Chancen der Mediation als Verfahren zur Konfliktlösung innerhalb der Polizei


Magisterarbeit, 2009

88 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung

2. Grundlagen der Sozialpsychologie
2.1 Entstehung, Wirkung und Behandlung von Konflikten
2.1.1 Konfliktbegriff
2.1.2 Konfliktentstehung und Konfliktursachen
2.1.3 Konfliktarten
2.1.4 Auswirkungen des Konflikts
2.1.5 Konflikthandhabung
2.1.6 Modelle der Konfliktlösung
2.2 Interaktion und Kommunikation
2.2.1 Bedeutung von sozialer Interaktion und Kommunikation
2.2.2 Psychologische Grundlagen der Kommunikation
2.2.3 Entstehung und Ablauf der Kommunikation
Kommunikationsmodelle von:
Karl Bühler, Friedemann Schulz von Thun, Paul Watzlawick
2.2.4 Fehlerquellen der Kommunikation
2.3 Der Konflikt und die Gruppe
2.3.1 Rollen- und Machtstruktur
2.3.2 Gruppendynamik und Konfliktentstehung

3. Grundlagen der Mediation
3.1 Geschichte der Mediation
3.2 Ziele der Mediation
3.3 Anwendungsfelder der Mediation
3.4 Rolle des Mediators
3.5 Kommunikation in der Mediation
3.6 Planung und Ablauf der Mediation
3.7 Das Harvard-Konzept

4. Innerbehördliche Mediation in der Polizei
4.1 Gründe für die Entwicklung eines innerbehördlichen Konfliktmanagementsystems der Polizei
4.2 Konflikthandhabung, Gesprächsführung und Interventionsstrategien innerhalb der Polizei
4.3 Erwartungen an Mediation
4.4 Aus- und Fortbildung der Mediatoren
4.5 Individuelle und strukturelle Voraussetzungen mediativen Konfliktmanagements
4.6 Grenzen und Konsequenzen innerbehördlicher Mediation

5. Zur Durchführung der eigenen Befragung
5.1 Ziel der Befragung
5.2 Gewählte Methodik
5.3 Ergebnisse der Befragung
5.3.1 Kenntnisse über Mediation und Qualifikation zur Durchführung der Mediation
5.3.2 Eignung und wesentliche Voraussetzungen für eine nachhaltige Konfliktlösung
5.3.3 Einschätzung der Akzeptanz, bei einem Konflikt Hilfe in Anspruch zu nehmen
5.3.4 Erfahrungen mit Mediation
5.3.5 Negative Auswirkungen ungelöster Konflikte
5.3.6 Kriterien die ein Mediator erfüllen muss für die Eignung als Konfliktvermittler

6. Eignung der Mediation als Konfliktlösungsstrategie bei der Polizei

7. Zusammenfassung und Ergebnis

8. Literaturverzeichnis und Quellenangaben

9. Anhang

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Konflikte sind ein fester Bestandteil in jeder Gesellschaft und jeder Gruppe und somit ein Teil unserer alltäglichen Wirklichkeit. Der Umgang mit Konflik-ten stellt für alle Beteiligten zunächst einmal eine Belastung dar. Vielfältige Faktoren beeinflussen, wie Individuen sich in Konflikten verhalten und die Formen der Konfliktbearbeitung bestimmen, die sie in einer konfliktbehafteten Situation anwenden. Werden Konflikte nicht bearbeitet; kann dies zu einer Verschärfung der Konflikte und somit zu negativen Folgen führen. Zudem werden Verhandlungen immer erforderlicher, da jeder an Entscheidungen teil-haben möchte, die die eigene Person betreffen, ohne dass andere diese Ent-scheidungen bestimmen. Aus diesem Grund versuchten verschiedene Diszipli-nen Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln, wie beispielsweise zahlreiche Kommunikationswissenschaftler. Ein noch recht junges Verfahren zur Kon-fliktlösung stellt die Mediation dar; mit Hilfe eines Dritten, dem Mediator, soll es den streitenden Parteien ermöglicht werden, eine eigene, ihnen gemäße Konfliktlösung zu finden. So wird die Mediation zur Konfliktbeilegung mitt-lerweile in allen Lebensbereichen eingesetzt: Bei Partnerschafts- und Famili-enkonflikten, Miet- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, kommunalen und schu-lischen Konflikten als integrativer Bestandteil von Maßnahmen zur Gewaltprä-vention. Kennzeichen der Mediation ist vor allem, dass die Beteiligten eigen-verantwortlich und freiwillig versuchen, eine Lösung zu finden. Der Mediator unterstützt die Parteien ohne eine Entscheidungsbefugnis zu besitzen.

Obwohl für Polizeibeamte Konflikte und deren Handhabung zum Alltagsge-schehen gehören und Polizeibeamte berufsbedingt für das Konfliktmanage-ment in der Gesellschaft mit zuständig sind, kommt es wie in anderen Lebens-bereichen auch, häufig zu organisationsinternen Konflikten. Dazu zählen vor allem Teamkonflikte und Konflikte zwischen Führungs- und Mitarbeiterebene aber auch Mobbing. Ein erheblicher Anteil der Arbeitszeit von Führungskräf-ten und Mitarbeitern der Polizei wird bei der Konfliktverarbeitung verbraucht. Wenn innerdienstliche Konflikte nicht zu lösen sind, sinken häufig Motivation und Leistungsbereitschaft der Beteiligten. Dies führt nicht selten zu Wegbe-werbungen oder Krankheitsfällen wie z.B. dem Burn-out Syndrom.

