Die Herstellung und Veredelung von Lebensmitteln durch Mikroorganismen


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2008

142 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Biotechnologisch bedeutende Mikroorganismen
2.1 BAKTERIEN
2.1.1 Milchsäurebakterien
2.1.2 Essigsäurebakterien
2.1.3 Bacillus, Brevibacterium, Propionibacterium, Kocuria, Micrococcus und Staphylococcus
2.2 PILZE
2.2.1 Hefepilze
2.2.2 Schimmelpilze

3 Der Einsatz von Starterkulturen

4 Die Herstellung pflanzlicher Lebensmittel mit Hilfe von Mikroorganismen
4.1 SAUERGEMÜSE
4.1.1 Sauerkraut
4.1.2 Salzgurken und andere fermentierte Gemüsearten
4.2 BACKWAREN
4.2.1 Hefeteig
4.2.2 Sauerteig
4.3 ALKOHOLISCHE GÄRPRODUKTE
4.3.1 Bier
4.3.2 Wein
4.3.3 Schaumwein
4.3.4 Sherry
4.3.5 Ethanolherstellung
4.4 FERMENTATIONSPRODUKTE AUJ3EREUROPÄISCHER HERKUNFT
4.4.1 Asiatische Starterkulturen
4.4.2 Miso
4.4.3 Tempeh
4.4.4 Gimchi
4.4.5 SojasoJ3e
4.4.6 Sufu
4.4.7 Hamanatto und Ang-kak
4.4.8 Oncom
4.4.9 Sake
4.4.10 Afrikanische Fermentationsprodukte
4.5 ALKALOIDHALTIGE LEBENSMITTEL
4.5.1 Kaffee
4.5.2 Kakao
4.6 DIE HERSTELLUNG ORGANISCHER SÄUREN
4.6.1 Citronensäure
4.6.2 Speiseessig
4.7 DER TEEPILZ KOMBUCHA
4.8 BIONADE ALS NEUARTIGES FERMENTATIONSPRODUKT
4.9 WASSER-KEFIR

5 Die Herstellung tierischer Lebensmittel mit Hilfe von Mikroorganismen
5.1. MILCHPRODUKTE
5.1.1 Sauerrahmbutter und Buttermilch
5.1.2 Sauermilch- und Joghurtprodukte
5.1.3 Die Käseherstellung
5.1.4 Probiotische Kulturen in Milchprodukten
5.2 FLEISCHPRODUKTE
5.2.1 Roh- und Kochpökelware
5.2.2 Rohwurst
5.2.3 Der Einsatz von Schimmelpilzen
5.3 FISCHPRODUKTE

6 Das Einzellerpotein als Eiweißquelle
6.1 HEFEN UND BAKTERIEN
6.2 DAS MYCOPROTEIN
6.3 PHOTOTROPHE MIKROORGANISMEN

7 Zusammenfassung

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Tabellenverzeichnis

11 Anhang
I Übersicht über außereuropäische Lebensmittel
II Auswahlkriterien für probiotische Mikroorganismen
III Die Käseherstellung
IV Einfache Anleitungen zur Lebensmittelherstellung

12 Danksagung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Zahlreiche Lebensmittel des täglichen Gebrauchs wie Brot, Bier, Käse und Wurst werden mit Hilfe von Bakterien, Pilzen, Zellkulturen und bestimmten Enzymen hergestellt oder veredelt. Organische Verbindungen werden dabei durch Fermentationsprozesse abgebaut. Ursprünglich wurden mit dem Begriff „Fermentation“ nur anaerobe Prozesse assoziiert, während man in der modernen Biotechnologie auch aerobe Prozesse wie die Essigsäurebildung einbezieht. (Fuchs & Schlegel, 2007).

Seit Jahrtausenden werden Mikroorganismen aus der natürlichen Umgebung in vielen Regionen genutzt, um verschiedene Produkte herzustellen. An diesen Fermentationen sind u.a. Hefen, Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und Propionsäurebakterien beteiligt (Krämer, 2002)

Meist werden gezüchtete Hochleistungsstämme dieser Organismen in der modernen großindustriellen Herstellung eingesetzt, die mit Hilfe spezieller Verfahren kontinuierlich optimiert werden. Diese kontrollierte Nutzung der Mikroorganismen ist auch entscheidend für die Produktqualität und –sicherheit. Außerdem müssen bei der jeweiligen Fermentation physikalische, biologische und thermische Bedingungen exakt eingehalten werden, um das gewünschte Produkt zu erhalten (Reiß, 1987).

In Bezug auf Lebensmittel erfüllen die Mikroorganismen unterschiedliche Funktionen. So erhöhen sie z.B. die Verdaubarkeit der Substrate, verringern die Garzeit, verzögern den Verderb von Lebensmitteln und fördern ein angenehmes Aroma. Das Substrat wird teilweise mit erwünschten Nährstoffen, z.B. Vitaminen, angereichert und unerwünschte Substratbestandteile werden entfernt. Fermentationen beanspruchen auf der anderen Seite aber auch mehr Zeit, den Einsatz spezieller Geräte, höhere Arbeitskosten und einen Substanzverlust durch die Abbauprozesse. Dennoch spielen die mikrobiellen Prozesse auch in Ländern mit einem Nahrungsmangel eine große Rolle.

Das Anliegen dieser Arbeit besteht darin, einen allgemeinen Überblick über die Herstellung von Lebensmitteln mit Hilfe von Mikroorganismen zu geben. Die Vielzahl der Organismen, Prozesse sowie die technologischen Verfahren werden dabei aufgezeigt, wobei v.a. auf neuartige und exotische Produkte wie Bionade, Kombucha und Tempeh näher eingegangen wird.

2 Biotechnologisch bedeutende Mikroorganismen

2.1 Bakterien

2.1.1 Milchsäurebakterien

Vor allem Milchsäurebakterien sind bei der Lebensmittelherstellung von Bedeutung. Sie sind eine Gruppe morphologisch uneinheitlicher grampositiver, vorwiegend unbeweglicher und katalasenegativer Bakterien, die als obligate Gärer Milchsäure ausscheiden. Man unterscheidet stäbchenförmige Lactobacillus -Arten oder kokkenförmige Vertreter der Gattungen Enterococcus, Streptococcus und Leuconostoc. Vorwiegend findet man mesophile Milchsäurebakterien, aber einige können auch bei Temperaturen von 4°C oder 45°C wachsen (Bamforth, 2005). Mit Ausnahme von Sporolactobacillus bilden sie keine Sporen (Krämer, 2002).

Milchsäurebakterien sind aerotolerante Anaerobier, deren Energiegewinnung auf der homo- oder heterofermentativen Milchsäuregärung basiert (Fritsche, 1999). Sie sind als obligate Gärer auf Zucker als Substrat angewiesen und enthalten in der Regel keine Hämine, damit auch keine Cytochrome, Peroxidasen oder Katalasen (Fuchs & Schlegel, 2007). Des Weiteren säuern sie das Medium während der Gärung an (pKa der Milchsäure: 3,7). Dieser saure pH-Wert verhindert das Wachstum schädlicher Bakterien, die um Zucker konkurrieren (Fuchs & Schlegel, 2007). Milchsäurebakterien bevorzugen dementsprechend einen pH-Wert von 4 bis 4,5, aber manche Stämme tolerieren auch pH-Werte von 9 oder 3,2 (Bamforth, 2005).

Sie sind von besonderer Bedeutung für die Herstellung verschiedener Molkereiprodukte sowie zur Konservierung pflanzlicher Materialien (Fritsche, 1999). Milchsäurebakterien werden meist als GRAS (Generally Recognised as Safe) eingestuft (Bamforth, 2005).

Sie sind besonders an nähr- und wuchsstoffreiche Standorte, z.B. an sich zersetzende Pflanzen sowie Darm und Schleimhäute von Tieren, angepasst, so dass sie Aminosäuren, Vitamine und andere Stoffe nicht mehr selbst synthetisieren können. Sie benötigen Purine, Pyrimidine, Aminosäuren und bestimmte Vitamine (Krämer, 2002).

2.1.1.1 Systematik der Milchsäurebakterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Phylogenie einiger Milchsäurebakterien im Vergleich zu anderen Bakterien (Nestlé, 2002)

Die verschiedenen Gattungen der Milchsäurebakterien sind auf der Grundlage ihrer Zellgestalt, der Basenzusammensetzung ihrer DNA, ihrer Phylogenie (Abb. 1) und dem Gärungsstoffwechsel klassifiziert worden (Madigan & Parker, 2006). Alle Milchsäurebakterien gehören zum Phylum Firmicutes und sie können den Familien Lactobacillaceae, Streptococcaceae, Leuconostocaceae sowie Carnobacteriaceae, Aerococcaceae und Enterococcaceae zugeordnet werden.

