Die hansischen Konflikte mit Flandern 1358 und 1388 im Vergleich


Term Paper (Advanced seminar), 2001

19 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
a) Thema und Fragestellungen
b) Forschungsdiskussion und Quellenlage

II. Die Rezesse der Hansetage von 1358 und 1388

III. Exkurs: Der deutsche Kaufmann zu Brügge

IV. Die Genese der Krisen – die Jahre 1351-1358 und 1377-1388 im Vergleich
a) 1351-1358
b) 1377-1388
c) Vergleich

V. Verhandlungen und Konfliktlösungen – Die Jahre 1358-1360 und 1388-1392 im Vergleich
a) 1358-1360
b) 1388-1392
c) Vergleich

VI. Die Handelssperre als typisches Konfliktinstrument der Hanse

VII. Fazit

VIII. Quellen- und Literaturverzeichnis
a) Quellen
b) Darstellungen

I. Einleitung

a) Thema und Fragestellungen

Bei der Betrachtung der Konfliktlinien in der Forschungsdiskussion der Hanseforschung der letzten Jahrzehnte hebt sich die Frage nach dem Wesen der Hanse besonders heraus. „Was war die Hanse?“, so fragt Volker Henn in seiner Forschungsrückschau resümierend[1]. Als lange Zeit hegemonial für die Hanseforschung galt das Diktum der ‚Städtehanse’, die sich in der Mitte des 14. Jahrhunderts aus der ‚Kaufmannshanse’ etabliert haben soll. Doch Zweifel am bündischen Charakter dieser ‚Städtehanse’ kulminieren in den sechziger Jahren in die These von der Hanse als ‚Interessensgemeinschaft’.

Kristallisationspunkt dieser Diskussionen war jeher die Bewertung der hansischen Konflikte mit Flandern, insbesondere mit Brügge, dem „Weltmarkt des Westens“[2]. Im Jahre 1347 gab sich der Kontor zu Brügge die vielzitierte und beispielgebende ‚Kontorordnung’ und 1356 bestätigten die Hansestädte diese ‚Kontorordnung’ durch eine Gesandschaft. Dieser Vorgang wird gemeinhin als ‚epochemachend’ für den Übergang zur Städtehanse bewertet.

Doch Grundlage dieser weitergehenden Interpretationen sollte eine genaue Betrachtung der hansisch-flandrischen Beziehungen sein, die 1358 in die Handelssperre gegen Flandern mündeten. Als erhellend könnte sich hierbei ein Strukturvergleich erweisen, denn eben diese Handelssperre des Jahres 1358 fand ihre Nachahmung auf einem Hansetag zu Lübeck 1388. Die Hansestädte führten dort mit fast genau den gleichen Instrumenten wie dreissig Jahre zuvor, einen Boykott gegen Flandern durch, dessen Ergebnisse Philippe Dollinger als „letzten großen Sieg der Hanse“[3] bezeichnet.

Diese erstaunliche Kongruenz der Ereignisse gibt Anlass für eine Reihe von Fragen: Inwieweit ähneln sich die Krisen, die zur Verhängung der Handelssperre führen? Sind diese Krisen struktureller, also immanent hansischer, Natur? Wie charakterisieren sich Verlauf und Ergebnisse der Handelssperren? Welche Bedeutung hat das Konzept „Handelssperre“ für das Wesen der Hanse und inwieweit ist sein Einsatz als Wandel im Wesen der Hanse zu verstehen? Diese Fragen gilt es in der folgenden Untersuchung zu berücksichtigen.

b) Forschungsdiskussion und Quellenlage

Die vier wichtigsten Fragen, die fast immer im Mittelpunkt der historischen Hanseforschung gestanden haben - die Frage nach dem Wesen, dem Beginn, der Zugehörigkeit und der Handlungsfähigkeit der Hanse – finden alle ihren Niederschlag, teilweise sogar ihren Ausgangspunkt, in Untersuchungen über Hansekaufleute in Flandern. Wichtigstes Beispiel hierfür ist die schon eingangs erwähnte Deutung der Ereignisse des Jahres 1356. Die Bestätigung der ‚Kontorordnung’ durch den Hansetag zu Brügge wurde seit Beginn der Hanseforschung als Unterwerfung der Kontore durch die Städte gedeutet, als äußeres Zeichen für den Wechsel von der ‚Kaufmannshanse’ zur ‚Städtehanse’.

