Die Anzahl der Forschungsliteratur zur Geschichte der Reichsautobahn ist immer noch recht übersichtlich, obwohl die Bedeutung seit jeher keine geringe zu sein scheint.
Reiner Ruppmann hinterlässt durch seine Besprechung der Dissertation Thomas Zellers mit dem Titel Driving Germany in der Historischen Zeitschrift Nummer 287 eine große Menge an Fragen, welche die vergangene und aktuelle Forschung zum Bau der Reichsautobahn betreffen.
Die bisherige Forschung sei, so Ruppmann, verantwortlich für den Umstand, dass die Reichsautobahn in vielerlei Hinsicht positiv mit dem NS-Regime in Zusammenhang gebracht wird- eine harte Kritik für bisherige Veröffentlichungen und gleichzeitig Grund, diesem Problem eine Untersuchung zu widmen.
Zuerst soll in dieser Arbeit festgestellt werden, woran man die angesprochene Faszination der Forscher für das NS-Regime festmachen kann. Zwei der in der Vergangenheit publizierten Werke sollen dazu herangezogen werden. Eine der beiden Arbeiten, erschienen 2006, ist dem Gebiet der Populärwissenschaften zuzuordnen und entspringt der Feder Gero Fehlhauers. Die andere, veröffentlicht 1996, zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Verfasser die Akademiker Erhard Schütz und Eckhard Gruber sind- so ist das Spektrum der Forschung im Hinblick auf Milieu und Zeit zumindest in großen Teilen abgedeckt.
Zweiter Schwerpunkt der Arbeit sind die Mythen, mit denen sich die Forschung in der Vergangenheit intensiv auseinandergesetzt hat. Forschungsergebnisse dazu relativierten das glorreiche Bild der Nationalsozialisten in geradezu jeder Hinsicht- dies soll Teil der Präsentation sein.
Im dritten Abschnitt steht die neue Forschung um Thomas Zeller im Vordergrund. Vorwiegend soll freilich den Fragen nachgegangen werden, was die neue Forschung ausmacht, welche Inhalte zu finden sind und ob man diese neue Sicht tatsächlich als neu definieren kann. Vorangestellt sei noch, dass diese Untersuchung der Beantwortung der Frage dient, ob die Forschung für den positiven Ruf des Nationalsozialismus verantwortlich gemacht werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Reiner Ruppmann und die Klage gegen die alte Forschung
1.1 Die Suche nach einem möglichen Fehler im System
1.2 „Mythos Reichsautobahn, Bau und Inszenierung der 'Straßen des Führers' 1933-1941“
1.3 „Die Geschichte der Reichsautobahn Chemnitz-Hof“
2 Mythos und Realität um den Reichsautobahnbau als Basis der bisherigen Forschung – ein Überblick
2.1 Vom American highway zum Traum des Führers
2.2 Die Suche nach Gründen für den Reichsautobahnbau
2.3 Mittel der Propaganda zur Mythosinszenierung
a) Überzeugungsversuche
b) Propaganda in Festen und Bildern
3 Eine neue Richtung der Forschung?
3.1 Thomas Zeller - „Driving Germany“
3.2 Detaillierte Erforschung der Realität?
a) Exkurs I: Landschaftsanwälte versus Ingenieure
b) Exkurs II: Die Uminterpretation der Reichsautobahn in der BRD
Fazit und Ausblick
Bibliographie
Einleitung
Die Anzahl der Forschungsliteratur zur Geschichte der Reichsautobahn ist immer noch recht übersichtlich, obwohl die Bedeutung seit jeher keine geringe zu sein scheint.
Reiner Ruppmann hinterlässt durch seine Besprechung der Dissertation Thomas Zellers mit dem Titel Driving Germany in der Historischen Zeitschrift Nummer 287 eine große Menge an Fragen, welche die vergangene und aktuelle Forschung zum Bau der Reichsautobahn betreffen.