Die sieben Gattungen Lactobacillus, Lactococcus, Leuconostoc, Pediococcus, Streptococcus und Tetragenococcus werden bevorzugt in der Lebensmittelherstellung verwendet. Auch Vetreter der Gattung Enterococcus wie Enterococcus faecalis werden teilweise in fermentierter Nahrung gefunden und tragen u.a. zum Aroma von Weißschimmelkäse bei. Es gibt jedoch ebenso Varianten von E. faecalis, die als Pathogene Krankheiten wie die Endokarditis auslösen. Aerococcus, Vagococcus und Weissella gehören zwar ebenso zu den Milchsäurebakterien, werden jedoch kaum in Lebensmitteln gefunden. Ihre Bedeutung ist noch unklar (Hutkins, 2006).

Zur Gattung Lactococcus gehören nichtbewegliche, homofermentative Bakterien, die optimal bei Temperaturen um 30°C wachsen. Vor allem Lactococcus lactis wird oft in der Lebensmittelherstellung verwendet, so z.B. bei der Produktion von Käse und Joghurt (Bamforth, 2005).

Streptokokken sind hauptsächlich pathogene und oral vorkommende Bakterien. Eine Ausnahme ist S. thermophilus, ein Bakterium, das in der Joghurtproduktion und in der Käseherstellung verwendet wird (Bamforth, 2006). Sie sind meist homofermentativ (Madigan & Parker, 2006).

In der Gattung Leuconostoc sind v.a. heterofermentative Kokken zusammengefasst. Diese Stämme bilden z.B. die Aromastoffe Diacetyl und Acetonin durch den Citratkatabolismus und werden so auch in der Milchwirtschaft eingesetzt (Madigan & Parker, 2006). In der Sauerkrautherstellung sind sie in den frühen Phasen beteiligt, um den pH-Wert zu erniedrigen, und in der Käseherstellung sind sie für die CO2-Produktion verantwortlich (Bamforth, 2005).

Oenococcus ist eine Gattung, deren Bedeutung sich hauptsächlich auf die Herstellung von Wein beschränkt. Die Bakterien haben die Fähigkeit, die Apfelsäure im Wein zu Milchsäure zu decarboxylieren und sie tolerieren einen niedrigen pH-Wert sowie eine hohe Alkoholkonzentration (Hutkins, 2006).

Pediokokken sind obligat heterofermentativ und fakultativ anaerob. Sie wachsen optimal bei 25°C bis 40°C, teilweise auch bei 50°C. Sie werden bei der Sauerkrautherstellung, aber auch bei der Fleischfermentation, verwendet. Kennzeichnend ist die extreme Toleranz gegenüber Salz (>18%[w/v]), so dass diese Bakterien auch bei der Herstellung von Sojasoße eingesetzt werden (Bamforth, 2006). Auf der anderen Seite können sie aber Bier und Wein verderben.

Lactobazillen sind in der Regel stäbchenförmig und homofermentativ. Sie kommen meist in Milchprodukten vor. Im Allgemeinen sind sie resistenter gegenüber Säure als andere Milchsäurebakterien und wachsen auch noch bei einem pH-Wert von 4 gut. Diese Bakterien sind daher meist für die Endstadien der meisten Milchsäuregärungen verantwortlich und nur selten pathogen. Sie gehören außerdem zu den Starterorganismen in der Käse- und Joghurtherstellung (Hutkins, 2006).

Auch die Gattung Bifidobacterium bildet Milchsäure. Diese Mikroorganismen sind Y- oder V-förmig und gehören der Ordnung Actinomycetales an (Krämer, 2002). Bis in die 1970er Jahre hinein wurden Bifidobakterien fälschlich dem Genus Lactobacillus zugeordnet, da sie Zucker über ihren Energiestoffwechsel zu Milchsäure und Essigsäure abbauen. Sie sind Gram-positiv, überwiegend anaerob und sehr bedeutend für die Lebensmittelherstellung. Sie werden v.a. aufgrund ihrer probiotischen Funktion Milchprodukten wie Joghurt beigefügt. Ihr Temperaturoptimum liegt zwischen 37°C und 41°C und das pH-Optimum zwischen 6,5 und 7,0. In Bezug auf das Nährstoffangebot sind sie anspruchsvoll, da sie Vitamine und andere Verbindungen zum Wachstum benötigen (Hutkins, 2006).

Entscheidend ist, dass die meisten Milchsäurebakterien auch in Gegenwart von Luft wachsen können, da Sauerstoff für sie nicht toxisch ist. Nur Bifidobakterien sind anaerob und haben ihr Optimum in einer mit CO2 10%[v/v] angereicherten Atmosphäre.

2.1.1.2 Die Milchsäuregärung

In Bezug auf die Gärung können die Milchsäurebakterien in eine homo- und eine heterofermentative Gruppe unterschieden werden.

Die homofermentativen Mikroorganismen bauen Zucker nahezu gänzlich, über den Fructosebiphosphat-Weg, d.h. die Glykolyse, zu Milchsäure ab (Dietrich, 1999). Aus 1 Mol Glucose werden 2 Mol Pyruvat und zusätzlich 2 Mol ATP gebildet. Der Wasserstoff, der durch die Dehydrogenierung entstanden ist, wird auf Pyruvat übertragen, so dass Milchsäure entsteht (Abb.2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Homofermentative Milchsäuregärung (Krämer, 2002)

Milchsäurebakterien, die heterofermentativ wirken, besitzen keine Aldolase und keine Triosephosphat-Isomerase. Aufgrunddessen bauen sie den Zucker über den Pentosephosphat-Weg ab (Abb.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Heterofermentative Milchsäuregärung (Krämer, 2002)

Die Endprodukte variieren je nach Bakterienart. So bildet Leuconostoc mesenteroides Milchsäure, Ethanol und Kohlendioxid:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lactobacillus brevis bildet hingegen aus Acetyl-Phosphat Essigsäure bei Gewinn von 1 Mol ATP. Fructose oder Glucose übernehmen dabei die Funktion des Wasserstoffakzeptors, wodurch Mannit entsteht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der Tätigkeit des Bifidobacterium bifidum entstehen durch den Abbau der Glucose Essigsäure und Milchsäure:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Milchsäure, die gebildet wird, kann unterschiedliche Strukturen haben (Abb.4). Man unterscheidet die linksdrehende D(-)-Milchsäure, die im menschlichen Körper schwerer abbaubar ist, und die rechtsdrehende leicht verwertbare L(+)-Milchsäure (Krämer, 2002). Es handelt sich um zwei stereoisomere Moleküle, die auch als Enantiomere bezeichnet werden.

Einige Arten von Lactococcus und Bifidobacterium bilden bis zu 100%[v/v] L (+)-Milchsäure, während Lactobacillus delbrueckii ssp. bulgaricus, ssp. lactis sowie einige Leuconostoc -Arten 100%[v/v] D(-)-Milchsäure produzieren (Dietrich, 1999). Bei der

Tätigkeit mancher Mikroorganismen, wie L. acidophilus und L. helveticus, entstehen auch beide Stereoisomere (Krämer, 2002).

Die L(+)-Milchsäure wird durch L-Lactat-Dehydrogenasen v.a. in der Leber verstoffwechselt. Da beim Menschen nur eine geringe Aktivität von D-Lactat-Dehydrogenase vorliegt, erfolgt der Abbau der D(-)-Milchsäure stark verlangsamt und ein geringer Teil wird mit dem Harn ausgeschieden. Säuglingen, deren Stoffwechsel noch nicht voll entwickelt ist, sollten nicht mit D(-)Milchsäuren ernährt werden (Klemme, 2004)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Strukturformeln der Milchsäure (Klemme, 2004)

2.1.2 Essigsäurebakterien

Neben Bakterien wie Lactobacillus, die Essigsäure als Nebenprodukt ihres Stoffwechsels produzieren, gibt es auch einige Mikroorganismen, bei denen Essigsäure das primäre Stoffwechselendprodukt ist.

Essigsäurebakterien sind Gram-negative, streng aerobe, bewegliche und unbewegliche Stäbchen Die ellipsoiden bis stäbchenförmigen Bakterien treten einzeln, paarweise oder in Ketten auf (Krämer, 2002). Als Substrat nutzen diese Bakterien Ethanol (Abb. 5) und bilden so Essigsäure (Madigan & Parker, 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Die Herstellung von Essigsäure durch Essigsäurebakterien (Krämer, 2002)

Natürliche Standorte sind kohlenhydratreiche bzw. nach Hefegärung ethanolhaltige Pflanzenexsudate und –säfte. Kennzeichnend ist außerdem, dass Essigsäurebakterien eine relativ große Toleranz für saure Umweltbedingungen haben. So gibt es Stämme industriell eingesetzter Schnellessigbakterien, die pH-Werte von 2,6 tolerieren (Krämer, 2002). Essigsäurebakterien sind mesophil und haben ein Temperaturoptimum von 25-30°C. Vor allem die polar begeißelten Organismen der Gattung Gluconobacter und die peritrich begeißelten Bakterien der Gattung Acetobacter werden bei der Essigsäureherstellung eingesetzt (Madigan & Parker, 2006). So wurden z.B. die Arten Acetobacter pasteurianus (ssp. lovaniensis, ascendens und paradoxus), Acetobacter aceti ssp. orleanensis und Gluconoacetobacter xylinus identifiziert (Hutkins, 2006).

