Die globale Internationalisierung der Bildung nach John W. Meyer im Kontext des Bildungssystems Mexikos


Dossier / Travail, 2008

29 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

Einleitung

1. Das Weltmodell Schule nach John W. Meyer u.a
1.1. Auf Bildung bezogene Grundlagen des world-polity- Ansatzes
1.2. Das global standardisierte Bildungssystem – Der Kriterienkatalog
I. Die strukturelle Dimension
II. Die curriculare Dimension
III. Die organisatorische Dimension

2. Länderbeispiel Mexiko
2.1. Die Vereinigten Mexikanischen Staaten – Basisinformationen 8 2.2. Das mexikanische Bildungssystem – Analyse anhand des Kriterienkatalogs
I. Die strukturelle Dimension
II. Die curriculare Dimension
III. Die organisatorische Dimension
2.3. Parallelen und Abweichungen

3. Fazit und Ausblick

Literatur

Einleitung

„Das größte Problem in der Welt ist Armut in Verbindung mit fehlender Bildung. Wir müssen dafür sorgen, dass Bildung alle erreicht.“1 Nelson Mandela Ob dies in Form eines Weltmodells Schule möglich ist und in wie weit sich eben dieses Weltmodell in dem Entwicklungs- oder Schwellenland Mexiko2 verbreitet hat, sind Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen wird. Es werden die Strukturen und die Entwicklungen des mexikanischen Bildungssystems thematisiert und im Kontext des Weltkulturmodells betrachtet, welches John W. Meyer und seine Kollegen aufgestellt und zum Teil empirisch überprüft haben.

Im ersten Kapitel werden die Theoriegrundlagen des world-polity- Konzepts erläutert, wobei sich die Ausführungen auf die für den Bildungssektor relevanten Aspekte beschränken und im Vergleich zur Länderanalyse recht knapp gehalten sind. Aus dem von Meyer u.a. beschriebenen global standardisierten Bildungssystem wird ein Kriterienkatalog entwickelt, der anschließend dazu dient, die in Mexiko realisierten Aspekte aufzuzeigen und gegebenenfalls Abweichungen sichtbar zu machen.

Das zweite Kapitel beginnt mit einem Länderportrait, welches neben Basisinformationen ebenfalls auf die internationale Orientierung Mexikos eingeht. Den Hauptteil bildet die Darstellung und Analyse des mexikanischen Bildungssystems, wobei systematisch anhand der zuvor genannten Kriterien die einzelnen Stufen und Dimensionen aufgeführt werden. Die Abweichungen, Unterschiede und Gegentendenzen, die sich aus der Analyse ergaben, werden in ausführlicher Form separat präsentiert.

Ein Fazit sowie ein Ausblick stellen den dritten Teil dieser Arbeit dar. Es werden die zuvor dargestellten Ergebnisse aufgegriffen und die Thesen des world-polity- Ansatzes mit den ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen in Mexiko in Bezug gesetzt.

1. Das Weltmodell Schule nach John W. Meyer u.a.

Laut Adick (2003) ist aus den weltweiten Schulentwicklungen der letzten 200 Jahre eine Art Weltmodell Schule entstanden, welches sich Meyer u.a. zufolge nicht aus ökonomischen Faktoren, sondern vielmehr aus einem universalistischen und globalen kulturellen Modell heraus entwickelt hat. Dieses Modell hat seinen Ursprung in der westlichen Gesellschaft (vgl. Adick 2003, S.173ff) und wird „am stärksten und direktesten [...] von den globalen Modellen des Fortschritts und der Gerechtigkeit beeinflußt.“ (Meyer/Ramirez 2005, S.221).

Das Weltmodell Schule entwickelte sich innerhalb der weltweiten Bildungsexpansion, die sich durch Faktoren wie steigendem Schulbesuch oder auch sinkender Analphabetismusrate auszeichnet (vgl. Adick 2003, S.176f). Meyer u.a. (1977) diagnostizierten auf Grund ihrer umfassenden Studien für die Zeit von 1950­1970 eine Weltbildungsrevolution, dessen implizite Strukturveränderungen sich „nicht durch ‚technische Erfordernisse’ und ihren Beitrag zum effizienten Erreichen von Zwecken erklären lassen.“ (Tacke 2006, S.94)