Aus diesem Grund hat die Polizei bereits vor etwa zwanzig Jahren damit be-gonnen, ein innerdienstliches Konfliktmanagementsystem aufzubauen. Neben den bestehenden Angeboten der Polizeiseelsorge, der Polizeiärzte und der Per-sonalvertretungen, bildete die Polizei zahlreiche haupt- und nebenamtliche Konfliktberater bei den Polizeidienststellen und Fortbildungseinrichtungen aus. Mit den traditionellen Methoden der Konfliktlösung wurden allerdings viele Konflikte nicht gelöst und in vielen Behörden wird immer noch kein koordi-niertes Konfliktmanagement betrieben. Konflikte werden oftmals „ausgeses-sen“ und die Lösungen orientieren sich oft nicht an den Interessen der Beteilig-ten. Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit folgenden Fragen nachgegangen werden:

1. Ist die Mediation auch im Bereich der Polizei geeignet zur Konfliktbei-legung?
2. Findet die Methode der Mediation bei den Polizeiangehörigen die nötige Akzeptanz? Ist die Methode bei den Polizeibeamten überhaupt bekannt?
3. Gibt es Erfahrungen mit Mediation bei der Polizei?
4. Wie hat sich die innerbehördliche Mediation in der Polizei etabliert?
5. Wer wird als Mediator eingesetzt? Polizeibeamte oder externe Perso-nen? Und wo werden sie angegliedert, an Fortbildungseinrichtungen oder den Dienststellen?
6. Wie sieht die Aus- und Fortbildung der Konfliktberater aus?
7. Was wird von Mediation erwartet und wie wirkt sie?

Da im Mediationsverfahren Menschen handeln, die denken, fühlen, entschei-den, argumentieren, mit anderen Menschen in Interaktion treten und all dies in einem sozialen, physischen und rechtlichen Umfeld geschieht, das sie wahr-nehmen und auf das sie reagieren (Fietkau, H.-J.: 2005), wird in Kapitel 2 ge-nauer auf die Grundlagen der Sozialpsychologie eingegangen. Dieses Teilge-biet der Psychologie erscheint für ein Programm der Mediation unentbehrlich. Wenn Mediation bei der Bearbeitung und Bewältigung zwischenmenschlicher Konflikte helfen kann, ist es erforderlich, sich grundlegend mit Konflikten und der psychologischen Situation von Menschen im Konflikt zu beschäftigen.

Die Effizienz der polizeilichen Arbeit sowie die Sicherheit im polizeilichen Einschreiten sind sehr stark abhängig von einer erfolgreichen Konfliktbewälti- gung der eingesetzten Beamten. Polizeibeamte arbeiten größtenteils in Teams, sie sind keine „Einzelkämpfer“ und aufeinander angewiesen. Jeder einzelne muss sich auf seinen Kollegen verlassen können damit die körperliche Unver-sehrtheit oder gar das Leben der Beamten nicht in Gefahr geraten. Deshalb wird in Kapitel 2.1 dargelegt, wie Konflikte entstehen, wie sie wirken und wie sie zu handhaben sind.

Konfliktursachen stellen sehr häufig Kommunikationsprobleme dar. Eine feh-lerhafte Kommunikation setzt den Kreislauf von Missverständnis, Schuldzu-weisung, Entfremdung und Feindseligkeit in Gang. Kapitel 2.2 wird daher auf die psychologischen Grundlagen, die Entstehung, den Ablauf und die Fehler-quellen der Kommunikation eingehen. Als theoretische Grundlagen werden die Kommunikationsmodelle von Karl Bühler, Friedemann Schulz von Thun und Paul Watzlawick vorgestellt.

Polizeibeamte sind Mitglieder einer sehr speziellen Gruppe. Auch hier entwi-ckelt sich wie in allen anderen sozialen Gruppen eine Dynamik durch unter-schiedliche Erwartungen, die die einzelnen Mitglieder mitbringen. Die sich daraus ergebenen Konflikte müssen bearbeitet werden. In Kapitel 2.3 wird da-her auf die Gruppenprozesse in diesen Konflikten unter Einbeziehung von Gruppenverhalten, Macht- und Rollenstruktur eingegangen.

Nach Darlegung der Grundlagen der Sozialpsychologie bilden den Hauptteil der Arbeit die Mediation als Konfliktlösungsstrategie im Allgemeinen, wobei auch hier erst detailliert auf die Grundlagen eingegangen wird; anschließend werden die Planung sowie der Ablauf des Verfahrens und die Mediation in der Polizei dargelegt. Des Weiteren erfolgt im Hauptteil die Darstellung einer ei-genen kleinen Befragung von zehn hauptamtlich eingesetzten Konfliktberatern des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) in Münster. Ziel dieser Befragung war unter anderem die Ermittlung von Qualifikationen der Berater für die Durchführung von Mediation, die Ak-zeptanz und die damit gemachten Erfahrungen. Im Kapitel 6 wird die Eignung der Mediation innerhalb der polizeilichen Organisationen unter Betrachtung der Ergebnisse einer in Baden-Württemberg durchgeführten Befragung disku-tiert. Und das letzte Kapitel beinhaltet die Zusammenfassung und das Fazit dieser Arbeit.

Um den Lesefluss zu erleichtern wurde auf eine durchgängige Doppelnennung der femininen und maskulinen Form verzichtet; Gemeint sind jedoch immer beide Geschlechter.

2. Grundlagen der Sozialpsychologie

2.1 Entstehung, Wirkung und Behandlung von Konflikten

2.1.1 Konfliktbegriff

In seinem Handbuch zur Diagnose und Behandlung von Konflikten bietet Friedrich Glasl (2008) eine kommentierte Auswahl wissenschaftlicher Defini-tionen von sozialen Konflikten an. So ist nach Berlew (1977) „ein Konflikt gegeben, wenn man untereinander eine Uneinigkeit hat“. Eine weitere Um-schreibung des Konfliktbegriffs und keine wirkliche Analyse oder Definition stammt von Dahrendorf (1961). Demnach soll der Konfliktbegriff zunächst jede Beziehung von Elementen bezeichnen, die sich durch objektive (latente) oder subjektive (manifeste) Gegensätzlichkeit auszeichnet; die Kriterien für diese Gegensätzlichkeit bleiben ungeklärt. Nach Rosenstiel (1980) liegt ein interindividueller, so genannter sozialer Konflikt dann vor, wenn zwischen Konfliktparteien, die jeweils aus zumindest einer Person bestehen, unvereinba-re Handlungstendenzen beobachtet werden. Seine eigene Definition sieht Glasl als den Versuch einer umfassenden Synthese: Demnach ist ein sozialer Kon-flikt eine Interaktion zwischen Aktoren, wobei wenigstens ein Aktor Unver-einbarkeiten im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen mit dem anderen Aktor in der Art erlebt, dass im Realisieren eine Be-einträchtigung durch einen anderen Aktor erfolgt (Glasl, 1990). Nach Glasl beruht ein Konflikt also auf Unvereinbarkeiten, die wenigstens von einer Seite so empfunden werden müssen. Zu dieser Unvereinbarkeit muss aber noch ein entsprechendes Interaktionshandeln einer Seite hinzutreten, dass von der ande-ren Seite als eine Beeinträchtigung eigener Ziele, Interessen, Gefühle oder Vorstellungen empfunden wird. Glasl warnt in diesem Zusammenhang davor jede Meinungsdifferenz, Spannungssituation, Missstimmung oder Antipathie gleich zum Konflikt zu erklären (Beck & Schwarz, 1995). In seinen späteren Büchern unterscheidet Glasl soziale Konflikte und Differenzen. Allen sozialen Konflikten liegen immer Differenzen zugrunde – aber nicht alle Differenzen sind schon Konflikte. So sind Differenzen gar nicht das Problem, sondern es kommt einzig und allein darauf an, wie die Menschen die Differenzen erleben und wie sie mit ihnen umgehen. Der Autor spricht dann von einem Konflikt, wenn wenigstens ein Aktor den Umgang mit einer Differenz so erlebt, dass er als Aktor durch das Handeln eines anderen beeinträchtigt wird, selbst die eige-nen Vorstellungen, Gefühle oder Absichten zu leben oder zu verwirklichen. In einer neuen Definition des sozialen Konfliktes spricht Glasl nicht mehr von Unvereinbarkeiten auf denen ein Konflikt beruht, sondern von Differenzen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen (Glasl, 2008). Konflikte sind damit alltägliche Ereignisse überall dort, wo Menschen beieinander und miteinander leben (Geißler § Landsberg § Reinartz, 1990).