Acetobacter hat alle Enzyme des Zitronensäurezyklus und kann so die Essigsäure weiter zu CO2 und H2O oxidieren. Gluconobacter ist dazu nicht fähig. Man bezeichnet Acetobacter daher als Peroxidant und die Gattung Gluconobacter als Suboxidant. Es gibt jedoch zahlreiche Übergangsformen zwischen beiden Gruppen, so dass diese Eigenschaft nicht zur klaren Systematisierung geeignet ist (Krämer, 2002).

Neben Alkohol können einige Essigsäurebakterien auch unvollständige Oxidationen anderer organischer Verbindungen, z.B. primärer und sekundärer Alkohole sowie Zuckeralkohole, durchführen. So kann Glucose zu Glucuronsäure, Galactose zu Galacturonsäure und Arabinose zu Arabiuronsäure oxidiert werden (Madigan & Parker, 2006).

Besonders Gluconobacter oxydans wird in der Biotechnologie häufig verwendet, da das Bakterium, mit Hilfe der Dehydrogenasen, die nicht phosphorylierten Alkohole und Aldehyde oxidieren kann (Internetquelle: Zakari, 2005). So kann z.B., wie in Abb.6 veranschaulicht, D-Sorbit zu L-Sorbose für die industrielle synthese (Vitamin C) oxidiert werden (Bremus, 2006):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6 Die Oxidation von Sorbitol zu Sorbose durch Gluconobacter oxydans (De Wulf et al., 2000)

Ascorbinsäure wird als Zusatzstoff in Lebensmitteln wie Obst, Marmelade, Wurst oder Backwaren eingesetzt. Sie dient als Antioxidationsmittel, als Stabilisator bei der Umrötung von Fleischwaren oder als Mehlbehandelungsmittel, da es die Klebereigenschaften des Teiges verbessert.

Inzwischen ist es auch gelungen, gentechnisch veränderte Erwinia- Stämme (E. herbicola und E. citrea) zu entwickeln, die Glucose in 2-Keto-Gulonsäure umwandeln, aus der sich dann Ascorbinsäure gewinnen lässt. Dies sind jedoch keine Essigsäurebakterien, sondern Bakterien der Familie Enterobacteriaceae ( Fuchs & Schlegel, 2007).

Einige obligat aerobe Essigsäurebakterien können zudem Cellulose synthetisieren, die jedoch im Gegensatz zum pflanzlichen Naturstoff frei von anderen Polymeren, wie z.B. Hemicellulose und Pektinen, ist (Madigan & Parker, 2006).

2.1.3 Bacillus, Brevibacterium, Propionibacterium, Kocuria, Micrococcus und Staphylococcus

Neben den Essigsäurebakterien und Milchsäurebakterien findet man viele andere Bakterien, die Lebensmitteln ein besonderes Aroma und Aussehen geben.

Stämme von Bacillus subtilis werden beispielsweise für die Herstellung asiatischer fermentierter Sojaprodukte wie Natto genutzt. Sie produzieren kapselförmige Polysaccharide, die für die dickflüssige Textur und den süßen Geschmack verantwortlich sind (Hutkins, 2006). Außerdem werden diese Bakterien für die Produktion von Riboflavin (Vitamin B2) verwendet (Ward, 1995).

Die Gattung Brevibacterium wird v.a. in der Käseherstellung genutzt. Brevibacterium linens ist beispielsweise eingebunden in die Produktion von Rotschmierkäse wie Limburger und Münsterkäse. Dieses Bakterium produziert ein gelb-orange-rotes Pigment auf dem Käse und einen charakteristisches Aroma, das durch die Hydrolyse von Protein und den Abbau von Aminosäuren entsteht (Hutkins, 2006).

Auch Propionibakterien sind in der Lebensmittelherstellung sehr bedeutsam. Sie sind Gram-positive unbewegliche Stäbchen und kommen einzeln, paarweise, in Ketten oder kleinen Haufen vor. Zu den fakultativ anaeroben und katalasepositiven Bakterien, die in der Lebensmittelherstellung verwendet werden, gehören Propionibacterium freudenreichii (ssp. shermanii, freudenreichii), Propionibacterium acidopropionici und Propionibacterium jensenii (Hutkins, 2006). Ihren natürlichen Standort haben sie im Pansen und Darm von Wiederkäuern und sie gelangen über das aus dem Kälbermagen

stammende Labferment in die Milch (Brechner, 2002). Als Sekundärfermentierer vergären sie Milchsäure zu Propionsäure, Essigsäure und Kohlendioxid (Abb.7). Das CO2 erzeugt die großen Löcher, die typisch für viele Schweizer Käsesorten sind (Madigan & Parker, 2006). Propionsäure wird hauptsächlich aus Lactat gebildet. Die Gärung folgt der Umsatzgleichung (Fuchs & Schlegel, 2006):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es gibt zwei unterschiedliche Wege der Propionsäuregärung, von denen nur der Methylmanyl-CoA-Weg von der Gattung Propionibacterium genutzt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7 Endprodukte der Propionsäuregärung (Krämer, 2002)

Einige Stämme der Popionsäurebakterien sind auch in der Lage Vitamin B12 (Cobalamin) zu bilden, da in ihrem Stoffwechsel Corrinoide eine entscheidende Rolle spielen. Das Vitamin kann ausschließlich von Mikroorganismen synthetisiert werden.

Kocuria, Micrococcus und Staphylococcus sind Gram-positive, unbewegliche, aerobe Kokken, die sehr eng miteinander verwandt sind. Sie sind vorwiegend in der Herstellung fermentierter Wurstwaren relevant. Arten, die bevorzugt verwendet werden, sind Micrococcus varians, Micrococcus luteus, Staphylococcus xylosus und Staphylococcus carnosus. Sie geben den Wurstwaren primär einen verbesserten Geschmack und verursachen eine charakteristische Farbentwicklung. Sie hydrolysieren Fette und Proteine und reduzieren Nitrate zu Nitriten (Hutkins, 2006).

2.2 Pilze

Neben Bakterien werden auch Pilze (Fungi) oftmals in ihrer Bedeutung für den Menschen unterschätzt. Insbesondere die Gruppen Zygomyceta, Ascomycota und Deuteromycetes sind in die Lebensmittelherstellung bzw. –veredelung involviert. Sie beinhalten verschiedene Gattungen von Hefen, z.B. Saccharomyces, Kluyveromyces und Zygosaccharomyces, aber auch die Schimmelpilze Aspergillus, Penicillium und Rhizopus (Hutkins, 2006). Zahlreiche traditionelle und neuartige Lebensmittel wie Brot, Alkohol, Käse, Miso, Tempeh und Quorn werden mit Hilfe von Pilzen produziert und der Ascomycet Ashbya gossypii ist sogar in der Lage Riboflavin (Vitamin B2) in großen Mengen zu produzieren (Fuchs & Schlegel, 2007).

Pilze unterscheiden sich als Eukaryonten mit echtem Zellkern von den Prokayonten v.a. durch die komplexere physikalische Struktur und Vermehrung. Obwohl Schimmelpilze und Hefen zur den Pilzen gehören, sind sie sehr unterschiedlich. Schimmelpilze sind vielzellig und filamentös, während Hefen meist einzellig wachsend und nichtfilamentös sind. Außerdem können Schimmelpilze ungeschlechtliche und geschlechtliche Sporen bilden, während Hefen nur letztere oder keine bilden (Hutkins, 2006). Die meisten Hefen wie Saccharomyces cerevisiae vermehren sich vegetativ durch Abschnürung der Tochterzellen von der Mutterzelle und nur wenige, z.B. Shizosaccharomyces, pflanzen sich durch Querteilung fort oder bilden wie Sterigmatomyces Tochterzellen an kurzen Stielen aus. Sexuelle Fortpflanzung kann ebenfalls vorkommen (Krämer 2002).

Die Schimmelpilze Penicillium und Aspergillus, die sehr häufig bei der Lebensmittelherstellung zum Einsatz kommen, produzieren Konidien, während Rhizopus und Mucor Sporangien bilden (Hutkins, 2006).