„Education everywhere expanded independent of the constraints and stimuli that economic, political, and social structures provided in previous time. This [...] has led us to speculate that the causes of this expansion lie in characteristics of the contemporary world system...“ (Meyer u.a. 1977, S.255)

1.1. Auf Bildung bezogene Grundlagen des world-polity- Ansatzes

Die Perspektive, aus der Meyer und Ramirez (2005) das Bildungssystem betrachten, ist ebenso wie ihre gesamte Argumentationslogik an makrosoziologischen und kulturalistischen Gesichtspunkten orientiert (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.216). „Bildung ist, kurz gesagt, ein zentraler und kausal wichtiger Bestandteil des kulturellen Modells der modernen Gesellschaft oder des modernen Nationalstaats.“ (ebd., S.217)3

Darüber hinaus wird die Bildun]g auch selbst zu einem spezifischen Modell, welches die globale Standardisierung fördert, ebenso wie diese das Modell der Bildung prägt. Es besteht folglich ein reziprokes Verhältnis zwischen der Ausbreitung der globalen Standardisierung und der des Bildungssystems. Zudem stellen Meyer und Ramirez fest, dass die Standardisierung von Bildungssystemen schneller vor sich geht als andere Prozesse der globalen Integration (vgl. ebd., S.214).

Bildungssysteme dienen unter anderem als Mittel, ein legitimiertes Mitglied der aus Nationalstaaten bestehenden Weltgesellschaft zu werden. Um dies zu erreichen, muss das Bildungssystem mit den anderen bezogen auf Entwicklungsziele und Wege zur Erreichung dieser Ziele übereinstimmen, wobei sich diese Assimilation jedoch auch nur in formalen Strukturen und der Außenwirkung des Systems äußern kann. Die tatsächliche Situation kann davon durchaus abweichen, was auf eine lose Kopplung zwischen Theorie und Praxis verweist, die eine Entkopplung der beiden Seiten ermöglicht (vgl. ebd., S.217). Legitimation wird erreicht, wenn eine oberflächliche Isomorphie vorliegt, die Effizienz dieser isomorphen Entwicklungen spielt hier keine Rolle. Gründe für Entkopplungserscheinungen sehen Meyer u.a. (2005) zum einen darin, dass Diffusionsprozesse an verschiedenen Stellen und Ebenen der Gesellschaft stattfinden und die Kombination der „zahlreichen verschiedenen Varianten der dominanten Modelle“ (ebd., S.99) Komplikationen mit sich bringen kann. Zum anderen sind die zum Teil stark idealisierten und in sich inkonsistenten Modelle mit unterschiedlichen lokalen Möglichkeiten und Bedingungen nicht realisierbar und es liegt generell in der Logik des Kopierens extern definierter Modelle, dass die interne Realisierung von den Modellen abweicht (vgl. ebd., S.100).

Die Ziele, die ein Nationalstaat unter anderem mit Hilfe seines Bildungssystems erreichen will, sind in erster Linie Fortschritt und Gerechtigkeit. (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.221/ Meyer 1996, S.23) Anknüpfend daran zählen die soziale Gleichheit der Individuen (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.221/ Meyer 1996, S.32), die Maximierung der Bildungsteilnahme und die Inklusion zuvor ausgeschlossener Gruppen usw. zu den impliziten kollektiven Zielvorstellungen (vgl. ebd., S.228).

Warum diese Ziele von so vielen Ländern auf der ganzen Welt adaptiert wurden, ebenso wie das Bildungssystem, welches – laut Meyer u.a. – am besten geeignet ist zur Realisierung dieser Ziele, wird innerhalb des world-polity- Ansatzes dadurch erklärt, dass das Bildungssystem einerseits zum allgemeinen Modell des modernen Nationalstaats gehört (vgl. ebd., S.217) und der globale Druck, den Nationalstaat und die Bildung zu standardisieren zugenommen hat (vgl. ebd., S.218). Andererseits unterstützen verschiedene Mechanismen die schnelle Ausbreitung des standardisierten Bildungsmodells. Zu diesen Mechanismen zählen dominante Modelle, die in der vorhandenen Weltordnung mit den verstärkten internationalen Netzwerken den einzelnen Ländern zum Kopieren zur Verfügung stehen. Hinzufügen lässt sich noch der wohl stärkste Mechanismus: die Verwissenschaftlichung und Professionalisierung der Bildung. In der globalen Kommunikation finden sich Analysen zur Bildung, wobei die Methoden weltweit legitimiert sind und die Disziplinen universelle Autorität aufweisen (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.220). Diesen Ausführungen zufolge wird die Verbreitung des global standardisierten Bildungssystems trotz des beschriebenen externen Drucks auf Nationalstaaten unter anderem durch inhärente Überzeugungskraft erklärt (vgl. Adick 2003, S.180). Die letzte These basiert gegenwärtig nicht auf empirischen Daten, doch Meyer und Ramirez selbst weisen auf die spekulativen Überlegungen hin, die ihr Aufsatz enthält (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.234).

