Heide Wunder, Er ist die Sonn', sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit

Eine Geschlechtergeschichte im Rahmen der Historischen Anthropologie


Comentarios / Reseña Literaria, 1999

20 Páginas, Calificación: 1,00


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

I. EINLEITUNG - MERKMALE DER HISTORISCHEN ANTHROPOLOGIE
1. Exkurs - Die eigene Position

II. HEIDE WUNDER - EINE SCHWEIGSAME VERTRETERIN DER HISTORISCHEN ANTHROPOLOGIE

III. „ER IST DIE SONN’, SIE IST DER MOND“ IM RAHMEN DES NEUEN PARADIGMAS
1. Das Thema
2. Die Methode: Quellen und deren Darstellungsweise
3. Weitere Kriterien der Historischen Anthropologie

IV. ZUSAMMENFASSUNG

V. LITERATURVERZEICHNIS

I. Einleitung - MERKMALE DER Historischen Anthropologie

Im deutschen Sprachraum vollzog sich in den 1960er Jahren ein Paradigmenwechsel von der Ideen- und Politikgeschichte zur Historischen Sozialwissenschaft, und damit rückte die Beschäftigung der HistorikerInnen mit den Strukturen der Gesellschaft in den Vordergrund. In den achtziger Jahren begann sich eine weitere Veränderung abzuzeichnen. Die verstärkte Kritik an der struktural orientierten Historischen Sozialwissenschaft mit ihrer „Suche nach gesetzmäßigen Abläufen in der Geschichte“[1] und ihrem Verzicht auf die Betrachtung der AkteurInnen eröffnete ein neues Konzept in der Geschichtswissenschaft. Mit der Hinwendung der HistorikerInnen zum Individuum als Mitgestalter seiner Lebensbedingungen und zu dessen Elementarerfahrungen konstituierte sich eine neue Richtung: die Historische Anthropologie. Dieser Paradigmenwechsel sollte nicht nur die Behandlung von neuen Themenfeldern bewirken, sondern infolgedessen auch eine völlig neue Hermeneutik und Methodik mit sich bringen.[2]

Der Terminus „Anthropologie“ bezeichnete bis dahin im deutschen Sprachraum menschliche Konstanten, die insbesondere unter dem Aspekt der Naturwissenschaften betrachtet wurden. Im Gegensatz dazu liegt der Schwerpunkt der Historischen Anthropologie jedoch auf dem Individuum, seinen (subjektiven) variablen Erfahrungen in verschiedenen Lebensbereichen (Elementarerfahrungen) und auf dem Wechselspiel zwischen den AkteurInnen und den jeweils vorherrschenden Lebensbedingungen.[3] Mit Gert Dressel gesprochen, stellt sie eine Anthropologie „menschlicher Möglichkeiten“[4] dar. Die genaueren Ansätze dieses Zugangs zur Geschichte werden in folgenden Punkten - vor allem direkt am Beispiel des gewählten Werkes - noch ausführlicher erläutert.

Die Historische Anthropologie sieht die Forschungsobjekte selbst als auf die oben genannten Einflüsse und Wechselwirkungen reagierende und in ihnen agierende Individuen. Gleichzeitig betrachtet sie auch den/die HistorikerIn als solches. Daher ist es wünschenswert, dass sich die ForscherInnen des eigenen Standpunktes und ihrer Kontextabhängigkeit bewusst werden.[5] Oder - anders formuliert - die Historische Anthropologie muss „ihre eigene kulturelle Perspektive zunächst einmal reflektieren, um die Perspektive der anderen - der von ihr Erforschten - erkennen zu können“[6]. Doch man sollte dabei berücksichtigen, dass das Erkennen der eigenen Standortgebundenheit noch nicht ausreicht, da auch die Gründe für die Entstehung derselben von Bedeutung sind. Gert Dressel empfiehlt deshalb allen HistorikerInnen (aber besonders jenen, die sich der Historischen Anthropologie verschrieben haben), ihre jeweilige Einstellung zum Forschungsgebiet den RezipientInnen ihrer Arbeit mitzuteilen, damit diese die Sichtweise des Autors/der Autorin nachvollziehen (und nötigenfalls zurechtrücken) können.[7]

1. Exkurs - Die eigene Position

Da die oben angeführte Empfehlung ebenso für Arbeiten über Bücher im Rahmen der Historischen Anthropologie gelten sollte, möchte ich den LeserInnen meinen eigenen Standpunkt nicht vorenthalten.

