Helmut Schmidt und die RAF


Seminar Paper, 2009

17 Pages, Grade: 2,0


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Gliederung

1. Einleitung

2. Die Geschichte der RAF
2.1. Die Entstehung

3. Helmut Schmidt und die 2. Generation
3.1. Die Lorenz-Entführung
3.2. Deutsche Botschaft in Stockholm
3.3. Der Stammheimer- Prozess und der Beginn des Terrorjahrs

4. Der „Deutsche Herbst“
4.1. Die Entführung Hanns-Martin Schleyers
4.2. Die Entführung der „Landshut“
4.3. Das Ende der Entführung Schleyers

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Während ich hier spreche, hören irgendwo sicher auch die schuldigen Täter zu. Sie mögen in diesem Augenblick ein triumphierendes Machtgefühl empfinden. Aber sie sollen sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf Dauer keine Chance, denn gegen den Terrorismus steht nicht nur der Wille der staatlichen Organe, gegen den Terror steht der Wille des ganzen Volkes.“(Helmut Schmidt)[1]

Es war der 5. September 1977, der Tag der Entführung Hanns Martin Schleyers, an dem Helmut Schmidt sich mit diesen Worten an die Bevölkerung der Bundesrepublik durch eine Fernsehansprache wandte.

Der „Deutsche Herbst“, der mit dieser Entführung seinen Höhepunkt fand, stellte den Bundeskanzler auf eine harte Probe.

Sieben Jahre kämpfte die „Rote Armee Fraktion“ bereits gegen den Kapitalismus, den Imperialismus und den Faschismus, den sie in der Bundesrepublik, ihrer Meinung nach abhängig von der USA, deren Vietnamkrieg sie rigoros ablehnten, sahen.

Der Terrorismus dieser RAF versetzte die Bundesrepublik in Angst und Schrecken und war die größte Herausforderung für die junge Republik nach dem 2. Weltkrieg.

Diese Ausnahmesituation führte dazu, dass es Gesetzesänderungen binnen weniger Tage gab, Politiker und Wirtschaftsvertreter um ihr Leben fürchten mussten und somit ein Zustand übermäßig polizeilicher Präsenz entstand.

Die Schleyer-Entführung und die Geiselnahme in dem Flugzeug „Landshut“ erforderten von der Bundesregierung psychisch zermürbende Entscheidungen. Auf der einen Seite standen der Schutz des Rechtsstaates und die Sicherheit der Bürger der Bundesrepublik und die Abwehr der Erpressbarkeit des Staates. Auf der anderen Seite ging es um unschuldige Menschenleben.

Die Zeit des Terrorismus ist für die Geschichte Deutschlands von besonderer Bedeutung, da sie bewies, dass sich der Rechtsstaat und die Demokratie durchzusetzen wussten und dieser stark genug war, sich einer solchen Herausforderung zu stellen.

Helmut Schmidt spielte dabei eine besondere Rolle, denn er hatte als Bundeskanzler die letzte Entscheidung zu treffen und zu tragen. Mit der harten Linie, die die Bundesregierung nach der Lorenz-Entführung vertrat, konnte die Sicherung des Staates auf lange Sicht erhalten bleiben.

In meiner Arbeit befasse ich mich zunächst mit der Geschichte der RAF, da diese für das Verständnis der Handlungen der Terroristen wie auch die Entscheidungen der Regierung enorm wichtig ist. Dabei befasse ich mich zunächst mit den Anfängen in den 68er Bewegungen, bis hin zum Jahre 1974, in dem Helmut Schmidt Bundeskanzler wurde.

Ab 1974 richtet sich mein Focus nicht nur auf die RAF sondern auch auf den amtierenden Bundeskanzler, der eine zentrale Person dieser Zeit darstellt und auf die, sich bildende 2. Generation der RAF. Entscheidende Ereignisse dieser Zeit waren die Entführung von Peter Lorenz und die Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm.

Mein Hauptaugenmerk in dieser Arbeit liegt auf dem „Deutschen Herbst“ mit der Entführung Hanns Martin Schleyers und der „Landshut“. Dabei werde ich auf der einen Seite die Taten der RAF schildern und auf der anderen Seite die Perspektive Helmut Schmidts betrachten, der die letztendliche Entscheidungskraft besaß und somit die Reaktion des Staates auf den Terror verkörperte.