Die bisherige Forschung sei, so Ruppmann, verantwortlich für den Umstand, dass die Reichsautobahn in vielerlei Hinsicht positiv mit dem NS-Regime in Zusammenhang gebracht wird- eine harte Kritik für bisherige Veröffentlichungen und gleichzeitig Grund, diesem Problem eine Untersuchung zu widmen.
Zuerst soll in dieser Arbeit festgestellt werden, woran man die angesprochene Faszination der Forscher für das NS-Regime festmachen kann. Zwei der in der Vergangenheit publizierten Werke sollen dazu herangezogen werden. Eine der beiden Arbeiten, erschienen 2006, ist dem Gebiet der Populärwissenschaften zuzuordnen und entspringt der Feder Gero Fehlhauers. Die andere, veröffentlicht 1996, zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Verfasser die Akademiker Erhard Schütz und Eckhard Gruber sind- so ist das Spektrum der Forschung im Hinblick auf Milieu und Zeit zumindest in großen Teilen abgedeckt.
Zweiter Schwerpunkt der Arbeit sind die Mythen, mit denen sich die Forschung in der Vergangenheit intensiv auseinandergesetzt hat. Forschungsergebnisse dazu relativierten das glorreiche Bild der Nationalsozialisten in geradezu jeder Hinsicht- dies soll Teil der Präsentation sein.
Im dritten Abschnitt steht die neue Forschung um Thomas Zeller im Vordergrund. Vorwiegend soll freilich den Fragen nachgegangen werden, was die neue Forschung ausmacht, welche Inhalte zu finden sind und ob man diese neue Sicht tatsächlich als neu definieren kann. Vorangestellt sei noch, dass diese Untersuchung der Beantwortung der Frage dient, ob die Forschung für den positiven Ruf des Nationalsozialismus verantwortlich gemacht werden kann.
1 Reiner Ruppmann und die Klage gegen die alte Forschung
These in diesem Abschnitt soll sein, dass es gerade die Forschung nach dem II. Weltkrieg ist, welche zwar nicht davon ausgeht, dass Hitler als der Vater der Autobahnen gelten kann, jedoch dafür zur Verantwortung gezogen werden muss, dass das Thema der Reichsautobahn positiv mit dem NS-Regime in Verbindung gebracht wird- so argumentieren zumindest derzeitige Veröffentlichungen wie die von Reiner Ruppmann[1].
1.1 Die Suche nach einem möglichen Fehler im System
Ruppmanns Urteil zufolge waren und sind die Generationen der Historiker an die Taten des NS-Regimes gefesselt, so dass die Untersuchung dieser in fast allen Fällen in den Vordergrund gerückt worden war. Als ausschlaggebend erscheinen vor allem zwei Umstände, die die Forschung so hinters nationalsozialistische Licht führen. Erstens erklärte Hitler den Reichsautobahnbau als einer der vordringlichen Staatsaufgaben, er machte sie quasi zur Chefsache. Zum Zweiten wurde ein weitreichender Kult um den Bau geschaffen, inklusive Denkmale und Feste mit großem Publikum.[2]
Es entstand ein Mythos vom Reichsautobahnbau, welcher selbst bis heute Forscher in seinen Bann zu ziehen scheint. Behandelt wird in vielen Dossiers und Untersuchungen vordergründig das Gegenüberstellen von Mythos und Realität des Autobahnbaus. Doch warum sind derartige Forschungsansätze innerhalb des Nationalsozialismus so fesselnd ? Unerlässlich ist es, festzuhalten, dass unter dem Hakenkreuz in sechs Jahren mehr als 3000km Autobahnstrecke vollendet wurden und dieser Bau damit als einer der größten Volksbauten [3] der Geschichte gelten kann. Des weiteren fällt die Einordnung zu den Taten des nationalsozialistischen Regimes recht leicht. Drittens muss auch der Umstand in Betracht gezogen werden, dass Literatur um den Nationalsozialismus einen weitaus breiteren Absatz findet als Forschungen außerhalb dieser Linie.[4]
Viele Arbeiten können „[...] vor allem deshalb nicht befriedigen, weil sie das Untersuchungsobjekt grundsätzlich als integralen Bestandteil des Dritten Reiches behandelten, es also aus den langfristigen Entwicklungszusammenhängen des Straßenbauwesens in Deutschland herauslösten“[5]. Doch wie genau lässt sich diese Behauptung tatsächlich stützen?