2.2.1 Hefepilze

Hefen gehören zu den Mikroorganismen, die am häufigsten in der Industrie verwendet werden (Madigan & Parker, 2006). Sie werden zur Klasse der Ascomycota gerechnet und haben einen Durchmesser zwischen 5 und 10 μm. Obwohl sie zum Wachstum Sauerstoff benötigen, können sie ihren Stoffwechsel, bis auf wenige Ausnahmen wie Rhodotorula, auch unter anaeroben Bedingungen auf Gärung umstellen Unter aeroben Bedingungen veratmen sie Glucose zu Wasser und Kohlendioxid (Krämer, 2002):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei anaeroben Verhältnissen wachsen Hefen hingegen gehemmt und produzieren Ethanol und CO2. Demnach gewinnen sie die Energie unter Luftabschluss durch Gärung über die Glykolyse. Der Sauerstoff fehlt als Wasserstoff-Endakzeptor, so dass das H2 des NADH2 nach der Decarboxylierung des Pyruvats auf Acetaldehyd übertragen wird (Kunz, 2006). Bei der alkoholischen Gärung sind demnach die Enzyme Pyruvat-Decarboxylase und Alkohol-Dehydrogenase beteiligt (Koolman et al., 1998).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für viele Arten ist auch die Bildung von Pseudohyphen oder septierten Hyphen kennzeichnend. Des Weiteren tolerieren Hefen einen weiten pH-Wert zwischen 3 und 11 und Temperaturen zwischen 0 und 45°C. Zygosaccharomyces bailii wächst sogar bis -10°C und bei einem pH-Wert von 1,5 (Krämer, 2002).

Vor allem Hefen, die der Gattung Saccharomyces cerevisiae angehören, sind weltweit ökonomisch bedeutend in der Lebensmittelherstellung. Sie werden in der Produktion von Bier, Wein, Spirituosen und Brot verwendet (Hutkins, 2006). Obwohl S. uvarum, S. carlsbergensis oder S. bayanus in der Hefesystematik der Art Saccharomyces cerevisiae angehören, werden in der Arbeit die üblichen Synonyme bzw. Rassebezeichnungen genutzt. Auf diese Weise lassen sich die technologischen Unterschiede besser beschreiben. Einige Arten, wie Zygosaccharomyces rouxii, Z. bailii und Z. bisporus sind osmophil und vermehren sich nur in Lebensmitteln mit einem stark erhöhten Zuckergehalt. Die meisten Hefen sind jedoch osmotolerant und wachsen optimal bei mittleren Zuckergehalten, bei denen der aW-Wert der Lebensmittel aber nicht unter 0,94 bis 0,87 gesenkt wird. Sie tolerieren aber auch höhere Konzentrationen (Krämer, 2002).

2.2.2 Schimmelpilze

Mehr als ein Drittel der Menschheit ernährt sich regelmäßig von pflanzlichen Produkten, die durch Schimmelpilze aufgeschlossen, genießbar und haltbar gemacht werden (Reiß, 1987).

Diese filamentösen Pilze, die eine ökologische Einheit darstellen, wachsen auf nährstoffreichen, häufig kurzlebigen Substraten. Des Weiteren können sie saprobiontisch leben und gewinnen so ihre Nährstoffe aus abgestorbenen organischen Substanzen, die sie zersetzen (Reiß, 1998). Schimmelpilze bilden zudem Pigmente, so dass die Substratoberflächen von einem farbigen Belag aus Konidien oder Sporangien und Mycel überzogen sind. Sie vermehren sich also ungeschlechtlich und bilden sehr viele Sporen, um infolge der Kurzlebigkeit des Substrats rasch neue Substrate zu besiedeln.

Schimmelpilze sind vorwiegend aerobe Mikroorganismen, die durch Oxidation organischer Substrate ihre Energie gewinnen (Weidenbörner, 1999). Vor allem die Vielzahl von Stoffwechselendprodukten, die ausgeschieden werden, macht diese Pilze zu biotechnologisch höchst interessanten Organismen. Man muss betonen, dass es wissenschaftliche Probleme bei der Klassifizierung gibt, welche Pilze zu den Schimmelpilzen gehören und welche nicht. So gibt es fließende Übergänge zwischen saprobiontischer und parasitärer Lebensweise und einige Pilze wachsen mit Mycel, aber auch hefenähnlich (Reiß, 1998).

In der Lebensmittelherstellung spielen in Asien insbesondere Zygomyceten sowie Arten der Gattungen Neurospora und Aspergillus eine Rolle. In Europa dominieren hingegen Vertreter der Gattung Penicillium (Reiß, 1987)

2.2.2.1 Vertreter der Gattung Zygomycetes

Besonders wichtig bei der fermentativen Herstellung asiatischer Lebensmittel sind Vertreter der Gattungen Rhizopus und Mucor. Diese Pilze wachsen sehr schnell bei optimalen Feuchtigkeitsverhältnissen und überziehen das Substrat mit einem dichten Mycel. Sie verfügen über eine Vielzahl von Enzymen, v.a. Amylasen, Proteinasen und Lipasen, mit denen sie das Substrat aufschließen. Besonders bedeutend ist zudem, dass diese Schimmelpilze keine Mykotoxine und keinen unangenehmen Geruch bilden.

In der Lebensmittelherstellung kommen v.a. Arten der Gattung Rhizopus wie R . oligosporus, R. oryzae, R. arrhizus und R. chinensis zum Einsatz. Rhizopus oligosporus ist durch eine besonders hohe Proteinase- und Lipase-Aktivität gekennzeichnet, während die Amylase-Aktivität schwach ist. Demzufolge werden z.B. die Proteine und Lipasen der Sojabohne schneller und die Stärke nur in geringem Maße abgebaut. Es werden nur wenige Einfachzucker gebildet und daraus auch wenige organische Säuren, so dass der Geschmack und das Aroma nicht negativ beeinflusst werden.

Auch aus der Gattung Mucor werden Schimmelpilze zur Lebensmittelherstellung genutzt, z.B. M. racemosus, M. rouxii, M. javanicus und M. praini.

In der Gattung Actinomucor ist nur Actinomucor elegans bei der Herstellung von Sufu von Bedeutung (Reiß, 1987).

2.2.2.2 Vertreter der Gattung Deuteromycetes

Im Orient werden Aspergillus -Arten weit verbreitet zur Produktion von Koji benutzt. Koji ist v.a. eine Enzymquelle, die Amylasen, Proteinasen und Lipasen enthält (Reiß, 1998). Da sie eine höhere Temperaturtoleranz haben, werden Aspergillen vorwiegend in warmen Ländern eingesetzt. Wichtige biotechnologische Vertreter sind Aspergillus oryzae und A. sojae. Neurospora intermedia wird in Indonesien zur Herstellung von Ontjom, einem orangefarbenen Sojabohnen-Kuchen verwendet. Neurospora -Arten sind besonders schnell wachsend. Penicillium -Arten werden insbesondere in Europa und den USA eingesetzt, da sie tiefere Temperaturen bevorzugen. So werden Penicillium camemberti und P. roqueforti zur Herstellung von Käse und P. nalgiovensis bei der Produktion von fermentierten Fleischwaren genutzt (Reiß, 1987).

3 Der Einsatz von Starterkulturen

In der Lebensmittelherstellung werden oft definierte Reinzuchtkulturen der genannten Mikroorganismen oder Mischungen verschiedener Stämme eingesetzt, die aufgrund spezifischer Eigenschaften selektiert wurden (DFG, 1987). Sie werden direkt als Starterkultur in die Nahrung geimpft, um sich dort zu vermehren und den fermentativen Prozess zu initiieren bzw. zu beschleunigen (Hutkins, 2006). Des Weiteren werden sie Lebensmitteln zugesetzt, um deren Geruch, Geschmack und die Haltbarkeit zu verbessern (DFG, 1987).

Diese Mikroorganismen müssen den Status „GRAS“ (Generally Recognised as Safe) tragen (Bamforth, 2005). Des Weiteren ist die technologische Wirksamkeit von Bedeutung, d.h. sie müssen unter gegeben Bedingungen vermehrungsfähig sein und einen Wachstumsvorteil gegenüber unerwünschten Mikroorganismen haben.

Dem Einsatz von Starterkulturen steht die Spontanfermentation gegenüber, bei der die endogene Mikroflora genutzt wird (Bamforth, 2005). Sie läuft natürlicherweise ab und wird ebenfalls von Mikroorganismen hervorgerufen. Sie werden aber nicht gezielt zugegeben, sondern haften auf der Oberfläche von Lebensmitteln oder den eingesetzten

Rohstoffen. So werden traditionelle Erzeugnisse wie Sauerkraut, Essig, Tee, Kaffee oder Sauerteig hauptsächlich mit Hilfe von Spontan-Fermentationen produziert (Czermak, 1993). Meist entstehen auf diese Weise regional individuelle Produkte, die dadurch besonders hochwertig sind. Jedoch ist bei dieser Methode auch die Möglichkeit einer Fehlfermentation und damit des Produktverlustes gegeben (Hutkins, 2006).

