Suizidalität bei Jugendlichen und die Rolle des Internet


Dossier / Travail, 2009

19 Pages, Note: 93%


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0B1. Einleitung

1B2. Allgemeiner Überblick

2B3. Medien und Suizid

3B4. Suizid im Internet

4B5. Was macht das Internet für suizidale Jugendliche attraktiv?

5B6. Suizidforen und Chatrooms – nützlich oder gefährlich?

6B7. Schlussfolgerung

7BLiteraturverzeichnis

0B1. Einleitung

Suizidalität, besonders bei jungen Menschen, stellt immer noch ein weitgehend tabuisiertes Thema dar. Dies gilt nicht fürs Internet. Gibt man den Begriff „Suizid“ in die Suchmaschine Google ein, erhält man rund 587.000 Treffer, darunter zahlreiche Informationsseiten, Hilfsangebote und Diskussionsforen. Im Internet wird offen, für Kritiker zu offen, über diesen Themenbereich mit all seinen Facetten gesprochen. Seit dem Tod einer 19-jährigen Österreicherin und eines 24-jährigen Norwegers im Februar 2002, die sich übers Internet zum gemeinsamen Suizid verabredet hatten, wird in Öffentlichkeit und Fachwelt kontrovers insbesondere über die so genannten Suizidforen diskutiert. In reißerischen Berichten ist u.a. vom „Tödlichen Netz. Die Selbstmordsucht im Word Wide Web“ (Spiegel-TV) die Rede. Bis heute ist sich aber auch die medizinisch-psychologische Fachwelt keineswegs über das Gefahrenpotential oder mögliche Chancen des Internet im Allgemeinen und der Suizidforen im Speziellen einig.

Im Folgenden werde ich einen allgemeinen Überblick zum Thema Suizidalität bei Jugendlichen geben, um dann auf ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit Medien und dem Internet einzugehen. Das letzte Drittel dieser Arbeit beschäftigt sich explizit mit dem Thema Suizidforen.

Bei der Recherche des Themas war es mir wichtig, möglichst aktuelle Quellen und empirische Belege zu verwenden. Letzteres ist im Hinblick auf die Thematik der Suizidforen problematisch, da empirische Arbeiten in diesem Bereich äußerst selten sind. Ferner war es nicht möglich, den vielfältigen Aspekten der Gesamtproblematik Suizidalität gerecht zu werden, denn letztendlich ist jeder Suizid ein individuelles Phänomen.

1B2. Allgemeiner Überblick

Ein Suizid ist definitionsgemäß eine „gezielte und bewusste Handlung mit der Absicht oder der Inkaufnahme, das eigene Leben zu beenden“ (S. 409). Der Ausgang dieser Handlung ist tödlich (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie [DGKIP], 2007).

Zum Begriff Suizidversuch oder "Parasuizid" gibt es unterschiedliche Auffassungen, bedingt durch die unterschiedlichen und nicht immer offensichtlichen Intentionen, die hinter selbstschädigenden Handlungen stehen können. Die häufig gebrauchte Definition des Parasuizides von Kreitman (1986), wonach sich jedes autodestruktive Verhalten ohne tödlichen Ausgang darunter subsumiert, erscheint mir zu wenig differenziert. Steinhausen (2006) geht beim Suizidversuch von einer tödlich intendierten und final angelegten Handlung aus. Der Parasuizid stellt hingegen eine Selbstschädigung mit potentieller, aber nicht intendierter, Lebensbedrohung dar. Suizidale und parasuizidale Handlungen haben häufig einen appellativen Charakter und unterschiedliche motivationale Aspekte, die später erläutert werden. Habituell selbstverletzendes Verhalten sowie suizidale Gedanken und Affekte müssen vom Parasuizid abgegrenzt werden.

Über diese Aspekte hinaus ist es wichtig, Suizidalität als einen Prozess zu sehen, der von der Erwägung über die Abwägung und Ambivalenz bis hin zum Entschluss der Selbsttötung reicht.

Laut statistischem Bundesamt (2008) starben 2007 9402 Menschen in Deutschland durch Suizid (1,1% aller Todesfälle), 2/3 davon waren männlich. Darunter befanden sich auch 558 (m: 448; w: 110) Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 25, die durch vorsätzliche Selbstschädigung zu Tode kamen, was Suizid zur zweithäufigsten Todesursache in dieser Altersgruppe macht (s. auch Tab.1). Die bevorzugten Methoden waren Erhängen, Strangulierung oder Ersticken (41%; m: 42,9%; w: 33,6%) gefolgt von Selbstvergiftung (9,8%, m: 8,3; w:16,4%), besonders häufig durch Medikamentenüberdosierung. Hier ist zu beobachten, dass auch die Mädchen respektive Frauen vermehrt zu „harten“ Methoden greifen, z.B. Erhängen, zumindest beim hier dargestellten vollendeten Suizid. Bei Kindern unter 15 Jahren ist ein suizidaler Tod sehr selten, hier wurden 24 Todesfälle verzeichnet.