2.1.2 Konfliktentstehung und Konfliktursachen

Es gibt nicht viele Lebensbereiche, in denen das Konfliktpotential vergleichbar groß ist wie in der öffentlichen Verwaltung. Die Komplexität des Verwaltungs-systems, seine politischen Implikationen, die Breite und Vielfalt der Beziehun-gen zur Umwelt sowie die Formen des Verwaltungshandelns induzieren un-vermeidbar Konfliktsituationen. Am häufigsten sind dabei innerorganisatori-sche Konflikte wie Störungen des Arbeitsklimas, Konflikte bei Organisations-veränderungen oder Organkonflikte. Konflikte sind normal, allgegenwärtig und erfüllen positive Funktionen. Sie weisen auf Probleme hin, fördern Innovation, erfordern Kommunikation, verhindern Stagnation, regen Interesse an, lösen Veränderungen aus, stimulieren Kreativität, festigen Gruppen, führen zu Selbsterkenntnissen und verlangen nach Lösungen. Die Problematik entsteht erst dann, wenn Konflikte nicht bearbeitet und verdrängt werden, dies kann auch in Verwaltungen zu gravierenden Störungen führen (Beck § Schwarz, 1995). Im Rahmen der Bearbeitung eines Konfliktes ist eine sinnvolle Ent-scheidung erst dann möglich, wenn alle unterschiedlichen Aspekte und Dimen-sionen eines Problems auch tatsächlich ausgesprochen sind (Schwarz, 2005). Nach Glasl entsteht ein Konflikt dann, wenn es mehr und mehr zu einer Beein-trächtigung der sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit kommt, wodurch die am Konflikt beteiligten Personen zu unterschiedlichen Bildern der Wirklichkeit kommen. Jede Partei meint aber, dass ihr Bild das richtige sei und dass die an-dere Partei die Wirklichkeit verfälsche. Diese unterschiedlichen Bilder führen ihrerseits wieder zu mehr Aggressionen; vergrößern die Wahrnehmungsunter- schiede und sind der Antrieb zu weiteren Angriffen. Die Aufmerksamkeit wird selektiv, Bedrohliches wird deutlicher gesehen, störende Eigenschaften des Gegenübers fallen auf und es wird nur noch das gesehen, was der eigenen Mei-nung entspricht, das heißt, bestehende Vorurteile scheinen bestätigt zu werden und verfestigen sich. Im Denken der Menschen treten zunehmend Verallge-meinerungen auf. Es entstehen Schwarz-Weiß-Bilder sowie polarisierte Vor-stellungen und wirklichkeitsfremde Bilder. Die Ursache der Differenzen wird beim Gegner gesehen (Glasl 2008).

In Organisationen wird ein Großteil der Konflikte durch Zieldivergenzen aus-gelöst. Polizeibeamte müssen in ihren Organisationen Organisationsziele erfül-len, die ihnen durch die Verfassung, Gesetze, Verordnungen usw. vorgegeben sind oder von höherer Stelle auf dieser Grundlage ausgearbeitet werden. So entwickeln die Beamten für die Aufgabenerfüllung Ziele aus ihrer persönlichen Sicht und geraten damit entweder in einen Gegensatz zu den Organisationszie-len oder an die Grenze der Möglichkeiten der Organisation sowohl in ideeller als auch materieller Hinsicht. Differenzen in der Zielausrichtung betreffen die Strategie und die grundlegende Marschrichtung. Sie beherrschen in einer Or­ganisation die gesamte Beziehungsstruktur zwischen Vorgesetzten und Mitar-beitern. Indem der Vorgesetzte die Organisationsziele setzt, entscheidet die Attraktivität der Ziele darüber, ob der Mitarbeiter sie für erstrebenswert hält oder ob sie - von vielen außer- und innerdienstlichen Einflüssen beherrscht - für ihn zum Konflikt werden. Jede Organisation weist aufgrund ihrer Eigen-tümlichkeit als soziales Gebilde ein variables Konfliktpotential auf, das neben Zieldivergenzen von drei weiteren fundamentalen Bereichen abhängt. Zum einen von dem Grad und der Form der wechselseitigen Abhängigkeit. Die Ab-hängigkeiten können Spielräume beinhalten, einengen oder gar ausschließen. Zum anderen eröffnet der Zugriff auf gemeinsame Ressourcen die Möglichkeit von Verteilungskonflikten. Sie sind besonders dann heftig, wenn die Orientie-rung an gemeinsamen, übergeordneten Zielen fehlt und keine wertfundierten Spielregeln für das Austragen solcher Konflikte existieren. Als dritte Kategorie müssen persönliche Eigentümlichkeiten hinzugefügt werden. Es stellt sich die Frage, ob die Mitarbeiter aufgrund ihres Persönlichkeitsstils, Temperaments und Charakters in die Organisation passen (Berkel, 2005).

