Prolegomena zu einer Ethik der Schönheitschirurgie


Trabajo Escrito, 2007

25 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Besteht eine neue Körperbesessenheit?

Wer sein Glück in Vergnügungen,

Reichtum, Ruhm, Macht und Heldentum sucht,

ist so naiv wie ein Kind, das einen Regenbogen

einzufangen versucht, um ihn

wie einen Mantel zu tragen.

Dilgo Khyentse Rinpoche

Der Markt der Schönheitsoperationen boomt. Nicht nur um besser auszusehen oder das Äußere zu erhalten, legen sich immer mehr Menschen unter das Messer eines Schönheitschirurgen. Die Gründe sind mannigfaltig (In-Sein-Wollen, Mitreden-Können, etc.) und dies ist schon lange nicht mehr das Vorrecht der Reichen, denn mittlerweile nehmen alle Altersstufen beider Geschlechter aus allen Gesellschaftsschichten diese Dienstleistung in Anspruch. Bis zu 660.000 kosmetische Operationen werden jährlich in Deutschland durchgeführt. Die Tendenz ist steigend.[1] Weitere 400 000 kleine Eingriffe kommen hinzu, zum Beispiel das Aufspritzen der Lippen in der Mittagspause. 30 000 bis 50 000 Deutsche jährlich lassen sich gegen die Faltenbildung eine Botox-Injektion spritzen, in den Vereinigten Staaten sind es fast 2,8 Millionen Menschen (Stand von 2005)[2]. Die Idee der Botox-Partys erfasst mittlerweile auch den europäischen Kontinent, während der sich Frauen und Männer in den Wohnzimmern bei Champagner und Häppchen Spritzen setzen lassen mit „Botulinustoxin, dem stärksten Nervengift der Natur. Der Deal ist klar: statt Fältchen gefrorene Mimik.“[3]

„Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das nicht sein will, wie es ist,“[4] und das ist der Motor seiner ständigen Rastlosigkeit. Mit brisanter Geschwindigkeit bestehen in der Medizin immer neue Möglichkeiten, dieser Unstetigkeit zu entfliehen. Die angebotenen Erfüllungen der Medizin scheinen ins schier Unendliche zu laufen.

Im President´s Council of Bioethics[5] gibt der Titel “Beyond Therapie” schon klar zu verstehen wo die Zukunft liegen soll, die Medizin langsam den Bereich des Therapierens hinter sich zu lassen scheint und frei nach dem Untertitel „The Pursuit to Happiness“ den amerikanischen Traum der Jagd nach dem persönlichen Glück mit Hilfe der Biotechnologie anstrebt und zur weltweiten Verfolgung des Glücks startet. Nach dem Motto „Schön, Schöner, am Schönsten“ verfolgt das neu anzustrebende menschliche Abbild der Medizin ein einziges Leitmotiv: Optimierung ohne Maximum.

Auffällig bei diesem Trend ist eine klare Unvereinbarkeit zwischen Körperversessenheit und Körpervergessenheit. Der Leib als körperliche Darstellung des Ichs gerät außer Kontrolle. Das Image vom eigenen Körper wird karikiert durch die Manipulation von Medien und Medizin. Superdünne Models und Schauspielerinnen gelten als Orientierung der mit Gewalt inszenierten Körperideale der Gesellschaft. „Rigorose Körperentwürfe prägen das weibliche Körperideal in einer Gesellschaft, die ständig übergewichtiger wird.“[6] Sogar in der amerikanischen Armee werden zur Belohnung für Einsätze in Afghanistan oder im Irak kostenfreie Schönheitsoperationen angeboten, allein 496 Brustvergrößerungen zwischen 2000 und 2003.[7] Der wahre Hintergrund liegt allerdings auf einem anderen Gebiet. „Übungsmöglichkeiten für rekonstruktive Eingriffe nach entstellenden Verwundungen für die Army-Operateure.“[8]

Es handelt sich hier um kein neues Phänomen der Verschönerung des eigenen Körpers. Zu jeder Zeit wurde sich um seine Schönheit oder die Manipulation des Körpers gesorgt, der menschliche Körper nach vorgegebenen Schönheitsidealen angepasst. Beispiel hierfür sind die im alten Ägypten vorgenommenen Schädelverformungen, die Lippen-, Nasen- und Ohrläppchendurchbohrungen bei vielen indianischen Völkern Lateinamerikas oder die Fußeinbindungen bei Mädchen im alten China.[9] Diese frühen Körpermanipulationen waren eingebunden in einen überindividuellen ethnischen, rituellen und sozialen Zusammenhang und somit als ein „religiöser wie sozialer Akt kollektiver Sinnstiftung“[10] zu verstehen.