Heute werden bewusst bestimmte Starterkulturen eingesetzt, d.h. Kulturen mit genau definierten Eigenschaften, die dann unter bestimmten Rahmenbedingungen das gewünschte Produkt erzeugen. Erstmals Ende des 19. Jahrhunderts begann man v.a. Hefen und Milchsäurebakterien als Reinkulturen zu züchten, die dann, in hoher Animpfdichte zugegeben, Fehlproduktionen verhindern sollten (DFG, 1987). Zunächst wurden sie in Brauereien und später in Molkereien sowie in der Backwaren- und Fleischindustrie eingesetzt, da dadurch wirtschaftliche Verluste vermieden und die hygienische Sicherheit sowie der Geschmack gewährleistet werden konnten (Czermak, 1993).

Auch bei der Käseherstellung in großen Mengen, die zeitlich geplant werden muss, sind Starterkulturen notwendig (Hutkins, 2006). Teilweise können durch die gezielte Beeinflussung auch Erzeugnisse entstehen, die durch Spontanfermentation nicht möglich wären. So könnten Kumys und Kefir unter europäischen Bedingungen nicht entstehen. Daher werden entsprechende Kulturen entwickelt. Außerdem werden Mikroorganismen eingesetzt, die den Erwartungen der Verbraucher entsprechen, z.B. mildere Bioghurt-Kulturen und Stämme, die Lactose stärker abbauen. Starterkulturen werden in Flüssigkulturen, gefriergetrockneten und tiefgefrorenen Kulturen vertrieben (Czermak, 1993).

Die Hersteller von Starterkulturen für Milchprodukte garantieren außerdem eine weitgehende Resistenz gegenüber den bei Milchsäurebakterien weit verbreiteten Bakteriophagen. Ein weiterer industrieller Vorteil ist, dass die Starterkulturen genetisch verändert werden können, um eine Optimierung ihrer Funktionen zu erreichen (Krämer, 2002).

4 Die Herstellung pflanzlicher Lebensmittel mit Hilfe von Mikroorganismen

Traditionell wurden pflanzliche Lebensmittel wie Brot und Sauergemüse durch Spontanfermentation hergestellt. Teilweise gibt es heute für die industrielle Produktion auch Starterkulturen, die die mikrobiellen Prozesse unterstützen.

Mikroorganismen können auf pflanzliche Rohstoffe die unterschiedlichsten Wirkungen haben. So werden durch die Bildung von Milchsäure und Alkohol Mikroorganismen abgetötet, die sonst die Lebensmittel verderben lassen würden. Des Weiteren wird teilweise die Verdaulichkeit des pflanzlichen Materials durch das Quellen, den Abbau von Polymeren und die Veränderung der Struktur verbessert. Außerdem kann eine Anreicherung von Vitaminen, Aminosäuren und appetitanregenden Aromastoffen erreicht werden.

Auch giftige bzw. gesundheitlich schädliche Stoffe werden abgebaut, so z.B. die Mycotoxine beim Bierbrauen und bei der Weingärung (Krämer, 2002).

4.1 Sauergemüse

Sauergemüse wird durch Spontanfermentation aus frischem Gemüse hergestellt (Hutkins, 2006). Während der Gärung werden leichter verwertbare Kohlenhydrate abgebaut, während Cellulose und Proteine kaum von den Milchsäurebakterien angegriffen werden. Auch der Gehalt von Vitamin C bleibt, z.B. bei der Sauerkrautherstellung, weitgehend erhalten. Die Milchsäuregärung macht das Produkt durch den niedrigeren pH-Wert (pH>4) haltbarer, verändert seine sensorischen Eigenschaften, die Textur und Verdaulichkeit. So weisen v.a. fermentierte Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen eine merkliche Senkung der Blähungen erzeugenden Oligosaccharide auf (Krämer, 2002).

Auf Gemüse sind oft heterofermentative und homofermentative Milchsäurebakterien, z.B. Leuconostoc spp. in geringer Konzentration nachweisbar, die dann bei der spontanen Fermentation genutzt werden (Madigan & Parker, 2006).

Der Herstellungsprozess fermentierter Gemüse ist zunächst durch die aerobe Fermentation gekennzeichnet. Der Restsauerstoff wird durch die Mikroorganismen verstoffwechselt, bevor dann die Fermentation von fakultativ anaeroben Mikroorganismen übernommen werden kann (Kunz, 2006). Dabei setzen sich die Milchsäurebakterien in der Regel gegenüber der übrigen Flora durch. Ihre Gärungsaktivität wird durch die Zugabe von Natriumchlorid unterstützt, da das Salz den Austritt von leicht vergärbaren Kohlenhydraten aus der Zelle fördert. Des Weiteren sind Milchsäurebakterien relativ salztolerant, so dass sie einen Selektionsvorteil gegenüber der Konkurrenzflora haben (Krämer, 2002).

Überall, wo Gemüse wächst und konsumiert wird, gibt es auch fermentierte Produkte. Teilweise variieren aber die Herstellungsmethoden. So wird mild schmeckender Kohl in Deutschland beispielsweise zu Sauerkraut fermentiert, während man in Korea den Chinesischen Kohl zu sehr würzigem Gimchi verarbeitet (Hutkins, 2006). Auf letzteres Produkt wird bei den asiatischen Fermentationsprodukten näher eingegangen.

4.1.1 Sauerkraut

Sauerkraut wird aus langsam wachsenden, festen und sauberen Weißkohlköpfen (Brassica oleracae) hergestellt (Krämer, 2002). Besonders der milde, leicht süßliche Geschmack und der Zuckergehalt von mindestens 5%[w/w] fermentierbarem Zucker im rohen Gemüse geben ihm seinen charakteristischen Geschmack (Hutkins, 2006).

Zunächst werden die äußeren angewelkten Blätter entfernt und die harten Strünke abgeschnitten bzw. ausgebohrt. Anschließend wird der Kohl bei erhöhter Temperatur (20­25°C) in Streifen geschnitten und unter Zusatz von Salz (1,5-2,5 %[w/w]) in die Gärbottiche gebracht. Dadurch wird die osmotische Abgabe des Zellsaftes gefördert (Fleming et al., 1988). Des Weiteren hat das Salz einen selektiven Einfluss auf die natürliche Mikroflora, da v.a. die halotoleranten Laktobazillen noch wachsen können (Montville & Matthews, 2005). Um den Austritt der zuckerhaltigen Flüssigkeit zusätzlich zu fördern und die Luft zu entfernen, werden die Kohlstreifen in Schichten eingestampft. Bei hohen Gärbottichen kann auch auf das Einstampfen verzichtet werden (Krämer, 2002). Der Kohl wird dann durch eine entsprechende Abdeckung zusammengepresst, so dass er während der Gärung von einer Lakenschicht bedeckt bleibt. Zur Unterstützung der Gärung können auch Gewürze, Kräuter und in geringer Konzentration Zucker (1-6%[w/w]) zugegeben werden. Die Spontangärung erfolgt durch Mikroorganismen, die als originäre Flora über den Rohstoff in das Produkt kommen (Kunz, 2006). Vor allem Vertreter der Gattungen Lactobacillus, Leuconostoc und Pediococcus sowie Hefen sind auf den Kohlblättern vorhanden (Klemme, 2004).

Die gesamte Gärung (Abb. 8) dauert bei einer Temperatur von 18-20°C ungefähr 4-6 Wochen (Krämer, 2002). In der ersten Gärphase von etwa 3 Tagen entwickelt sich unter Verbrauch des restlichen vorhandenen Sauerstoffs und unter Wärmeentwicklung eine heterogene vorwiegend aerobe Mischflora aus Hefen, Schimmelpilzen und Bakterien (z.B. Enterobacter, Erwinia, Klebsiella u.a. Enterobacteriaceae, Pseudomonaden und Acinetobacter, Bacillus und Essigsäurebakterien). Dadurch werden zahlreiche Geschmackskomponenten wie Milch-, Ameisen-, Essig- und Bernsteinsäure, Ethanol, CO2 und Esterverbindungen gebildet (Kunz, 2006).