Die Untersuchung der hansischen Beziehungen zu Flandern und damit auch der beiden zentralen Handelssperren der Jahre 1358 und 1388 waren also stets Schwerpunkte der Hanseforschung.[4] Grundstein hierfür legten die chronologisch genauen Darstellungen und Interpretationen der Ereignisse durch die Historiker der Jahrhundertwende, insbesondere durch Walther Stein[5], Rudolf Häpke[6] und Konrad Bahr[7]. Ihre Thesen zur Entstehung der ‚Städtehanse’ finden bis heute ihren Nachklang in diversen Überblicksdarstellungen. Der Hauptvertreter der sich diesbezüglich mehrenden Skeptiker ist sicherlich zur Zeit Volker Henn[8], dessen Forschungsschwerpunkt bezeichnenderweise ebenfalls die Beziehungen der Hanse zu Brügge und Flandern ist.

Abseits dieser forschungsübergreifenden Fragen steht insbesondere Brügge im Mittelpunkt der Betrachtungen, beispielsweise im Kontext von Untersuchungen zu den Hansekontoren, aber auch bezüglich spezieller Beziehungen zu einzelnen Hansestädten[9]. In jüngster Vergangenheit gewinnen insbesondere Arbeiten mit prosopographischem Ansatz an Bedeutung[10]. Die Handelssperren als Konfliktlösungsstrategie der Hanse beschäftigen insbesondere die mediävistische Friedensforschung[11].

Wie sicherlich für die gesamte Hanseforschung zutreffend, stellen auch im Bereich der hansischen Flandernforschung die Rezesse der Hansetage und die Urkunden des Hansischen Urkundenbuches die zentralen Quellen dar. In jüngster Zeit versucht man neue Quellengruppen zu erschließen, in dem man insbesondere die bisher unbeachteten Quellen der flandrischen Städte heranzieht. Beste Beispiele sind neuere Arbeiten zu den Brügger Steuerlisten und Stadtrechnungen[12]. Desweiteren ergeben sich erweiterte Erkenntnismöglichkeiten durch Anwendung neuer Fragestellungen auf scheinbar schon bearbeitete Quellengruppen.

II. Die Rezesse der Hansetage von 1358 und 1388

Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung sollen die Rezesse der Hansetage von 1358[13] und 1388[14] sein, auf denen die Durchführung der Handelssperren gegen Flandern und deren Modalitäten beschlossen wurden. Die diesbezüglich zentralen Beschlüsse der beiden Tagfahrten ähneln sich fast vollständig. Es ist also anzunehmen, dass aufgrund der positiven Erfahrungen der Jahre 58-61 die Ratsherren in Lübeck 1388 keinen Grund sahen, die 30 Jahre alten Beschlüsse zu verändern.

Strukturell lassen sich die zwölf verschiedenen Paragraphen der Entschließung in drei verschiedene Gruppen kategorisieren: 1. genaue Ort-, Zeit- und Richtungsmodalitäten der Handelssperre (§ 1,3,5,7,8,11); 2. Kontrollmodalitäten (§ 2,4); 3. Strafmodalitäten (§ 6,9,10). Der formelhafte Schlussparagraph erhöht den normativen Charakter des Beschlusses.

Inhaltlich stechen einige Punkte besonders heraus. Es wird ausdrücklich erwähnt, dass sich die Sperre auf ganz Flandern beziehen soll, inklusive der Städte Antwerpen und Mechelen. Dies stellt durchaus einen qualitativen Unterschied zu vorangegangenen Stapelverlegungen des Kontors dar, die immer nur einen Handelsboykott Brügges nach sich zogen. Desweiteren wird das Handelsverbot gegen flandrische Tuche besonders herausgehoben (§ 5,6,7), obwohl schon eingangs jeglicher Handel mit Flandern verboten wird (§1). Die Hansestädte wollten also scheinbar mit ihren Handelssperren konkret die flandrische Tuchproduktion treffen, die die Existenzgrundlage der flandrischen Industrie darstellt. Dieses Ansinnen ist durchaus bemerkenswert, denn immerhin lösten sich die Städte damit zeitweise von einem entscheidenden Teil ihrer eigenen Ost-West-Handelsroute, so dass nachhaltige Konsequenzen auch im Ostseehandel drohten. Um so beachtenswerter ist die Tatsache, dass diese entscheidenden gesamthansischen Belange 1358 von nur 9 Städten des lübisch-sächsichen und des preußischen Drittels und 1388 von nur 13 Abordnungen lübischer, preußischer und livländischer Städte entschieden wurden. Allerdings ist den Rezessen auch zu entnehmen, dass in beiden Fällen Korrespondenz mit westfälischen und/oder gotländischen Städten geführt wurde. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist die Tatsache, dass im Rezess des Jahres 1356 der Hansetag erstmals selbst von der „stad van der Dudeschen hense“ (§ 10) spricht. Dies wurde in der Vergangenheit häufig als äußeres Zeichen der Genese der ‚Städtehanse’ herangezogen.