Ein ganz erheblicher Unterschied zwischen den frühen Mitteln der Körperverschönerung und den heutigen Maßnahmen liegt in der Individualisierung und Vermehrung der Techniken invasiver Selbstgestaltung.

„Die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten des Einzelnen in

vielen gesellschaftlichen Bereichen sind auch abhängig von einem

attraktiven Erscheinungsbild. Außerdem hat sich das Selbstverständnis

der so genannten älteren Generation gewandelt; dass Menschen bis ins

hohe Alter beruflich und gesellschaftlich aktiv bleiben ist keine Seltenheit.“[11]

In einer liberalen Gesellschaft mit multiplen Werten scheint allein dem Individuum die Verantwortung für seinen Körper zu gehören, „auch für die Veränderung des eigenen Körpers mittels der ästhetischen Chirurgie.“[12] Die gewollte ästhetische Selbstgestaltung wird von Menschen auf vielen Wegen vollzogen, zum Beispiel mit der Kleidung, der Kosmetik, der Pflege oder des Sports. „Diese Möglichkeit gehört zur conditio humana“[13] wie Wiesing angibt. Für ihn wäre im günstigsten Fall das verwendete Mittel der ästhetischen Chirurgie, „das zu einer besonderen Bewertung Anlass gibt.“[14] Somit dürften kaum triftige Gründe zu finden sein, dem Einzelnen dieses zu verbieten.

Wie Korczak bei der Untersuchung der umwerbenden Darstellung von ästhetischer Chirurgie herausgefunden hat, handelt es sich hierbei „um einen Markt, der nach Marktgesetzen organisiert ist.“[15] Mit Hilfe der geläufigen Marktgesetze nutzen die Anbieter die Möglichkeit keine genauen Zahlen der Umsätze herauszugeben. Dazu werden Nachfrage und Trends künstlich erzeugt, Produkte und Dienstleistungen mit angeblichen Erfolgsnachrichten angepriesen. Es finden Kennenlern-Aktionen statt oder Preisnachlässe werden angeboten. Hierdurch erzielt man Verteilungskämpfe und Marktkonzentration. Wie auch im restlichen Bereich des Gesundheitsmarkts üblich, besteht im Umfeld der ästhetischen Chirurgie augenscheinlich eine sehr gute Zusammenarbeit mit Erzeugern medizinischer Produkte, „die auch der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Praxis oder Klinik dienen.“[16]

Gleichzeitig hat sich in Verbindung mit dem Sektor der ästhetischen Chirurgie eine charakteristische Informationsindustrie herausgebildet und aufgebaut.

„Dazu gehören so genannte >Beauty-Zeitschriften<, redaktionelle

bzw. PR-Beiträge in Frauenzeitschriften und Lifestyle-Magazinen, Medizinführer und Gesundheitsportale im Internet.“[17]

Durch die Veröffentlichungen dieser Informationsanbieter ist es für den Patienten oder Kunden nicht eindeutig zu ersehen, ob die Meldungen der ästhetischen Chirurgie nun tatsächliche Fortentwicklungen enthalten oder nur neue Trends angestoßen werden sollen. Eine Mitteilung des Deutschen Depeschendienstes vom 20.12.2006 ist daher in keiner Weise verifizierbar:

„Schönheitsoperationen als Weihnachtsgeschenke erfreuen sich

offenbar zunehmender Beliebtheit. Es komme immer öfter vor,

dass der Ehemann statt eines Brilliantringes einen Gutschein für

eine solche Operation schenkt.“[18]

Bevor hier jedoch auf die möglichen Einwände oder Argumente gegen die Schönheitsoperation eingegangen wird, ist der Begriff der ästhetischen Chirurgie, oder wie sie auch im Volksmund genannt wird, der Schönheitsoperation, näher zu definieren.