Nach der Betrachtung von Bronner (1985) sind Konflikte vielfach Ursachen oder Wirkungen von Kommunikations-Störungen: Missverständnisse im lingu-istischen Bereich, vor allem semantische und pragmatische Divergenzen, Nichtbeachtung nonverbaler Kommunikation, Widersprüche zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation, Versuche der Kommunikations-Vermeidung und Überlagerungen von Inhalts- und Beziehungsebene.

Die Konfliktentwicklung insgesamt erfolgt als dynamischer Verlauf in Phasen. Der Konflikt entsteht in der Latenzphase als unbewusster Prozess, die Span-nungen selbst werden noch nicht wahrgenommen. Erst in der kognitiven Phase werden die Konflikte dem Individuum bewusst. Es ist zu unterscheiden zwi-schen wahrgenommenen und „gefühlten“ Konflikten, so werden in der Emp-findungsphase (Konfliktpersonalisierung) Emotionen aktiviert und ggf. ande-ren Phasen neu zugeordnet. In der darauf folgenden Reaktionsphase wird der Konflikt manifestiert und mögliche Verhaltensweisen sind beispielsweise Ag­gression, Passivität oder Defensive. In der Nachwirkungsphase werden die Folgen des Konfliktes erkennbar. Oft wird in dieser letzten Phase durch fehler-hafte Konflikthandhabung der Grundstein für neue Spannungen gelegt. Dieser Prozess läuft nicht immer in dieser Reihenfolge ab, Rückkopplungen sind mög-lich und einzelne Stufen können auch übersprungen werden. Wichtig ist je-doch, dass dieser Verlauf mitbestimmend ist für das Verfahren der Konflikt-handhabung (Altmann § Berndt, 1992). Zusammenfassend lässt sich für die Polizei als Teil der öffentlichen Verwaltung sagen, dass folgende Konfliktursa-chen denkbar sind: Die Diskrepanz von Wertvorstellungen und Werthaltungen sowie die Diskrepanz von Motiven, Gefühlen und Individualzielen. Des Weite-ren Wettbewerbe um knappe Ressourcen, Störungen im Informationsverlauf und als formale Konfliktursachen, Kompetenzunklarheiten, Abweichungen von Rollenbeschreibungen etc.

2.1.3 Konfliktarten

In der Konfliktlehre wird zwischen echten und unechten Konflikten unter-schieden. Echten Konflikten liegt eine tatsächliche Ursache als eine innere Spannung zugrunde, während unechte Konflikte nicht durch gegensätzliche Ziele der Kontrahenten verursacht werden, sondern durch das Bedürfnis, die Spannung zu entladen. Bei echten Konflikten unterscheidet man zwischen int-ra-individuellen-Konflikt, dem inter-individuellen-Konflikt und dem Inter- Gruppen-Konflikt. Bei einem intra-individuellen-Konflikt wird der Konflikt verinnerlicht und nach außen nur mittelbar wirksam. Beispiele für einen sol-chen Konflikt sind allgemeine Unzufriedenheit aus der Nichtbefriedigung einer persönlichen Bedürfnislage, aus dem Anstreben zweier sich gegenseitig aus-schließender Ziele, aus dem Anstreben eines Zieles bei gleichzeitigem Zwei-fel, ob dies objektiv zweckmäßig ist oder aus dem Anstreben eines Zieles bei gleichzeitigem Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, verbunden mit der Furcht vor Misserfolg. Insbesondere bei dieser Konfliktart kann die Zufriedenheit des einzelnen in seinem Arbeitsbereich ganz wesentlich beeinflusst werden (Alt­mann § Berndt, 1992). Der inter-individuelle-Konflikt besteht in einem Span-nungsverhältnis zwischen dem Individuum und der sozialen Umwelt innerhalb seiner Organisation, wo keine Übereinstimmung zwischen dem einzelnen oder Gruppen bezüglich ihrer Rollen, Positionen sowie ihres Status besteht. Bei ei-nem Inter-Gruppen-Konflikt spielen insbesondere Gruppendenken und Grup-penverhalten eine Rolle (Beck § Schwarz, 1995). Gerade innerhalb einer Grup-pe von Polizeibeamten werden relativ feste wechselseitige Verhaltenserwar-tungen gebildet, die mit einer gewissen Verlässlichkeit von jedem zu erfüllen sind. Wer als Einzelperson die an seine Mitgliedsrolle gestellten Erwartungen nicht anerkennt, trotzdem aber Mitglied bleiben will, muss mit sich selbst stän-dig in Widerspruch geraten. Er verliert sein Gesicht, seine Persönlichkeit, sein Ansehen, wenn er nicht entweder seine Ansichten ändert oder seine Mitglied-schaft aufgibt (Luhmann, 1972).

Gegenüber dem echten Konflikt wird der unechte Konflikt nicht durch gegen-sätzliche Ziele verursacht, sondern durch die Notwendigkeit einer Spannungs-entladung. Es findet eine Konfliktverschiebung statt, das Angriffsobjekt hängt von unbestimmten Voraussetzungen ab und steht nicht in Zusammenhang mit einem Streitpunkt. Auch ist der Auslösende nicht an der Erreichung bestimmter Resultate interessiert (Altmann § Berndt, 1992).

Neben der Ordnung der Konflikte in unechte und echte sowie nach Merkmalen der Konfliktparteien, ist in der einschlägigen Literatur auch die Gegenüberstel-lung folgender Begriffspaare üblich: Latente Konflikte, die zwar vorhanden sind, aber nicht offen ausgetragen werden. Manifeste also offenliegende Kon-flikte, die sich häufig aus latenten Konflikten entwickeln. Des Weiteren per-sönliche Konflikte: im Fühlen, Denken oder Wollen von Personen begründete Auseinandersetzung mit anderen und sachliche Konflikte, die im Kern sachbe-zogenen Auseinandersetzungen, die jedoch auch von persönlichen Gefühlen begleitet sein können. Glasl (1990) schlägt eine Kategorisierung der Konflikt-arten in einem Drei-Typen-Modell vor: Eine Unterscheidung der Konflikte nach unterschiedlichen Streitgegenständen, unterschiedlichen Erscheinungs-formen der Auseinandersetzung und Konflikte nach Merkmalen der Konflikt-parteien (Beck § Schwarz, 1995).

