Die vorliegende Arbeit untersucht den kartographischen Einfluss auf die historische Entwicklung Polens als eine Nation. Grundlage bildet die Definition einer Nation im Verständnis von Benedict Anderson im Rahmen seines Werkes Imagined Communities(1991). Anderson definiert den Terminus „Nation“ als „[...] eine vorgestellte politische Gemeinschaft –vorgestellt als begrenzt und souverän“. Wenn eine Nation durch Begrenztheit, Souveränität und Gemeinschaft gekennzeichnet ist, diese Grundlagen aber in der Geschichte Polens mehrheitlich nicht gegeben waren, bekommen Karten dann eine umso bedeutendere Symbolik im Kreieren der Vorstellung einer Nation?
In Anlehnung an diese zentrale Frage besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit darin, am Beispiel Polens den Beitrag von Karten zur Bildung von kollektiven Identitäten und für die Konstruktion einer Nation im Sinne von Anderson, zu untersuchen. Grundlage der Argumentation bildet im ersten Abschnitt eine Analyse des Verhältnisses von Kartierung und Raum, sowie eine kurze Erläuterung des Verständnisses einer Nation nach Benedict Anderson, auf dessen Begriffsdefinition sich die zentrale Frage dieser Arbeit bezieht.
Im Mittelalter bildete Polen einen der größten Staaten Europas. Das Großreich erstreckte sich bis zum Schwarzen Meer. 1772 besaß das Land noch große Gebiete östlich der heutigen Grenzen zu Weißrussland, Litauen und der Ukraine. Ende des 18. Jahrhunderts verschwand das Reich auf einmal für 123 Jahre von der Landkarte, aber etablierte sich wieder innerhalb kürzester Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Die heutigen Grenzen Polens sind im Jahr 1945 entstanden. Ein Blick auf historische Karten dieses Landes zeigt eine Vielzahl von Teilungen und Grenzverschiebungen. In Anbetracht dieser variierenden territorialen Ausbreitung erhebt sich die Frage, wie dieses Land eine über hundertjährige Teilungszeit überstehen und außerdem ein National- und Identitätsgefühl entwickeln konnte. Welche Rolle spielen Karten dabei?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Was leisten Karten?
- Das Verhältnis von Kartierung und Raumproduktion
- Beschreibung und Erläuterung des theoretischen Zugangs
- Karten als Produzenten von sozialen Wirklichkeiten – Fallbeispiel Polen
- Beschreibung der Karten
- Kartenanalyse
- Die Hierarchien der Darstellung
- Vom „Schweigen“ der Karte
- Mental Maps
- Die Geometrien von Karten
- Symbolik & Farbwahl
- Blickwechsel: Die Nation - Alles nur ein Mythos?
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den Einfluss von Karten auf die historische Entwicklung Polens als Nation. Sie beleuchtet die Rolle von Karten im Kontext der Entstehung und Konstruktion einer nationalen Identität, indem sie den Zusammenhang zwischen Kartierung und Raumproduktion untersucht. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Frage, wie Karten zur Bildung von kollektiven Identitäten beitragen und welche Rolle sie im Prozess der Konstruktion einer „imagined community“ im Sinne von Benedict Anderson spielen.
- Das Verhältnis von Kartierung und Raumproduktion
- Die Rolle von Karten als Produzenten sozialer Wirklichkeiten
- Die Analyse von Karten im Hinblick auf Hierarchien der Darstellung, Verschwiegene Aspekte und die Geometrie von Karten
- Die Bedeutung von Symbolen und Farbwahl in Karten
- Die Kontingenz der Konstruktion einer Nation im Kontext historischer Veränderungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext Polens und die Forschungsfrage der Arbeit vor: Wie konnte Polen eine über hundertjährige Teilungszeit überstehen und ein National- und Identitätsgefühl entwickeln, obwohl die territorialen Grenzen des Landes stark variierten? Die Bedeutung von Karten im Hinblick auf diese Entwicklung steht im Zentrum der Untersuchung.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Frage, was Karten leisten. Es wird die Vorstellung von Karten als „objektive Abbildung eines realen Raums“ hinterfragt und der Zusammenhang zwischen Kartierung und der Produktion von Nationalräumen im Hinblick auf die Definition Andersons von „Nation“ als „imagined community“ beleuchtet. Karten strukturieren und produzieren Räume, indem sie Boden mit anderen Aspekten wie Grenzen oder Staatsterritorien verknüpfen. Sie sind damit ein Mittel der Repräsentation von Nationen und der Zuschreibung von Identitäten.
Kapitel 3 präsentiert die theoretische Grundlage der Arbeit, die in den Leitgedanken des Kartographie-Historikers Brian Harley im Rahmen der Kritischen Kartographie liegt. Harley argumentiert, dass Karten nicht nur als Abbild der Wirklichkeit, sondern auch als Produzenten sozialer Wirklichkeiten zu verstehen sind. Anhand von fünf Karten, die Polen im Zeitraum von seiner Gründung bis 2009 darstellen, werden verschiedene Aspekte einer diskurstheoretisch inspirierten Analyse untersucht, um zu erforschen, welche Bilder diese Karten für die Entwicklung Polens als Nation produzieren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der Kartographie, der Nation, der nationalen Identität, der Raumproduktion, der Imagined Communities, der Kritischen Kartographie und der Analyse von Karten im Kontext von Polen. Die zentralen Begriffe sind „imagined community“, „Karten als Produzenten sozialer Wirklichkeiten“, „Hierarchien der Darstellung“, „Mental Maps“ und „Symbolik & Farbwahl“ in Karten.
- Citation du texte
- Anonym (Auteur), 2017, Die kartographische Erfindung der Entwicklung einer Nation. Ein politisch kartographisches Narrativ zu Polen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1355975