1.2. Das global standardisierte Bildungssystem – Der Kriterienkatalog

Die moderne Bildung kommt einem globalen Unternehmen gleich, das universelle und universalistische Ansprüche vertritt, aus denen wiederum ähnliche formale Strukturen und Entwicklungen resultieren (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.216). Es enthält „klar definierte Vorstellungen von der Struktur des Bildungssystems [...], von den Inhalten der Lehrpläne [...], von der Organisation der Bildung [...] usw.“ (Meyer/Ramirez 2005, S.217). Je stärker ein Staat an die Weltgesellschaft gebunden ist, desto stärker werden globale Modelle adaptiert und das nationale Bildungssystem den internationalen Standards angepasst (vgl. ebd., S.221).

Diese Strukturen und curriculare sowie organisatorische Gegebenheiten und Entwicklungen sollen nun in Form eines Kriterienkatalogs dargestellt werden. Dieser differenziert zwischen drei Dimensionen: der strukturellen, der curricularen und der organisatorischen Dimension, innerhalb derer die dazugehörigen Indikatoren aufgelistet und – falls nötig – erläutert werden.

I. Die strukturelle Dimension (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.222ff)

a. Prinzip der allgemeinen Schulpflicht und zunehmender Schulbesuch
b. Ausbau der Bildung auf allen Stufen, dazu zählt auch die Ausbreitung des Universitätssystems
c. Anstieg der Teilnahme an höherer Bildung
d. Standardisierte Einteilung der Schullaufbahn (entsprechend des UNESCO-Modell aus sechs/drei/drei Jahren)
e. Aufkommen umfassender Modelle der Sekundarbildung, die auf Schichtungskriterien verzichten, was unter anderem eine Steigerung der Beteiligung von Frauen an höherer Bildung zur Folge hat
f. Egalitäre Prinzipien in der Bildung: Forderung von gleichen Bildungschancen und einem Verbot von Diskriminierung (auf Grund von Merkmalen wie Ethnizität, Klasse, Geschlecht)

II. Die curriculare Dimension (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.224ff/ Meyer 1996, S.27ff)

a. Tendenz hin zu einheitlichen, global standardisierten Lehrplänen (mit ähnlichen Fächern und einer ähnlichen Verteilung der Unterrichtszeit auf die einzelnen Fächer)
b. Social studies nach amerikanischem Modell statt Geographie und Geschichte
c. Verstärkte Beachtung globaler Fragen, universaler Prinzipien und der Gesellschaft im allgemeinen statt ein rein nationales Interesse
d. Trend hin zu Naturwissenschaften und Mathematik
e. Stärkere Beachtung des kindzentrierten aktiven Lernens
f. Wettrennen um die besten Leistungen

III. Die organisatorische Dimension (vgl. Meyer/Ramirez 2005, S.226f, Adick 2003, S.174ff)

a. Bildung hat den Status eines Bürgerrechts
b. Kontrolle der Bildung auf nationaler Ebene (nationales Bildungsministerium)
c. Öffentliche Bildungshaushalte
d. Klassenförmiger Unterricht hat sich gegenüber anderen Formen durchgesetzt
e. Professionalisierte Lehrerausbildung

2. Länderbeispiel Mexiko

„...ein Land, welches einem multikulturellen und pluriethnischen Mosaik (un mosaico multicultural y pluriétnico) gleicht...“ (Vogler 2006, S.166)

