Eine literaturkritische Analyse des bürgerlich-realistischen Werkes „Der Schimmelreiter“


Dossier / Travail, 2006

16 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

1. Einblick in die Epoche und Storms Leben
1.1 Der Realismus- Begriff
1.2 Exkurs: Storm in Husum
1.3 Aspekte zur Werkentstehung

2. Der Mythos „Schimmelreiter“
2.1 Selbstheroisierung Hauke Haiens
2.2 Die dargestellte Gesellschaft: Konservatismus versus Moderne

3. Literaturtheoretische Analyse des Erzähltextes „Der Schimmelreiter“

4. Rezeptionsergebnisse für den Leser

Quellen

1. Einblick in die Epoche und Storms Leben

Zu Beginn ein kleiner Exkurs: die Lehreinrichtungen überliefern heute folgende Essenz aus literaturgeschichtlicher Betrachtung; die Werke der Künstler des Realismus finden sich zu-meist in Roman- oder Novellenform. Inhaltlich lässt sich eine Tendenz sowohl zum Regiona-lismus, als auch zum Historismus nachweisen, wobei hinsichtlich der Darstellung von gesell-schaftlichen Gefügen in den meisten Werken eine gewisse Kritik herauszulesen ist, die aber nur Teile eines solchen betrifft – keineswegs die Infragestellung des gesamten Systems. „Der Schimmelreiter“ wird als eines der größten Werke und als „Meisternovelle“ des bürgerlichen Realismus betrachtet, der Wirkungszeitraum dieser Epoche reicht von 1848 bis 1890. Der Autor des Werkes, Storm, reiht sich damit in Gruppe großer Schriftsteller und Epochenvertre-ter wie etwa Theodor Fontane und Gottfried Keller ein.

Nun zur wissenschaftlicheren Untersuchung des Gegenstandes; zunächst will diese literatur-kritische Analyse von „Der Schimmelreiter“ einen kurzen Einblick in die Epoche des bürger-lichen Realismus, in die das Werk gehört, gewähren. Danach werden die Fragen geklärt; ver-einigt dieses Werk die epochenimmanenten Merkmale und wie viel Autobiografisches hat Theodor Storm in seinem Spätwerk verarbeitet? Dazu erfolgt auch ein kleiner Exkurs in die Verbindung zu seiner Heimatstadt Husum. Keine Erzählung wird aus dem „Nichts“ erschaf-fen, so ist die Untersuchung von Storms Intentionen hinsichtlich der Werkentstehung nicht unwesentlich für die Gesamtanalyse. In diese Gesamtanalyse wird vorwiegend die inhaltliche, am Ende aber auch eine formale Betrachtung mit einfließen, das Augenmerk wird im Verlau-fe der Untersuchung immer wieder auf die Wirkung gerichtet, die der jeweilige Aspekt auf den Rezipienten ausübt.

1.1 Der Realismus- Begriff

Der Realismus als solches war bis dato aber nicht nur eine Problemstellung für Keller, Fonta-ne, Storm und die anderen Autoren, sondern es war ein immer wiederkehrendes Phänomen sowohl philosophischer, als auch künstlerischer Diskurse. Dieses Wahrheitsbestreben, das schon Platon und Aristoteles beschäftigte, wurde in Deutschland ab dem 18. Jahrhundert in Form von Novellen von Wieland und Goethe manifestiert. Novellistische Schriften finden wir aber bereits schon im 14. Jahrhundert wie „Decamerone“ von Boccaccio.

Goethe sprach im Zusammenhang mit realistischer Kunst von der „Nachahmung der Natur“1.

Der mittlerweile zum Epochennamen avancierte Literaturbegriff „Novelle“ wird des öfteren mit den Attributen „poetisch“ und „bürgerlich“ assoziiert, diese bergen aber jedes für sich eine genauere Bedeutungszuschreibung. Der Zusatz „poetisch“ ist auf eine Selbstdefinition der Schriftsteller zurückzuführen, die in Bezug auf ihre Texte eine Abgrenzung von Realitäts-nähe und den von Menschen geschaffenen Kunstprodukten bewirken und den Unterschied zu „künstlerisch unverarbeitet“ herstellen wollten.2 Der Begriff „poetischer Realismus“ verbindet den scheinbar stark auseinanderklaffenden Gegensatz zwischen der realen Welt, oder schlech-ten Wirklichkeit und der poetischen Idealität.

So unverwandt zu diesem Attribut ist das zweite, „bürgerlich“, nicht, denn damit wurde ganz konventionell eine Herkunftsmarkierung vorgenommen; d.h. die Autoren beriefen sich damit explizit auf ihre bürgerliche Abstammung. Eine weitere Lesart begründet hierin eine politi-sche Tendenz, wodurch die Texte des Realismus auch den Beinamen „Tendenzliteratur“ er-hielten. Außerdem ist eine Kontrastierung zu „sozialistisch“ gewollt. Die Verwendung des einen Attributes schließt demnach die gleichzeitige Bedeutungszuschreibung des anderen nicht aus.

Die Schriftsteller des Realismus legten in ihrer Kunst dar, „in welchem Grad und Umfang die gesellschaftlichen, politischen, geschichtlichen Bedingungen [rund um das Individuum] zum Vorschein kommen.“3. Daneben beruft sich die Programmatik der Epoche auf „das Wahre, nicht nur das Wirkliche“4, was einer Weiterentwicklung von Goethes „Nachahmung der Na-tur“ entspricht, aber auch nach wie vor mit dieser einhergeht. Die Essenz des Sichtbaren, also des scheinbar Wirklichen, kommt demnach nicht unbedingt der Wahrheit gleich; ähnlich dem perspektivischen Empfinden, das durch subjektive Wahrnehmung keinen Anspruch auf Wahrheit erheben kann. Das war es also, was von den Autoren angestrebt wurde darzustellen. Dazu kamen wie schon erwähnt die politischen Tendenzen der Autoren, die keineswegs durchgehend einen einheitlichen politischen Standpunkt vertraten. Wie bei Storm aber handel-te es sich durchaus um politisch sehr versierte und engagierte Persönlichkeiten.