2.1.4 Auswirkungen des Konflikts

Meist werden Konflikte in einer Organisation als leistungsmindernde und sta-bilitätsgefährdende Störfaktoren angesehen und sollen daher möglichst ver-mieden werden. Aus diesen Gründen werden Konflikte meist geleugnet und bewusst übersehen in der Hoffnung, dass sie sich von selbst lösen. Allerdings geht die wissenschaftliche Betrachtungsweise davon aus, dass Konflikte grund-sätzlich unvermeidbar, aber in ihren Auswirkungen auch positiv sind. Konflik-te führen zu Integration und Fortschritt und gerade bei Zielsetzungen, Planun-gen und Entscheidungen im organisationsfunktionalen Bereich, zu neuen, bes-seren Ideen und Handlungen. Ein bestimmtes Maß an Konflikten ist wichtig für die Gruppenbildung und den Gruppenbestand. Kräfteverhältnisse werden ge-testet und dadurch erhalten, dass hin und wieder die Machtverhältnisse einer erneuten Überprüfung unterzogen werden. Vor allem die Auseinandersetzung mit Fremdgruppen führt zu einer Festigung des inneren Gruppenzusammen-halts und bei Konflikten nach außen nimmt nach innen der Zusammenhalt zu. Diese Art der Auseinandersetzung muss nicht negativ gewertet werden, son-dern kann auch in der Anerkennung der anderen Gruppe als Vorbild gesehen werden. Konflikte in einer sozialen Organisation, wie es auch die Polizei ist, sind immer dann positiv, wenn sie leistungssteigernd wirken und den Bestand von Organisationseinheiten sowie deren Weiterentwicklung sichern. Konflikte sind negativ, wenn sie die Bereitschaft verringern, Probleme sachdienlich zur bewältigen. Auch im Polizeiberuf sind die Menschen unterschiedlich in der Lage mit Belastungen umzugehen. Je nach persönlicher Regulationsfähigkeit können Konflikte zu Stress in negativem Sinne, also zu Disstress führen. Die-ser beeinflusst neben der Fähigkeit Probleme zu lösen, die Intelligenz, die Leis-tungsmotivation sowie das Probleminteresse (Neuens, 1979). Häufig existieren extrem einseitige Haltungen in Konflikten: Die Menschen sind entweder sehr konfliktscheu oder sehr streitlustig. Im ersten Falle entsteht in einer Organisa­tion eine Kultur der Konfliktvermeidung und Konfliktunterdrückung, die zu Erstarrung sowie zum Verlust von Freude, Kreativität und Vitalität führt; oder es wird im zweiten Fall über alles und mit allen heftig gestritten, bis jegliche Gemeinsamkeit zerstört ist. Keine der beiden Haltungen versetzt die Menschen in die Lage, sich mit Konflikten konstruktiv auseinanderzusetzen und wenn sie sich in ihrer Einseitigkeit verstärken, können sie eine Gemeinschaft in den Un-tergang treiben. Die Konfliktscheuen befürchten, dass sie durch eventuelles aggressives Auftreten gefühllos und unmenschlich wirken. Sie verzichten auf harte Austragungsformen, unterdrücken ihre Gefühle und ziehen sich zurück. Die Streitlustigen befürchten hingegen, dass sie nicht genug zu sich selbst ste-hen, wenn sie sich zu nachgiebig zeigen; sie handeln offensiv und nehmen lie-ber Wunden bei sich und den anderen in Kauf, als dass sie das Feld räumen (Fisher § Ury § Patton, 2004). Eine weitere Hauptwirkung von Konflikten ist der Kontrollverlust als Symptom massiv gefährdeter Leistungsbedingungen mit situationsüberdauernden Folgeerscheinungen und Aggressivität als Zeichen gestörter Interaktionsbedingungen mit ebenfalls situationsüberdauernden Fol-geeffekten (Bronner, 1985). Der einzelne erlebt Konflikte oft in Form von Frustrationen, als das Ausbleiben einer erwarteten positiven Verstärkung oder es besteht bereits eine längere Konfliktgeschichte mit Missverständnissen zwi-schen den Menschen, ohne einer Problemlösung näher gekommen zu sein. Im weiteren Verlauf des Konflikts kommt es dann zu einer Vermengung von sach-lichen Differenzen und Beziehungsunklarheiten und auf alles, den Konflikt betreffend, reagieren die Konfliktpartner stark emotional. Eine problemlösende Kommunikation ist nicht mehr möglich, Kampf auf der einen und Rückzug auf der anderen Seite sind die Folgen. Massive interpersonelle Konflikte verändern Menschen und werden als starke Belastung erlebt, die ideelle, soziale oder ma-terielle Bedingungen des Lebens bedrohen. Durch diese Bedrohung werden kognitiv-emotionale Verhaltensmuster (Schemata) mobilisiert, die starke emo-tionale Reaktionen hervorrufen und Selbstschutzmechanismen auslösen. Erle-ben und Verhalten verändern sich, Wahrnehmung, Denken und Vorstellung verzerren sich. Oft geht die Kontrolle über eigenes Handeln verloren (Haynes § Mecke § Bastine § Fong, 2004).