Die wichtigste Erkenntnis wird sein, inwieweit Terrorismus einen Staat beeinflussen und wie dieser sich vor der eigenen Ohnmacht schützen kann.

2. Die Geschichte der RAF

2.1. Die Entstehung

Die Geschichte der RAF und deren Hintergründe begannen in den 1960er Jahren. Dass es in der Bundesrepublik zu einer radikalisierenden Opposition kommen konnte, lag vorrangig an der Verhinderung der Aufarbeitung und der Verdrängung des Faschismus der Nachkriegszeit. Die Hoffnung auf eine antinazistische und demokratische Gesellschaft wurde nicht erfüllt. Die Remilitarisierung, das Notstandsgesetz, das Verbot der KPD, sowie die Ermordung Benno Ohnsorgs am 2. Juni 1967 durch einen Polizisten während einer Demonstration zogen Proteste nach sich. Der Vietnamkrieg war den Demonstranten ein Dorn im Auge, wohingegen die Guerillakämpfe in Südamerika zum Vorbild wurden. Die entstandene Jugend- und Studentenbewegung orientierte sich an den Theorien des Marxismus und Leninismus.

Als am 2. April 1968 in Frankfurt zwei Kaufhäuser in Brand gesetzt wurden, war dies ein Protest gegen ein Massaker durch die USA in Vietnam, bei dem 500 Menschen starben. Die Täter waren unter anderem Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die bereits drei Tage später festgenommen wurden. Der von ihnen gestellte Revisionsantrag wurde abgelehnt, doch die Täter traten ihre restliche Haftstrafe nicht an, sondern flüchteten ins Ausland. Am 2. April 1970 wurde der zurückgekehrte Andreas Baader bei einer Fahrzeugkontrolle erneut verhaftet.[2]

Die daraufhin geplante Befreiungsaktion Baaders gilt als Geburtsstunde der RAF. Die Journalistin Ulrike Meinhof, die sich in dieser Zeit der Gruppe anschloss, gab vor mit Andreas Baader zusammen ein Buch zu verfassen. Am 14. Mai 1970 trafen sich die beiden im Lesesaal des Zentralinstituts für Sozialfragen in Berlin, wobei Baader durch Waffengewalt befreit wurde. Der Institutsangestellte Georg Linke wurde dabei lebensbedrohlich verletzt.[3]

Die Gründungsmitglieder der selbsternannten „Roten Armee Fraktion“ (RAF) gingen nach der Befreiung in die Illegalität und hielten sich von Juni bis Juli 1970 bei Einheiten der palästinensischen Befreiungsbewegung zur militärischen Ausbildung auf.[4]

Zurück in der Bundesrepublik lebten die Mitglieder im Untergrund. Sie verschafften sich durch gefälschte Ausweise neue Identitäten und Geld durch Banküberfälle. Ende September 1970 war die RAF für zwei Banküberfälle verantwortlich, durch die sie 209 000 Mark erbeuteten.[5]

Am 15. Juni 1970 veröffentlichte „Der Spiegel“ Tonbandaufnahmen von Ulrike Meinhof, in denen sie sich zu bewaffneten Aktionen gegen Polizisten äußerte.

„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in der Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werde.“[6]

Nach dieser Veröffentlichung wurden die Gruppenmitglieder durch Fahndungsplakate bundesweit gesucht, während das gesellschaftliche Klima geprägt wurde durch Hetzkampagnen gegen die RAF durch die Medien.

Im April 1971 veröffentlichte die RAF eine Schrift, dass das „Konzept Stadtguerilla“ genannt wurde. Darin beschrieben sie ihre Ziele und Ideen und gaben ihre Bezeichnung „Rote Armee Fraktion“ (RAF) sowie ihr künftiges Zeichen bekannt. Der inhaltliche Schwerpunkt lag auf der Begründung zum Antiimperialismus als Kampfform.[7]

Nachdem sich die RAF in ihrer Illegalität stabilisiert hatte, fanden die ersten Sprengstoffattentate im Mai 1972 statt. Darunter fielen Anschläge auf die Polizeidirektion in Augsburg und auf das Bayrische Landeskriminalamt in München, bei denen insgesamt 17 Menschen verletzt wurden. Am 19. Mai wurde das Verlagshaus Springer in Hamburg Ziel eines Anschlags, bei dem 38 Menschen verletzt wurden. Auch amerikanische Quartiere wurden bombardiert, wie zum Beispiel das US-Hauptquartier in Heidelberg, bei dem drei amerikanische Soldaten getötet und fünf verletzt wurden.