Nachdem ich - aus reiner Neugierde - zwei Proseminare mit feministischem Schwerpunkt absolviert hatte, war mein Interesse für diesen - für mich bis dahin völlig neuen - Bereich der Geschichtswissenschaft geweckt. Als ich mich bewusst mit dem Feminismus auseinandersetzte, wurde mir klar, dass ich selbst in meiner Stellung als Frau und Studentin dazu beitragen kann, mit Hilfe der Wissenschaft Änderungen in der Gesellschaft bezüglich der Geschlechterverhältnisse herbeizuführen. Demzufolge kann ich Gert Dressel beipflichten, wenn er meint, dass die Frauengeschichte „gleichsam Teil der Frauenbewegung [ist], weil sie über das neue Interesse für weibliche Vergangenheiten auch einen identitätsstiftenden Charakter für Frauen der Gegenwart hat; darüber hinaus stellt sie mit ihren Arbeiten heutige Formen von gesellschaftlicher Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und die aktuelle Praxis von Männlichkeit und Weiblichkeit in Frage“[8]. In Analogie zu Gert Dressel bin ich weiters der Meinung, dass erst explizit Verbalisiertes die RezipientInnen dazu auffordert, über gesellschaftliche Wandlungsprozesse nachzudenken.[9] Und vice versa ermöglicht natürlich erst eine Gesellschaft, in der Frauen zum Wissenschaftsbetrieb zugelassen sind, eine Diskussion innerhalb desselben. Da ich also beschlossen habe, meine Diplomarbeit dem Themenkreis „Frauen in der Frühen Neuzeit“ zu widmen, lag die Entscheidung nahe, das Überblicksbuch zu diesem Fachgebiet einer wissenschaftstheoretischen Analyse zu unterziehen - Heide Wunders „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“.

II. HEIDE WUNDER - EINE SCHWEIGSAME VERTRETERIN DER HISTORISCHEN ANTHROPOLOGIE

Heide Wunder ist Professorin für Sozial- und Verfassungsgeschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Gesamthochschule Kassel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der ländlichen Gesellschaft im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit sowie die Geschlechtergeschichte in der Frühen Neuzeit.

Vor diesem Hintergrund lag es nahe, einen (bis dahin noch fehlenden) Überblick über den „hochkomplexe[n] gesellschaftliche[n] Prozeß, in dem ‘Geschlecht’ immer wieder neu definiert wird“,[10] zu schaffen. Eine Motivation der Autorin mag also das Bedürfnis gewesen sein, diese Lücke zu füllen - eine Reflexion der eigenen Historizität unterbleibt jedoch. Dies ist umso verwunderlicher, als Wunder offensichtlich der Historischen Anthropologie nahe steht. „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“ dient Gert Dressel nicht nur als Beispiel für das typische Themenfeld der Historischen Anthropologie „Frauen - Männer - Geschlecht“[11], sondern wird von ihm auch dezidiert der „Historischen Volkskulturforschung“ zugeordnet.[12] Darüber hinaus ist Heide Wunder Mitherausgeberin der Zeitschrift „Historische Anthropologie“. Und nicht zuletzt zitiert Gert Dressel in seiner Bibliographie einen Aufsatz Heide Wunders, der u. a. auch die Historische Anthropologie zum Thema hat.[13]

Auch wenn Heide Wunder also weder ihre eigene Subjektivität noch den eigenen gesellschaftlichen Background oder ihren eigenen Standpunkt in der Forschung thematisiert, so spricht sie in der Einleitung „Frauen in der Geschichte der Frühen Neuzeit“ zumindest ihre Intentionen und Ziele an. So sollten - über die Biographien herausragender Frauen hinaus - die Handlungsräume von Frauen der verschiedenen Stände vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, die (gesellschaftlichen) Geschlechterbeziehungen und die soziale Ungleichheit dargestellt werden.[14]

[...]