2.1.5 Konflikthandhabung

Grundsätzlich wohnt Konflikten ein Lösungsdruck inne, sie können nicht über längere Zeit offen bleiben, drängen auf eine Entscheidung. Eine Konfliktbe-wältigung umfasst alle Konzeptionen und Methoden, die die Beteiligten selbst oder eine dritte Partei (Berater, Vermittler, Schlichter, Machtinstanz) in und mit einem Konflikt unternehmen, um, allein oder gemeinsam, (wieder) situati-onsgerecht erleben und zielorientiert handeln zu können. Konflikte beginnen in der Person und enden auch wieder in ihr. Daher ist die Konfliktfähigkeit der Person von entscheidender Bedeutung. Jedem Menschen steht ein unterschied-liches Potenzial von Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung zur Verfügung (Berkel 2005). Ressourcen können unterschieden werden in persönliche, mate-rielle, soziale und ideell-kulturelle. Personale Ressourcen sind relativ stabile Potentiale und das Ergebnis vorausgegangener Lernerfahrungen. Selbstkonzept und Selbstwertgefühl beeinflussen das Bewältigungsverhalten und auch soziale und kommunikative Kompetenzen spielen eine wichtige Rolle. Individuelle Reaktionen auf Konflikte können bereits Formen der Konfliktbewältigung sein und dazu gehören Ignorieren, Tolerieren, Resignieren, Regredieren, Rationali-sieren und Instrumentalisieren. Diese Reaktionen laufen meist spontan und unwillkürlich ab. Spätestens seit Sigmund Freud ist bekannt, dass auch das Unbewusste bei der Konfliktbewältigung eine gewichtige Rolle spielt. Aller-dings führen solche Reaktionen auf Dauer nicht zu einer Konfliktlösung und dienen bestenfalls zur vorübergehenden Bewältigung der negativen Emotionen (Berkel, 2005). Konfliktfähige Menschen können einen Beitrag dazu liefern, dass in der Organisation in der sie arbeiten ein konstruktiver Umgang mit Kon-flikten möglich ist. Die Konfliktfähigkeit beinhaltet sowohl eine Reihe von Kenntnissen über Ursachen und Verlauf von Konflikten als auch die Bereit-schaft sich in die soziale Interaktion der Auseinandersetzung einzulassen. Die Eigenschaft der Konfliktfähigkeit ist weitgehend gelernt und in der frühkindli-chen Sozialisation mehr oder minder gut entwickelt und lässt sich durch Be-rufserfahrung und Training verbessern. Dabei sind die Techniken der Stress-bewältigung zu berücksichtigen. Auch ist es für eine konstruktive Lösung von Vorteil, das Gegenüber als sozialen Interaktionspartner zu erleben (Scheler § Haselow, 1994). Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten ist nur möglich mit bestimmten Verfahren, mit denen Spannungen frühzeitig erkannt werden kön- nen. Weiterhin müssen Organe gebildet werden, in denen es zu einer Begeg-nung der Gegensätze und zu einem Austragen der unterschiedlichen Ideen und Interessen kommt. Diese Verfahren und Organe werden zusammen Konfliktre-gulatoren genannt und sind der Kern der Konfliktfestigkeit einer Organisation. Dazu gehören beispielsweise Signalverfahren, die erste Anzeichen von Span-nungen offen legen, wie Mitarbeiterbefragungen zum Arbeitsklima und zu Ver-trauensbeziehungen oder Beschwerdebriefkästen. Auch direkte Begegnungen und Gespräche sind möglich, beispielsweise Feedback-Gespräche, Supervision oder Coaching (Glasl 2008). Die Organisationskultur hat großen Einfluss auf die Konflikthandhabung. In Organisationen herrschen zentrale Glaubensvor-stellungen und Werte, die den einzelnen Mitgliedern nur eingeschränkt bewusst sind. Dieses Glaubens- und Wertesystem hat die Funktion Wahrnehmung zu filtern, Interpretationen, Verhalten und Handlungen zu steuern und diese im Nachhinein zu rechtfertigen (Sackmann, 1983). Gemeinsame Erfahrungen werden symbolisch verdichtet, institutionalisiert und an neue Mitglieder wei-tergegeben. Je homogener die Organisationskultur ist, desto leichter fällt den Angehörigen die Orientierung. Die Organisationskultur repräsentiert als Sym-bolsystem eine vereinfachte, aber konsensuelle Sichtweise dessen, was an der jeweiligen Organisation wichtig ist, wie sie am besten funktioniert und in Zu-kunft sein soll (Brunner, 1993). Die Art und Weise, wie Botschaften von den betroffenen Organisationsmitgliedern gedeutet werden, steuert dann die indivi-duellen Reaktionen, die auf die Konfliktwahrnehmung folgen und damit auch die Wahl der Konfliktbewältigungsstrategie auf sozialer Ebene, das heißt die Interaktionen zwischen den Konfliktparteien (Beck § Schwarz, 1995). Bei der Konflikthandhabung ist die Erforschung der Ursache von wesentlicher Bedeu-tung und ihr Ziel ist die Konfliktminimierung. Konflikthandhabung ist eine wichtige Führungsaufgabe; Führungshandeln muss solche Bedingungen herstellen, die geeignet sind, Wirkungen negativer Konflikte vorzubeugen bezie-hungsweise ihre Ursachen von vornherein abzuschwächen. Voraussetzung da-für ist jedoch, dass zwischen Führungs- und Mitarbeiterebene ein gutes Ver-trauensverhältnis besteht. Zudem setzt ein vorbeugendes Konfliktmanagement Kenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten sozialer Interaktionen und typischer Verlaufsformen voraus. So sind auch in der Mitarbeiterführung und in der Zu-sammenarbeit der Teams immer wieder gleiche Konstellationen zu finden, die mit hoher Sicherheit zu Konflikten führen werden. Hier ist es angezeigt Kon-fliktmanagement präventiv zu betreiben. So besteht die Möglichkeit, die Er-wartungshaltungen zur Konfliktvorbeugung zu formalisieren und für die ein-zelnen Mitarbeiter eine Orientierungsmöglichkeit zu schaffen. Die Zielsetzung der Organisation und das individuelle Rollenverhalten werden für die jeweilige hierarchische Ebene generalisiert. Die Formalisierung des Rollenverhaltens erfordert eine sachliche Beschreibung wie beispielsweise in der Form von Stel-lenbeschreibungen oder Ablaufregeln. Überschneidungen im Bereich der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten bleiben aus; damit wird der Konflikt-stoff verringert. Ebenso können die richtige Auswahl der Information und Rückkopplungsmöglichkeiten Konflikte verhindern (Altmann § Berndt, 1992). Auch allgemeines Führungstraining und Stressbewältigungsseminare können als präventive Maßnahmen gelten. Des Weiteren sind im Rahmen jeder Kon-fliktintervention drei prinzipielle Lösungen von Konflikten möglich: Zunächst ist genau zu definieren, wer am Konflikt beteiligt ist und worin der Konfliktge-gensatz besteht. Beruht etwa eine Auseinandersetzung auf einer Fehlinformati-on, so kann durch richtige Information die Ursache des Konfliktes beseitigt werden. Bei Beziehungskonflikten sind eher Kompromisslösungen anzustre-ben. Jeder der Beteiligten nimmt etwas von seinem Angriff zurück und ver-zichtet auf einen Teil der angestrebten Wiedergutmachung. Einige Konflikte lassen sich nicht lösen in dem Sinne, dass die Ursachen des Konfliktes zu be-seitigen sind. Dies gilt insbesondere für alle Auseinandersetzungen über recht-liche Maßnahmen, die nach dem Legalitätsprinzip durchzuführen sind. Wenn keine Lösung in diesem Sinne möglich ist, sind noch vielfältige Gestaltungs-möglichkeiten der sozialen Interaktion vorhanden.