Im Juni 1972 konnten die Hauptmitglieder der RAF verhaftet werden. Sie waren Sonderhaftbedienungen unterworfen, die zum Beispiel eine strenge Einzelhaft beinhalteten. Die Inhaftierten demonstrierten gegen die von ihnen bezeichnete „Isolationsfolter“ mit Hungerstreik.[8]

Der RAF-Mitbegründer und später scharfer Kritiker Horst Mahler schrieb dazu aus dem Gefängnis, dass die Isolationsfolter ab 1974 lediglich Propaganda war. „Spätestens von diesem Zeitpunkt an war der Foltervorwurf nichts anderes als eine Propagandalüge, darauf berechnet, die Linke in der Bundesrepublik moralisch zu erpressen und Faschismus vorzutäuschen, um die brutalisierten Kampfformen zu legitimieren.“[9]

Am 9. November 1974 starb Holger Meins an den Folgen des Hungerstreiks.

3. Helmut Schmidt und die 2. Generation

3.1. Die Lorenz-Entführung

Die zweite Generation bildete sich nach der Festnahme der Protagonisten der RAF. Die Mitglieder fühlten sich mit den Gründungsmitgliedern und deren „Politik“ verbunden. Mit verantwortlich für diese Neugründung waren die Rechtsanwälte der ersten Generation Siegfried Haag und Roland Mayer. „Neben „Bestrafungsaktionen“ gegen Justizangehörige, die sie in Sachen „Isolationsfolter“ für verantwortlich hielten, war ihr vorrangiges Ziel, die RAF-Häftlinge –notfalls mit Gewalt- zu befreien.“[10]

Im selben Jahr wurde Helmut Schmidt, der Hamburger Sozialdemokrat zum 5. Bundeskanzler gewählt. Bis 1982 führte er dieses Amt aus, in dem es einer seiner schwierigsten Aufgaben war, sich mit der RAF auseinanderzusetzen.

Mit der Verhaftung der RAF-Hauptfiguren wurde irrtümlicher Weise angenommen, der Terrorismus sei in Deutschland vorbei. Am 27. Februar 1975 holte die zweite Generation jedoch zum Faustschlage gegen die Bundesregierung aus. Die so genannte „Bewegung 2. Juni“ entführte Peter Lorenz, den Berliner Spitzenkandidaten der CDU. Sie erpresste mit der Entführung direkt den Staat, da sie die Freilassung von vier inhaftierten Gruppenangehörigen, sowie die von zwei RAF-Mitgliedern forderten. Die Bundesregierung ging auf die Erpressung ein und flog die Verurteilten nach Aden in Jemen aus. Am 5. März wurde Peter Lorenz daraufhin freigelassen.

Helmut Schmidt war in dieser Ausnahmesituation der Entführung zweierlei gehandicapt. Zum einen war er körperlich durch einen Virus geschwächt. Zum anderen stellte die Entführung eine persönliche moralische Belastung dar, denn er hatte „zuvor im Berliner Wahlkampf die Forderung Peter Lorenz nach einem Mehr an innerer Sicherheit auf eher geschmacklose Weise verhöhnt“[11], wofür er sich später entschuldigte.

Die Entscheidung, ob der Forderung nachzugehen sei, lag in Berlin und bei den Ländern, in den die Freizulassenden inhaftiert waren. Trotzdem wurde in Bonn ein Gremium gebildet, da durch diese Entführung der gesamte Staat erpresst wurde.

Die Union und der Berliner Senat sprachen sich für die Freilassung der Inhaftierten und somit die Rettungen von Peter Lorenz Leben aus. Vor allem vertrat Helmut Kohl diese Meinung auch mit dem Hintergrund, dass die CDU in Berlin auf dem Weg zur stärksten Partei war und die Mehrheit der Bevölkerung das Leben von Peter Lorenz über die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung stellte.