[1] Gert Dressel: Historische Anthropologie. Eine Einführung. Mit e. Vorwort von Michael Mitterauer. - Wien/Köln/Weimar: Böhlau 1996, S. 66.

[2] Vgl. Dressel (1996), S. 62-71; Ernst Hanisch: Zum Stand der Theoriedebatte in der Geschichtswissenschaft. - In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Neue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft. Sondernummer 1997, S. 3; Hans Ulrich Wehler: Rückblick und Ausblick - oder: arbeiten, um überholt zu werden? - In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Neue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft. Sondernummer 1997, S. 9; Reinhard Sieder: „Alltag“ - irdisches Elend oder analytische Perspektive? - In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Neue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft. Sondernummer 1997, S. 18.

[3] Vgl. Dressel (1996), S. 29-48; Gert Dressel: Historische Anthropologie. Die Historisierung menschlicher Elementarerfahrungen. - In: Beiträge zur historischen Sozialkunde. Neue Entwicklungen in der Geschichtswissenschaft. Sondernummer 1997, S. 22, 26.

[4] Dressel (1996), S. 59.

[5] Vgl. Dressel (1996), S. 26; Wehler (1997), S. 11.

[6] Dressel (1996), S. 33.

[7] Vgl. Dressel (1997), S. 33.

[8] Dressel (1996), S. 303f.

[9] Vgl. Dressel (1997), S. 33. Aus diesem Grund bin ich auch Befürworterin des „Binnen-I“ und danke Gert Dressel für die Berücksichtigung desselben. Die politische Relevanz von femininen Personenbezeichnungen zeigt sich sehr deutlich am Beispiel der Schweizerinnen. In den fünfziger Jahren wurde ihnen das Wahlrecht mit der Begründung verweigert, in der Verfassung der Schweiz, die nur maskuline Personenbezeichnungen kennt, sei festgeschrieben, dass „jeder Schweizer“ stimmberechtigt sei. Vgl. Kreatives Formulieren. Anleitungen zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch 13 (1997), S. 31 (= Schriftenreihe der Frauenministerin)

[10] Heide Wunder: Er ist die Sonn’, sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit. - München: Beck 1992, S. 9.

[11] Vgl. Dressel (1996), S. 101, Fußnote 84.

[12] Vgl. Dressel (1996), S. 254, Fußnote 53.

[13] Wunder Heide: Kulturgeschichte, Mentalitätengeschichte, Historische Anthropologie. - In: Van Dülmen Richard (Hg.): Fischer Lexikon Geschichte. - Frankfurt/Main 1990, S. 65-86. Zitiert nach Dressel (1996), S. 319.

[14] Vgl. Wunder (1992), S. 7f.

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Heide Wunder, Er ist die Sonn', sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit
Subtítulo
Eine Geschlechtergeschichte im Rahmen der Historischen Anthropologie
Universidad
University of Vienna
Calificación
1,00
Autor
Año
1999
Páginas
20
No. de catálogo
V135032
ISBN (Ebook)
9783640409020
ISBN (Libro)
9783640409426
Tamaño de fichero
460 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Heide Wunder, Er ist die Sonn, Frauen, Frühe Neuzeit, Geschlechtergeschichte, Historische Anthropologie, Paradigmenwechsel
Citar trabajo
Marion Luger (Autor), 1999, Heide Wunder, Er ist die Sonn', sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135032

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