Dazu sind die von Reiner Ruppmann benannten Arbeiten heranzuziehen. Unter Anklage stehen als – neben sämtlichen weiteren Veröffentlichungen[6] - das Werk von Erhard Schütz und Eckhard Gruber, „Mythos Reichsautobahnbau“[7] und Gero Fehlhauers „Die Geschichte der Reichsautobahn Chemnitz-Hof“[8]. Diesen Autoren soll nicht unterstellt werden, dass sie falsche Informationen verbreiten. Allerdings glaubt sicher Reiner Ruppmann im Recht, zu behaupten, dass ein derartiger Beitrag „[...] ungewollt die eigentlich angestrebte Aufklärung [schwächt], indem die Wiederholungen im kollektiven Bewußtsein [sic] der Bevölkerung die Meinung verankern, der Autobahnbau sei Hitler zu verdanken und im übrigen eine bewundernswerte zivile Leistung des NS-Regimes“[9].
1.2 „Mythos Reichsautobahn, Bau und Inszenierung der 'Straßen des Führers' 1933-1941“
Betrachtet man die Arbeit von Gruber und Schütz, so fällt dem Leser schnell das Bemühen der Autoren, Mythen über Hitler und das NS-Regime so weit wie nur möglich aufzuklären, ins Auge. Zu den Mythen und deren Propaganda zählen sie den Begriff Straßen des Führers [10] , weiterhin dass dieses Großprojekt das alleinige Werk Adolf Hitlers sei,[11] außerdem Zeremonien und Feiern[12] sowie die drastische Senkung der Arbeitslosenzahl[13] im Tausendjährigen Reich.
Jene unwahren Mythen, mit denen die Autoren aufräumen, schnürten und schnüren das Gesamtpaket für die NS und deren Propaganda, folgt man den Thesen Ruppmanns. Konzeption und Bau der Reichsautobahnen sei eine gute Idee seitens der Nationalsozialisten gewesen, so dass diesem Regime dafür in gewisser Weise gedankt werden müsse. Tatsächlich halten sich derartige Meinungen bis heute und ziehen sich durch sämtliche Schichten der vorwiegend deutschen, aber auch ausländischen Bevölkerung.
Fixiert werden muss, dass Schütz und Gruber mit ihrer Arbeit einen großen Teil dazu beigetragen, die Mythen um die nationalsozialistische Heldentat abzuschwächen. Ruppmann ist jedoch hier Recht zu geben, dass sich beide Autoren nicht aus dem Kontext des Nationalsozialismus lösen können und die Bildersprache[14] im Buch tatsächlich den Eindruck von der großen Tat der Nationalsozialisten erweckt. Allerdings ist noch zu klären, in wie fern Ruppmanns Argumentationsweise auf die Arbeit von Fehlhauer übertragbar ist.
1.3 „Die Geschichte der Reichsautobahn Chemnitz-Hof“
Gero Fehlhauer bietet mit seiner geradezu technischen Beschreibung des Reichsautobahnbaus scheinbar die größte Angriffsfläche für Behauptungen um eine Glorifizierung der Bedeutung der Herrschaft Hitlers. In den Vordergrund gerückt werden müssen die bildlichen Darstellungen, welche den Fortschritt vom Brückenbau für die Reichsautobahnen dokumentieren sollen.[15] Sie werden für Reiner Ruppmann sehr leicht zur Beute, da sie beim Betrachter einen bleibenden Eindruck von der damals völig neuen Dimension hinterlassen.
Doch widmet man sich Fehlhauers Auseinandersetzung mit dem Bau von Tankstellen, Park- und Raststätten sowie Notrufeinrichtungen, so erkennt man, dass er die Thematik des NS-Regimes fast gänzlich ausblendet- ein Fehler?