Die Begriffsbildung wird erschwert, da die Begriffe „Schönheitschirurgie“, „Schönheitsoperation“, kosmetische Operation oder ästhetische Operation in Deutschland nicht eindeutig abgegrenzt sind.[19]

Bei „Schönheitsoperationen“ sprechen Ärzte von Patienten/innen, da es sich für die Ärzte um einen medizinischen Eingriff handelt. Jedoch werden „Schönheitsoperationen“ auch von gewerblichen Instituten angeboten und die Erbringung der Leistung bei nicht-medizinisch eingeschränkten Leistungen auf einer privatrechtlichen Vereinbarung erbracht. Hier besteht die klassische Situation von Angebot und Nachfrage. In dieser Situation sind die Patienten/innen berechtigt die Bezeichnung Kunde zu erhalten.

Die Wahl der Benennung Patient oder Kunde ist deswegen nicht unerheblich, da hierbei ganz differenzierte Gesichtspunkte zum Tragen kommen: der Patient hat eine andere Erwartung und Verhaltensweise als der Kunde . „Für Kunden gilt der Verbraucherschutz.“[20]

Werden abstehende Ohren im Vorschulalter „korrigiert“, kann dieses als therapeutisch geltender Eingriff angesehen werden, die Kosten übernimmt das Gesundheitssystem. „Nach Schuleintritt gilt derzeit die gleiche Operation in der Regel als ästhetische oder kosmetische Chirurgie, für die der Nutzer zu bezahlen hat.“[21]

Dazu kommt, dass immer mehr Ärzte auf die Wünsche von gesunden Menschen nach medizinischen Leistungen allein aus Gewinnsucht anstandslos eingehen. Dies ähnelt dem Apotheker, „der neben den rezeptpflichtigen Medikamenten auch Wünsche von nicht kranken Menschen nach Medikamenten mit gutem kommerziellem Erfolg befriedigt.“[22]

Was versteht man unter einer „Schönheitsoperation“?

Erst entwickeln wir die Vorstellung

Von einem „Ich“ und klammern uns daran,

dann entwickeln wir die Vorstellung „mein“

und klammern uns an die materielle Welt.

Wie Wasser in einem Mühlrad

drehen wir uns hilflos im Kreis.

Ich preise das alle Wesen einbeziehende Mitgefühl

Chandrakirti

Zur weiteren Beleuchtung des Themas ist eine nähere Definition des Gegenstandes notwendig und wichtig. Was ist nun genau eine „Schönheitsoperation“?

Im Rahmen der EU haben die European Union Medical Specialists und das Commitee of European Doctors folgende Definition erarbeitet:

[...]


[1] Ärzteblatt 2005

[2] Geisler, S. 3

[3] ebd., S. 7

[4] Gross, S. 5

[5] siehe Literaturhinweise

[6] Geisler, S. 9

[7] ebd. S. 9

[8] ebd. S. 9

[9] Rohr, S. 92

[10] Rohr, S. 93

[11] Dirschka, S. 36

[12] Wiesing, S. 140

[13] ebd., S 141

[14] ebd, S. 141

[15] Korczak, S. 87

[16] Korczak, S. 87

[17] ebd, S. 88

[18] Internet: Yahhoo

[19] ebd., S. 8

[20] ebd., S. 8

[21] Kettner, S. 9

[22] ebd., S. 10

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Prolegomena zu einer Ethik der Schönheitschirurgie
Universidad
University of Duisburg-Essen
Calificación
1,0
Autor
Año
2007
Páginas
25
No. de catálogo
V135681
ISBN (Ebook)
9783640438181
ISBN (Libro)
9783640438341
Tamaño de fichero
446 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Prolegomena, Ethik, Schönheitschirurgie
Citar trabajo
Thomas Wehrs (Autor), 2007, Prolegomena zu einer Ethik der Schönheitschirurgie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135681

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