Die Werke der Epoche sind eher zu dem Alterswerk der jeweiligen Autoren zu zählen, so begann Storm mit der Arbeit am „Schimmelreiter“ im Alter von 68 Jahren und starb kurz nach der Fertigstellung. Die Geschichten spielen je nach subjektivem Erfahrungshorizont des Einzelnen im ländlichen- oder kleinstädtischen Milieu. Dadurch kommen wir zu Theodor Storms Umgebung, die nachweislich großen Einfluss auf seine Poesie hatte.

1.2 Exkurs: Storm in Husum

Dazu kann ein kleiner Exkurs in seine Biografie Aufschluss geben. Husum ist genauer zu be-trachten, weil Storm sein gesamtes Leben mit der Stadt verbunden war. Den Beginn für die Beziehung zu der 1069 einer Sage nach entstandenen Stadt bildete natürlich seine Geburt in derselben im Jahre 1817, in der Adresse Haus Markt 9.5 Die Sage ist folgendermaßen überlie-fert; nach einer großen Wasserflut waren Zwanzigtausend Menschen ums Leben gekommen und ein Überlebender dieser Flut errichtete dort später ein Wirtschaftshaus, wo sich heute die Stadt Husum nordwestlich von Hamburg direkt an der Nordsee befindet. Bevor Storm die Stadt verließ, zog die Familie innerhalb dieser um (in die Hohle Gasse 3) und er besuchte ab 1826 die Gelehrtenschule Husum. Seine dort verbrachte Jugendzeit war also schon Grund dafür, dass das Umfeld dieser sagenumwobenen Küstenstadt einen großen Einfluss auf die Dichtkunst des berühmten Storm hatte. Auch das Leben am Wasser und dessen Gewalten, wie eine weitere Flut im 17. Jahrhundert sensibilisierten ihn im hohen Maße für das blaue Element und seine Gezeiten.

Diese real stattgefundene Sturmflut benennt er sogar im „Schimmelreiter“: „Wenn eine Sturmflut wiederkäme- eine, wie 1655 dagewesen, wo Gut und Menschen ungezählt ver-schlungen wurden“ (S. 661) – die Benennung oder Beschreibung von faktisch stattgefundenen Ereignissen ist ein historisches Detail, das wie schon erwähnt als Epochenmerkmal des Rea-lismus anzusehen ist. Nachdem er auf seinem weiteren Lebensweg die Universitäten Kiel und Berlin besucht hatte, zog es ihn doch wieder in seine Geburtstadt, wo er 1843 seine Rechts-anwaltskanzlei eröffnete (Großstraße 11), drei Jahre später bezog er Wohnung in der Straße Neustadt 56, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom Einfluss des Viehhandels gezeichnet worden war; die Straße „bestand fast ausschließlich aus Gasthäusern mit rückwär-tigen Stallanlagen.“6. 1853 aber verließ er Husum und zog nach Potsdam, wiederum drei Jah-re später nach Heiligenstadt, weil er dort eine Stelle als Kreisrichter antreten konnte.

Nach dem Tod seiner ersten konnte ihn seine zweite Frau doch wieder zu einem Umzug nach Husum bewegen, wo sie 1866 Wohnung in Wasserreihe 31 nahmen. Doch alt werden wollte er dort nicht, nach vierzehn Jahren begannen die Arbeiten an seiner Altersvilla in Hademar-schen. Ein Jahr vor seinem Tod wurde Theodor Storm zuteil, Ehrenbürger von Husum zu werden, wo er im Jahre 1888 auf dem Friedhof St. Jürgen beigesetzt wurde. Seine Geburts-stadt, zu der er immer wieder zurückkehrte, hatte also großen Einfluss auf ihn und übte eine ebenso große Anziehungskraft auf ihn aus.

[...]


1 Wieland Zirbs: Literaturlexikon: Daten, Fakten und Zusammenhänge, Berlin: Cornelsen, 41998.

2 Basiswissen Schule: Literatur, Berlin: Paetec 2002.

3 Preisendanz, Wolfgang: Wege des Realismus: Zur Poetik und Erzählkunst im 19. Jahrhundert, München: Wil­helm Fink 1977, S. 205.

4 Basiswissen Schule: Literatur, Berlin: Paetec 2002.

5 Storm, Theodor: Zeittafel. In: Erzählungen. Hg. v. Rüdiger Frommholz, Stuttgart: Reclam 1988.

6 www.westkueste.net - Geschichte Husum, 05.08.2006.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Eine literaturkritische Analyse des bürgerlich-realistischen Werkes „Der Schimmelreiter“
Université
University of Erfurt
Cours
Erzählliteratur des Realismus
Note
2,3
Auteur
Année
2006
Pages
16
N° de catalogue
V135139
ISBN (ebook)
9783640432585
ISBN (Livre)
9783640432486
Taille d'un fichier
469 KB
Langue
allemand
Mots clés
Eine, Analyse, Werkes, Schimmelreiter“
Citation du texte
René Ferchland (Auteur), 2006, Eine literaturkritische Analyse des bürgerlich-realistischen Werkes „Der Schimmelreiter“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135139

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