2.1. Die Vereinigten Mexikanischen Staaten – Basisinformationen

Die wichtigsten Veränderungen, die im vergangenen Jahrhundert in Mexiko stattfanden, wurzeln in der Revolution, die von 1910-1920 gewaltsam ausgetragen wurde (vgl. Tobler 2004, S.65). Folgen der Revolution waren unter anderem die Liberalisierung und Öffnung der Wirtschaft sowie die Demokratisierung des politischen Systems, um nur die wichtigsten zu nennen (vgl. Nohlen 2002, S.563). Erst mit Beginn des neuen Jahrtausends werden andere Tendenzen sichtbar, die sicherlich schon eher ihre Anfänge fanden, vor allem aber durch die Präsidentschaftswahlen 2000 deutlich wurden, in denen der Oppositionskandidat Vicente Fox Quesada der Partei der Nationalen Aktion (PAN)4 gewann und damit die lange Regierungszeit der Institutionalisierten Revolutionären Partei (PRI)5 endete (vgl. Tobler 2004, S.65ff). Auch mit Felipe Calderon (als Kandidat der PAN), der 2006 zum neuen Präsidenten gewählt wurde, setzt sich dieser Trend fort (vgl. http://www.presidencia.gob.mx/en/felipecalderon/).

Mexiko ist mit seinen 1958,201 Quadratkilometern Fläche das drittgrößte Land Lateinamerikas, in dem 2004 105,699 Millionen Menschen lebten (vgl. UNICEF 2006, S.162). Damit ist Mexiko die größte spanischsprachige Nation, die zudem ein hohes Bevölkerungswachstum aufweist (vgl. Nohlen 2002, S.565), ohne dass Mexiko als Einwanderungsland bezeichnet werden könnte. Die Hauptstadt ist Mexiko-Stadt mit ca. 22 Millionen Einwohnern, anhand der deutlich die Urbanisierung erkennbar ist. Insgesamt lebten im Jahr 2000 74% der mexikanischen Bevölkerung in den Städten, dabei gilt Mexiko immer noch als Agrarland (vgl. ebd., S.564).

Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus Mestizen, doch die bemerkenswerte und reiche Kultur Mexikos geht auf die ca. 12 Millionen Indios zurück6, was sich an den geschätzten 85 indigenen Sprachen oder auch an den 25 überwiegend präkolumbianischen Stätten zeigt, die von der UNESCO als Weltkulturerbe registriert sind (vgl. Auswärtiges Amt 2008). Mexiko weist hohe Einkommensunterschiede auf, Korruption ist weit verbreitet und die Ballungsräume verursachen zunehmend kaum zu bewältigende Probleme. (vgl. Nohlen 2002, S.564). Obwohl die Lebenserwartung 2004 bereits bei 74 Jahren lag (vgl. UNICEF 2006, S.212), liegt das Durchschnittsalter der Mexikaner bei 22 Jahren, das der Mexikanerinnen bei 23 Jahren. Ein Drittel der Bevölkerung ist jünger als 15 Jahre, was das Bildungswesen trotz einer Alphabetisierungsrate von mittlerweile rund 90% und ganzen 81,5% der Bevölkerung, die sich auf Spanisch verständigt, vor eine große Problematik stellt (vgl. Auswärtiges Amt 2008).

[...]


1 Interview im Readers Digit, April 2005

2 Anmerkung: Mexiko selbst beschreibt sich als país en vías de desarollo. Wörtlich übersetzt heißt dies: Land auf dem Entwicklungsweg.

3 Anmerkung: Auf eine ausführliche Beschreibung des world-polity- Ansatzes wird auf Grund des vorgegebenen Rahmens und um Inhalte der schriftlichen Seminarausarbeitung nicht zu wiederholen verzichtet, ist jedoch in John W. Meyers Werk Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. zu finden.

4 Im Original: Partido Acción Nacional

5 Im Original: Partido Revolucionario Institucional

6 Anmerkung: Je nach Quelle lassen sich große Variationen bezogen auf die Zahl der Indígenas feststellen.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Die globale Internationalisierung der Bildung nach John W. Meyer im Kontext des Bildungssystems Mexikos
Université
Ruhr-University of Bochum  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Cours
Globale Bildungstrends im Lichte weltgesellschaftlicher Theorien
Note
1,3
Auteur
Année
2008
Pages
29
N° de catalogue
V135114
ISBN (ebook)
9783640433469
ISBN (Livre)
9783640433643
Taille d'un fichier
705 KB
Langue
allemand
Mots clés
Instutiutionalisierung, John W. Meyer, Mexiko, Bildungssystem, interkulturell vergleichende Bildungsforschung
Citation du texte
Christina Menge (Auteur), 2008, Die globale Internationalisierung der Bildung nach John W. Meyer im Kontext des Bildungssystems Mexikos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135114

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