2.1.6 Modelle der Konfliktlösung

Je nach der Ebene der Auseinandersetzung, auf die sich die theoretische oder die praktisch orientierte Bearbeitung bezieht: Ob auf das Individuum, die Gruppe oder die Organisation, es entstehen fortlaufend neue Techniken der Konfliktbearbeitung. Aber was ist unter Konfliktlösung zu verstehen? Der Au-tor Gerhard Schwarz (2005) versteht unter einer Konfliktlösung, dass die Geg-ner einen Modus gefunden haben, in dem der Gegensatz soweit verschwunden ist, dass die Handlungsfähigkeit von beiden nicht weiter beeinträchtigt wird.

Nach seiner Ansicht gibt es für das Entstehen eines solchen Modus der wieder-erlangten Handlungsfähigkeit im Bereich des Konfliktgegenstandes sechs Grundmuster. Die vielfältigen Lösungen können jeweils auf eines dieser Grundmuster zurückgeführt werden. Diese Grundmuster sind Flucht, Vernich-tung des Gegners, Unterordnung des einen unter den anderen, Delegation an eine dritte Instanz, Kompromiss und Konsens. Die Flucht ist das am nächsten liegende Verhaltensmuster und kann anfänglich energiesparend und mit wenig Risiko verbunden sein. Wird dieser Lösungsversuch zur dauerhaften Instituti­on, kommt der Konflikt in schärferer Form wieder und lässt keine Weiterent-wicklung zu. Ein Hauptnachteil ist, dass kein Lernprozess initiiert wird. Ein Konflikt, der nicht mehr durch Flucht gelöst werden kann, zwingt die Beteilig-ten zum Kampf. Die erste Form des Kampfes ist der Versuch, den Gegner zu vernichten. Vorteil des Vernichtungskampfes ist, dass der Gegner rasch und dauerhaft beseitigt wird. Der Sieger geht gestärkt aus der Auseinandersetzung hervor. Der Nachteil besteht im Wesentlichen, dass mit dem Verlust des Geg-ners, der Verlust einer Alternative gleichzeitig mitgegeben ist, das heißt, Ent-wicklung wird in einem sehr starken Ausmaß gefährdet. Weder in Geschäfts-beziehungen noch in politischen und in privaten Beziehungen können solche Folgen im Interesse der „Gewinner“ liegen. Droht ein solcher Konflikt zu eska-lieren, bestehen Möglichkeiten der „friedlichen“ Streitbeilegung durch Ein-schaltung Dritter: durch Verhandeln, durch Mediation, vor Gericht, durch ein Schiedsverfahren oder durch Schlichtung.

Ideale Verhandlungen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien über ihre Positionen reden, Begründungen für ihre Positionen darlegen, Lösungsmög-lichkeiten diskutieren und eine auf freier Entscheidung basierende Überein-kunft anstreben. Übereinkünfte sind wie Verträge zu sehen (Monatada § Kals, 2001).

In der Mediation haben die Parteien wie bei der Verhandlung Entscheidungs-freiheit bezüglich einer Übereinkunft und bezüglich des Abbruchs. Die Kon-trolle über den Prozess der Konfliktbearbeitung und der Suche nach Lösungs-möglichkeiten obliegt den Mediatoren. Mediation bedeutet Vermittlung, der Mediator unterstützt die Verhandlung zwischen den Parteien. Mediation hat sich aus der Verhandlungsforschung entwickelt, wie auch das einschlägige Universitätsprojekt Harvard Negotiation Project zeigt, auf das ich im folgenden noch ausführlicher eingehen werde. Im Gegensatz zu einem Richter oder Schiedsrichter ist ein Mediator nicht berechtigt, den Parteien eine Entscheidung aufzuerlegen. Das Ergebnis der Vermittlung wird vielmehr durch die Parteien bestimmt. Sie handeln eigenverantwortlich und freiwillig. Es handelt sich bei der Mediation um eine Verhandlung zwischen den Parteien, so dass dieses Ver-fahren nicht förmlich ist. Die Parteien können frei über die Verhandlungen entscheiden. Erfolgreiche Mediation trägt auch zur Entwicklung einer neuen Kultur der Austragung von Konflikten bei. Häufig wird für Mediation im deutschsprachigen Raum auch der Begriff Schlichtung verwendet, dies sollte vermieden werden, da dieser Begriff eine Entscheidungsgewalt implizieren könnte, die dem Mediator grundsätzlich nicht zur Verfügung steht. Angesichts des nicht förmlichen Charakters der Mediation gibt es keinen festen Ablauf (Haft, 2000). Im Gegensatz zur Verhandlung ist die professionelle Mediation kostenpflichtig. Diese können aber geringer sein als im Rahmen einer weiteren Konfliktlösungsmethode, der des Gerichtsverfahrens. Auch spricht das Argu­ment der Zeiteffizienz gegen einen Gerichtsprozess, der erst nach langer War-tezeit durchgeführt wird; ein Mediationsverfahren kann sofort beginnen. Der Rechtsweg steht offen, wenn der Konflikt verletzte Rechtsansprüche enthält und insofern justiziabel ist. Der Rechtsanspruch muss aus einem Gesetz, einem Richter- oder Schiedsspruch oder einem rechtsverbindlichen Vertrag ableitbar sein. Im Unterschied zur Verhandlung oder Mediation liegt die Kontrolle über die Entscheidung bei den Richtern. Statt einer Entscheidung können Richter auch einen Vergleich anregen, der von den Parteien angenommen werden muss. Hierbei reduzieren Richter ihre Funktion auf die einer Schiedsinstanz (Montada § Kals, 2001).

