellschaftlichen Schein wahren.
Das zweite Kapitel analysiert Elses Krankheitsbild. Es gliedert ihre psychischen Störungen in drei Phasen: Narzissmus, hysterische Symptomatik und suizidale Gedanken. Jede Phase wird im Detail betrachtet, wobei der Fokus auf die Auswirkungen der gesellschaftlichen Umgebung auf Elses psychisches Befinden liegt.
Schlüsselwörter
Fräulein Else, Arthur Schnitzler, Monolognovelle, Diskursregel, krankmachende Gesellschaft, Narzissmus, Hysterie, Schutzmechanismus, gesellschaftliche Etikette, Anpassungszwang, männliche Dominanz, unmoralisches Handeln, Selbstmordgedanken, Scham, Schuld, Entblößung.
- Quote paper
- Cédric Becker (Author), 2023, Narzissmus und Hysterie als Schutzmechanismus in Schnitzlers Monolognovelle "Fräulein Else", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1337536