Die differenzierten Kontroll- und Strafmodalitäten sind als Hinweis dafür zu werten, dass sich die Teilnehmer des Hansetages dessen bewusst waren, dass aufgrund von innerhansischen Interessenskonflikten durchaus eine Missachtung der Beschlüsse durch einzelne Kaufleute oder Städte möglich war. Die Bestimmungen hatten scheinbar das Ziel, derartige Bestrebungen unmöglich zu machen.

Der einzige Unterschied zwischen den Bestimmungen über die Handelssperren der Jahre 1358 und 1388 lässt sich im Paragraph 7 erkennen. Wurde 1358 flämisches Tuch nichthansischer Händler in den Städten der Hanse noch beschlagnahmt und zurückgesendet, so durften 1388 die Hansestädte diese Tuche behalten. Dies signalisiert unstreitbar die stärkere internationale Stellung der Hanse[15].

Auf die Frage nach den Gründen der Handelssperren geben die Rezesse allerdings nur unzureichend Auskunft. Ist 1358 von „mengherleye unrecht unde beswarnisse“ die Rede, heisst es 1388 ebenso undeutlich, dass „grot unrecht, schade und hoen“ dem Kaufmann zu Brügge geschehen sei. Dies deutet darauf hin, dass die Rezesse kaum einen legitimatorischen Zweck erfüllten, sondern dass sie vorwiegend als innerhansisch handlungsanweisend gelten können.

[...]


[1] Henn, Volker: Was war die Hanse?, in: Bracker, Jörgen/ Henn, Volker/ Postel, Rainer: Die Hanse – Lebenswirklichkeit und Mythos, 2.verb. Aufl., Lübeck 1998, S.14-22.

[2] Asmussen, Georg: Die Lübecker Flandernfahrer in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts (1358-1408), Frankfurt am Main 1999, S.38.

[3] Dollinger, Philippe: Die Hanse, 5. erweit. Auflage, Stuttgart 1998, S.109.

[4] Es soll hier nur kurz auf spezifisch hansisch-flandrische Forschungsarbeiten eingegangen werden, eine Reflexion der Überblicksdarstellungen und der übergreifenden Handbücher kann hier nicht einfließen.

[5] Stein, Walther: Die Genossenschaft der deutschen Kaufleute zu Brügge in Flandern, Berlin 1899.

[6] Häpke, R.: Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt, Berlin 1908.

[7] Bahr, Konrad: Handel und Verkehr der Dt. Hanse in Flandern während d. 14. Jahrhunderts, Leipzig 1911.

[8] z.B. Henn, Volker: Die Hanse – Interessensgemeinschaft oder Städtebund?, in: HGB 101 (1983), S.119-126.

[9] z.B. Paravicini, Werner: Lübeck und Brügge. Bedeutung und erste Ergebnisse eines Kieler Forschungsprojektes, in: Menke, Hubertus (Hrsg.): Die Niederlande und der europäische Nordosten – Ein Jahrtausend weiträumiger Beziehungen (700-1700), Neumünster 1992, S.91-167.

[10] Biskup, Marian: Zwei Elbinger Kaufleute und Ratsherren: Johann von Volmenstaein und Johann (II.) von Thorn, in: Kattinger, Detlef/ Wernicke, Horst (Hrsg.): Akteure und Gegner der Hanse – Zur Prosopographie der Hansezeit, Weimar 1998, S.93-107;

Asmussen, Georg: Die Lübecker Flandernfahrer in der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts (1358-1408), Frankfurt am Main 1999;

Dierck, Ingo: Die Brügger Älterleute des 14.Jahrhunderts, in: HGB 113 (1995), S.49-70.

[11] Jenks, Stuart: Friedensvorstellungen der Hanse (1356-1474), in: Fried, Johannes (Hrsg.): Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter, Sigmaringen 1996, S.405-439.

[12] z.B. Asmussen (1999) und Paravicini (1992).

[13] HR. I, 212.

[14] HR. III, 380,381.

[15] Vgl. Dollinger, S.108.

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Details

Title
Die hansischen Konflikte mit Flandern 1358 und 1388 im Vergleich
College
University of Hamburg  (Geschichte)
Course
Die Hanse- und Regionaltage des 14. Jahrhunderts
Grade
1,0
Author
Year
2001
Pages
19
Catalog Number
V134912
ISBN (eBook)
9783640455713
ISBN (Book)
9783640456086
File size
510 KB
Language
German
Keywords
Hanse, Mittelalter, Flandern
Quote paper
Stephan Bliemel (Author), 2001, Die hansischen Konflikte mit Flandern 1358 und 1388 im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134912

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