Nachdem der Sauerstoff nach den ersten 24 Stunden verbraucht ist, setzten sich unter Kohlendioxidentwicklung die heterofermentativen, fakultativ anaeroben Milchsäurebakterien durch (Klemme, 2004). Vor allem Lactobacillus brevis und Leuconostoc mesenteroides entwickeln sich rasch in dieser zweiten Gärphase, die etwa drei Tage andauert (Kunz, 2006). Die Art muss sich gegenüber der starken Konkurrenz, den fakultativ anaeroben Enterobacteriaceae und den anaeroben Sporenbildnern (Clostridium spp.) durchsetzen. Durch die Milchsäuregärung und andere gebildete Säuren werden der pH-Wert im Kraut abgesenkt und säurelabile Organismen wie Enterobacteriaceae in ihrer Entwicklung gehemmt. Die Sporen bildenden Clostridium -Arten stellen ihr Wachstum erst bei einer Milchsäurekonzentration von 1%[v/v] ein (Krämer, 2002). Gleichzeitig werden Kohlenhydrate verestert, so dass typische Geschmacks- und Geruchskomponenten entstehen. Der NaCl-Gehalt fördert die Entwicklung von Milchsäurebakterien, die eine höhere NaCl-Toleranz haben als andere Mikroorganismen (Kunz, 2006).

Auch Leuconostoc mesenteroides wird in seinem Wachstum durch die höhere Milchsäurekonzentration gehemmt, so dass auch die Kohlendioxidproduktion abnimmt. In der dritten Gärphase vermehren sich so säuretolerante Milchsäurebakterien intensiv (bis über 106 Mikroorganismen ml-1 Lake). Zunächst wachsen homofermentative, säuretolerante Arten wie Lactobacillus plantarum, die die Milchsäurekonzentration auf 1,5-2 %[v/v] ansteigen lassen und das Sauerkraut so haltbarer machen (Krämer, 2002). Neben den Milchsäurebakterien sind aber auch Pediococcus cerevisiae und Enterococcus faecalis an der intensiven Säuerung beteiligt. Die Optimaltemperatur liegt in dieser Phase bei ca. 20°C. Dabei wird Acetylcholin durch die enzymatische Acetylisierung mit Hilfe von Cholinacetylase gebildet (Kunz, 2006).

Bei höheren Säurekonzentrationen wird auch Lactobacillus plantarum durch heterofermentative Milchsäurebakterien wie Lactobacillus brevis sowie durch Pediococcus pentosaceus, Pediococcus acidilactici und Enterococcus-Arten abgelöst (Krämer, 2002). L. brevis beeinflusst v.a. das Aroma positiv. In dieser Phase können sogar die schwerer abbaubaren Zucker, z.B. Arabinose und Xylose, vergoren werden. Dabei entstehen Milch-und Essigsäure, Mannit und CO2 (Kunz, 2006).

Die endgültige Milchsäurekonzentration beträgt ca. 1,5-2,5 %[v/v] und das Sauerkraut besitzt so einen pH-Wert von etwa 3,8-4,1 (Montville & Matthews, 2005). Es bildet sich zwar eine Hefekahmhaut, die das Produkt aber nicht gefährdet und alle 2-3 Wochen entfernt werden kann. Das Endprodukt enthält neben Milchsäure auch bis zu 0,3%[v/v] Essigsäure und maximal 0,5%[v/v] Ethanol. Sauerkraut kann durch die Bildung von CO2 auch mit Kohlensäure angereichert werden, die dann einen charakteristischen Geschmack gibt

Meist ist das Sauerkraut gekühlt als Frischeprodukt oder pasteurisiert in Konserven im Handel erhältlich und über Monate haltbar (Krämer, 2002).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8 Idealisiertes Modell für das Wachstum der Milchsäurebakterien während der Sauerkrautfermentation und die Entwicklung des pH-Wertes (Hutkins, 2006)

4.1.2 Salzgurken und andere fermentierte Gemüsearten

Auch Salzgurken werden mit Hilfe von Mikroorganismen aus grünen, festen Gurken (Cucumis sativus) hergestellt. Unter Zusatz von Salz, Gewürzen und Kräutern findet die Milchsäuregärung statt, die die Gurken haltbar macht. Da der Verbraucher eine Trübung mit Verderb assoziiert, sind die Salzgurken im Handel nicht mehr naturtrüb, sondern sie werden mit blankem Aufguss in den Handel gebracht.

Die Gurken werden erntefrisch, grün, fest und mit einem höchstmöglichen Anteil abbaubarer Kohlenstoffe, mit Kräutern und Gewürzen in eine 4- bis 8%ige Salzlake eingelegt oder manchmal trocken eingesalzen. Die Salzkonzentration ist demnach höher als die bei der Sauerkrautherstellung, um die Entstehung von coliformen Bakterien zu verhindern. Daher entwickelt sich ein engeres Spektrum der Mikroflora als beim Sauerkraut. Nur bei einer Salzkonzentration unter 5 %[w/v] wächst L. mesenteroides, während erst zwischen 5% und 8%[w/v] Salzlake das Wachstum von Leuconostoc gehemmt wird (Krämer, 2002). Unter diesen Salzbedingungen wird die Fermentation von Pediococcus sp. und Lactobacillus plantarum initiiert (Hutkins, 2006). Die mikrobiologischen Vorgänge sind daraufhin aber entsprechend denen bei der Sauerkrautherstellung, denn auch die Gurken werden in einen luftdicht abgeschlossenen Behälter gegeben. Teilweise verwendet man auch Starterkulturen. Nach drei bis sechs Wochen bei 18-20°C wird auf diese Art eine Milchsäurekonzentration von 0,5 bis 1%[v/w] erreicht und der pH-Wert sinkt auf Werte von 3,5 bis 3,8. Um den Gärablauf zu stabilisieren, werden zu Beginn der Gärung teilweise geringe Mengen an Säure (Essig-oder Milchsäure), Zucker und Starterkulturen (z.B. Lactobacillus plantarum) bzw. Lake eines vorherigen Ansatzes hinzu gegeben.

Ähnlich lassen sich auch andere Gemüsearten wie Bohnen. Möhren, Kohlrabi, Rüben, Blumenkohl, Spargel, Pfefferschoten oder grüne Tomaten sowie Gemische aus Gurken und anderem Gemüse („Mixed Pickles“) vergären (Krämer 2002). Im Gegensatz zum Sauerkraut können dabei auch Starterkulturen gezielt eingesetzt werden. Im Allgemeinen werden dafür die Spezies Lactobacillus plantarum, Lactobacillus brevis und Leuconostoc mesenteroides verwendet, aber auch Pediococcus cerevisiae, Enterococcus durans und Lactococcus spp. wurden bereits genutzt. Mischkulturen werden empfohlen, um einen einseitigen Geschmack zu vermeiden (Kunz, 2006). Das so fermentierte Gemüse wird auf unterschiedlichste Weise weiterverarbeitet. Es kann z.T. mit Wasser entsalzen werden und dann mit filtrierter Gärlake, essigsauren Aufgüssen (2,5%[v/v] Essig) oder 20- bis 40%iger Zuckerlösung direkt oder pasteurisiert in den Handel gelangen (Krämer 2002). Pasteurisierte Salzgurken enthalten meist 0,5 bis 0,6%[v/w] Säure und haben einen pH-Wert von 3,7 (Bamforth, 2005).

Auch Oliven, die Früchte des Öl- oder Olivenbaumes (Olea europaea) werden einer Fermentation unterworfen. Sie werden reif (schwarz) oder unreif (grün) in eine 5- bis 10%ige Salzlage gegeben, so dass die Milchsäurebakterien tätig werden können. Außerdem werden die Oliven in eine Natron- oder Kalilauge (bis zu 2%) eingelegt, um das bitter schmeckende Glykosid Oleuropein zu spalten. Bei grünen Oliven geschieht dies vor, bei reifen Früchten nach der Milchsäuregärung. Durch Zusatz von Starterkulturen wie Lactobacillus plantarum und 0,5 bis 1% vergärbarem Zucker wird die Fermentation unterstützt, so dass die Milchsäurekonzentration während der Gärung auf 0,4 bis 1% ansteigt (Krämer, 2002).

In Asien gibt es zahlreiche andere Gemüsesorten, die ebenfalls eingelegt und fermentiert werden und in Osteuropa werden auch Pilze durch das Einlegen in eine Salzlake spontan oder durch Starterkulturen (z.B. Lactobacillus bulgaricus in Form von Joghurt) haltbar gemacht (Hutkins, 2006).

4.2 Backwaren

Bei der Herstellung von Brot und Kleingebäck werden ebenfalls eine Vielzahl von Mikroorganismen wie Hefen und Milchsäurebakterien genutzt. Zu den Zutaten dieser Lebensmittel gehören Getreidemahlerzeugnissen, Wasser, Speisesalz, Lockerungsmittel und ggf. weiteren Zusätze. V.a. Brot ist eines der ältesten traditionellen Grundnahrungsmittel und hat weltweit eine große Bedeutung.