Der Justizminister Hans-Jochen Vogel und auch Helmut Schmidt äußerten ihre Bedenken für dieses Vorgehen. Vogel war der Ansicht, dass man mit der Auslieferung der Terroristen die Macht in die Hand dieser Menschen legen würde. „Die friedens- und lebensschützende Kraft des Staates werde dadurch empfindlich beeinträchtigt. Die endgültige Entscheidung sei deshalb nicht eine rechtliche, sondern eine staatspolitische.“[12] Die Sozialdemokraten mussten sich jedoch fügen, da die Entscheidung im Berliner Senat bereits gefallen war. Es war „Teil der Doppelstrategie der Union, die einerseits den Kanzler in die Mitverantwortung für etwas einbeziehen wollte, was entschieden war, anderseits bei ihrem öffentlichen Vorwurf, die Parteien der Koalition, besonders die SPD, verharmlosten die Gefahren des Terrorismus, völlig freie Hand behalten wollte.“[13]

Helmut Schmidt bekräftigte 30 Jahre später noch einmal seine damaligen Bedenken. „(...) Ich habe am nächsten Morgen gewusst: das war ein Fehler, was wir gemacht hatten, weil es einlud, das Manöver zu wiederholen.“[14]

3.2. Deutsche Botschaft in Stockholm

Dass er mit seiner Vermutung Recht behielt, zeigte sich bereits sieben Wochen später. In der Bundesrepublik waren die Fahndungen erheblich verstärkt worden, weswegen sich die Terroristen Ziele im europäischen Ausland suchten. Am 24. April 1975 überfielen sechs Terroristen die deutsche Botschaft in Stockholm. Es wurden 12 Geiseln festgehalten, die gegen 26 inhaftierte Terroristen eingetauscht werden sollten.

Helmut Schmidt berief daraufhin den Großen Krisenstab bestehend aus den politischen Führungsspitzen und teilte seine Entscheidung mit: „Meine Herren, mein ganzer Instinkt sagt mir, dass wir nicht nachgeben dürfen.“[15]

Das Nichtnachgeben der Bundesregierung hatte zur Folge, dass der Militärattaché Andreas von Mirbach und der Wirtschaftsreferent Heinz Hillegart erschossen wurden. Kurz vor Mitternacht explodierte, aus ungeklärten Gründen, im Botschaftsgebäude eine Bombe, wobei Ulrich Wessel vom RAF-Kommando ums Leben kommt. Siegfried Hauser wurde schwer verletzt nach Stammheim geflogen, wo er am 5. Mai starb.[16] Alle Geiseln konnten befreit werden.

Da diese Geiselnahme relativ glimpflich ausgegangen war, wurde Helmut Schmidt von peinigenden Fragen verschont und fand nachträgliche Unterstützung für sein Handeln. Er erklärte in seiner Bundestagsrede, dass er bereit sei an die Grenzen des Rechtsstaats zu gehen, um den Staat zu schützen. Diese Haltung festigte er noch einmal während eines Spiegel-Interviews mit den Worten: „Denen musste doch mal gezeigt werden, dass es einen Willen gibt, der stärker ist als ihrer.“[17]

Nach diesem Attentat „hinterlegte er im Kanzleramt eine mit Frau Loki abgesprochene schriftliche Verfügung: Für den Fall, dass einer von beiden gekidnappt werde, dürfe keinesfalls ausgetauscht werden.“[18]

[...]


[1] Pflieger, Klaus: Die Aktion „Spindy“, S.35

[2] Vgl., Pflieger, Klaus: Die Aktion „Spindy“, S.11

[3] Vgl., Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 24-28

[4] Vgl., Peters, Butz: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF, S. 833

[5] Vgl., Der Spiegel Nr. 40, 01.10.2007, S. 75

[6] Der Spiegel Nr. 25, 15.06.1970, S. 75

[7] Vgl., Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 244

[8] Vgl., Pflieger, Klaus: Die Aktion „Spindy“, S.14

[9] Der Spiegel Nr.50, 11.12.1978, S.62

[10] Pflieger, Klaus: Die Aktion „Spindy“, S.15

[11] Soell, Hartmut: Helmut Schmidt, S.648

[12] Ebd., S.649

[13] Ebd., S.651

[14] Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, S.450

[15] Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, S.453

[16] Vgl. ebd., S.456

[17] Der Spiegel Nr.18, 28.04.1975, S.26

[18] Noak, Hans-Joachim: Helmut Schmidt, S.179

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Helmut Schmidt und die RAF
College
University of Göttingen
Course
Seminar für Parteiengeschichte
Grade
2,0
Author
Year
2009
Pages
17
Catalog Number
V135737
ISBN (eBook)
9783640445950
ISBN (Book)
9783640446070
File size
473 KB
Language
German
Keywords
Helmut, Schmidt
Quote paper
Kendra Schmidt (Author), 2009, Helmut Schmidt und die RAF, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135737

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