Tab. 1: Todesfälle durch Suizid nach Altersgruppen im Jahr 2007 (Statistisches Bundesamt, 2008)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Zahl der Suizidversuche übertrifft die Anzahl der vollendeten Suizide um ein Vielfaches. Dies gilt besonders für das Jugendalter, dem Lebensabschnitt mit der höchsten Rate an Suizidversuchen (nicht aber der höchsten Rate vollendeter Suizide). Das Verhältnis zwischen Suizid und Suizidversuch liegt hier etwa bei 1:38 (Steinhausen, 2006). In epidemiologischen Studien wurden Suizidversuch-Häufigkeiten von 0,2-18% ermittelt. In verschiedenen Inanspruchnahmepopulationen finden sich sogar Häufigkeiten von 30-60% (DGKIP, 2007).

Zwischen Suizid und Suizidversuch gibt es beträchtliche Überschneidungen, aber auch erhebliche Unterschiede (Bronisch, 2007). So können tödlich endende Handlungen nicht als solche intendiert gewesen sein, während augenscheinlich parasuizidales Verhalten ein fehlgeschlagener Suizid sein kann. Ferner erhöhen Suizidversuche die Wahrscheinlichkeit für einen zukünftigen vollendeten Suizid. Dabei bestehen unterschiedliche Alters- und Geschlechtsrisiken sowie andere prädisponierende Faktoren (Steinhausen. 2006). Beim vollendeten Suizid liegt das Verhältnis zwischen männlichen zu weiblichen Jugendlichen bei 3-4:1 (Resch, 1999), beim Suizidversuch bei 1: 3-9 (Steinhausen, 2006). Somit ist festzustellen, dass Jungen den Suizid häufiger vollenden, Mädchen sich häufiger parasuizidal verhalten bzw. Suizidversuche häufiger überleben. Dieses Phänomen bleibt auch in höherem Lebensalter bestehen, wenn auch in abgemilderter Form (vgl. u.a. Bronisch, 2007, Fiedler, 2003).

Das unterschiedliche Geschlechterverhältnis beim Suizid und Suizidversuch spiegelt sich auch in den Methoden wieder. Jungen bevorzugen tendenziell die sog. harten Methoden wie Erhängen oder Erschießen. Mädchen greifen eher zu „weichen" Methoden wie Intoxikation, bes. durch Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Dies lässt zweierlei Schlüsse zu: zum einen ist ein Zusammenhang zwischen Methodenwahl und Überlebenschance denkbar und zum anderen könnte es tendenziell unterschiedliche geschlechtspezifische Intentionen geben (z.B. Tötungsabsicht vs. Hilferuf). Suizidhandlungen werden meist in der familiären Wohnung vorgenommen, hierin spiegeln sich der häufig appellative Charakter sowie die häufigste Methode der Suizidversuche, die Selbstvergiftung mit im Haushalt vorhandenen Medikamenten, wieder (Steinhausen, 2006).

Auf die komplexe Ätiologie von suizidalem und parasuizidalem Verhalten bei Jugendlichen kann hier nicht differenziert eingegangen werden. Besonders wichtig ist aber, dass der entwicklungspsychologische Kontext Berücksichtigung findet. Denn selbst bei Vorlage einer manifesten Psychopathologie stellen entwicklungsphasentypische intrapsychische, familiäre und psychosoziale Konflikte den maßgeblichen Beitrag zur Suizidalität dar (Berger, 1999). Die Adoleszenz stellt demnach mit den Risiken und Verunsicherungen die u.a. mit der Identitätsfindung, der Ablösung von den Eltern und der körperlichen Reifung verbundenen sind, einen generellen Kontextfaktor dar, hinzukommen chronische Belastungsfaktoren, Probleme und unmittelbare Auslöser (s. Tab. 2). Dabei wird deutlich, dass neben dem Wunsch zu sterben, weiter insbesondere interpersonelle Motive autodestruktiven Verhaltens eine erhebliche Rolle spielen.

Tab. 2: Faktoren suizidalen Verhaltens bei Jugendlichen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Steinhausen (2006) ** Studie zu selbstschädigendem Verhalten von Hawton, Rodham und Evans (2008): anonym mittels Fragebogen untersuchte Stichprobe (N = 6020) britischer Schüler zwischen 15 und 16 Jahren

Die Prävalenz psychischer Störungen ist bei suizidalen Jugendlichen deutlich erhöht (30-50%), im Gegensatz zu Jugendlichen, die sich parasuizidal verhalten, bei denen nur eine Minderheit unter einer klinisch relevanten psychischen Störung leidet. Hier spielen situative und Umweltfaktoren eine größere Rolle. Dem entsprechend geschieht die weit überwiegende Zahl der Suizidversuche spontan aus einem Impuls heraus (Steinhausen, 2006).

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Suizidalität bei Jugendlichen und die Rolle des Internet
Université
Ruhr-University of Bochum
Note
93%
Auteur
Année
2009
Pages
19
N° de catalogue
V134098
ISBN (ebook)
9783640419869
ISBN (Livre)
9783640419906
Taille d'un fichier
440 KB
Langue
allemand
Mots clés
Suizidalität, Jugendlichen, Rolle, Internet
Citation du texte
Katrin Bauer (Auteur), 2009, Suizidalität bei Jugendlichen und die Rolle des Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134098

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