Nein, denn gerade Fehlhauers Arbeit bietet thematisch die Öffnung für Neues, die Ruppmann sich doch eigentlich wünscht. Es werden neue Inhalte erschlossen, währenddessen die Glanzleistung des NS-Regimes, Autobahnen zu bauen, weder in den Vordergrund gerückt wird noch überhaupt im großen Stil vorkommt. Inhalt sind die Baustellen und deren Akteure selbst, nur in geringem Maße Funktionäre der NSDAP.[16]
Sichtbar wird bei beiden Arbeiten erstens, dass Ruppmann wohl nicht vollends Unrecht hat, sich seine These aber, wie sie im Text verfasst ist, so nicht halten lässt. Er muss also dem Heraushebeln aus dem Kontext des NS-Regimes eine weitaus klarere Definition verpassen. Die These, dass zu viele Arbeiten zum Autobahnbau „im Rahmen der Aufarbeitung des Nationalsozialismus“[17] entstanden sind, reicht nicht aus, um wirklich neue Richtungen in der Forschung einzuschlagen.
[...]
[1] Ruppmann, Reiner, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick? Die Notwendigkeit einer erweiterten Perspektive in der Autobahngeschichte, in: HZ 287, Heft 1, München 2008, S. 91-105.
[2] Vgl. Silverman, Dan P., Hitlers Economy. Nazi Work Creation Programs, 1933-1936, S. 173: „Nazi propaganda gave the impression, which unfortunately still lives, of hundreds of thousands of German men labouring happily to fulfil their Führer's dream of superhighways crisscrossing the German Fatherland“.
[3] Der Begriff „Volksbau“ soll hier einen durch das Volk erschaffenen Bau definieren. Als Beispiel aus der Geschichte seien der Bau der Pyramiden von Gizeh und der Bau der Chinesischen Mauer genannt. Derartige Unterfangen geschahen immer im Blickpunkt der Öffentlichkeit und waren Staatsaufgaben.
[4] Ruppmann bemerkt, dass Zeller auf die Erwähnung des „Nationalsozialismus“ in seinem Buchtitel („Driving Germany“) verzichtet und er damit einen kleineren Markt erreicht hat, vgl. Ruppmann, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick?, S. 96.
[5] Ebd., S. 93.
[6] Vgl. ebd., S.933.
[7] Schütz, Erhard/Gruber, Eckard, Mythos Reichsautobahn. Bau und Inszenierung der „Straßen des Führers“, 1933-1941, Berlin 1996.
[8] Fehlhauer, Gero, Die Geschichte der Reichsautobahn Chemnitz-Hof, Reichenbach/Vogtland 2006.
[9] Ruppmann, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick?, S. 94.
[10] Vgl. Schütz, Mythos Reichsautobahn, S.7f.
[11] Vgl. ebd., S.14f.
[12] Vgl. ebd., S.38f.
[13] Vgl. ebd., S.57 (Diagramm).
[14] Für Ruppmann ist die Bildersprache kritisch zu bewerten, vgl. Ruppmann, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick?, S.94. Derartige Bebilderungen wirken ähnlich wie Werbeplakate. Außerdem gelten sie in konservativen Kreisen -leider- heute noch häufig als Ausdruck populärwissenschaftlicher Forschung.
[15] Vgl. Ruppmann, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick?, Beispiel auf S.70f.
[16] Einzig flapsige Kommentare wie „[...] auch seinerzeit gab es schon schöne Mädels auf schweren Maschinen [...]“ (in: Fehlhauer, Die Geschichte der Reichsautobahn Chemnitz-Hof, S. 121) machen Fehlhauers Publikation zu einer populistischen Arbeit und damit leider wenig anspruchsvoll.
[17] Ruppmann, Das Dritte Reich dauerhaft fest im Blick?, S.93.
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- Stefanie Zabel (Autor), 2009, Die Entwicklung der Forschung um den Bau der Reichsautobahn, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134339