Deutschland gilt als Land der Erfinder und Tüftler.Viele Patente zeugen von der reichen Entwicklungskraft. Leider haben viele Ideen keine oder nur eine geringe Chance auf Realisierung. Die Beispiele MP3-Player, Transrapid, Gentechnik oder Kernenergie zeigen, daß es in Deutschland bei der Umsetzung in marktfähige Produkte oder der Nutzung von Patenten und Entwicklungen große Probleme gibt. Hier werden 11 Gründe (und Hintergründe) genannt, die ursächlich die Innovationskraft schwächen und die Chancen mindern, daß Deutschland als Produktionsstandort durch die wirtschaftliche Nutzung seiner Ideen weiter prosperieren kann. Aufgabe von Politik und Wirtschaft sollte die Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg von der Idee, dem Patent oder dem Projekt hin zum marktfähigen Produkt oder einer großen zukunftsfähigen Investition sein, um neue Hochtechnologie- Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und die Abwanderung von Spitzenkräften ins Ausland zu verhindern.
Die Fortschrittsbremsen in Deutschland.
Realisierungsprobleme von neuen Technologien und Großprojekten.
„Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ hieß es schon bei den alten Griechen. Das scheint zumindest übertrieben, aber ein Körnchen Wahrheit steckt wohl drin. Wenn man bedenkt, dass die Nukleartechnologie, die Raketentechnik, die Radar-, Sonar-, Navigations- und Nanotechnologie, ja selbst das Internet militärischen Ursprungs ist, sollte man dem eigentlich zustimmen.
Aber im Krieg herrschen andere Voraussetzungen für Nutzung und Umsetzung von Innovationen und Projekten als in Friedenszeiten, zumal in Ländern, die bereits eine gewisse Ebene des Lebensstandards erreicht haben. Grob gesagt haben offenbar Länder mit großem Nachholbedarf an Wohlstand, jungem Bevölkerungsdurchschnitt, geringer Regulierungsdichte und gutem Ausbildungsniveau große Chancen, zu den wohlhabenden Ländern aufzuschließen, ja sie sogar zu überholen.
Mangelnder Wohlstand erzeugt das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit. Junge Menschen sind neugierig und sehen eher die technischen und ökonomischen Chancen als die Risiken, die in alternden Gesellschaften im Vordergrund stehen. Eine hohe Regulierungsdichte, wie sie in westlichen, vor allem europäischen Ländern vorherrscht, bremst und behindert den Fortschritt durch eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen, steuerliche, sozialrechtliche und umweltbezogene Auflagen, aber auch, wie bei der Kernkraft oder der grünen oder roten Gentechnik zu beobachten, sehr oft politisch-ideologische Vorbehalte. Eine gute Ausbildung der Bevölkerung fördert hingegen das Forschen und die Entwicklung von neuen Technologien und technischen Projekten. Stoßen wie in Deutschland beide Effekte, also Fortschrittsbremsen und hoher Bildungsstandard aufeinander, ergibt sich eine Abwanderung von Hochqualifizierten, die im eigenen Land keine oder weniger günstige Perspektiven sehen. Hinzu kommt der weltweite Wettbewerb um Spitzenkräfte in Wissenschaft und Forschung, oft verbunden mit starken finanziellen Anreizen, großen Entwicklungs-Freiräumen und großzügigen Budgets[1].
In Deutschland lassen sich die Probleme der Umsetzung von neuen Technologien und Projekten geradezu exemplarisch erkennen: Ob eine neue Startbahn, eine Umgehungsstrasse oder Autobahn, ein Kraftwerk, eine Hochspannungsleitung, eine Windkraftanlage oder eine Anlage zur gentechnischen Erzeugung von Insulin (Höchst AG in Frankfurt Anfang der 80er Jahre) gebaut werden soll, immer dauert es unverhältnismäßig lange oder gelingt überhaupt nicht.
Andererseits werden politisch genehme Technologien mit exorbitanten Subventionen aus Steuergeldern oder über erhöhte Verkaufspreise in den Markt gedrückt[2].
„Europa droht den Anschluß zu verlieren“, sagt Singapurs Regierungschef Lee[3] und weiter: “Die europäischen Gesellschaften haben diese völlig andere Einstellung gegenüber wirtschaftlicher Prosperität, die bei ihnen zu sozialer Gerechtigkeit verpflichtet und zu Solidarität gegenüber den am wenigsten erfolgreichen Mitgliedern der Gesellschaft“ und fährt fort: „Wenn da jemand mit etwas Neuem kommt, - das ist viel schwieriger“. Lee meint weiter, dass die Überalterung unserer Bevölkerung den Trend zu einer konservativen Grundhaltung verstärkt.
Sicher bedeutet die soziale Verpflichtung unserer Wirtschaft und Gesellschaft nicht die Katastrophe für die konjunkturelle Erholung, aber wenn man Deutschlands Sozialbudget betrachtet und die Alterspyramide zur Kenntnis nimmt, hat Lee schon zwei wesentliche Faktoren benannt, die unsere wirtschaftliche Entwicklung hemmen. Immer wieder, wie jetzt in Wahlkampfzeiten die SPD verspricht, werden neue Arbeitsplätze (4 Millionen) durch die Entwicklung und Produktion neuer Waren in Aussicht gestellt.
Speziell in Deutschland und in steigendem Maße durch den Einfluß der EU-Bürokratie gibt es aber einen bunten Strauß vieler Gründe für Schwierigkeiten bei der Umsetzung von neuen Technologien und Projekten in marktfähige Produkte[4].
Einige weitere davon seien hier aufgezählt:
1. Gerichtliches Einspruchswesen
Eine Fülle von Interessengruppen, politischen Parteien, Umweltschutzorganisationen, Bürgervertretungen, Gemeinden und anderen Gruppierungen besitzen Einspruchsrechte. Sie nehmen das Recht auf Klagen gegen technische Entwicklungen wie die Wiederaufarbeitung von Brennstäben, gentechnische Anlagen, die Aussaat von gentechnisch verändertem Saatgut und gegen Großprojekte wie z.B. Autobahnen, Kraftwerke, Flughäfen, Kraftwerke etc. in Anspruch, die in langwierigen Rechtsstreitigkeiten vor Gerichten ausgetragen werden müssen. Diese Prozesse, die mit Verfahrenstricks und juristischen Kniffen oft durch mehrere Instanzen getrieben werden, verzögern und verteuern die Vorhaben immens und führen oft genug zum Abbruch. Dann heißt es häufig bei den Verantwortlichen Politikern und Firmenchefs: „Das ist politisch nicht durchsetzbar…“ und verbrämt eigentlich nur die eigene mangelnde Durchsetzungskraft und das Unvermögen, die Chancen und Ziele des Projektes der Bevölkerung und den Gerichten entsprechend zu vermitteln.
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[1] FAZ, 13.5.09. Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard: “Verbote vertreiben Gentechnikforscher“
[2] Wikipedia „Auslastung“ :Windkraftanlagen haben z.B. eine Auslastung von ca. 23% und werden mit ca. 3,7 Mrd. € jährlich subventioniert
[3] In einem Interview in der Frankfurter Sonntagszeitung v. 19.7.2009
[4] 8/09, SAP-Vorstand Peter Kürpik: „Ideen habe zuwenig Zeit“
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- Dipl. Ing. Rudolf Warwitz (Autor), 2009, Die Fortschrittsbremsen in Deutschland - Realisierungsprobleme bei neuen Technologien und Großprojekten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134991