In verschiedenen Rechtsbereichen sind Schiedsstellen eingerichtet, die Strei-tigkeiten beilegen sollen. Kommt es hierbei nicht zu einer gütlichen Einigung, so entscheidet die Schiedsstelle durch Beschluss, der für vollstreckbar erklärt werden kann. Voraussetzung für ein solches Verfahren ist eine Schiedsverein-barung zwischen den Parteien. Dadurch wird der Rechtsweg zu den staatlichen Zivilgerichten ausgeschlossen. Der Schiedsspruch tritt an die Stelle eines Ur-teils eines staatlichen Gerichts (Kaller, 1996). Die Bestellung der Schiedsper-sonen ist Ländersache und die Wahl erfolgt beispielsweise in Nordrhein-Westfalen für die Dauer von fünf Jahren. Die Kosten sind niedrig, allerdings handelt es sich bei den Schiedspersonen um ehrenamtlich Tätige ohne fachli-che Ausbildung. Die Verhandlung ist mündlich und nicht öffentlich. Das Ver-fahren ist weniger einheitlich gestaltet als das Gerichtsverfahren oder der Me­diation (Montada § Kals, 2001).

Eine weitere Option in Konfliktfällen ist eine Schlichtung. Als Schlichter sind Personen (Schiedsleute) oder Instanzen (Schlichtungsstellen) von Gebietskör-perschaften bestellt. Die Schlichter werden um einen Entscheidungsvorschlag im Streitfall gebeten, es gibt keine formalen Vorschriften. Eine Schlichtung ist unter anderem für Arbeitsstreitigkeiten bei Verhandlungen über einen Tarifver-trag oder eine Betriebsvereinbarung gesetzlich vorgesehen. Der Vorschlag des Schlichters zur Einigung ist als solcher nicht rechtsverbindlich, sondern abhän-gig von der Annahme durch die Parteien. Im sonstigen sozialen Leben ist die Schlichtung als informelle Vermittlungstätigkeit durchaus verbreitet, ohne spe-zifische Regelungen. Jedermann kann in diesem Sinne tätig werden ohne be-stimmte Voraussetzungen zu erfüllen (Montada § Kals, 2001).

2.2 Interaktion und Kommunikation

2.2.1 Bedeutung von sozialer Interaktion und Kommunikation

Die meiste Zeit verbringen wir in Gesellschaft anderer Menschen und es ist sowohl im Privatleben als auch im Berufsleben wichtig, dass Interaktionen und zwischenmenschliche Beziehungen gewinnbringend und erfolgreich sind. Im Polizeiberuf ist Geschick im Umgang mit anderen Menschen eine wichtige berufliche Kompetenz. Interaktion heißt zunächst einmal Wechselwirkung; gemeint ist die wechselseitige Beeinflussung des Verhaltens von Individuen oder Gruppen. Sie liegt immer dann vor, wenn die Aktivität eines Menschen die Aktivität eines anderen Menschen auslöst. Die Verknüpfung von Interakti-on und sozial verweist auf die zwischenmenschliche wechselseitige Beeinflus-sung von Einstellungen, Erwartungen und Handlungen auf kommunikativem Wege. Durch Betonung der Kommunikation wird deutlich: Kommunikations-prozesse sind auch immer soziale Interaktionen. Jede Analyse einer sozialen Interaktion beinhaltet auch eine genaue Beobachtung des Kommunikationspro-zesses. In der Literatur wird eine klare Abgrenzung der Begriffe Interaktion und Kommunikation nicht getroffen. Man verwendet den Begriff Kommunika- tion eher dann, wenn es um den Austausch von Informationen geht und den Begriff der Interaktion, wenn eher die Form der Beziehung mehrerer Individu-en bedeutsam ist. Auf die Fragen wie Menschen miteinander umgehen und welche Bedingungen vorhanden sein müssen damit Beziehungen aufrechterhal-ten bleiben, gibt es je nach psychologischer Denkrichtung vielfältige Antwor-ten. Bei den so genannten Austauschtheorien (von Homans u. a.) geht es we-sentlich um eine Kosten-Nutzen-Abwägung in der Interaktion, also um lern-psychologische Gesetzmäßigkeiten. Andere Theorien richten das Hauptaugen-merk auf den Grad der jeweils erlebten Gerechtigkeit in der Interaktion (Equi-ty-Theorie von Adams und Walster). Theorieübergreifend lässt sich sagen, dass die Kompetenz zu interagieren etwas ist, das der Mensch vor allem in der frü-hen Sozialisation erlernt (Forgas, 1999). Um erfolgreich miteinander interagie-ren zu können, muss der Mensch vor allem in der Lage sein, die Menschen, mit denen er konfrontiert wird, richtig wahrzunehmen. Personenwahrnehmung kann als das erste, entscheidende Stadium jeder zwischenmenschlichen Inter-aktion betrachtet werden (Forgas 1999). Bei dem Aufbau falscher Erwartungen ist eine unzutreffende Kommunikation die Folge. Nach Altmann und Berndt (1994) ist Kommunikation im polizeilichen Sinne ein Prozess der Übermittlung von Befehlen und sonstigen Anordnungen, Mitteilungen, Anfragen, Meldungen usw. von einer Person zu einer anderen zu dem Zweck, einer anderen Person eine Information zu geben, von ihr eine Information zu erhalten oder Klarheit über eine Information zu schaffen bzw. Unklarheiten zu beseitigen.

2.2.2 Psychologische Grundlagen der Kommunikation

Das Erfassen und Erkennen der Umwelt ist eines der ursprünglichen Bedürf-nisse des Menschen. Informiertheit verleiht die notwendige Umweltstabilität in der sozialen Gruppe, und gerade die Arbeitswelt des einzelnen ist das Ereignis-feld, in dem unmittelbare Erfahrungen auch im Verhältnis zur Umwelt gesam-melt werden und aus dem sich Meinungen und Einstellungen herleiten. Aus dem Informationswunsch ist zunehmend eine Informationsforderung gewor-den. Diese Interessiertheit, vom allgemeinen Demokratiegedanken gefördert, strahlt selbstverständlich auch auf die innerorganisatorischen Geschehnisse aus.

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Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Chancen der Mediation als Verfahren zur Konfliktlösung innerhalb der Polizei
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,8
Autor
Jahr
2009
Seiten
88
Katalognummer
V135440
ISBN (eBook)
9783640435289
ISBN (Buch)
9783640435708
Dateigröße
792 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Topic_Polizei, Polizei, Konflikte, mediation
Arbeit zitieren
Nicole Klappert (Autor:in), 2009, Chancen der Mediation als Verfahren zur Konfliktlösung innerhalb der Polizei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135440

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