4.2.1 Hefeteig

Weizenteige für die Herstellung von Weißbrot, Toastbrot oder Brötchen sowie Kuchen und Feinbackwaren werden mit Hefen angesetzt. Der im Mehl befindliche Zucker wird vergärt, so dass Ethanol und Kohlendioxid entstehen, die die Lockerung und das Aroma des Teiges maßgeblich beeinflussen (Montville & Matthews, 2005). Auch bei Roggen-, Roggenmisch- und Weizenmischbroten kann Backhefe zugesetzt werden, um die Teiglockerung zu unterstützen.

Backhefen sind meist Reinzuchtstämme der obergärigen Spezies Saccharomyces cerevisiae. Sie kommen einerseits als Presshefe mit einem Wassergehalt von 66-73%[v/w] oder als lagerfähige Trockenbackhefe mit einem Wassergehalt von 4-10%[v/w] in den Handel. Die Mikroorganismen müssen beim Anwachsen des Teiges, bei der Teigverarbeitung und im Ofen eine gute Triebkraft (Gäraktivität, Gasbildungsvermögen) haben. Außerdem spielen gute Backeigenschaften und eine positive Aromabildung eine Rolle (Kunz, 2006).

Man unterscheidet bei der Hefeteigherstellung zwei Verfahrensprinzipien. Bei der direkten Hefeführung wird die Hefe mit Mehl, Wasser, Salz und anderen Zutaten vermischt und der Teig dann intensiv geknetet. Für Weizenbrot und Brötchen werden 2-4%[w/w], für Kuchen 3-5%[w/w], für Zwieback 6-10%[w/w] und für Roggen- und Mischbrot 1-2%[w/w]

Backhefe benötigt (Krämer, 2002). Daneben kommen auch native Hefen (Saccharomyces spp., Pichia spp. und Torulopsis spp.) im Teig vor, der nach wenigen Minuten backfähig ist.

Bei der indirekten Hefeführung wird ein Teil des Teiges mit Hefe beimpft, der dann mehrere Stunden gären kann. Der Vorteig wird mit dem restlichen Mehl und Wasser vermischt und nochmals der Gärung ausgesetzt. Die Hefe sollte eine gute Gäraktivität und ein hohes Gasbildungsvermögen aufweisen. Die Fermentation verläuft optimal bei 28 bis 32°C und einem pH-Wert zwischen 4,0 und 5,0 (Kunz, 2006).

4.2.2 Sauerteig

Die Backfähigkeit eines Teiges wird v.a. durch die Mehleigenschaften beeinflusst. Die Menge der vorhandenen Quellstoffe und die Stärke sind dabei bedeutend, denn die Quellstoffe binden beim Anteigen das Wasser und geben es beim Backen an die Stärke ab. Die Stärke verkleistert dadurch und bildet ein Gerüst, das für die Porung des Brotes verantwortlich ist. Das Quellvermögen beeinflusst außerdem das Gashaltevermögen des Teiges. Beim Weizenmehl wird das Wasser vorwiegend von den Proteinen des Mehles gehalten (Krämer, 2002). Es besitzt Gluten, ein Klebereiweiß, das für die Gashaltefähigkeit und die Quellfähigkeit des Teiges ausschlaggebend ist (Kunz, 2006). Das Protein kann Wasser gut absorbieren und ist durch Elastizität und Dehnbarkeit gekennzeichnet. Dem Roggenmehl fehlt diese Kleber-bildende Eigenschaft. Ein Ansäuern des Roggenmehles steigert jedoch das Quellvermögen verschiedener Polysaccharide (z.B. Pentosane), so dass der Teig backfähig wird. Roggenmehl muss auf einen pH-Wert von 4,3 bis 4,2; Roggenmischteig (70%[w/w] Roggenmehl, 30%[w/w]Weizenmehl) auf einen pH-Wert von 4,4 bis 4,3 und Weizenmischteig (30%[w/w] Roggenmehl, 70%[w/w] Weizenmehl) auf einen pH-Wert von 4,8 bis 5,7 angesäuert werden. Außerdem führt die zunehmende Teigsäuerung ab pH 4,8 zu einer Hemmung Stärke abbauender Amylasen. Das ungesäuerte Roggenmehl hat einen pH-Wert von 5,6 bis 6,0 und bietet somit optimale Bedingungen für Amylasen, die den Verlust der Backfähigkeit bewirken können (Bamforth, 2005).

Im Roggenmehl sind neben Lactobacillus -Arten und säuretoleranten Hefen auch Schimmelpilze und verschiedene Bakterien wie Bacillus -Arten und Enterobacteriaceae vorhanden (Hutkins, 2006). Wenn das Mehl mit Wasser angeteigt wird, entwickelt sich bei warmen Temperaturen innerhalb von 3 bis 4 Tagen der so genannte Spontansauer (Kunz, 2006).

Die nativen Mikroorganismen bewirken durch ihre Gäraktivität die Säuerung. Der pH-Wert ist anfangs noch hoch, so dass sich auch Enterobacteriaceae entwickeln, die zu einem Verderb des Teiges führen können. Erst nach mehrmaliger, regelmäßiger Zugabe von Mehl und Wasser entwickelt sich ein mikrobiologisch stabiler Spontansauer mit einem pH-Wert von 4,0 (Krämer, 2002).

In der klassischen dreistufigen Sauerteigführung (Abb.9) unterscheidet man zwischen Anfrischsauer, Grundsauer und Vollsauer (Kunz, 2006). In der ersten Phase entwickeln sich nach 5 bis 6 Stunden bei 25 bis 26°C bevorzugt Hefen. In der zweiten und dritten Stufe, nach Zugabe von Mehl und Wasser und steigenden Temperaturen bis 32°C, vermehren sich v.a. die Milchsäurebakterien wie Lactobacillus brevis und Lactobacillus plantarum, so dass nach ca. 27 Stunden ein Vollsauer besteht, der zum Brotteig verarbeitet werden kann (Fritsche, 1999). Der pH-Wert sinkt und die Säurebildung durch die Lactobacillus -Arten schützt insbesondere vor Fremdgärungen, hemmt oder verzögert im Brot das Wachstum von Verderbniserregern und fördert das Wachstum der säuretoleranten Hefen. Erwünscht ist in diesem Zusammenhang ein Verhältnis von Milchsäure zu Essigsäure von 80% zu 20%. Durch den Stoffwechsel der Hefen wird CO2, das zur Teiglockerung beiträgt, gebildet (Krämer, 2002).

Bei der Herstellung von Weizen- und Roggenmischbroten findet man auch die zwei- und einstufigen Sauerteigführungen (Abb. 10), bei der mit großen Anstellmengen und bei hohen Gärtemperaturen eine milde Säuerung erreicht wird. Diese Teige sind verhältnismäßig mildsauer, da sich die Milchsäurebakterien in der kürzeren Zeit nicht voll in ihrem Stoffwechsel entwickeln können. Zur Teiglockerung müssen Backhefen zugesetzt werden (Kunz, 2006).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9 Die dreistufige Sauerteigführung Abbildung 10 Die einstufige Sauerteig- (Krämer, 2002) führung (Krämer, 2002)

In vielen Backbetrieben wird dem Roggenmehl ein Teil eines reifen Sauerteiges als Anstellsauer oder Reinzuchtsauer zugesetzt. Reinzuchtsauer sind kommerziell erhältliche Starterkulturen mit einem Gemisch aus Milchsäurebakterien und Hefen (Hutkins, 2006). Häufig sind in Sauerteigen mehr homofermentative als heterofermentative Milchsäurebakterien enthalten. Etwa 80% werden durch Lactobacillus plantarum, L. brevis und L. fermentum gestellt (Kunz, 2006). Des Weiteren wurden Lactobacillus casei, L. delbruecki, L. alimentarius, L. curvatus, L. hilgardii, L. pentosus, L. pontis, L. panis, L. reuteri, L. buchneri, L. pastoranus und L. sanfransiscensis isoliert. Laktobazillen bilden neben Milchsäure zusätzlich Essigsäure, Buttersäure, Ethanol, Diacetyl und zahlreiche andere Verbindungen.

Im Gegensatz zu den Milchsäurebakterien sind die Hefen nur wenig untersucht worden. Man konnte u.a. Saccharomyces cerevisiae, S. minor, S. turbidans, Candida krusei, C. humilis, Torulopsis holmii und Saturnispora saitoi finden (Hutkins, 2006; Kunz, 2006). Sie spielen eine untergeordnete Rolle, tragen aber zur geschmacklichen Abrundung bei.

Der feuchte und klebrige Sauerteig wird mit Hefen und Mehl versetzt, damit er in der Teigruhe die erforderliche Konsistenz und Plastizität erhält. Er ist anschließend backfähig (Kunz, 2006).

4.3 Alkoholische Gärprodukte

Hefen, v.a. Saccharomyces cerevisiae, spielen auch bei der Herstellung von Bier und Wein eine große Rolle. Sie sind als fakultative Anaerobier die Hauptproduzenten von Ethanol (Krämer, 2002). Die meisten Fruchtsäfte und Getreidesorten durchlaufen einen natürlichen Fermentationsprozess, der von Wildhefen, die auf den Substanzen vorkommen, katalysiert wird. Aus diesen Prozessen hat man Hefestämme für eine kontrollierte Produktion ausgewählt (Madigan & Parker, 2006).

Zahlreiche Nebenprodukte können bei der alkoholischen Gärung entstehen, so u.a. Methanol, Fuselöle (Propyl-, Butyl- und Amylalkohole), Glycerin, Acetaldehyd, organische Säuren, Ester, Diacetyl und Amine. In geringen Mengen sind sie als Bukettstoffe erwünscht, aber in höheren Konzentrationen wirken sie toxisch (Krämer, 2002).

Die wichtigsten alkoholischen Gärprodukte sind Wein, der aus Fruchtsaft hergestellt wird, Bier, das durch Fermentation gemahlenen Getreides entsteht, und destillierte Getränke, die durch Konzentration von Alkohol nach einer Fermentation gewonnen werden (Madigan & Parker, 2006).

4.3.1 Bier

Bier ist ein alkoholhaltiges Getränk, das aus gemälztem Getreide, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt wird. Teilweise wird das Getreide auch durch Rohfrucht, Reis, Mais oder Zucker ersetzt. Nach dem bis 1987 geltenden gesetzlichen Reinheitsgebot, das 1516 vom Bayernherzog Wilhelm IV. unterzeichnet wurde, durften in der Bundesrepublik Deutschland untergärige Biersorten wie Pilsener, Export und Lagerbiere ausschließlich aus Gerstenmalz, Hopfen und Wasser unter Verwendung von Hefen gebraut werden. Bei einigen obergärigen Bieren wird traditionell auch anderes Getreidemalz und Zucker eingesetzt, während andere wie Kölsch, Alt und Porter ebenfalls nur mit Gerste hergestellt werden (Krämer, 2002).

Die verschiedenen Biersorten unterscheiden sich v.a. durch den Stammwürzegehalt und die Gärungsart. Der Stammwürzegehalt liegt zwischen 3 und 6%[v/v] bei Einfachbieren, zwischen 11-14%[v/v] bei Vollbieren und bis zu 15-16%[v/v] bei Starkbieren. Nach der Gärungsart werden untergärige und obergärige Biere unterschieden. Im Vordergrund der mikrobiologisch enzymatischen Prozesse steht die Fermentation durch Saccharomyces cerevisiae. Daneben finden auch andere Fermentationsvorgänge der Milchsäuregärung, der Propionsäuregärung und der Buttersäuregärung statt (Kunz, 2006).

4.3.1.1 Malzherstellung

Zunächst wird die Gerste oder der Weizen geputzt, entgrannt und die kleinsten Körner als Futtergerste aussortiert. Die größeren Körner werden 2-3 Tage lang bei 10-15°C mehrmals bis zu einem Wassergehalt von 44-48%[v/w] eingeweicht (Weidenbörner, 1999). Während dieses Vorganges wird das Getreide periodisch belüftet, um einen anaeroben Verderb zu verhindern. Die so gequollene Gerste wird zur Keimung auf der Tenne oder in Kästen in 30 bis 100 cm hoher Schicht 7-9 Tage gelagert, belüftet und mechanisch gewendet. Zahlreiche Enzyme wie Cellulasen, Proteasen, Phosphatasen, Oxidasen und Amylasen können so gebildet werden. Die Amylasen wandern vom Scutellum in den Mehlkörper und beginnen die Stärke zu Dextrinen und Maltose abzubauen (Krämer, 2002). Die Keimung wird daraufhin durch Trocknen und Erhitzen unterbrochen. Die Körner werden zunächst bei 40 bis 50°C mehrere Stunden lang auf einen Feuchtigkeitsgehalt von 10-12%[v/w] vorgetrocknet. Bei der Herstellung von hellen Bieren wird dann vier Stunden bei 80 bis 85°C und bei dunklen Bieren bis 100°C abgedarrt (Krämer, 2002). Nach dem Abkühlen wird das Darrmalz zur Entfernung der Malzkeime geputzt und zur Brauerei gebracht. (Krämer, 2002).

4.3.1.2 Die Herstellung der Würze

Das Malz wird anschließend fein zermahlen und im Bottich mit warmem Brauwasser eingemaischt. Währenddessen werden polymere Verbindungen wie Proteine und Stärke durch korneigene Enzyme gespalten und die Produkte sowie andere Substanzen extrahiert. Das pH-Optimum der Enzyme wie .-Amylase liegt unter dem pH-Wert der Maische, so dass dieser durch die Zugabe erhitzter Würzekulturen von Milchsäurebakterien ausgeglichen wird. Die Temperatur der Maische wird stufenweise auf 74-78°C erhöht. Währenddessen werden Peptide und Aminosäuren gebildet, die später die Schaumbildung des Bieres und das Wachstum der Hefen fördern. Außerdem werden Amylose und Amylopektin zu Maltose und Dextrinen abgebaut. Die .-Amylasen, die ebenfalls Maltose und Dextrine bilden, haben ihr Temperaturoptimum erst bei 72-78°C.

Nach Abschluss der Maische ist die gesamte Stärke zu 60% vergärbarer Maltose und zu 40% Dextrinen abgebaut. Der feste Rückstand wird vom klaren Extrakt, der Würze, getrennt. Diese wird im Sudhaus mit reifen, getrockneten Fruchtständen des Hopfens 1 1/2 Stunden lang gekocht, so dass die Enzyme der Maische inaktiviert werden. Die antimikrobiell wirksamen Gerb- und Bitterstoffe des Hopfens, v.a. die Humolone, werden gelöst, Eiweiße, die die spätere Filtration stören, koagulieren und unerwünschte Aromastoffe werden entfernt. Es erfolgen eine Konzentration der Würze und die Abtötung der Mikroorganismen, die sich zuvor auf dem Getreide entwickelt hatten

Anschließend wird die Würze vom Hopfen und den ausgefällten Eiweiß-Gerbstoff-Verbindungen getrennt, gekühlt und auf einen bestimmten Stammwürzegehalt eingestellt (Krämer, 2002).

4.3.1.3 Die alkoholische Gärung

V.a. in der Phase der alkoholischen Gärung sind Mikroorganismen von großer Bedeutung. Man verwendet hauptsächlich die Hefen Saccharomyces carlsbergensis und S. cerevisiae. Beide Hefen gehören der Spezies S. cerevisiae an, werden aber für unterschiedliche Gärungsarten genutzt.

Für untergärige Biere nutzt man v.a. S. carlsbergensis (Weidenbörner, 1999). Diese Hefe unterscheidet sich von anderen durch den aktiven Stoffwechsel bei 5-10°C. Außerdem müssen sie als Brauereihefen Maltotriose vergären können und eine hohe Gärintensität aufweisen. Die Gärintensität wird als gebildetes CO2 je Stunde und mg Hefetrockensubstanz gemessen. Demnach sollte ein Stamm mehr als 200 μg CO2 bilden (Kunz, 2006).

Als obergärige Hefen wird Saccharomyces cerevisiae eingesetzt. Sie setzt sich nach Beendigung der Gärung an der Oberfläche ab und ihr Temperaturoptimum liegt bei 15 bis 25°C (Weidenbörner, 1999).

Während der Hefegärung entstehen nicht ausschließlich Ethanol und CO2, sondern auch eine Reihe von Nebenprodukten, die den Geschmack des Bieres beeinflussen. Obergärige Biere bilden wesentlich mehr Nebenprodukte wie höhere Alkohole, Ester, Aldehyde, Diacetyl und Acetoin, die in großen Mengen unerwünscht sind. Organische Säuren wie Essig- und Milchsäure entstehen ebenfalls bei der Glykolyse und tragen zum sauren Geschmack des Bieres bei. Der Anteil der einzelnen Stoffwechselendprodukte ist abhängig von der eingesetzten Heferasse, der Gärtemperatur und der Belüftung der Würze (Koolman et al., 1998).

[...]

Final del extracto de 142 páginas

Detalles

Título
Die Herstellung und Veredelung von Lebensmitteln durch Mikroorganismen
Universidad
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald
Calificación
1
Autor
Año
2008
Páginas
142
No. de catálogo
V134291
ISBN (Ebook)
9783640410248
ISBN (Libro)
9783640410330
Tamaño de fichero
4531 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Herstellung, Veredelung, Lebensmitteln, Mikroorganismen
Citar trabajo
Ulrike Jenß (Autor), 2008, Die Herstellung und Veredelung von Lebensmitteln durch Mikroorganismen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134291

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